Specialized Crux 2022 im Test: Man nehme die Leichtigkeit des Aethos, die Freiheit des Diverge und die Verspieltheit vom Cyclocross-Bike Crux und erhalte: das neue Crux, eines der leichtesten Gravel Bikes der Welt, das auch in CX-Rennen glänzen kann. So die Idee. Hat Specialized diesmal zu viel gewollt? Wir haben es in einem ersten Test in Flandern erfahren.
Video: Specialized Crux 2022 Test
Specialized Crux 2022: Infos & Preise
Einsatzbereich | Rennen, Cyclocross, Gravel |
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Rahmenmaterial | Carbon |
Gabel | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 7,2 kg |
Stack | 578 mm |
Rahmengrößen | 49, 52, 54, 56, 58, 61 (im Test: 56) |
Website | www.specialized.com |
Als wir das Specialized Aethos im Test hatten, staunten wir nicht schlecht über den Wow-Effekt, den Leichtigkeit in Zeiten von Aero-Optimierung noch auslösen kann. Damals kündigte Specialized bereits an, dass dem puristischen Sub-600-Gramm-Carbonrahmen weitere Rennräder mit der gleichen Technologie folgen würden. Aber wer hätte gedacht, dass es ein Gravel Bike sein würde? Und dass der Rahmen trotz härterer Gelände-Prüfnormen mit 725 Gramm in Größe 56 fast ebenso leicht sein kann? Und dass trotzdem Reifen bis 47 mm reinpassen? Nicht einmal die Entwickler selbst, wie sie freimütig erzählten. Aber jetzt steht das neue S-Works Crux da und erhebt Anspruch auf den Titel „leichtestes Gravel Bike“. Und: eine günstigere Version mit immer noch 825 g leichtem Carbonrahmen gibt es auch noch. Was ist aus dem Crux Cyclocross-Bike geworden? Zum einen: Wenn sich jemand so richtig über leichte Bikes freut, dann Crosser. Denn sie müssen ihre Räder ständig tragen und heben. Zum anderen: Die Geometrie ist noch so nahe am CX-Bike, dass das Manövrieren zwischen dem Flatterband leicht fallen soll, tatsächlich wurde vor allem die Front länger. Die Eckdaten:
- Aus dem Cyclocross-Bike Crux wird ein Light Gravel Bike
- CX typische Lenkgeometrie erhalten, aber mehr Länge und „Tiefe“ für Spurtreue
- Als Rahmenset auf S-Works und Fact 10r-Niveau einzeln zu kaufen
- Variostützen kompatibel
- Reifenfreiheit bis 47 mm in 700c / 2,1″ in 650b
- Gewicht S-Works Rahmenset 725 g / 405 g Gabel
- Gewicht 10R-Rahmenset 825 g / 405 g Gabel
- Rahmengrößen sechs, von 49 cm bis 61 cm
- Ausstattung ausschließlich SRAM 1x Antriebe, aber 2x kompatibel
- Infos https://www.specialized.com
Preise
- Specialized S-Works Crux 12.200 €
- Specialized Crux Pro 8.000 €
- Specialized Crux Expert 6.000 €
- Specialized Crux Comp 4.000 €
- S-Works Crux Rahmenset 4.500 €
- Crux Rahmenset 3.000 €
Was ist neu?
Auf eine Weise macht das Specialized Crux 2022 einen Schritt zurück zu den Wurzeln, um dann wieder einen Bunny Hop in die Zukunft hinzulegen. Denn die ersten Gravel Rennen waren einfach gesagt Treffen, bei denen ein kleiner Haufen Leute auf ihren Cyclocross-Bikes auf Zeit über die Staubpisten fegte. Das Gravel Bike kam erst später als Antwort der Industrie auf diese Bewegung. Es folgte Bikepacking. Gravel Bikes wurden immer vielseitiger, mit mehr Freiheit kam der Wunsch nach dickeren Reifen oder gar Federung auf. Und schwups, auf einmal wogen auch gute Carbon Gravel Bikes 8,5 kg und mehr. Rolle rückwärts – das Specialized Crux, das Vorzeige-Cyclocross-Bike der Kalifornier, das Ex-Arbeitsgerät von Racern wie Tom Pidcock wird direkt ein Gravel Bike. Mit einem Gewicht, das wie beim Specialized Aethos, eine zukunftssichere Messlatte bildet.
