Kürzlich hatten wir ja schon das Thema Ski am Fahrrad transportieren. Einige hatten nach dem Sinn dahinter gefragt – und wir zeigen euch gern ein wenig Inspiration dazu. Mit dem Rennrad zur Skitour anreisen, das gelingt offensichtlich nur, wenn die Berge halbwegs nah sind. Autor Stefanus hat sich früh morgens auf den Weg gemacht, die 100 km entfernte Karwendelspitze ohne Motorunterstützung zu erklimmen…
Vorbereitung
Der Entschluss, die Eintages-Aktion durchzuziehen, fällt relativ spontan. Also wird der Abend vorher lang. Die Ski müssen ans Rad, die Tour ausgewählt und der Rucksack gepackt werden. Ich entscheide mich für eine Tour, die nur sehr wenige Schotterwege benötigt. So kann ich mit dem Allroad Rennrad fahren und auf der Straße effizient rollen. Es gibt, auch von München aus, deutlich nähere Skiberge. Aber auf die Westliche Karwendelspitze wollte ich schon länger mal, im Dammkar liegt lange Schnee, und die Straße führt quasi bis zum Start der Tour. Der Rest sind ein Haufen Müsliriegel (Apfel-Zimt von Eurosport Nutrition ist ein neuer Favorit als Ergänzung zum Evergreen „Trail-Mix“ von Seeberger), ein Petzl Meteor Helm mit Skitouren- und Kletterzertifizierung (leider nicht als Fahrradhelm getestet, aber irgendwie wollte ich nicht mit Rennradhelm auf Skitour 🙂 und eine warme Tight, die ich in den frühen Morgenstunden über die Bib-Short ziehen will.
Licht ist noch ein wichtiger Faktor – ich traue den Akkulaufzeiten meiner Frontlichter nicht ganz und montiere kurzerhand die Petzl Swift auf dem Helm. Die hat auch den Vorteil, dass ich im Tunnel kurz vor dem Gipfel des Berges eine Stirnlampe parat hätte. Ich feuer mir um 22:00 noch eine Pizza rein vom Italiener um die Ecke und nehme mir vor, in weniger als 24 h wieder zurück zu sein und mir bei Forza Napoli eine original neapolitanische Pizza zu gönnen, das ist einfach eine andere Qualität.
Die Tour
3:35 Uhr
Der Wecker klingelt. Kleines Müsli, kleiner Tee, Zähne putzen – dann mit Rennrad samt Ski in den Aufzug stolpern.
4:00 Uhr
Los geht’s. Die Navigation übernimmt das Handy am Lenker. Es ist stockfinster, keine Sau draußen. Viele Ampeln sind ausgeschaltet, ich bin von der Kälte dann doch irgendwie überrascht. Es hat einstellige Temperaturen, irgendwie hatte ich mir das angenehmer vorgestellt.
5:30 Uhr
Die Füße werden kalt, ich hätte Überschuhe anziehen sollen. Wer will, kann sich Dämmerung einbilden.
6:40 Uhr
Ich komme in Kochel am See an. Bald müsste die Sonne aufgehen, aber nicht in Kochel – das liegt nämlich hinterm Berg. Zeit für Was-vom-Bäcker, einen heißen Tee. Leider darf ich mich nicht drinnen aufwärmen, es ist ja immer noch Corona. Ich habe 67 km in unter 3 h gemacht, passt schon. Die Ski sitzen gut am Rad, eigentlich ist die Kälte das einzige Problem.
7:27 Uhr
Ich bin den Kesselbergpass oben. Der einzige „Pass“ des Tages hat seinen Namen kaum verdient, die Morgenstimmung ist aber herrlich. Die Höhenmeter addieren sich dennoch Stück für Stück, irgendwo geht es immer bergauf oder bergab!
7:30 Uhr
Auf der anderen Seite des Berges, direkt über dem Walchensee, ist es endlich so weit: Die Sonne geht auf. Halleluja, meine Füße haben diesen Moment herbeigesehnt!
8:33 Uhr
Ich erreiche Mittenwald und wechsle auf die steile Forstraße, die ins Dammkar hinauf führt. Sie ist unfassbar steil und teilweise vereist, die Temperaturen sind hier noch deutlich unter Null.
8:41 Uhr
Am Anfang des Schnees angekommen tausche ich Rad gegen Ski. Genau 102 km stehen bis hier auf dem Tacho, und 1040 Höhenmeter. Auch ein paar andere Skitourengänger sind gerade im Begriff, loszugehen. Ein Pärchen hatte mich bereits im Auto überholt, spricht mich an.
