Road to Ironman Frankfurt – Teil 8: Eine Magen-Darm-Infektion eine Woche vor dem Rennen gibt noch mal einen kleinen Dämpfer, doch am Renntag steht Rennrad-News Redakteur Harald Englert am Langener Waldsee am Start. So ist es ihm auf den 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen ergangen.
Wie schafft man als berufstätiger Familienvater mit 40-Stunden-Job ein ordentliches Finish bei einem Langdistanz-Triathlon über 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen? Rennrad-News Redakteur Harald Englert hat den Selbstversuch gemacht und stand am 18. August beim Ironman Frankfurt am Start. Hier lest ihr, wie es ihm am Renntag erging.
Frühes Problem
„Ja, du kannst dich gerne hier am Board festhalten, das ist erlaubt“, bestätigte die freundliche Helferin von der DLRG auf ihrem SUP meinen spontanen Rettungsplan nach rund 40 Minuten auf der Schwimmstrecke. Kurz zuvor war mir ein Krampf in die linke Wade gefahren, der ein Weiterschwimmen kurzzeitig unmöglich machte. Einer der fiesen Sorte, bei der sich der Muskel komplett verhärtet und nicht einfach wieder lockert. Irgendwie hatte ich es trotzdem quer über die Schwimmstrecke geschafft und hielt mich mit den Händen an dem Board fest, während ich von unten meinen Fuß an das Brett stellte und versuchte meine Wade wieder irgendwie „aufzubekommen“.
Davor lag ein frühes Aufstehen um 3:30 Uhr, die Anreise im strömenden Regen mit ein paar Gleichgesinnten inklusive Fachsimpelei über den richtigen Reifendruck bei kühlen Temperaturen und nasser Straße und schließlich die finale Vorbereitung in der morgendlichen Dunkelheit in der Wechselzone. Dass mir bei Neoverbot kein leichter Wettkampf bevorstehen würde, war vom Zeitpunkt der Anmeldung an klar. Nicht umsonst hatte ich meine zwei vorherigen Langdistanzen an Orten geplant, die mehr oder weniger eine unausgesprochene Neopren-Garantie bieten.
Bei meinem Heimrennen in Frankfurt am Main wollte ich trotz der häufig warmen Wassertemperaturen trotzdem einmal starten und hoffte, dass ich mir die notwendigen Schwimm-Fähigkeiten schon irgendwie antrainieren könnte. Ein Trugschluss, der mir spätestens am SUP hängend schmerzlich und final klar wurde. Dabei war es mir in den Wochen zuvor dank des Zuspruches meiner Trainerin Ronja Klees von iQ Athletik (obwohl eigentlich nur das Bike- und Lauftraining vereinbart war) immerhin ein paar Mal gelungen weit über drei Kilometer bei der Vorbereitung im heimischen See zu schwimmen – und zwar weitestgehend ohne Krampfproblematik. Das hatte mir natürlich Hoffnung gegeben und ich war durchaus zuversichtlich ins Rennen gestartet.
Doch es bestätigt sich leider immer wieder, dass das Schwimmen im Wettkampf etwas anderes als beim Training ist. Man kann selten seinen eigenen Rhythmus für lange Zeit schwimmen, man muss sich orientieren, man muss auf die anderen Teilnehmer um einen herum achten und mit dem aufgewühlten Wasser klarkommen.
Nach einer Weile schaffte ich es auf jeden Fall irgendwie meine Muskulatur wieder ein wenig lockerer zu bekommen und entschloss mich weiter zu schwimmen. Erst einmal bis zur nächsten Boje und schauen, wie es geht, und dann zur nächsten und zur nächsten und so weiter, bis endlich nach einer gefühlten Ewigkeit und 1:32 Stunden auf der Uhr der Schwimmausstieg erreicht war.
Mit wackligen Beinen konnte ich meine Hassdisziplin endlich verlassen und mein Rennen beginnen – dachte ich zumindest. Doch schon nach wenigen Metern auf dem Sandstrand war mir klar, dass mich die schmerzende Wade für den Rest des Tages begleiten würde und auch meine Oberschenkel im Wasser extrem gelitten hatten. Schon hier war offensichtlich, dass der Tag länger würde als geplant.