Gewicht zu Reifenfreiheit
Das Filetstück des Specialized Crux 2022 ist – klar – der neue Carbon Rahmen: Von 725 g in Größe 56 cm liegen auch die neusten superleichten CX-Bikes wie das Giant TCX noch weit entfernt – über 100 g in dem Fall. Gravel Bikes mit einer vergleichbaren Kombination aus Gewicht und Reifenfreiheit gibt es schlicht nicht. Ein Beispiel: das Open U.P.P.E.R, mit 850 g eines der leichtesten Gravel Bikes derzeit, bietet lediglich Platz bis 40 mm in 700c. Und so kann Specialized mit dem S-Works Crux, das wir testen konnten, ein rund 7,2-Kilo-Gravel Bike mit Serienteilen auf die Räder stellen (okay, ein 1.300 g leichter Specialized-Carbonlaufradsatz ist dabei). Mehr muss nicht gesagt werden.
Entwicklung für die Praxis
Man sieht dem Crux auf den ersten Blick an, dass es die gleiche Herkunft hat wie das ultraleichte Climbers Bike Aethos: Das Crux stammt aus Specialized’s Freiburger Carbonrahmen-Entwicklung um Peter Denk und bedient sich der Erkenntnisse aus der Berechnung von über 100.000 Beispielrahmen in einem Supercomputer. Sie sollten Specialized einen gewissen Vorsprung in der Carbonrahmen-Entwicklung geben, war sich Denk bei der Präsentation des Aethos sicher. Noch ist er da.
So fallen die vergleichsweise schlanken, klassisch runden Rohrprofile ebenso auf wie das voluminöse Oberrohr. Dennoch mussten die Freiburger nach der Idee zum Crux aus Kalifornien erst mal schlucken: Ein Gravel Bike mit der Reifenfreiheit des Specialized Diverge, dem Gewicht des Aethos und dem Handling des Crux schien keine leicht lösbare Aufgabe. Vor allem die massive Reifenfreiheit von 47 mm und das weniger kompakte Design mit eher waagerechtem Oberrohr und generell mehr Länge als am Rennrad forderte das Team.
Während der fast zweijährigen Entwicklungszeit fand man neue Lösungen, musste aber auch Kompromisse eingehen: Vor allem in Sachen Montagepunkte – viele Löcher im Carbon sind nicht gut für den Kraftfluss. Fürs Bikepacking bedeutet das: Zwei Flaschenhalter-Paare im Rahmen, eines darunter, das war’s. Auch der begrenzte Platz rund um die Kettenstreben forderte einen Tribut, weil solider Leichtbau gefragt war: 2-fach Road-Gruppen von Shimano können anders als beim Aethos nicht gefahren werden. Für das kleine Kettenblatt ist nicht genug Raum. 2-fach Gravelgruppen wie die Shimano GRX oder SRAM AXS Wide sind aber kein Problem.
Man blieb aber auch bei Bewährtem, um die Gewichtsziele zu erreichen und dennoch praktikabel zu bleiben. Wie das Aethos besitzt das Crux nur teilweise innenliegende Züge, was die Handhabung erleichtert. Und auch das Crux kommt mit dem erfahrungsgemäß problemlosem BSA-Tretlager sowie einer runden Sattelstütze in 27,2 mm, die mit einer herkömmlichen Schelle wirkungsvoll geklemmt wird, ebenfalls eine Sorglos-Lösung.
Ausstattung: einfach fahren
Wie üblich stellt Specialized dem wahrlich leichten und teuren S-Works Rahmenset noch eine Variante mit einem nicht ganz so aufwendigen Carbon-Layup zur Seite. Schwerer bedeutet im Falle des Crux 2022 aber „immer noch leichter als alle anderen Gravel Bike-Rahmen“: 825 g soll dieser Fact 10r-Rahmen wiegen. Er hat bis auf die Carbonqualität alle Eigenschaften des S-Works-Framesets. Und er bildet die Basis für alle Modelle unterhalb des S-Works-Niveaus. Das bedeutet auch: Die vernünftigste Möglichkeit an das Überflieger-Rahmenset zu kommen, ist das Einstiegsmodell Crux Comp mit mechanisch geschalteter SRAM Rival 1×11 Gruppe für 4.000 €. Nicht gerade ein Schnäppchen, aber ab hier geht es nur noch aufwärts in großen Sprüngen von rund 2.000 €. Dabei kommt das Crux 2022 ausschließlich mit 1-fach-Gruppen von SRAM. Im Schnellüberblick:
