Mit den Salsa EXP Bikepackingtaschen gibt es seit kurzem Equipment von einem Hersteller, der sich dem Abenteuer auf dem Velo verschrieben hat wie kaum ein anderer. Die Amerikaner haben bereits eine Vielzahl genau auf diesen Einsatzbereich zugeschnittener Bikes im Portfolio. Was ihre Taschen können, hat Bikepacking-Experte und Tester Fabian Baum alias IBC-Nutzer „Fabeymer“ im Praxiseinsatz auf seinen Touren getestet.
Salsa EXP Series Anything Cradle System mit Front Pouch: Geschüttelt, nicht gerührt
Infos und Preise
- Volumen 18 l (Drybag) 1,7 l (Front Pouch)
- Gewicht (Herstellerangaben): 420 g (Anything Cradle), 220 g (Drybag), 160 g (Front Pouch)
- max. Zuladung 3,7 kg
- Preis 269,99 € (UVP) für das Komplettset
Beim Anything Cradle-System kombiniert Salsa die Form des hauseigenen „Anything Cage“ mit dem Prinzip eines Harness-Systems für den Lenker. Das Ergebnis ist eine Drybag-Halterung mit einem Ausleger aus Aluminium, der mittels zweier geteilter Schellen am Lenker montiert wird. Bei der Montage sollte darauf geachtet werden, das System leicht nach unten auszurichten. So lässt sich einerseits eine Lampe ohne extremen Schattenwurf der Ladung nutzen, andererseits sorgt diese Ausrichtung für einen günstigeren Schwerpunkt und somit für ein besseres Handling des Bikes.
In der Hand
Die Montage des Anything Cradle selbst ist simpel: Die Drybag-Halterung wird durch vier Schrauben an der Lenkeraufnahme fixiert und dann mit zwei weiteren Schrauben am Lenker angebracht. Etwas komplizierter wird es jedoch, wenn es an das Einfädeln der Zurrgurte in das Anything Cradle geht. Hier muss zunächst der männliche Teil des Klickverschluss vom Gurt entfernt und später wieder angebracht werden, was aufgrund der Ausrichtung der Vernähung des Gurtes nicht ganz so leicht von der Hand geht. Das überstehende Material blockierte beim Einfädeln und der Gurt ließ sich daher nur mit Nachdruck wieder durch die Schnalle führen.
Dank der gut bebilderten Anleitung sowie der hilfreichen Beschreibung stellte der Ladder Lock an sich aber keine sonderlich große Herausforderung dar. Allerdings hat dessen Funktionsprinzip kleine Tücken: Wegen der mehrlagigen Anordnung der Gurte lässt sich immer nur die Länge des oberen Gurtes durch Anziehen bzw. Lockern an der Schnalle einstellen. Möchte man die Länge des unteren Gurtes verändern, muss am Ladder Lock in der entsprechenden Richtung Material freigegeben werden. Hilfreich bei der Grundeinstellung der Gurte war hier, den Drybag auszustopfen und die Gurtlänge an dessen Durchmesser auszurichten. So ließ er sich auch bei geringerer Befüllung sehr gut komprimieren und die Front Pouch konnte ebenfalls schnell und unkompliziert befestigt werden.
Salsa EXP Drybag
Der beidseitig zu öffnende, 18 Liter fassende wasserdichte Packsack ist speziell auf die Verwendung mit dem Anything Cradle System abgestimmt. So verfügt er auf der Ober- und Unterseite jeweils über ein Paar schmale (oben) bzw. breitere Schlaufen (unten). Durch die unten angebrachten Schlaufen können die Zurrgurte geführt werden, was die Ladung zusätzlich sichert, während die oberen Schlaufen kurze, schmale Klettbänder aufnehmen. Mit diesen lässt sich der Drybag an der Halterung fixieren und sie dienen quasi als hilfreiche „dritte Hand“ beim Beladen des Anything Cradle. Das Innenmaterial des Drybag ist angenehm rutschig, was das Stopfen erleichtert.
