Neuer Specialized S-Works Ares im Test: Er will der schnellste Rennrad-Schuh der Marke bisher sein. Gemacht für die schnellsten Rennradfahrer der Welt, soll der Schuh die Max-Power mit einer ganz neuen Passform erhöhen. Passt das auch besser, wenn man nur unter 1.000 Watt leistet? Das haben für unsere Artikelserie „Ausprobiert“ praktisch erprobt. Dort findet ihr regelmäßig kurze Vorstellungen von spannenden Produkten, die wir einem ersten Check unterzogen haben.
Specialized S-Works Ares kurz und knapp
Blindtest mit offenen Augen: Wenn Tester ein neues Produkt bekommen, liegt in der Regel ein Infopaket bei, sprich: eine Mitteilung mit allen Informationen von der Entwicklung über die Positionierung bis zum Preis. Beim neuen S-Works Ares gab es zunächst nur den Schuh. Und der sah auf den ersten Blick anders aus. Erster Blick: „Ah, wahrscheinlich ein Schuh für die Übergangssaison mit knöchelhohem Schaft“, denke ich, „vielleicht für die kalten Klassiker oder die neuen Rennen mit Gravel-Abschnitten, damit keine Steinchen ins Innere fliegen und die Fußsohle peinigen“. Aber weit gefehlt. Der neue S-Works Ares ist schlicht ein Schuh, um zu gewinnen, ein Schuh für die ultimative Kraftübertragung. Die kommt aus der Passform des Oberschuhs, wie später die Infos aufklären. Der Ares sei „der schnellste Rennradschuh, den Specialized je entwickelt hat“. Hier die wichtigsten Fakten:
- Bisher effizientester Rennradschuh von Specialized
- Soll maximalen Power-Output um 1 % steigern
- Verschluss-Design und Oberschuh-Passform gehen neue Wege
- Zungenloser Einstieg und „Dyneema-Socken“
- Außensohle FACT Powerline Carbon, Steifigkeitsindex 15
- Verschluss 2x Boa LI2-Drehverschluss
- Cleat-Standard 3-Loch Road (SPD-SL, Look etc.)
- Größen 36 bis 49 (38 bis 45 halbe Größen, Test: 44)
- Farben Weiß, Schwarz, Rot, Team
- Gewicht 261 g / Schuh (gewogen in Größe 44)
- Preis 419,90 € UVP
- Info https://www.specialized.com
Im Detail
Der neue Specialized S-Works Ares ist die neuste Innovation in einer Reihe von Hochleistungs-Rennradschuhen der Kalifornier mit entsprechenden Preisen. Nach dem 160 g leichten S-Works Exos (=> hier unser Test des S-Works Exos) folgte der besonders belüftete S-Works Vent für die Hitze der Tour de France. Jetzt, mit dem S-Works Ares, geht es schlicht um maximale Leistung und Effizienz. Ein Schuh, gemacht, um auch bei 1.400 Watt Tretleistung im Zielsprint oder beim entscheidenden Anritt am Berg den Fuß wie gegossen zu umschließen. Aber obwohl er keinen Raum für Reibungs- und Kraftverluste lassen darf, soll er dennoch die Stunden auf dem Rad davor komfortabel sein.
Anforderungen, die nach langer Entwicklung des Specialized Schuh-Teams um Rob Cook mit entscheidender Hilfe von Deceuninck – Quick-Step Sprintstar Sam Bennett in einer vollkommen neuen Oberschuh-Konstruktion mündeten. Sie ist auch zum Patent angemeldet. Erste Auffälligkeit: Der Ares hat keine Zunge. Stattdessen ist er am kompletten Fuß wie ein „Sneaker Slipper“ gefertigt und teils mit dem hochfesten Material Dyneema verstärkt. Erst darüber spannen sich dann die beiden Feststellriemen. Betrachtet man sie alleine, sind sie – übertrieben gesagt – fast wie bei einer Sandale angeordnet. Vor allem die vordere Schließe sitzt weiter über dem Vorderfuß als üblich. Zusammengenommen soll der S-Works Ares eine um 20 % vergrößerte Kontaktfläche „im Vergleich zu herkömmlichen Verschluss-Systemen“ besitzen. In einer „Peak Power Ride-Studie“ – zu deutsch „Maximalkraft auf dem Rad“ – liefert der neue Sprinterschuh laut Specialized 1% mehr Leistung an der Kurbel als jeder andere Schuh des Herstellers zuvor.