- Specialized S-Works Crux SRAM Red AXS XPLR 1×12, Roval Terra CLX, 12.200 €
- Specialized Crux Pro SRAM Force AXS XPLR 1×12, Roval Terra CL, 8.000 €
- Specialized Crux Expert SRAM Rival XPLR 1×12, Roval Terra C, 6.000 €
- Specialized Crux Comp SRAM Rival 1×11, DT Swiss G540, 4.000 €
- S-Works Crux Fact 12r-Rahmenset 4.500 €
- Crux Fact 10r-Rahmenset 3.000 €
Modell | S-Works Crux | Crux Pro | Crux Expert | Crux Comp | S-Works Crux Rahmenset | Crux Rahmenset |
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Preis | 12.800 € | 8.400 € | 6.300 € | 4.200 € | 4.750 € | 3.150 € |
Rahmen | Fact 12r Carbon, Flat-Mount, 12x142 mm Steckachse, BSA Tretlager | Fact 10r Carbon, Flat-Mount, 12x142 mm Steckachse, BSA Tretlager | Fact 10r Carbon, Flat-Mount, 12x142 mm Steckachse, BSA Tretlager | Fact 10r Carbon, Flat-Mount, 12x142 mm Steckachse, BSA Tretlager | Fact 12r Carbon, Flat-Mount, 12x142 mm Steckachse, BSA Tretlager | Fact 10r Carbon, Flat-Mount, 12x142 mm Steckachse, BSA Tretlager |
Gabel | S-Works Fact Carbon, 12x100mm thru-axle, Flat-Mount | Fact Carbon, 12x100mm thru-axle, Flat-Mount | Fact Carbon, 12x100mm thru-axle, Flat-Mount | Fact Carbon, 12x100mm thru-axle, Flat-Mount | S-Works Fact Carbon, 12x100mm thru-axle, Flat-Mount | Fact Carbon, 12x100mm thru-axle, Flat-Mount |
Schalt-/Bremshebel | SRAM Red eTap AXS 1x12 | SRAM Force eTap AXS 1x12 | SRAM Rival eTap AXS 1x12 | SRAM Rival 1x11 | ||
Schaltwerk / Umwerfer | SRAM Red AXS XPLR / – | SRAM Force AXS XPLR / – | SRAM Rival AXS XPLR / – | SRAM Rival 1 | ||
Kassette / Zähne | SRAM XG-1271 / 10-44 Z. | SRAM XG-1251 / 10-44 Z. | SRAM XG-1251 / 10-44 Z. | SunRace / 11-42 Z. | ||
Kurbel / Zähne | SRAM Red Powermeter/ 40 Z. | SRAM Force / 40 Z. | SRAM Rival / 40 Z. | SRAM Rival 1 / 40 Z. | ||
Innenlager | SRAM DUB, BSA | SRAM DUB, BSA | SRAM DUB, BSA | SRAM GXP | ||
Kette | SRAM Red | SRAM Force | SRAM Rival | KMC X11 Extra Lightweight | ||
Bremsen | SRAM Red Hydraulic 160 / 160 mm | SRAM Force Hydraulic 160 / 160 mm | SRAM Rival Hydraulic 160 / 160 mm | SRAM Rival 1 Hydraulic 160 / 160 mm | ||
Laufräder | Roval Terra CLX 700x25, Roval Naben mit DT Swiss 240s-Technik, Tubeless Ready | Roval Terra CL 700x25, Roval Naben mit DT Swiss 240s-Technik, Tubeless Ready | Roval Terra C 700x25, Tubeless Ready | DT Swiss G540 Disc, 700x25, Tubeless Ready | ||
Reifen | Specialized Pathfinder Pro, Tubeless Ready, 38-622 | Specialized Pathfinder Pro, 2Bliss Ready, 38-622 | Specialized Pathfinder Pro, 2Bliss Ready, 38-622 | Specialized Pathfinder Pro, 2Bliss Ready, 38-622 | ||
Vorbau | S-Works SL, Alu, 6° / | Pro SL , Alu, 6° | Pro SL , Alu, 6° | Specialized , Alu, 7° | ||
Lenker | Roval Terra, Carbon, 103mm Drop x 70 mm Reach x 12º Flare | Roval Terra, Carbon, 103mm Drop x 70 mm Reach x 12º Flare | Specialized Adventure Gear, 118.9mm drop x 70mm reach x 12º flare | Specialized Adventure Gear, 118.9mm drop x 70mm reach x 12º flare | ||
Sattelstütze | Roval Alpinist Carbon, 27,2 mm | Roval Terra Carbon, 27,2 mm | Roval Terra Carbon, 27,2 mm | Roval Terra Carbon, 27,2 mm | ||
Sattel | S-Works Power Carbon-Schienen | Power Pro, Titan-Schienen | Power Expert, Titan-Schienen | Power Sport, CrMo-Schienen | ||