Salsa EXP Front Pouch
Die auf den Namen „Front Pouch“ getaufte Zusatztasche fasst 1,7 Liter und ist nicht völlig wasserdicht, jedoch sehr stark wasserabweisend. Obwohl die Tasche optisch eher etwas flach wirkt, lässt sich das vorhandene Volumen dank des Zweiwege-Reißverschlusses und mit etwas geschicktem Packen dennoch sehr gut nutzen. Das recht steife Material sorgt für eine gute Formstabilität, wodurch sich die Tasche einerseits hervorragend für den Transport von Kompakt- und Systemkameras eignet, was aber andererseits das Vollstopfen der Tasche (sog. Overstuffing) limitiert. Ausgesprochen praktisch ist der Gummizug auf der Vorderseite der Tasche, mit dem sich eine Windjacke, Arm- und Beinlinge oder andere Dinge, auf die man unterwegs rasch zugreifen möchte, befestigen lassen. Zusätzlich erlauben die ebenfalls auf der Vorderseite angebrachten Schlaufen, die Kapazität der Front Pouch zusätzlich zu erweitern und Dinge außen an der Tasche anzubringen.
Auf dem Trail
Wie die Ober-Überschrift bereits vermuten lässt, ist die Anything Cradle vor allem eines: extrem stabil. Das System hat sämtliche Rüttel- und Schütteltests auf Kopfsteinpflaster, Kolonnenwegplatten, Schlagloch- und Schotterpisten sowie auf verwurzelten Waldwegen bravurös gemeistert. Weder haben sich die Schrauben der Lenkerhaltung gelockert, noch hat sich die Anything Cradle bei einem heftigen Stoß stark nach oben oder unten bewegt. Um die Belastung besser einordnen zu können: Im Drybag befanden sich während der Tour auf dem Teilabschnitt der Bikepacking Trans Germany Route ein Tarp, ein Schlafsack und eine Isomatte mit einem Gesamtgewicht von knapp 1500 g, die Front Pouch beherbergte eine spiegellose Kamera mit zwei Objektiven und zwei Ersatzakkus (insgesamt ca. 1600 g).
Damit befand sich der Inhalt gewichtstechnisch im oberen Drittel der von Salsa freigegebenen maximalen Zuladung. Auf den Strecken, deren Erschütterungen das Anything Cradle System klaglos wegsteckte, lösten sich Sattelstützenschrauben, wurden Ventileinsätze locker gerüttelt und lockerten sich Steckachsen. Die Stabilität wusste also definitiv zu beeindrucken, das unkomplizierte Handling beim Be- und Entladen sorgte dafür, dass das allmorgendliche beziehungsweise allabendliche Ritual des Packens oder Entpackens nicht unnötig Zeit und Nerven kostete. Positiv zu erwähnen ist außerdem die geringe Klemmbreite am Lenker, wodurch ein Lenkeraufsatz ebenfalls noch Platz fand.
Fazit Salsa EXP Anything Cradle
Von der etwas fummeligen Erstmontage der Gurte abgesehen hat das Salsa EXP Series Anything Cradle System in der Praxis absolut überzeugt. Ein extrem sicherer Sitz, bequemes Be- und Entpacken sowie eine geringe Klemmbreite der Befestigung am Lenker sind Pluspunkte, die zeigen, dass es Salsa gelungen ist, das Konzept des Anything Cages erfolgreich auf ein Gepäcksystem für den Lenker zu übertragen. Auch, wenn das Anything Cradle System ein wenig schwerer daherkommt als andere Lenkertaschen auf dem Markt, so mag es doch einige Langstrecken-Bikepacker geben, die dem Anything Cradle den Gewichtsnachteil zugunsten seiner sehr guten Aerobar-Kompatibilität nachsehen werden. Ebenfalls interessant dürfte das Anthing Cradle System für Bikepacker und Bikepackerinnen sein, die in härterem Gelände unterwegs sind und daher den Anspruch haben, dass das Gepäck auch dann noch fest am Bike sitzt, wenn man es ordentlich krachen lässt.
