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Santa Cruz Stigmata 2023 im ersten Test
Gravel-Evolution mit MTB-Genen?

Santa Cruz Stigmata Test: Das Stigmata war ein Cyclocross Bike, lange bevor Gravel Bikes im Mainstream angekommen waren. Mit der Generation 2023 haben die Amerikaner es mehr denn je zum Gravelbike weiterentwickelt und zollen dem breiten Gravel-Spektrum Tribut: Auf Wunsch kommt es mit Federgabel und Dropperpost, soll aber weiterhin das Rennrad für Mountainbiker sein. Grund genug für uns, es auszuprobieren. Hier unser Bericht.

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Steckbrief: Santa Cruz Stigmata

# Santa Cruz Stigmata Force 1x RSV im Test - das Gravelbike ist trailtauglicher geworden, auch - aber nicht nur - wegen der hier verbauten Federgabel und Teleskopstütze.
EinsatzbereichGravel
RahmenmaterialCarbon
GabelCarbon
Gewicht (o. Pedale)9,4 kg
RahmengrößenS, M, L, XL, XXL (im Test: M)
Websitewww.santacruzbicycles.com
Preisspanne3.999 Euro – 8.299 Euro
Preis: 8.299 Euro

Santa Cruz ist für seine Mountainbikes bekannt und erkennt an: „Gravel Bike“ ist inzwischen keine ausreichend präzise Beschreibung mehr, Gravel Bikes bilden ein ganzes Spektrum ab: von Rennrädern mit breiteren Reifen bis hin zu Mountainbikes mit Dropbar. Das für 2023 komplett überarbeitete Stigmata soll dem Rechnung tragen. Anders als beim Vorgänger sind 650b Laufräder keine Option mehr, stattdessen gibt es für 700c bis zu 50 mm Reifenfreiheit, Federgabelkompatibilität und eine modernere Geometrie.

# Ja, mit dem Stigmata geht deutlich mehr als nur feiner Schotter - dennoch gehört er zu den schönsten Untergründen, um das Gravelbike fortzubewegen.
# Santa Cruz will mit dem Stigmata verschiedene Einsatzzwecke abdecken - herrliche Schotterstraßen wie diese gehören sicher dazu.

Für wen also hat Santa Cruz das Stigmata entwickelt? Nach eigener Auskunft für Mountainbiker oder Rennradfahrer, die Abwechslung suchen; für Bikepacker, die große Ausflüge drehen; und für leistungsorientierte Radsportler, die eigene Ziele abhaken wollen.

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Im Detail

Mit welchen Details punktet ein Gravelbike im Jahr 2023? Oft heißt die Antwort entweder „Aero-Gravel“, „E-Gravel“ oder zumindest „verstecke Leitungsführung“ – Santa Cruz verzichtet auf all das, betont bei der Produktvorstellung gar das konventionell ausgeführte Cockpit mit gewöhnlichem IS tapered Steuersatz: Die bessere Anpassbarkeit und einfachere Wartung werden als Vorteile genannt. Auch das Innenlager wird geschraubt; Langlebigkeit sei ein Ziel bei der Entwicklung gewesen, heißt es.

# Das Stigmata 2023 - Das Bike ist gewachsen, ohne gleich zum Mountainbike mit Dropbar zu werden.
# Kürzere Steuerrohre halten den Stack im Rahmen. - Dank gewöhnlicher Spacer und Steuersatz ist es einfach, mit der Lenkerhöhe zu experimentieren.
# Unverkennbar ein Santa Cruz! - Die nicht sofort im Steuersatz verschwindende Bremsleitung ist aber inzwischen schon fast ungewohnt.

Womit also erregt ein Gravelbike im Jahr 2023 dann Aufmerksamkeit? Die Lösung, vom Mountainbike bestens bekannt, ist am Gravelbike noch ziemlich neu: Ein „Glovebox“ (Handschuhfach) genanntes Abteil im Unterrohr erlaubt es, Dinge im Rahmen zu verstecken. Der Zugriff gelingt versteckt unter dem Flaschenhalter. Damit nichts klappert, werden zwei Polstertaschen mitgeliefert. Sie lassen sich aufrollen und enthalten viele kleine Fächer, sodass sich Werkzeug, Ersatzschlauch, Schaltauge oder ein kleiner Snack verstauen lassen.

# Hinter dieser Klappe versteckt sich... - ...gesichert durch einen sauber einrastenden Verschluss...
# ... der Zugriff zum "Handschuhfach", - in dem lange, dünne Taschen verschwinden.