Extras | Supacaz Lenkerband, 1 Paar Montage-Gewinde unter Unterrohr | Supacaz Lenkerband, 1 Paar Montage-Gewinde unter Unterrohr | Supacaz Lenkerband, 1 Paar Montage-Gewinde unter Unterrohr | Supacaz Lenkerband, 1 Paar Montage-Gewinde unter Unterrohr | 1 Paar Montage-Gewinde unter Unterrohr | 1 Paar Montage-Gewinde unter Unterrohr |
Übersetzungen
Specialized setzt in der Werksausstattung fast gänzlich auf die SRAM AXS XPLR Funkschaltungs-Gruppen (hier findet ihr einen Test der SRAM Rival AXS XPLR im Gravel Bike Einsatz). Ihr großes Plus ist aus Redaktionssicht die kinderleichte Schaltfunktion mit links und rechts getrennten Hebeln fürs Hoch- und Runterschalten. Die Übersetzung von 40 vorne zu 10-44 hinten passt für den anvisierten Einsatzbereich des neuen Specialized Crux: Perfekt bedient fühlten wir uns im Test in hügeligem und technischem Gravel-Terrain, wenn die Gänge schnell „durchgehämmert“ werden wollten. Damit pedaliert man im kleinsten Gang bei 60 U/min mit 7 km/h und bei 90 U/min im schwersten Gang erzielt man rund 49 km/h (Übersetzung im Ritzelrechner). So sind auch längere, steilere Anstiege möglich. Wer hauptsächlich CX-Rennen und schnelle Gravelrides fährt, wird eher auf eine enger gestufte Kassette wie zum Beispiel 10-36 und das 38er-Kettenblatt vorne aus dem SRAM AXS-Universum umrüsten. Die mechanische Rival 1×11 kommt mit einem sehr ähnlichen Übersetzungsverhältnis, nur mit weniger Reserven für Top-Speed. Kleiner Vorgriff: Bei den drei Testfahrten in Flandern habe ich das 10er-Ritzel des Testrades nur einmal bergab genutzt.
Wer schnell auf der Straße und anspruchsvoll im Gelände fahren will – eine Option, die der Charakter des neuen Crux definitiv nahelegt – ist trotz allem mit einem 2-fach-Ensemble eventuell besser bedient. Die kostengünstigste Möglichkeit ist dabei der Umbau eines Komplettrades auf eine SRAM eTap AXS 2-fach-Variante, beispielsweise als Wide. Sie verlangt neben der gewünschten Kassette nach einer neuen Kurbel sowie Schaltwerk und Umwerfer – übrigens kann der Crux-Rahmen nur mit elektronisch schaltenden Umwerfern bestückt werden.
Laufräder und Reifen
Positiv fällt an der Ausstattung des neuen Crux 2022 auf, dass alle Bikes mit SRAM AXS-Gruppen auch Roval Carbon-Laufradsätze an Bord haben. Sie sind mit innen 25 mm breiten, tubeless-fähigen Felgen so ausgelegt, wie es für einen breiten Einsatzbereich am sinnvollsten ist. Auf Felgen dieser Breite kann man auch einen Cyclocross-Reifen erfahrungsgemäß noch mit 1,5 bar im Rennen fahren. Am Testrad fuhren wir mit den Specialized Pathfinder Pro-Reifen und 2.1 Bar Luftdruck sowohl auf der Straße als auch auf teils üblen, mit spitzen Steinen gespickten Wirtschaftswegen Flanderns sehr gut und ohne Defekte. Das liegt auch den Allround-Qualitäten des Pathfinder Pro-Reifens, für die er schon im Rennrad-News Gravel-Reifen-Test einen Tipp bekam. Alle Modelle kommen mit den Pathfinder Pneus. Aber nur am S-Works Testrad sitzen sie auf dem Roval Terra CLX-Laufradsatz, der mit 1300 g zu den leichtesten am Markt zählt. Aber auch der Terra C-Laufradsatz am Crux Expert ist mit 1.600 g kein Schwergewicht. Naben mit DT-Swiss Freilauftechnik sorgen an allen Terra-Laufrädern für schnellen Eingriff und zuverlässige Funktion. Das Freilaufgeräusch am Testrad traf übrigens für meinen Geschmack genau die goldene Mitte aus sonor und unaufdringlich.
