Road to Ironman Frankfurt – Teil 1: Wie schafft man als berufstätiger Familienvater mit 40-Stunden-Job ein ordentliches Finish bei einem Langdistanz-Triathlon über 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen? Rennrad-News macht den Selbstversuch und wird bis zum August regelmäßig über alle Aspekte des Trainings und einer sinnvollen Vorbereitung berichten. Los geht es mit einem ersten Leistungstest zur Standortbestimmung. Warum dieser recht ernüchternd war, lest ihr hier.
Was ist Road to Ironman Frankfurt?
„Road to Ironman Frankfurt“ ist der Titel für ein Projekt, bei dem wir euch sozusagen hautnah zeigen möchten, wie man sich als Amateursportler möglichst sinnvoll und strukturiert auf eine herausfordernde sportliche Aufgabe vorbereiten kann. Wir begleiten dazu unseren Redakteur Harry von Beginn des spezifischen Trainings bis zum hoffentlich erfolgreichen Zieleinlauf und etwas darüber hinaus. Es wird dabei nicht um das Training eines Profis mit Traum-Leistungswerten gehen, sondern viel mehr um die sinnvolle Vorbereitung eines sportlichen engagierten Amateurs, der einer Vollzeit-Tätigkeit nachgeht und seine Familie mit Frau und zwei Kindern nicht vernachlässigen möchte.
Ziel der ganzen Aktion ist der Zieleinlauf beim Ironman in Frankfurt am Main am 18. August. Eigentlich sollte das Projekt schon Anfang Dezember starten. Doch es ging gleich los mit einem heftigen „Realitätsabgleich Plan und Wirklichkeit“. Gleich eine ganze Kaskade von hartnäckigen Erkältungen und eine Covid-Erkrankung machten jedwedem sinnvollem und erwähnenswertem Training einen Strich durch die Rechnung. An strukturierten Formaufbau war für rund sechs Wochen nicht zu denken, deshalb der verzögerte Start jetzt im Februar. Ab sofort werden wir das ganze Jahr über regelmäßig vom Training und der Vorbereitung berichten und dabei viele Aspekte zu den Themen Trainingssteuerung, Trainingsbereiche, Zeitmanagement, Trainingsmethoden, Technik, Ausrüstung und vieles mehr beleuchten.
Vorgeschichte: Wer ist Harry?
Der Ironman Frankfurt wird nicht mein erster Langdistanz-Triathlon sein, im Jahr 2021 stand die Premiere beim Ironman Kopenhagen auf dem Plan, im vergangenen Jahr der Start bei der Challenge Roth. Auf beide Rennen hatte ich mich in Eigenregie anhand eines gekauften Trainingsplanes vorbereitet und glücklicherweise beide Rennen auch recht ordentlich unter 11 Stunden beenden können.
Jetzt wollen wir schauen, ob es mit professioneller Unterstützung nicht noch besser laufen kann. Was ändert sich, wenn das Training von Profis gesteuert wird? Wenn anhand von Leistungstests auf wissenschaftlicher Basis Daten erhoben werden, mit denen sich die Belastungen in der Vorbereitung feinsteuern lassen? Sind noch signifikante Steigerungen auch in meinem Alter von 53 Jahren möglich oder muss man sich eher auf den Erhalt des Status quo konzentrieren?
Wir möchten zu eigenen sportlichen Projekten anregen und Tipps und Tricks für Training und Vorbereitung geben.
Rennrad-News.de – Road to Ironman Frankfurt
Diese und viele, viele weitere Fragen hoffen wir bis zum August beantworten zu können und wir hoffen, dass wir den ein oder anderen Leser motivieren können, selbst ein sportliches Ziel ins Auge zu fassen und dieses konsequent zu verfolgen. Wer schon Pläne für ein sportliches Event hat, wird im besten Fall viele Anregungen und Tipps und Tricks bekommen und hoffentlich die ein oder andere Erkenntnis für sein eigenes Training und eine ordentliche Vorbereitung auf sein ganz persönliches sportliches Highlight nutzen können. Und ihr könnt über die Kommentare im Forum natürlich jederzeit zusätzliche Fragen loswerden.