Beim Radfahren keimt Hoffnung auf
Endlich auf dem Rad, verbesserte sich meine Stimmung schnell. Der starke Regen hatte aufgehört und ich fand rasch einen guten Rhythmus, mit dem ich viele Kontrahenten überholen konnte. Ich bemerkte jedoch auch früh, dass ich beim Schwimmen so viel Energie gelassen hatte, dass ich mich mehr oder weniger permanent an der Schwelle zu weiteren Muskelkrämpfe in den Beinen entlang hangelte. Vor allem an den wenigen Anstiegen wurde das mehr als deutlich. Sobald ich aus dem Sattel ging und versuchte einen kurzen Anstieg „hoch zu drücken“, beschwerten sich die Oberschenkel.
Also kleine Gänge nutzen, Trittfrequenz hochhalten und so versuchen einen weiteren Krampf zu umgehen. Abgesehen davon, lief die erste Runde fast planmäßig, zwar nicht ganz mit den angestrebten 180 Watt NP, aber auch nicht allzu weit davon entfernt. Begleitet natürlich mit einigen Höhen und Tiefen, denn 180 Kilometer verlaufen selten komplett gleichmäßig. Auf den letzten 60 Kilometern wurden die Beine jedoch schwerer und ich konnte nicht mehr ganz die Werte der ersten Runde erreichen. Und das, obwohl ich mich im unteren Korridor der Empfehlung des Pacing-Test bewegte.
Trotzdem fuhr ich mit 5:10 Stunden und einem 34er-Schnitt meine persönliche Bestzeit auf dem Rad und konnte mich auch darüber freuen. Gleichzeitig war mir bewusst, dass der folgende Marathon schwieriger als bei meinen bisherigen Langdistanz-Rennen würde. Beim Anziehen der Laufschuhe gab es – wie zur Bestätigung – noch ein paar leichte Krämpfe in beiden Oberschenkeln, aber zum Glück nicht zu vergleichen mit dem Wadenbeißer vom frühen Morgen, der mir für den Rest des Tages noch viel Freude bereiten sollte.
Beschwerlicher Marathon
Obwohl ich versuchte die Geschwindigkeit von Beginn an zu drosseln, erinnerten sich meine Beine wohl am besten an das übliche Tempo der vielen Laufkilometer der letzten Trainings-Wochen und trugen mich mit rund 5:10 Minuten pro Kilometer durch die erste Runde. Dann wurde es jedoch schnell zäh. Pace 05:40 und langsamer und dann die gefürchteten Gehpausen. Wenn man am liebsten aussteigen möchte, weil der Körper nicht mehr so will wie der Geist, lässt man sich gerne hinreißen, an jeder Verpflegungsstation ein paar Schritte zu gehen, die Pace fällt weiter nach unten, die Motivation ebenso.
Ja, ich gebe es zu, ich habe auch ans Aufhören gedacht, vor allem als mein Ziel unter 11 Stunden zu bleiben nach der zweiten von vier Laufrunden endgültig geplatzt war. Aber ganz auszusteigen, solange es ja eigentlich noch irgendwie geht zu laufen, schien mir dann doch zu einfach. Auch wenn es viele Erklärungen nach dem Rennen erspart hätte: Wade kaputt – Laufen nicht mehr möglich – Feierabend.
Aber ich habe mich zum Glück anders entschieden und mal wieder die Herangehensweise geändert. Jetzt ging es nur noch darum von einer Verpflegungsstation zur nächsten zu kommen und damit von Gehpause zu Gehpause so lange und schnell wie möglich zu laufen. Gegen die Schmerzen und gegen den Drang aufzuhören. Dabei habe ich versucht, mich mehr auf die wirklich super Stimmung am Streckenrand zu fokussieren und das Laufen dabei ein wenig zu vergessen. Als würde ich einfach am Mainufer entlang joggen.
Wenn tausende Leute an der Strecke stehen und meist wildfremde Sportler zum Teil frenetisch anfeuern, dann hat das schon eine spezielle Energie. Zudem kommt man auch immer mal wieder mit dem ein oder anderen Mitstreiter ins Gespräch und macht einander Mut. Außerdem wurde ich in jeder Runde aufs neue von meiner Frau und einigen Freunden unterstützt weiterzumachen. Also wieder weiter zur nächsten Verpflegungsstation, zum nächsten Fan-Nest, zur Ehefrau, den Kumpels und immer weiter, bis man schließlich nur noch den kleinen Berg zum Zieleinlauf vor sich hat und mit einem breiten Grinsen über die Ziellinie marschieren kann.
Am Ende stehen 4:29 Stunden für den Marathon und 11:26 Stunden gesamt auf der Uhr. Damit war ich final rund eine halbe Stunde zu langsam für mein selbst gestecktes Ziel, unter 11 Stunden zu bleiben. Mit einer Marathon-Zeit unter vier Stunden wäre ich trotz der Misere beim Schwimmen noch im Plan geblieben, aber die Beinmuskulatur und vor allem die linke Wade waren einfach zu lädiert, um noch einen ordentlichen Marathon zu laufen. Es hat an diesem Tag nicht sollen sein. Punkt.