S-Works Crux Testrad-Ausstattung
Damit zur weiteren Ausstattung unseres S-Works Crux-Testrades, das für drei Gravel Rides zwischen 40 km und 80 km in Flandern bereitstand. Natürlich kommt viel Carbon zum Einsatz. Herausragend ist die Roval Alpinist Carbon-Sattelstütze, die nur 136 g zum Gesamtgewicht beisteuert. Beim Roval Terra Carbon-Lenker besticht die Form, die für meinen Geschmack perfekt zum Crux 2022 passte. Zum einen, weil der Oberlenker eine leicht dreieckige Form besitzt, die auch dann gut in der Hand liegt, wenn es holprig wird. Zum anderen, weil der geringe Drop von 103 mm die ohnehin schon sportliche Sitzposition auf dem Crux im Unterlenker nicht in eine Streckbank verwandelt. Gleiches gilt dank des kompakten Reaches für den Griff an die Bremshöcker. Einen Unterschied zur Serienausstattung machte der Sattel des Testrades: Montiert war der Specialized S-Works Romin Evo Mirror mit 3D-Druck-Satteldecke – eine Ausstattung, die durchaus einen Effekt auf das Fahrempfinden hat, wie wir beim Test des Romin Evo Mirror bereits feststellen konnten: der Komfort wächst.
Geometrie: Cross wird gravelig
Die spannende Frage war, wie Specialized den Konflikt zwischen guter Gravel Bike Geometrie und Cyclocross-Wettkampfbike löst. Denn schließlich werden auch die Cyclocross-Spezialisten der gesponserten Teams das Crux 2022 in Rennen fahren, allen voran Ex Cyclocross-Weltmeister Zdeněk Štybar, der im Dezember mit dem Bike in die Saison einsteigen will.
Riesig sind die Unterschiede zwischen Cyclocross- und Gravelbike zwar nicht, aber sie sind spürbar. Die simple Antwort: Das Crux 2022 bekam eine längere Front mit etwas mehr Reach für eine ruhigere Lage auf schlechten Wegen. Beinahe 1 cm in den mittleren Rahmengrößen sind es, und um diesen Wert wächst auch ungefähr der Radstand. Zusammen mit kürzeren Vorbauten bleibt die Lenkung agil, aber Konflikte der Füße mit dem Vorderrad in engen Kurven sind passé, auf jeden Fall am 56er Testrad mit 44er Schuhen. Auch das Tretlager wanderte für einen günstigen Schwerpunkt minimal nach unten, was beim Einsatz mit breiteren Reifen geradezu gefordert ist. Aber die grundsätzlich wendige und reaktionsfreudige Auslegung des CX-Bikes bleibt. Die im Vergleich zu vielen Gravel Bikes steileren Lenkwinkel, die CX-typische Länge der Kettenstreben, die sportliche Überhöhung des Sattels, alles wie gehabt.
Ja, die Steuerrohre fallen sogar etwas kürzer aus als beim Vorgänger-Crux. Und so sitzt man auf dem Crux 2022 eigentlich im Grunde fast genauso wie auf einem Tarmac SL7 Aero-Rennrad. Performance-Geometrie heißt das bei Specialized.
Rahmengröße | 49 | 52 | 54 | 56 | 58 | 61 |
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Laufradgröße | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C |
Reach | 375 mm | 382 mm | 388 mm | 397 mm | 405 mm | 415 mm |
Stack | 530 mm | 547 mm | 560 mm | 578 mm | 598 mm | 621 mm |
STR | 1,41 | 1,43 | 1,44 | 1,46 | 1,48 | 1,50 |
Lenkwinkel | 70,5° | 71,3° | 71,5° | 72° | 72,3° | 72,5° |
Sitzwinkel, real | 75,5° | 74° | 74° | 73,5° | 73,5° | 73,5° |
Oberrohr (horiz.) | 512 mm | 539 mm | 549 mm | 568 mm | 582 mm | 599 mm |
Steuerrohr | 100 mm | 115 mm | 130 mm | 147 mm | 167 mm | 190 mm |
Sitzrohr | 466 mm | 496 mm | 521 mm | 546 mm | 576 mm | 606 mm |
Überstandshöhe | 749 mm | 772 mm | 794 mm | 816 mm | 841 mm | 866 mm |
Kettenstreben | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm |
Radstand | 1.008 mm | 1.014 mm | 1.023 mm | 1.033 mm | 1.045 mm | 1.059 mm |
Tretlagerabsenkung | 74 mm | 74 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm | 72 mm |
Einbauhöhe Gabel | 401 mm | 401 mm | 401 mm | 401 mm | 401 mm | 401 mm |
Gabel-Offset | 50 mm | 50 mm | 50 mm | 50 mm | 50 mm | 50 mm |
Schaut man sich die Crux Geometrie im Vergleich zu anderen Cyclocross-Bikes an, die viel im Weltcup gefahren werden, fällt ebenfalls vor allem der längere Reach im Verbund mit dem ähnlich verlängerten Radstand auf (hier geht’s zu einem Vergleich zwischen Specialized Crux, Canyon Inflite und Giant TCX und Specialized Diverge in unserem neuen Geometrie-Tool). Vom Canyon Inflite könnte man ohne Umgewöhnung nahtlos umsteigen. Das Specialized Diverge dagegen liegt noch einmal deutlich tiefer auf dem Kiesweg und folgt noch stärker dem „Länge-läuft-Prinzip“. Gleichzeitig sitzt man auf Specialized’s Future Shock gefedertem Gravel Bike deutlich aufrechter – es ist schon allein deshalb klar die bessere Empfehlung für lange Tage auf schlechten Straßen, auch wenn es übrigens genau die gleiche Reifenfreiheit bietet.