An den Ausfallenden findet sich ein Sram UDH Schaltauge. Das gewährleistet einerseits gute Ersatzteilverfügbarkeit und andererseits Kompatibilität mit der neuen SRAM Transmission Schaltung gewährleistet. Ein interessantes Detail sind die sehr minimalistischen Aufnahmen für Schutzbleche, so sieht der Rahmen sehr aufgeräumt aus und kann bei Bedarf dennoch mit Schutzblechen als Rennrad für den Alltag aufgebaut werden. Im Sinne maximaler Flexibilität ist der Rahmen auch mit Umwerfern kompatibel, sodass auch ein 2-Fach Aufbau umgesetzt und auch ab Werk bestellt werden kann.

# Die schnörkellose Formensprache gefällt gut - der integrierte Steuersatz ist im Zweifelsfall leicht zu wechseln.

Santa Cruz Kunden wissen vielleicht, dass es viele Rahmen des Herstellers als C und CC Version gibt – dabei handelt es sich um unterschiedliche Carbon-Ausführungen; die entweder ein wenig bezahlbarer oder noch leichter und steifer sind. Beim Stigmata verzichtet Santa Cruz darauf und bietet ausschließlich die „CC“ Variante an. Durch das Rahmenfach lässt sich ein Blick aufs Laminat werfen – und das sieht extrem ordentlich aus; auch die durchgängigen Röhrchen für die einfache und klapperfreie Leitungsverlegung sind ein schönes Detail.

# Dezent und praktisch - die Blindschraube oben erlaubt die Montage von Schutzblechen für den Einsatz bei Schlechtwetter.
# Reifenfreiheit gibt es zur Genüge, hier sichtbar an 45 mm Reifen. - Das geschraubte Innenlager soll die Wartung vereinfachen.

Wie auf alle anderen Santa Cruz Bikes gibt es auch für das Stigmata und die gegebenenfalls montierten Reserve Laufräder eine lebenslange Garantie für den Erstbesitzer. Das Marketing-Versprechen „Easy to work on, easy to find parts for, built to last“ löst das Fahrrad durch den Verzicht auf Steuersatz-Kabelverlegung, die Nutzung eines geschraubten Innenlagers und die Vermeidung von Gewinden im Rahmen ein.

# Die Verarbeitung des Rahmens ist erstklassig - das wird insbesondere bei geöffnetem "Handschuhfach" ersichtlich, wenn die Innenseite samt Leitungsführung sichtbar wird.

Video

Wie üblich hat Santa Cruz auch ein unterhaltsames Launch-Video produziert – es stellt das Bike ganz gut vor:

Geometrie

Seit einigen Jahren gibt es in der Welt der Mountainbikes, in der sich Santa Cruz vornehmlich bewegt, hinsichtlich der Geometrie eigentlich nur einen Trend: länger und flacher! Gleichzeitig hat das Stigmata schon einige Modellgenerationen hinter sich – verpflichtet hier die Tradition?

Die Antwort: Nein. Es gibt deutlich mehr Rahmenlänge (25-30 mm mehr Reach) und einen um ganze 2° flacheren Lenkwinkel: Jetzt 69,5° für alle Rahmengrößen. Das resultiert natürlich in einem längeren Radstand – je nach Rahmengröße wächst er um 50 bis 80 mm. So kommt unser Testrad in Größe M auf 1063 mm, ein Rad in XXL sogar auf 1130 mm. Damit liegt das noch in der letzten Generation CX-artige Stigmata nun hinsichtlich dieses Maßes in einer Liga mit Trail-lastigen Gravelbikes wie dem YT Szepter.

# Ob mit oder ohne Federgabel: Der Stack bleibt gleich. - Er liegt übrigens auf quasi identischem Niveau zum Vorgänger, was durch kürzere Steuerrohre möglich wird.

Weiterhin sind die Sitzrohre etwa 35 mm kürzer als beim Vorgänger ausgeführt, um Platz für Dropperstützen zu machen. Auch die Steuerrohre sind ungefähr 25 mm kürzer gestaltet, sodass trotz höherer Einbaulänge der Federgabel der quasi identische Stack wie beim Vorgänger resultiert – Rahmengröße M landet beispielsweise bei 576 mm. Die neue Starrgabel, ebenfalls aus Carbon, führt zum gleichen Stack.

