Rudy Pevenage Biografie Jan Ullrichs Mentor „packt aus“

Heute ist die Biografie von Jan Ullrichs Mentor Rudy Pevenage erschienen. Pevenage berichtet über flächendeckendes Epo-Doping bis hin zu Details wie doppelwandigen Cola-Dosen und Blutkonserven in Milchverpackungen. Und er erzählt von Rennabsprachen und gegenseitigen Gefälligkeiten, bei denen alle mitmachten, von Jan Ullrich bis zu den Sponsoren. Wir konnten bereits hineinlesen in das Buch "Der Rudy", das bisher nur auf Niederländisch erschienen ist.
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Vor dem Hauptgeschehen in „Der Rudy“ steht wie im Rennen der Prolog. Er schildert geschickt die Aufdeckung des Fuentes-Skandals mit Jan Ullrich als vermeintlichen „Hijo di Ridicio“ aus der Sicht Pevenages. Wir erfahren noch einmal, was wir eigentlich schon wussten, dass auch Ullrich zu den vielen Kunden des spanischen Doping-Netzwerkes um Eufemiano Fuentes gehörte, wofür er später vor dem Sportgericht CAS verurteilt wurde. Und wir erfahren Details: Wie nicht nur Pevenage die Kommunikation mit fremden SIM-Karten verschleierte, sondern etwa auch Armstrongs Team BlackBerry-Verschlüsselung nutzte.

Das Buch, das der Journalist John van Ierland, als Biograf für Rudy Pevenage verfasst hat, hält nicht hinter dem Rücken mit Details über die Kultur des Dopings und der Manipulation im professionellen Radsport der 90er und 2000er. Es ist der Zeitraum, in dem Pevenage in wechselnden Funktionen sich um seinen Schützling Jan Ullrich kümmerte – und Jan Ullrich sich um Pevenage kümmerte, ihm Jobs besorgte, ihn auch dann noch als persönlichen Betreuer bei seinem Team ins Spiel brachte, als Pevenage dort in Ungnade gefallen war.

„Das ging dann über die möglichen Rennsituationen und ich gab ihm die Anweisungen von Cecchini und Fuentes durch. Das war es“

Rudy Pevenage

So durfte der ehemaige Sportliche Leiter bei Telekom, Pevenage, wie er schildert nach 2003 zwar nicht mehr innerhalb der Team-Strukturen operieren, traf Ullrich aber aber bei den Rennen abends im Hotel, um mit ihm über den bevorstehenden Renntag zu sprechen: „Das ging dann über die möglichen Rennsituationen und ich gab ihm die Anweisungen von Cecchini (zu der Zeit laut Buch Trainer von Ullrich, Anmerkung der Redaktion) und Fuentes durch. Das war es“, sagt er in dem Buch. Den Lohn für seine Arbeit im Hintergrund, habe er „schwarz“ von Ullrich über Umwege ausgezahlt bekommen, heißt es. Für die Finanztransaktionen wird Pevenage später überführt.

Kaum etwas – neben den bekannten Blutdopingpraktiken – wird beim Hineinblättern in das Buch so deutlich wie die Verstrickung in Gefälligkeiten innerhalb der großen „Radsportfamilie“: Fausto Pinarello wird von Pevenage in einem mitternächtlichen Gespräch eingeschaltet, um italienische Teams zu bewegen, nicht mitzufahren, wenn Festina attackiert, wo Hauptwidersacher Virenque fährt. Übrigens geht es dabei just um die Etappe der Tour 1997, bei der Udo Bölts das legendäre „Quäl dich, du Sau“ losließ. Ulrich quälte sich tatsächlich durch die Vogesen, aber mit Atemproblemen wegen Husten. Tatsächlich halten sich die italienischen Teams zurück. Festina muss allein fahren und kann keinen entscheidenden Vorsprung erzielen. Hinterher macht Ullrich den Gefallen durch den Radsponsor wieder gut, indem er Abraham Olano (zu der Zeit Fahrer des Team Banesto auf Pinarello) das zweite Zeitfahren gewinnen lässt. Ullrichs Toursieg 1997 – auch ein Produkt von Vetternwirtschaft?

Auch vom Präsident des Weltradsportverbandes UCI persönlich gab es laut Pevenage Gefälligkeiten. So soll Hein Verbruggen Pevenage persönlich angerufen haben, damit „der Jan“ eine Ausrede findet, um nicht bei der Tour de France 2006 an den Start zu gehen. „Der Jan muss einen Sturz vortäuschen, damit er so tun kann, als ob er einen gebrochenen Arm hat. Er sollte auch zu Hause bleiben. Lass ihn nicht zur Tour fahren!“, soll Verbruggen gesagte haben. Bei dieser Tour, erhält Pevenage vor dem Prolog die Kündigung von T-Mobile, weil Gespräche zwischen ihm und Fuentes abgehört wurden. Jan Ullrich wird von der Tour ausgeschlossen.

„Rudy wusste im Detail, wie die meisten anderen Teams und Fahrer ihre Vorbereitung auf die Tour de France 2006 trafen, vor allem, weil er alle Codenummern der 211 Blutbeutel im Gefrierschrank in Madrid (bei Fuentes) kannte, auch, welche Fahrer Kunde waren, schreibt Ierland. Auch Fußballspieler seien darunter gewesen.