Test des Specialized Diverge 2021
Specialized Crux 2022 Test: auf dem Kurs
Also doch mehr Crosser als Gravel Bike? Was kommt überhaupt von der teuer bezahlten Rahmendiät auf dem Schotter an? Erste Fahreindrücke konnte ich mit dem S-Works Crux auf Gravelwegen in Flandern sammeln. Und, wie soll man sagen, die Gravelwege dort verhalten sich zu den hiesigen wie der Koppenberg zum Mammolshainer Stich bei Eschborn-Frankfurt. Vieles ist etwas gröber und rumpeliger. Echtes Kopfsteinpflaster gibt es auch reichlich, aber ein paar piekfeine Parkwege erlauben auch mal Durchatmen am Lenker.
Nicht das ideale Terrain für ein superleichtes und optisch filigranes Gravel Bike mit 38 mm dünnen Reifen (2,1 bar), sollte man meinen. Umso überraschender fällt das Fazit nach den ersten schweren Gravel-Passagen aus. Das Crux überrascht mit erstaunlichem Fahrkomfort, am Sattel fühlt es sich beinahe wie gefedert an, vergleichbar mit den komfortabelsten Gravel Bikes, die ich kenne, wie dem Giant Revolt oder dem BMC Urs. Aber auch an der Front wirkt es keineswegs unwirsch hart, über Kopfsteinpflaster fliegt man geradezu hinweg. Und so bleibt als bestechender erster Eindruck, wie gut das leichte Crux auch gröberes Terrain meistert. Keine Spur von Stottern oder Schwammigkeit zeigt es auch beim starken Bremsen auf Holperstrecken bergab.
Freilich gilt: bei einem aktiven Fahrstil. Denn die sportliche Sitzposition bringt mehr Gewicht auf die Hände. Bodenwellen, dicke Steine, Spurrillen von jahrzehntelangem Traktorverkehr wollen mit Gewichtsverlagerung pariert werden. Auf die wiederum reagiert das Fliegengewicht so spontan, willig und genau, dass es eine zunehmende Freude ist – solange die Kraftreserven anhalten. Denn klar ist auch, so ein Fahrstil kostet auf die Dauer mehr Kraft.
Dennoch kann man es auch auf grobem, aber gleichmäßigem Schotter laufen lassen und im Sattel bleiben. Bei aller Leichtigkeit wirkt das Specialized Crux keinesfalls abgehoben, sondern doch ziemlich geerdet und lässt im Antritt nicht den Hauch Kraft liegen.
Stichwort Antritt: Wie das neue Crux „am Pedalgas hängt“ ist der zweite bleibende Eindruck. Vor allem an kleinen Gegenanstiegen, Wellen und Mini-Rampen verleiht das geringe Gewicht Flügel. Auf der Straße fühlt sich das S-Works Crux nicht zuletzt deshalb eigentlich an wie ein Rennrad – allerdings fehlt dort dann doch der 2-fach Antrieb.
Ob man 1 Kilogramm Gewichtsunterschied spüren kann, lässt sich mit einem deutlichen „Ja“ beantworten. Natürlich spielen dabei auch die erwähnten, sehr leichten Roval Terra CLX Laufräder eine Rolle. Aber andererseits saßen darauf auch gar nicht leichte Pathfinder-Reifen. Nicht auszudenken, wie sich das Crux mit einem fast 200 g pro Stück leichteren Cyclocross-Schlauchreifen anfühlen wird, wie sie im CX üblich sind. Eine Frage, die übrigens auch Zdeněk Štybar nach den ersten 10 Testkilometern mit dem Crux umtrieb: „Ich bin beeindruckt, ich fühle mich etwas schwammig auf den dicken Reifen, ich kann es kaum erwarten, das Rad mit einem Cross-Laufradsatz über meine Waldstrecken zu scheuchen“, sagte er beim Testride.