Rahmengröße S M L XL XXL
Laufradgröße 28″ / 700C 28″ / 700C 28″ / 700C 28″ / 700C 28″ / 700C
Reach 390 mm 405 mm 420 mm 435 mm 450 mm
Stack 564 mm 576 mm 600 mm 612 mm 631 mm
STR 1,45 1,42 1,43 1,41 1,40
Lenkwinkel 69,5° 69,5° 69,5° 69,5° 69,5°
Sitzwinkel, real 74° 74° 74° 74° 74°
Oberrohr (horiz.) 552 mm 570 mm 592 mm 600 mm 631 mm
Steuerrohr 105 mm 120 mm 145 mm 160 mm 180 mm
Sitzrohr 455 mm 485 mm 515 mm 545 mm 575 mm
Überstandshöhe 728 mm 753 mm 778 mm 804 mm 830 mm
Kettenstreben 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm
Radstand 1.043 mm 1.063 mm 1.087 mm 1.108 mm 1.130 mm
Tretlagerabsenkung 78 mm 76 mm 76 mm 74 mm 74 mm
Tretlagerhöhe 278,5 mm 280,5 mm 280,5 mm 282,5 mm 282,5 mm
Einbauhöhe Gabel 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm 430 mm
Gabel-Offset 45 mm 45 mm 45 mm 45 mm 45 mm
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Ausstattung

Santa Cruz bietet insgesamt fünf verschiedene Ausstattungsvarianten an: von einer einigermaßen bezahlbaren Sram Apex 1x-Schaltung über Sram Rival AXS (1x oder 2x) bis hin zur Sram Force AXS (1x oder 2x). Die hochwertigste Gangschaltung wird immer mit den Carbon-Felgen Reserve 25GR und DT Swiss 350 Naben kombiniert.

# Santa Cruz verwendet ausschließlich Sram Antriebe in unterschiedlichen Ausführungen - der Kunde hat die Wahl zwischen 1x und 2x, Apex, Rival und Force.

Eine große Neuerung gegenüber dem Vorgänger stellt die Kompatibilität mit einer Federgabel dar: Konkret ist eine Ausstattung mit einer RockShox Rudy XPLR mit 40 mm Federweg verfügbar. Wer die nicht braucht, erhält eine Carbon-Starrgabel mit passender Einbauhöhe; durch die kürzeren Steuerrohre ergeben sich optisch andere Proportionen, aber eine sehr ähnliche Stack-Höhe. Ab Werk ist die Federgabel gebunden an eine Sram Force 1X12 Schaltung, Carbon Felgen von Reserve und die Rock Shox Reverb AXS XPLR Sattelstütze – eindeutig die Mountainbike-lastigste Ausstattung.

# Komfort und Geschwindigkeit der Sattelstütze sind überzeugend - der klobige Akku hinten aber für Bikepacking ein No-Go.

Die anderen Ausstattungen richten sich eher an Kunden, die im gemäßigteren und schnelleren Gravelsektor unterwegs sind: Sie können aus Sram Apex (nur mechanisch 1X12), Rival (1X12 oder 2X12) und Force (1X12 oder 2X12) Gangschaltungen wählen, erhalten WTB EZR i23 oder Easton ARC Felgen kombiniert mit DT Swiss 370 Nabe.

# Die Reserve 25 GR Felgen gehören zu den sanfteren Carbonfelgen am Markt - sie tragen spürbar zum hohen Gesamtkomfort bei.
# Eine Federgabel ist am Gravelbike (noch) die Ausnahme - bei Bedarf lässt sie sich schnell blockieren.

Reifen sind natürlich auch eine Gretchenfrage beim Aufbau eines Gravelbikes – auch hier setzt Santa Cruz auf mehr Komfort und Grip durch größere Reifenbreite: 45 mm messen die verbauten Maxxis Rambler. Die Reifenfreiheit erlaubt auch noch breitere 50 mm Pneus. Den gewachsenen Reach kompensiert Santa Cruz mit kürzeren 70 mm Vorbauten, auch sie tragen ihren Teil zu der Trail-lastigeren Platzierung bei.

# Neben Federgabel und Dropperpost wäre eine "Mullet" Konfiguration eigentlich naheliegend - Santa Cruz verbaut aber die Standard XPLR-Kassette mit 44 Zähnen am größten Ritzel aus der Force-Gruppe.