Leistungstest zur Standortbestimmung
Beim Training begleiten wird mich mit iQ athletik aus Frankfurt ein renommiertes Trainingsinstitut mit viel Erfahrung in diesem Bereich. Die Mitarbeiter sind in der Regel Sportwissenschaftler und betreuen sowohl Profis, als auch Freizeit- und Breitensportler aus ganz vielen Disziplinen. Zu den Kunden gehören auch Top-Triathleten wie Patrick Lange oder Fußballvereine aus der Bundesliga. Als Partner des Olympiastützpunkt Hessen betreut iQ athletik zudem Spitzenleichtathleten und Top-Ruderer.
Um das Training in den effektivsten Bereichen planen zu können, ist zunächst eine Standortbestimmung notwendig, mit der sozusagen die Ausgangsbasis ermittelt wird. Dazu habe ich bei iQ athletik einen Stufentest mit genau dem Rad gemacht, das auch später im Wettkampf benutzt wird. Das hat den Vorteil, dass man in der gewohnten Sitzposition testen und dazu passende Leistungswerte ermitteln kann.
Wie die Tests genau funktionieren und was dabei im Einzelnen gemessen wird, werden wir in einem späteren Artikel noch genauer beleuchten. Gegenwärtig sei nur so viel gesagt, dass aktuell ein Leistungstest mit Laktatdiagnostik und Spiroergometrie (Atemgasanalyse) durchgeführt wurde. Dabei erfolgt eine Analyse aller wichtigen Belastungsparameter: Kreislaufsystem, Atmung und Stoffwechsel.
Gefahren wird auf dem Zeitfahrrad jeweils drei Minuten auf jeder Belastungsstufe, mit 30 Watt pro Stufe ansteigend. Start bei 100 Watt, dann 130 Watt, 160 Watt, 190 Watt usw. Am Ende jeder Stufe wird über einen Tropfen Blut aus dem Ohr jeweils der Laktatwert bestimmt. Die Zusammensetzung der Atemgase wird permanent über eine Maske gemessen. Das ist für mich zwar etwas ungewohnt und komisch, doch nach ein paar Minuten habe ich mit steigender Belastung andere Sorgen und vergesse die Maske. Auf der 280-Watt-Stufe ist nach gut einer Minute Feierabend für mich, trotz der Anfeuerung meiner neuen Trainerin Ronja Klees und meinem Kollegen Arne, der zum Fotografieren mitgekommen ist. Mein Puls ist dabei auf 187 Schläge gestiegen. Die Faustformel für den Maximalpuls 220 minus Lebensalter passt also schon mal nicht für mich. Das gibt mir zumindest für einen kurzen Moment das Gefühl, ein gut trainierter Sportler zu sein.
Die Wahrheit kommt nach dem Duschen beim Auswertungsgespräch mit Ronja. Dass ich aufgrund der krankheitsbedingten sechswöchigen Trainingspause vor Weihnachten alles andere als fit bin, war mir schon vor dem Test klar. Dass sechs Wochen allerdings tatsächlich ausreichen, um mich so weit herunterzufahren, ist dann doch ernüchternd. Die gemessene Leistung an der individuellen Anaeroben Schwelle (IAS) von 193 Watt spricht klare Worte und zaubert mir alles andere als ein Lächeln ins Gesicht, denn insgeheim hatte ich schon gehofft, etwas näher an meinen früheren, selbst ermittelten FTP-Werten zwischen 210 und 230 Watt zu landen.
Doch Ronja sieht meine zweifelnden Blicke und versichert, dass dies kein Grund zur Sorge sei. Nach einer so langen Pause fahre das System nun mal recht weit herunter. Mit einer etwas aggressiveren Auslegung des Testes, könnte jeder einen höheren FTP-Wert erreichen als eigentlich gut für ihn ist, zwinkert sie mir zu. Und sie empfiehlt mir, dass ich mich ganz vom FTP-Wert lösen sollte – auch beim Rollentraining. Ein FTP-Test zu Hause liefere oftmals viel zu hohe Werte und helfe auch nicht wirklich bei der Trainingssteuerung, erklärt mir Ronja. Er spiegele auch weder die Leistung an der IAS wider (hier bestünde viel Irrglaube), noch gäbe er wichtigen Aufschluss darüber, wie eine Leistung erbracht wird und folglich auch trainiert werden sollte.