Ob das Crux 2022 nach wie vor ein potentes Cyclocross-Bike ist, konnten weder Štybi noch wir vor Ort testen. Jede Menge spricht dafür. Das deutlich geringere Gewicht als bei anderen Top-Bikes ist beim Tragen ein sehr starkes Argument für das Crux, eigentlich ein unschlagbares auf vielen Kursen. Gegen Schlammansammlung ist bei 47 mm Reifenfreiheit mehr als genug Raum vorhanden. Das Oberrohr ist zwar nicht abgeflacht (Tribut ans Gewicht), aber es ist hoch genug angesetzt zum leichten Lupfen – ein Unterschied zum Diverge – und es drückte nicht auf der Schulter. Auch enge Ecken ließen sich gut Umzirkeln.
Über die SRAM Red eTap AXS Gruppe wurde hier schon genug geschrieben. Die Schaltfunktion ist schlicht immer auf den Punkt. Anzumerken ist noch, dass es auch ohne Kettenfänger und Kettenführung keine Probleme mit Abwürfen oder Kettenschlagen gab.
Was kann das Crux in dieser Konfiguration dann eigentlich nicht? Für lange Strecken ohne austrainierten Oberkörper ist es sicher nicht die erste Wahl. Auch bergab in technischem Terrain setzt die Sitzposition viel schneller Grenzen als zum Beispiel beim Gravel Bike Diverge, weil viel Gewicht auf das Vorderrad kommt. Zudem machen Gravel Bikes wie das Diverge das schnelle Fahren von langen Kurven auf den Kiesweg irgendwie doch entspannter, auch wenn das Crux keinesfalls nervös wirkt – man denke an lange Gravel Tage im Schwarzwald. Nicht zuletzt: ein Bikepacking-Bolide wird aus dem Crux nie. Aber ein Overnighter ist locker drin.
Das ist uns aufgefallen
- Komfort Wir wissen nicht recht, wie Specialized es gemacht hat, aber das Crux 2022 ist eines der komfortabelsten Gravel Bikes ohne echte Federung, die wir kennen.
- Geräusche auch auf Gravel kein Klappern und geringe Resonanzen erzeugen ein akustisch sattes Fahrgefühl.
- Roval Terra CLX-Laufräder leicht und deshalb dynamisch, steif, schnell im Eingriff, genau die passende Breite, sicher ein Gewinn auch für andere Gravel Bikes. Für Cross etwas zu flach.
- Fahrverhalten eine absolute Spaßmaschine. Punkt.
- Für wen? Crux 2021-Fahrer*innen, für alle, denen Gravel Bikes zu wenig Rennrad sind, Cyclocross-Rennfahrer*innen, für Gravel-Rennfahrer*innen auf Mitteldistanzen und eher nicht Grinduro-Style dürfte das Crux 2022 die Überflieger-Maschine sein.
- Für wen besser nicht? Bikepacker*innen mit Hang zu viel Gepäck, eingeschworene Endurance-Rennrad Fahrer*innen, die ein Gravel Bike suchen, Aero-Anhänger*innen auf der Suche nach den kleinsten Verbesserungen auch am Gravel Bike, strikte Preis-Leistungs-Entscheider*innen.
Alternativen zum Specialized Crux 2022
Giant TCX Advanced 2022 Es hat ein fast ebenso leichtes Carbon-Rahmenset wie das Specialized Crux in den Nicht-S-Works-Varianten. Das gibt es am Komplettrad für rund 1.300 € weniger als das Crux Comp, wobei die verbaute SRAM Apex-Gruppe nicht so viel schlechter ist wie der Preisunterschied zum Crux mit Rival. Das TCX hat aber eine weniger aggressive Sitzposition. Die Reifenfreiheit gibt Giant zwar mit 45 mm an, tatsächlich ist dann hinten aber nur noch wenig Platz zu den Streben. Zum Test des Giant TCX Advanced 2022.
Canyon Inflite CF SLX 9.0 Gewichtsmäßig kann das Inflite CF SLX nicht ganz mithalten (940 g Rahmen), ebenso wie in Sachen Reifenfreiheit. Es hat aber eine ganz ähnliche Geometrie. Und es bringt für rund 400 € mehr als das Crux Comp einen Carbon-Laufradsatz und ein Powermeter mit – die Alternative für CX-Wettkämpfe. Zum Test des Canyon Inflite.