Salsa EXP Top Tube Bag – Same same but different
Infos und Preise
- Volumen 1,2 l
- Gewicht 160 g (Herstellerangabe)
- Preis 79,99 € (UVP)
Die 1,2 Liter fassende Top Tube Bag aus der Salsa EXP Bikepacking Series sieht auf den ersten Blick wie eine herkömmliche Oberrohrtasche aus, offenbart bei genauerem Hinsehen eine Besonderheit: Auf der Unterseite der Tasche gibt es zwei Löcher mit dem Abstand der Schrauben einer Flaschenhalteraufnahme – die Top Tube Bag ist also Bolt-on-kompatibel. Das bedeutet, dass das Klettband, welches die Tasche am Oberrohr fixiert, entfernt werden und die Tasche stattdessen mittels zweier Schrauben an einem entsprechend ausgestatteten Rahmen befestigt werden kann. Dies sorgt neben einer erhöhten Stabilität auch für einen cleanen Look, leider sind jedoch bisher nur einige wenige Rahmen mit solch einer Aufnahme ausgestattet – neben einigen Salsa-Modellen wie dem Cutthroat, dem Woodsmoke und dem Mukluk u.a. auch das OPEN Cycles U.P. oder das True Grit von Lauf Cycles.
Doch auch auf herkömmliche Art und Weise befestigt weiß die EXP Series Top Tube Bag durchaus zu gefallen. Hierfür sorgen das stark wasserabweisende Material mit wasserabweisendem, gut greifbarem Zweiwege-Reißverschluss und zwei sinnvoll platzierter Schlaufen zum Abspannen des Materials sowie zwei elastischen Netzfächern im Inneren der Tasche, die Kleingeld und ähnliche Dinge erfolgreich davon abhalten, sich selbstständig zu machen.
Etwas unpraktisch hingegen ist das doppelseitige Klettband, mit dem die Tasche am Steuerrohr befestigt wird. Zwar ist es durch aufgrund seiner Oberflächenstruktur sanfter zu Lack oder Anodisierungen, es ist jedoch schwierig, mit diesem Klettband ausreichend Zug auf die Top Tube Bag zu bekommen, damit diese sich bei Kniekontakt nicht zur Seite neigt. Dieses Problem mag in dieser Form nicht von Belang sein, wenn die Tasche mit Schrauben am Rahmen befestigt ist, aber ein durch eine Leiterschnalle geführter und fest abspannbarer Klettgurt wäre unserer Meinung nach insgesamt die bessere Lösung gewesen. Zum Kniekontakt muss noch erwähnt werden, dass die Top Tube Bag relativ flach ist und daher – bedingt durch ihr großes Fassungsvermögen – entsprechend breit baut. Bikerinnen und Biker, die eher kurze Rahmen fahren und gerne im Wiegetritt unterwegs sind, sollten hier im Vorfeld prüfen, ob sie mit ihren Beinen problemlos an der Oberrohrtasche vorbeikommen.
Fazit Salsa EXP Top Tube Bag
Die Salsa EXP Series Top Tube Bag ist eine Oberrohrtasche mit modernen Features und viel Platz, die zudem sehr stark wasserabweisend ist. Bikepackerinnen und Bikepacker, die auf Rädern mit langen Oberrohren unterwegs sind, können sich die Top Tube Bag guten Gewissens ans Bike schnallen. Wer einen eher kurzen Rahmen und häufig Wiegetritt fährt, sollte vorher checken, ob die Beine die Tasche ohne Kontakt passieren können.