Beim getesteten Topmodell für satte 8.299 € werden mit der SRAM Force XPLR ETAP AXS-Schaltgruppe die 12 Gänge gewechselt; die passende Force Tretkurbel und Force Bremsen finden ebenso ihren Weg ans Fahrrad. Komplettiert wird die XPLR-Ausstattung mit einer per Funk betätigten, absenkbaren SRAM Reverb Sattelstütze. Die Bremsen werden mit 160 mm Bremsscheiben komplettiert, die Bremssättel werden per Flat Mount Standard fixiert.

ModellAPEX 1XRIVAL AXS 1XRIVAL AXS 2XFORCE AXS 1X RSVFORCE AXS 2X RSV
Preis3999 €5299 €5299 €8299 €7499 €
Gewichtk.A.k. A.k.A.9,4 kgk.A.
RahmenSanta Cruz Stigmata CC CarbonSanta Cruz Stigmata CC CarbonSanta Cruz Stigmata CC CarbonSanta Cruz Stigmata CC CarbonSanta Cruz Stigmata CC Carbon
GabelSanta Cruz Carbon RigidSanta Cruz Carbon RigidSanta Cruz Carbon RigidRockshox Rudy Ultimate, 40 mmSanta Cruz Carbon Rigid
SchaltungSRAM Apex Xlpr 1x12SRAM Rival AXS XPLR 1x12 Power MeterSRAM Rival AXS Wide 2x12 Power MeterSRAM Force AXS XPLR 1x12 Power Meter SRAM Force AXS Wide 2x12 Power Meter
Übersetzung40 - 10-4440 - 10-4443/30 - 10-3640 - 10-4443/30 - 10-36
LaufradsatzWTB EZR i23 / DT Swiss 370Easton ARC Offset 25 / DT Swiss 370Easton ARC Offset 25 / DT Swiss 370Reserve 25GR / DT Swiss 350Reserve 25GR / DT Swiss 350
ReifenMaxxis Rambler EXO, 700x45cMaxxis Rambler EXO, 700x45cMaxxis Rambler EXO, 700x45cMaxxis Rambler EXO, 700x45cMaxxis Rambler EXO, 700x45c
LenkerZipp Service Course Xplr 44 31.8Zipp Service Course Xplr 44 31.8Zipp Service Course Xplr 44 31.8Zipp Service Course Xplr 44 31.8Zipp Service Course Xplr 44 31.8
VorbauZipp Service Course 70 mm 31.8Zipp Service Course 70 mm 31.8Zipp Service Course 70 mm 31.8Zipp Service Course 70 mm 31.8Zipp Service Course 70 mm 31.8
SattelWTBWTBWTBWTBWTB
SattelstützeZIPP Service CourseEaston EC70Easton EC70Rockshox Reverb AXS XLPREaston EC70

Auf dem Trail

Wir hatten bereits vor der offiziellen Vorstellung die Chance, das Stigmata auszuprobieren. Bereits vor der Ausfahrt wird es spannend: Wie viel lässt sich im „Handschuhfach“ verstauen? Da das Unterrohr nicht so voluminös wie am Mountainbike ist, darf man keine Wunder erwarten. Ein Ersatzschlauch, Multitool, UDH Schaltauge, Tubeless Reparaturset und Luftpumpe passen aber tatsächlich rein – die Windjacke sprengte dann aber den Rahmen. Trotzdem sorgt das Feature für einen aufgeräumteren Look, das ist auf jeden Fall praktisch! Der Zugriff gelingt recht schnell, aber natürlich nicht während der Fahrt. Für Riegel oder ähnliches ist aber eine Tasche auf dem Oberrohr oder die Trikottasche der eindeutig schneller erreichbare Ort.

# Die Taschen für den Rahmen erfüllen gleich drei Funktionen - sie vermeiden Klappern, sortieren Kleinteile und gewährleisten, dass tief in den Rahmen gestopfte Dinge auch wieder rauskommen.

Jetzt aber los: Gas geben! Die Rudy Ultimate Federgabel fühlt sich erst mal ein wenig wie ein weich aufgepumpter, breiter Reifen an – lässt sich aber im Handumdrehen an der Gabelkrone starr schalten. Die Sitzposition ist bequem, nicht zu gestreckt. Das Rad ist eindeutig „ausgewachsen“, soll heißen: nie nervös, eher etwas aufrechter. Dazu tragen auch 74° Sitzwinkel bei, die auch für große Rahmengrößen nicht flacher werden. Unter dem Vorbau findet sich noch ein Spacer, sodass das Rad noch ein Stück sportlicher gestaltet werden kann; auch das gelingt mit dem konventionellen Vorbau und Steuersatz ohne Leitungsintegration natürlich sehr einfach.