Open U.P.P.E.R Preislich bei vergleichbarer Ausstattung klar in der Liga des S-Works Crux angesiedelt, liegt das leichteste Open Gravel Bike beim Gewicht (Rahmen und Gabel: 1.250 g) leicht höher und in der Reifenfreiheit in 700c deutlich unter dem Crux. Es kann aber mit 2-fach-Road-Kurbeln und mechanischen Umwerfern gefahren werden, ist noch etwas wendiger ausgelegt und hat mehr Bikepacking-Montagepunkte. Die Alternative für Individualisten.
3T Exploro Race/Max mit rund 1.100 g ist der Exploro-Rahmen doch ein Stück weit vom Specialized Crux entfernt, zählt aber noch zu den leichteren Gravel Bike-Sets. Sein Plus ist die noch größere Reifenfreiheit und der Aerodynamik-Anspruch. Preislich liegt das 3T Exploro in den Top-Versionen sogar deutlich unter dem Crux. Zum Test des 3T Exploro Race
Cube Nuroad C:62 SLT Hier ist es das Komplettrad-Gewicht von 7,8 kg, dass das Bike zur Alternative macht. Die Reifenfreiheit ist mit 45 mm geringer, aber vor allem liegt das Fahrverhalten deutlich mehr auf der Trail-Seite mit wenig Gewicht auf dem Vorderrad. Zum Test des Cube Nuroad C:62 SL.
Test-Fazit: Specialized Crux 2022
Erneut macht Specialized den tiefen Griff ins Portemonnaie zu einer leichten Versuchung. Mit dem S-Works Crux erlebten wir eine bisher ungekannte, verführerische Kombination aus Leichtigkeit und spielerischem Handling auf Gravel. Auch bei CX-Rennen dürfte es heißen „Crux beflügelt“, obwohl wir das nur im Ansatz testen konnten. Andere derart leichte und dank der Reifenfreiheit so vielseitige Gravel- oder CX-Bikes gibt es kaum – und das gilt auch für die Modelle mit dem schwereren Rahmen. Eine Überraschung für ein Bike ohne extra dafür vorgesehene Komponenten war der Fahrkomfort. Nur wer gemütlich Bilkepacken gehen will oder auch am Rennlenker eigentlich immer auf Trailsuche geht, findet sicher bessere Kandidaten, schon allein aufgrund der Sitzposition und auch bei Specialized. Die Details für einfache Pflege und Anpassung überzeugen. Nur mit den Ausstattungspaketen sind wir nicht ganz glücklich: eine 2-fach Option haben wir bei dem selbst auf der Straße tempofreudigen Charakter des Crux 2022 vermisst.
Pro / Contra
Pro
- Gewicht
- Komfort
- Starke Kombi aus Verspieltheit und Fahrsicherheit
- Große Reifenfreiheit
- Einfachheit
Contra
- Montage-Möglichkeiten
- Eingeschränkte 2-fach Optionen
- Ziemlich teuer
Was denkt ihr über das neue Specialized Crux?
Testablauf
Das getestete Fahrrad wurde während einer Präsentation gefahren. Die Dauer und Länge sowie die Umstände der Testfahrten sind im Test vermerkt. Das Rad stand nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung. Das Rad wurde jedoch in der Größe passend zum Tester gewählt, alle nötigen Anpassungen wie Luftdruck Bremseinstellungen wurden durch die Tester vorgenommen und sind ebenfalls vermerkt.
- Ich fahre hauptsächlich
- Rennradtouren, CX-Rennen, Gravelrides
- Vorlieben bei der Geometrie
- Gemäßigt sportlich, eher lang
Noch mehr Gravel Bike-Tests auf Rennrad-News:
- Neues Cube Nuroad C:62 EX im Test: Highend-Graveln für 3.000 €
- Neues Rose Backroad FF Race Gravel Bike im Test: Bestimmt für Bestzeiten
- Rose Backroad Plus GRX RX600 im E-Gravel Bike Test: Offroad-Bike mit Power-Motor
- 8bar Mitte Steel V3 Gravel Bike Test: Unterm Glitter steckt ein treuer Freund
- Canyon Grizl 8 1by Ekar im Test: Die wilde 13 zum milden Preis
- Neues Focus Atlas 8.8 im Test: Bikepacking viel leichter gemacht
- Neues Scott Solace-E-Gravel-Bike – erster Test: Radfahren wie im Computer-Spiel
- Das neue Specialized Diverge STR im Test: Future Shock-Fully Gravel Bike
- Neues Ridley Kanzo Adventure im Test: Breiter fährt weiter
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