„Wo bist Du losgefahren?“
„München.“
„Ne. Du verarschst uns.“
„Doch doch, kein Scheiß.“
„Wann bist da los?“
„4:00 Uhr.“
„Du verarschst uns.“
„Ne, wirklich nicht.“
„Respekt. Wenigstens einen gescheiten Münchner gibt’s!“ (lacht)
9:05 Uhr
Ich spüre meine Füße nicht. Als ich in die Skischuhe einsteige, habe ich Sorge, dass sie einfach irgendwo brechen. Tun sie nicht, und ich laufe los – das Rad im Wald abgesperrt. Die gute Nachricht: Beim Skitourengehen verwendet man gänzlich andere Muskeln, als beim Rennradfahren. Ich gehe also ziemlich frisch los.
10:15 Uhr
Ich passiere die Bergwachthütte. Die Bedingungen sind madig, seit geraumer Zeit laufe ich mit Harscheisen durch das eisige Kar. Wegen der hohen Felswände scheint die Sonne wieder nicht hier rein, irgendwie komme ich mir verarscht vor.
11:16 Uhr
Ich verlasse das Dammkar, die Sonne scheint mir ins Gesicht. Genial.
11:19 Uhr
Leider muss ich feststellen, dass der „normale“ Weg zur Westlichen Karwendelspitze nicht begehbar ist. Der dafür notwendige Tunnel ist nämlich verschlossen. Ich entscheide mich, es hierbei zu belassen – auf immerhin 2.200 m Höhe sitzen auch ein paar andere Tourengänger und genießen den Blick, die Sonne – einfach herrlich.
12:07 Uhr
Nach Sonnenbad und Vesper steige in die Bindung und fahre ab. Die ersten Schwünge sind herrlich, dann, im Schatten, beginnt ein einigermaßen kratziges Vergnügen.
12:24 Uhr
Zurück am Fahrrad. Wieder raus aus den Skischuhen, der Skihose, den Handschuhen, das fühlt sich gut an. Endlich sind auch die Temperaturen so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Kurze Hose, keine Handschuhe!
13:13 Uhr
Die Tour hat bis hier her schon Körner gekostet, große Mittagspause am Edeka in Krün!
14:50 Uhr
Zurück geht es entlang der Mautstraße zum Sylvensteinspeichersee, dessen Brücke ich in perfekter Sonne passiere. Das Gefühl sagt ab der Staumauer: Jetzt sollte es nur noch bergab gehen!
16:03 Uhr
In Bad Tölz ein Einkehrschwung bei einem befreundeten Pärchen. Espresso, Kuchen, der Wunsch die Sonne zu genießen. Aber ein kleines Stück habe ich noch vor mir!
17:43 Uhr
Nach doch noch erstaunlich vielen Hügeln sagt das Höhenprofil tatsächlich: Keine Berge mehr bis München, und noch 200 hm bergab!
18:32 Uhr
Im Perlacher Forst, einer etwa 4 km langen Geraden, nochmal bisschen Tempo machen. An die Blicke manch anderer Verkehrsteilnehmer habe ich mich längst gewöhnt, das Ski-Fahrrad sorgt doch noch für hochgezogene Augenbrauen.
18:50 Uhr
Aus, vorbei, fertig – nach nicht ganz 15 h zurück zu Hause.
19:53 Uhr
Forza Napoli hat keine Pizza mehr, Soul Kitchen geht nicht ans Telefon. Fündig werde ich bei La Pizza, macht noch mal ein paar Kilometer auf dem Rad. Die Margherita: toller Teig, gute Tomaten, kleiner Abzug für den Käse. Im aktuellen Zustand aber auch ziemlich egal, die Pizza ist ein Traum.
Fakten
Vorab hatte ich grob mit drei Mal fünf Stunden gerechnet: Fünf Stunden hinfahrt, fünf Stunden Skitour, fünf Stunden Rückfahrt. Das ging tatsächlich ganz grob auf, inklusive Pausen. Irgendwann am Nachmittag merkt man natürlich, dass man schon sehr lange unterwegs ist, wenig geschlafen hat und so weiter. Das Gute an einer solchen Aktion: Es gibt viel Abwechslung, für die Beine und für den Kopf. 300 km Rennrad fahren ist da wesentlich eintöniger!
Hinfahrt:
München – Penzberg – Kochel – Walchensee – Mittenwald // 4:15 h Fahrzeit // 102 km // 1040 hm
Skitour:
Aufstieg zum Tunneleingang via Dammkar // 2:14 h // 4,9 km // 1200 hm
Abfahrt wie Aufstieg // 0:17 h // 4,7 km // 0 hm
Rückfahrt:
Mittenwald – Krün – Sylvensteinspeichersee – Bad Tölz – München // 4:24 h Fahrzeit // 106 km // 660 hm
An Ski und Fahrrad kann ein Haken gemacht werden. Welche Kombinationstour Rennrad plus X könntet ihr euch gut vorstellen?