# Die Straßenschäden auf dieser Straße würden auf dem Rennrad nerven - auf einem gefederten Gravelbike mit 45 mm Reifen nimmt man sie kaum wahr.

Trotz der recht breiten Reifen beschleunigt das Stigmata gut, die Funkschaltung wechselt die Gänge geschmeidig und auch das große Loch im Unterrohr mindert die Steifigkeit subjektiv nicht: So fühlt sich der Rahmen steif und direkt an. Wir beginnen auf Asphalt, wo die Federgabel mit Lockout und die Sattelstütze in oberster Position ein präzises, hartes Fahrerlebnis vermitteln. Die komfortablere Sitzposition macht es leicht, sich ausgiebige Touren vorzustellen.

# Der Lenker greift sich gut - sein eher geringer Flare wird Bikepacker aber nicht vom Hocker hauen.
# Trotz gewachsenem Radstand fährt sich das Rad handlich und präzise - selbst wenn es langsam und technisch wird.

Wir hatten hier ja schon über die 50 Shades of Gravel Gravel Skala berichtet. Dem getreu, steigert sich auch in unserem Stigmata-Test kontinuierlich der Anspruch der Strecke. Auf feinem Schotter fliegen wir weiter dahin und die Rock Shox Rudy hat im Wesentlichen noch frei, bevor dann irgendwann gröberer Schotter, Wasserrinnen und ausgewaschene Löcher im Weg die 40 mm Federweg in Aktion treten lassen. Dank Lockout lässt sich leicht auseinanderhalten, welchen Anteil am Komfort die Federgabel und welchen die breiten Reifen haben, und der Komfortgewinn der Federgabel ist nicht zu diskutieren. Sie geht sehr feinfühlig zu Werk, Rock Shox hat es tatsächlich vollbracht, dass man nie das Gefühl hat durchzuschlagen oder beim Ausfedern einen Endanschlag zu spüren; es ist schon bemerkenswert wie viel 40 mm bringen können. Andererseits: Damit verdoppelt sich der kombinierte Federweg verglichen mit den 45 mm des Reifens in etwa; klar, dass das spürbar ist! Spürbar ist übrigens auch die leichte Federung der Reverb XLPR Sattelstütze, wenn sie nicht in höchster Position gefahren wird. Ein cooles Feature, das aber etwas Übung braucht, um direkt die fast ganz hohe Position mit aktivierter Federung zu finden.

# Wer bergab mehr Sicherheit sucht, als das durchschnittliche Gravelbike bietet, wird das Stigmata lieben - der Schwerpunkt ist einfach deutlich weiter hinter der Vorderachse, das wirkt Wunder.

So lange wir uns im eher hügeligen Auf- und Ab des Alpenvorlandes bewegen, bietet die Gangschaltung mit ihrem 40er Kettenblatt und der 10-44 Zähne Kassette stets die richtige Über- oder Untersetzung. Als wir uns dann aber in den ersten wirklich langen Anstieg machen und die Kombination aus immer steilerer Strecke und stehender Hitze es geradezu unmöglich macht, die Trittfrequenz zu halten, wünsche ich mir jedoch wenig sehnlicher als einen leichteren Gang. Hier hätte Santa Cruz aus meiner Sicht gerade die Ausstattungsvariante mit Federgabel gern mit der 10-52er Kassette kombinieren dürfen. Oder wäre hier sogar die 2X12-Version die bessere Wahl gewesen? Dank 30er Kettenblatt bietet sie bergauf tatsächlich mehr Bandbreite, also: Ja. Erfreulich finde ich, dass der längere Radstand in den Serpentinen – und auch bei zusätzlichen Schlenkern, um die Steigung etwas zu kaschieren – das Rad nicht unhandlich macht. Egal, ob sitzend oder stehend, das Stigmata lässt sich behänd bergauf pedalieren – es sei denn, die Schenkel passen nicht zum leichtesten Gang. Zähneknirschend schiebe ich also ein Stück, bevor das Gelände Erbarmen hat und wieder flacher wird.

# Bergauf profitieren Stigmata Fahrer vom minimal steileren Sitzwinkel - die verbauten Maxxis Reifen bieten Traktion bis Oberschenkel oder Gangschaltung an Grenzen stoßen.