Fazit zum Rennen
Am Mittwoch nach dem Rennen sitze ich nun zu Hause am Rechner und darf diesen Text verfassen. Die linke Wade will noch immer nicht in ihren Dienst zurückkehren und ist leicht angeschwollen. Aber trotzdem bin ich froh, dass ich nicht aufgegeben habe, sondern es akzeptiert habe, dass es an diesem Tag unter diesen Voraussetzungen einfach nicht schneller ging. Das Heimrennen ist geschafft, die Medaille liegt im Schrank und ich habe wieder mehr Zeit für die Familie und andere Dinge im Leben.
Und ich bin wirklich sehr froh, dass ich das große Glück habe, einen gesunden Körper zu haben, der mir immer noch solche sportlichen Ausflüge erlaubt. Natürlich bin ich darüber enttäuscht, dass ich schon nach dem Schwimmen mehr oder weniger am Ende war und ich es eben nicht geschafft hatte, mir vorher die entsprechende Schwimmleistung anzutrainieren. Aber ich habe es versucht, und das ist für mich persönlich die bessere Lösung gewesen, als das Rennen zu Hause auf der Couch zu verfolgen. Und ich habe immerhin einen Ironman mit Neoverbot absolviert, woran ich vor einigen Wochen noch echte Zweifel hatte.
Auch in der Analyse mit meiner Trainerin Ronja Klees von iQ Athletik waren wir beide der Meinung, dass wir uns nichts vorzuwerfen haben. Vielleicht hätte ich mich in Sachen Schwimmen auf noch mehr Hilfe einlassen sollen, denn ich hatte das Schwimmtraining auf meinen eigenen Wunsch hin selbst gestaltet. Hinsichtlich Radfahren und Laufen fühlte ich mich jedenfalls optimal betreut und die enormen Leistungsfortschritte während der Vorbereitung waren nicht nur zu spüren, sondern auch mit Daten belegbar. An der technischen Ausrüstung lag es ebenfalls nicht, hier durfte ich aufgrund meines Berufes schließlich aus dem Vollen schöpfen. Schade, dass ich die im Training geschafften Möglichkeiten im Rennen nicht wirklich final ausschöpfen konnte.
Die Vorbereitung lief nicht problemlos, es gab Krankheiten, Rückenschmerzen, Hüftbeschwerden und einige andere Wehwehchen, die manche Trainingseinheit platzen ließen. Auch der Magen-Darminfekt eine Woche vor dem Rennen hat ganz sicher nicht geholfen, dennoch fühlte ich mich am Rennmorgen gut vorbereitet und war sicher das Ziel zu erreichen. Dass es letztlich länger dauerte als geplant, kann bei einem Langdistanz-Triathlon immer passieren, es ist nun mal so oder so ein langer Tag. Ohne Neopren-Verbot wäre mein Tag vermutlich besser verlaufen, aber eine Gewissheit ist auch das nicht. In ein paar Tagen werde ich hoffentlich froh darüber sein, meine persönliche Radbestzeit gefahren zu sein und trotz Notstopp beim Schwimmen das Rennen noch ins Ziel gebracht zu haben.
An dieser Stelle schon mal ein ganz besonders großer Dank an alle, die dieses Projekt unterstützt haben! Und wir sind noch nicht ganz am Ende, denn es steht ja noch das Zeitfahren am Attersee, der „King of the Lake“, am 21. September im Kalender. Darauf freue ich mich ganz besonders, denn dort wird nicht vor dem Radfahren geschwommen. 😉
Wie sind eure Triathlon-Rennen gelaufen?
Hier lest ihr alle Artikel zur Serie „Road to Ironman Frankfurt“ auf Rennrad-News
- King of the Lake Attersee – Mitgefahren!: Saisonabschluss mit brennenden Beinen
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 9: Bike und Technik für den Radsplit
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 8: Das Rennen – Ziel verfehlt aber überlebt
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 7: Finaler Pacing-Test zum Rennen
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 6: Warum Triathlon-Bekleidung 2.000 € kosten kann
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 5: Finaler Race-Test und Trainingsendspurt
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 4: Vorbereitungsrennen Challenge Walchsee
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 3: Bikefitting und Trainingsintensivierung
- Road to Ironman Frankfurt – Teil 2: Der Renn-Fahrplan plus Bonus steht
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