Wer schon jetzt mehr zum Thema FTP lesen möchte, findet hier eine Einschätzung von iQ athletik zum Thema FTP-Test. Ansonsten werden wir in einem weiteren Artikel auch noch näher darauf eingehen.
Sehr interessant ist zudem die Kurve, die den Sauerstoffpuls zeigt, also die Menge Sauerstoff, die pro Herzschlag durch meinen Körper transportiert wird. Hier weist mich Ronja darauf hin, dass „meine“ Kurve ab einer bestimmten Leistung mit steigender Belastung nicht mehr weiter ansteigt, was sie unter normalen Umständen jedoch tun sollte. Das sei ein Bild, was man sehr häufig nach einer Corona-Erkrankung beobachten könne, berichtet Ronja aus ihrer Erfahrung der vergangenen Monate und Jahre. Besorgniserregend sei das in meinem Fall jedoch nicht und es verschwinde in der Regel nach ein paar Wochen wieder. Sollte dem nicht so sein oder der Athlet stärkere Einschränkungen verspüren, könne eine genaue Abklärung aber nur bei einem Arzt erfolgen.
Beruhigend für mich, dass ich schon zwei Wochen vor dem Test bei iQ athletik einen Check beim Arzt mit Belastungs-EKG habe machen lassen. Ich wollte einfach Gewissheit haben, dass ich nach der Infektion wieder voll ins Training einsteigen kann.
Realistische Zielsetzung
Was ich denn erreichen möchte beim Ironman Frankfurt, ist natürlich eine durchaus wichtige Frage meiner Trainerin. Ball flach halten! Mein klares Ziel ist ein Finish unter 11 Stunden und ein ordentlicher Zieleinlauf, ohne vorher kilometerlang gewandert zu sein. Das war mir in Kopenhagen und Roth halbwegs gelungen und so soll es auch bei meinem Heimrennen funktionieren, wünsche ich mir. Wobei hier im August ein Schwimmen mit Neo-Verbot „droht“, was meinen Plan nachhaltig durchkreuzen könnte. Doch dazu in einer späteren Folge mehr.
Das sei durchaus realistisch, meint Ronja, auch wenn mein eigentlicher Trainingsstart ungewollt um acht Wochen nach hinten geschoben wurde. Die absolvierten Lebenskilometer seien auf jeden Fall in meinem Körper gespeichert und müssten nur wieder reaktiviert werden. Und wenn ich ihre Trainings-Vorgaben ordentlich erfülle, sei vielleicht auch eine neue persönliche Bestzeit möglich, macht sie mir Mut.
Start des strukturierten Trainings
Die ersten Trainingswochen werden recht langweilig werden, aber da musst du durch!
Sport- und Gesundheitswissenschaftlerin Ronja Klees
Aufgrund meiner Testergebnisse werde mein Training in den nächsten Wochen allerdings recht eintönig, warnt mich meine Trainerin. Aber das sei nun mal nicht zu ändern. Zuallererst muss meine Laktatkurve wieder flacher werden und dazu muss nun mal lange im Grundlagenbereich trainiert werden. Dass ich bei Regen und Kälte nicht gerne draußen fahre und Rolleneinheiten über 2:30 Stunden meine Netflix-Serientauglichkeit übersteigen, entlockt Ronja nur ein mitleidiges Lächeln. „Sie möchte wohl längere Einheiten“, wird mir klar und ich hoffe auf einen warmen Frühling in Mitteldeutschland.
Was interessiert euch ganz besonders zum Thema Training?
Hier lest ihr alle Artikel zur Serie „Road to Ironman Frankfurt“ auf Rennrad-News
- King of the Lake Attersee – Mitgefahren!: Saisonabschluss mit brennenden Beinen
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 9: Bike und Technik für den Radsplit
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 8: Das Rennen – Ziel verfehlt aber überlebt
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 7: Finaler Pacing-Test zum Rennen
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 6: Warum Triathlon-Bekleidung 2.000 € kosten kann
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 5: Finaler Race-Test und Trainingsendspurt
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 4: Vorbereitungsrennen Challenge Walchsee
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 3: Bikefitting und Trainingsintensivierung
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 2: Der Renn-Fahrplan plus Bonus steht
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