Salsa EXP Rescue Roll – ein Zuhause für die mobile Werkstatt
Infos und Preise
- Abmessungen 35*14 cm (ausgerollt)
- Preis 39,99 € (ausgerollt)
Werkzeugrollen liegen im Trend – kaum ein Bike in den Galerien einschlägiger Instagram-Profile, an dem sich nicht irgendwo, bevorzugt unterhalb des Sattels, ein kompakt geschnürtes Päckchen aus Stoff findet. Ob der Hype berechtigt ist, soll an dieser Stelle nicht zur Debatte stehen. Nur so viel: Eine Tool Roll ist viel zu praktisch, um lediglich ein modisches Accessoire zu sein. So praktisch, dass sich die Rescue Roll während des Tests schnell zu einem echten Lieblingsteil entwickelt hat – ob unterhalb des Sattels, im Flaschenhalter oder mit einem zusätzlichen Gurt gesichert am Unterrohr – die Rescue Roll war stets zur Stelle, wenn Werk- oder Flickzeug benötigt wurde.
Ein eher unscheinbares, nichtsdestotrotz aber sehr cleveres Feature der Rescue Roll ist der Gummizug. Dieser hält die Rolle samt Inhalt auch dann zusammen, wenn der Klettgurt noch nicht geschlossen oder gerade gelöst wurde. Die Fächereinteilung inklusive Reissverschlussfach sorgt für einen hohen Nutzwert des vorhandenen Stauraums und die herausklappbare Stoffbahn dient im Falle einer Reparatur als Ablage für Schrauben und ähnliche Kleinteile, während sie im eingerollten Zustand den Inhalt wirksam vor Dreckbeschuss schützt. Vielleicht ist diese Schutzfunktion auch der Grund dafür, dass dieser Teil der Rescue Roll ebenfalls in anthrazit-grau gehalten ist und nicht mit einer kontrastverstärkenden Farbe wie etwa neongelb ausgeschlagen wurde. Dies wäre ein sinnvolles Feature gewesen, da sich so Kleinteile besser orten ließen, womit das Risiko, dass z.B. eine Schraube übersehen wird und im schlimmsten Fall verloren geht, noch weiter hätte reduziert werden können.
Wie auch die Top Tube Bag und die Front Pouch ist auch die Rescue Roll aus stark wasserabweisendem Material gefertigt und verfügt über einen ebenfalls wasserabweisenden Reißverschluss.
Fazit Salsa EXP Rescue Roll
Die Salsa EXP Series Rescue Roll ist ein ebenso nützlicher wie praktischer Begleiter und bietet genug Platz für Werkzeug und Reparaturbedarf, um einer Vielzahl technischen Defekten oder Pannen unterwegs den Schrecken zu nehmen. Dank flexibler Befestigungsmöglichkeiten findet sich bei jeder Art von Ausfahrt das passende Plätzchen am Bike – kein Grund also, jemals wieder ohne Werkzeug auf kleine oder große Tour zu gehen. Schön wäre jedoch noch, wenn die ausklappbare Fläche noch etwas größer und mit einer hellen Farbe versehen sein würde, damit beispielsweise dort abgelegte Schrauben sofort ins Auge springen.
Wo haben wir getestet?
Die Taschen der Salsa EXP Series wurden auf kürzeren Touren und auf Scoutingfahrten für ein Bikepacking-Event im Alpenvorland genutzt, die hauptsächlich über Gravel und technisch eher einfache Trails führten. Außerdem kamen sie auf der halben Route der Bikepacking Trans Germany zum Einsatz, die in umgekehrter Richtung gefahren wurde. Heidelandschaft, viel Kopfsteinpflaster, Kolonnenwege, Schlaglochpisten, schmale Trampelpfade und wurzelige Singletrails mit einigen kniffligen Stellen standen hier auf dem Programm. Montiert waren sie den gesamten Test über an einem starren Salsa Fargo.
Welche Taschen nutzt ihr, wenn ihr länger unterwegs seid?