Zuverlässig wie Nacht auf Tag folgt auf den Anstieg die Abfahrt – und zwar eine lange! Wir beginnen auf grobem Schotter, wo das Bike mit seinem langen Radstand und den breiten Pneus stabil liegt und so hohe Geschwindigkeiten selbstbewusst meistert. Richtungswechsel oder auch der Übergang einer Fahrspur in die andere sorgen für keinerlei Nervosität. Dann wird der Trail noch steiler – die Rambler Reifen bieten soliden Grip, und auch als sich zur Steilheit auch noch immer gröbere Steine und Wurzeln gesellen, macht die neue, längere Geometrie genau das, was sie soll: Gelassenheit verbreiten. Überschlagsgefühle sind überhaupt kein Thema, auch die Bodenfreiheit passt.

Nur eine Komponente will hier nicht so richtig ins Bild passen: Die Force Bremsen mit ihren 160er Scheiben brauchen im Hörnchen gegriffen sehr hohe Fingerkraft; im Unterlenker gegriffen verliert man etwas von der souveränen Position.  Als dann nach auch noch relativ schnell die Nase von der Anstrengung der Bremsen Wind bekommt, frühe ich mich an frühere Versionen von Mountainbikes erinnert.

# Wo hört Gravel auf, wo fängt Mountainbiken an? - Auf einfachen Trails wie diesen begegnen sich die Disziplinen, nur die Bremsen fielen hier mit eher fehlender Bremskraft auf.

Um die Trailtauglichkeit restlos zu klären, fahren wir noch etwas mehr auf Singletrails. Hier hängt das Testurteil eindeutig von der Erwartungshaltung ab: Sowohl bergauf als auch bergauf lassen sich mit einem Gravelbike generell, aber mit dem Stigmata im Speziellen, auch ein wenig technischere Passagen meistern. Ob das Spaß macht? Das hängt in meinen Augen davon ab, ob man es als technische Abwechslung oder als Anstrengung deutet. In geringer Dosis, kombiniert mit viel Schotter und etwas Asphalt, passt es denke ich gut ins Konzept. In hoher Dosis sind mir persönlich die Griffposition – gerade auch der Übergang der Sram Force Brems-Schalthebel zum eigentlichen Griffband – zu unbequem und die Bremsen – insbesondere im Oberlenker – schlicht zu schwach.

# Natürlich gibt es für Asphaltjagden schnellere Aero-Gravelbikes - das Stigmata sieht sich eher als ziemlich Trail-taugliches, bequemes, dabei unaufgeregtes Modell; und langsam ist es sicher nicht!

Als wir nach unserem Ausflug ins MTB-Gelände wieder Schotter unter den kleinen Gravel-Stollen haben, fühlt sich das ganze Konzept plötzlich wieder sehr rund an – wir geben Gas und düsen in Richtung Tal, wo noch mehr feiner Schotter und schlechter Asphalt warten – also das Gelände, auf dem sich auch dieses Gravel Bike rundum wohl fühlt.

Erster Eindruck: Santa Cruz Stigmata

Santa Cruz hat das Stigmata viel trail-tauglicher gemacht - sodass es jetzt nicht nur auf Schotter oder Bikepacking-Touren ein zuverlässiger Begleiter ist. Sein Handschuhfach im Unterrohr ist eine praktische Ergänzung, die zu einem aufgeräumten Look beiträgt. Der Verzicht auf tiefere Leitungsintegration und die Verwendung etablierter Standards versprechen, dass es sich hier um einen zuverlässigen Begleiter handelt – der allerdings auch mit einem gesalzenen Preisschild versehen ist.

Pro / Contra

Pro

  • Souveräne, moderne Geometrie
  • Hochwertige Ausstattung
  • Praktisches „Handschuhfach“ im Unterrohr
  • Komfortable, leichte Carbonfelgen

Contra

  • Bremsen und Übersetzungsbandbreite für Trail-lastigen Einsatz nicht optimal
  • Teuer
# Der größere Reach und Radstand ändern die Radlastverteilung etwas in Richtung Heck - auf dem Vorderrad bleibt aber genug Druck und so kurvt es sich mit gut vorhersehbarem Grenzbereich auch um lose Kurven.

Wie gefällt euch das neue Santa Cruz Stigmata?


Testablauf

Wir sind das Stigmata gezielt auch auf (sehr) steile Schotterpassagen und Trails gefahren, haben Wurzeln und Steine unter die Räder genommen. Schließlich steht für uns immer die Frage im Raum: Wo liegt der ideale Einsatzbereich dieser Gravel-Interpretation?

Hier haben wir das Santa Cruz Stigmata getestet

Text: Stefanus Bosch / Fotos: Max Schumann
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