„Die Blutbeutel wurden sorgfältig in leere Milchkartons verpackt“

Rudy Pevenage

Wie die Verteilung der Blutbeutel zur Leistungssteigerung vor sich ging, hatte Pevenage bei der Tour 2004 selbst erlebt: „Die Blutbeutel wurden sorgfältig in leere Milchkartons verpackt und mit einem Code versehen. Der Plan war, dass sie kurz nach dem Abendessen in den Hotels zu den Fahrern gebracht werden“, heißt es im Buch: „Jeder im Profi-Radsport wusste, wie das System funktionierte.“ Kurier sei der Profi Alberto León, Deckname Alí Babá, gewesen, der als Tourist verkleidet auf dem Mountainbike mit dem Rucksack herumfuhr.

Noch eine Geschichte: Bei der Tour 1998, „Le Tour Noir“, fand die französische Polizei Dopingsubstanzen im Auto des belgischen Willy de Floet bei Festina. Jan Ulrich kann die Skandaltour nicht gewinnen. Und Pevenage deutet an, dass das auch daran lag, dass Pantani als Antwort auf die rigorosen Durchsuchungsmethoden der Polizei einen Fahrerstreik empfahl – Pevenage zu Folge war es Usus, dass die Mannschaften ihr Vorgehen abstimmten und der Führende einer Rundfahrt das erste Wort hatte. Just auf der letzten Etappe, auf der Ulrich attackieren konnte, machte sich Pantani aber für den Streik stark, der zur Annullierung der Etappe führte.

Das Buch „Der Rudy – Biografie Rudy Pevenage“ von John Ierland ist erschienen im Amsterdamer Verlag JEA auf Niederländisch. www.bijzondereboeken.nl


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Infos: Redaktion / Foto: Verlag

22 Kommentare

» Alle Kommentare im Forum
  1. Warum hier manche einen Anspruch andeuten dass er beim Hose runterlassen andere decken sollte ist mir schleierhaft.

    Ist mir auch schleierhaft. Warum da moralische Ansprüche gesetzt werden....? An Menschen, die in einem ziemlich unmoralischen System verstrickt waren. Ziemlich pervers.
  2. Ich meine was man dem Herrn P vielleicht noch vorwerfen könnte ist dass er den JU an dieses System Profiradsport und die dortigen Wege zum Erfolg herangeführt hat. Ohne diese Karriere wäre JU vielleicht einfach nur ein glücklicher und überdurchschnittlich fitter Speditionskaufmann geworden oder was man halt sonst so in Rostock treibt.

    Aber selbst für diesen Hut gibt es mit Peter Becker strenggenommen einen besseren Träger. Der Abstieg in den Sumpf beginnt nunmal in dem Moment in dem eine andere Ausbildung zugunsten der Sportkarriere zurückgestellt wird.

  3. Gehts in dem Buch viel um die Zeit mit Ulle, und v.a. auch nicht nur Doping betreffend? Bin irgendwie in diesen Jahren hängen geblieben da ich um 2000 herum als junger Bub den Radsport für mich entdeckt habe. Darum verschlinge ich heute noch alles was es an Infos und Hintergründen von damals so gibt.

  4. "Die Fahnder hatten Ullrich und Pevenage als Kunden des Dopingarztes erwischt. Es dauerte aber noch bis zum Tag vor dem Tourstart in Straßburg, bis die Bombe platzte. Angeblich kennt Pevenage noch weitere Nutznießer des Dopingnetzwerkes, dem 150 Klienten angehört haben sollen. So will er weitere Blutbeutel von berühmten Fahrern, aber auch von Fußballspielern, die in Madrid spielten, Sportlern und einem bekannten spanischen Tennisspieler erkannt haben. "
    https://www.radsport-news.com/sport/sportnews_118559.htm
    Es wäre sachdienlicher, Herr Pevenage würde den zuständigen Staatsanwaltschaften eidestattlich versichern, diese und jene Namen erkannt zu haben. Dann wäre der Sache mehr genüge getan, als nur wichtig rumzuschwadronieren.

    Keiner wird hier Namen nennen, ob unter Eides statt oder nicht spielt keine Rolle. Im einfachsten Fall wird Aussage gegen Aussage stehen, wenn es blöd läuft wird die Gegenseite vielleicht eine Klage wegen Verleumdung/Rufmord o.ä. anstreben sofern man meint, bei schlechter Presse etwaige Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Handfeste Beweise existieren ja keine mehr. Die Fahnder waren doch dazu angehalten, dass ein großer Teil der eigentlichen Liste und benannte Blutbeutel gar nicht publik wird. Der Radsport wurde damals als Sündenbock auserkoren, da er seit jeher die ideale Sportart ist, der man gut den schwarzen Peter zuschieben kann. Und was nützt das jetzt noch nach fünfzehn Jahren? Dass Real Madrid oder Nadal damals Blutdoping betrieben haben? Bitte... überall dort, wo es um viel Geld, Macht und Medaillen oder Pokale geht, wird beschissen. Insofern wird ja auch Ullrichs Logik nachvollziehbar wenn er meint, keinen Konkurrenten betrogen zu haben.
  5. Ack @sevenacids, sehe ich ähnlich. Der Radsport war schon immer die Sportart, auf welche sich alle gestürzt haben, wenn es ums Dopen geht. Daß ein sauberer Sport besser ist, bleibt unbestritten. Doch welcher Sport ist unbelastet?

    Doping war/ist im Radsport inhärent vorhanden, damals war es so, und ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, daß es heute anders ist. Wenn Rudy Pevenage unbedingt nun das Bedürfnis hat, etwas zur "Aufklärung" beizutragen, dann kommt das jetzt etwas spät, vorsichtig ausgedrückt. Und weil das so ist, hat es für mich ein "Geschmäckle"......

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