Ansonsten fügt sich der S-Works Ares nahtlos in das bekannte Specialized Body Geometry-System und teilt bewährte Technik mit den anderen Highend-Schuhen. Herausragend ist die Carbonsohle mit Stiffness Index 15 wie beim S-Works 7. Sie ist an der Kurbelseite besonders verstärkt und mit einer Vorwölbung versehen, um ein feste Grundlage für die austauschbaren Einlegesohlen zur Abstützung des Längsgewölbes zu bieten.
Varus Keil eine 1,5 mm nach außen gerichteten Neigung der Außensohle, die den Vorfuß stabilisieren soll und dabei hilft, den Knöchel, das Knie und die Hüfte auszurichten.
Patentiertes Längsgewölbe Beugt dem Einsinken des Fußgewölbes vor. Es ist in die Außensohlen eingearbeitet und kann mit drei verschiedenen Gewölbehöhe-Einlagen individuell angepasst werden. Noch weiter an den nötigen Support anpassen lässt es sich durch die verschiedenfarbigen Body Geometry-Schuheinlagen.
Metatarsal Button Soll die empfindlichen Nerven und Arterien im Fuß schützen, indem die Knochen des Vorfußes leicht angehoben und getrennt werden. Das soll auch Taubheitsgefühlen entgegenwirken.
Bei der Tour dieses Jahr war ich besorgt, dass einer der anderen Sprinter die S-Works Ares Schuhe noch vor mir haben würde, denn ich weiß, dass er einen Unterschied macht.
Sam Bennett, Deceuninck – Quick-Step
Die Entwicklung des Specialized S-Works Ares gleicht auch einem Lehrstück über die Zusammenarbeit mit Profi-Teams. Wie aufschlussreich die für einen Sponsor oder Hersteller ausfällt, hängt nämlich stark davon ab, wie die Profis mitmachen. Im Falle des Specialized Ares war es ebenfalls ein Sprinter, Sam Bennett, der laut Specialized entscheidend zuarbeitete.
Der Wille, zusätzliche Zeit zu opfern und die Fähigkeit, Gefühle in Worte zu fassen, sind unterschiedlich ausgeprägt. Manche Profis haben den Ruf hervorragender Tester, wie einst Erik Zabel, dem ein super „Popometer“ bescheinigt wurde.
Doch der Reihe nach. Von Anfang an ging es beim Ares um einen Schuh, der die Kraft der Sprinter kanalisieren kann. Und die Anfänge reichen laut Specialized zurück bis ins Jahr 2011, als man mit Mark Cavendish begann, Schuhe daraufhin zu optimieren. Auch Marcel Kittel ging ein Stück des Weges mit. „Wir haben versucht, unsere bestehenden Schuhe so anzupassen, dass sie ihren Bedürfnissen gerecht werden, aber mit begrenztem Erfolg“, sagt Rob Cook. Schließlich sei es „Bennetts klinische Aufmerksamkeit für Details“ gewesen und seine Bereitschaft, sich in den Prozess zu vertiefen, die zu neuen Erkenntnissen und frischen Ansätzen führten.
=> Hier findet ihr ein Interview mit Specialized Chef Schuh-Entwickler Rob Cook
„Meine Schuhe sind wahrscheinlich das wichtigste Stück Ausrüstung für mich“, sagt Bennett. „Ich bin super empfindlich gegenüber Veränderungen und brauche Stunden, um meine Cleats einzustellen, bis auf den Millimeter genau.“ Das Team um Specialized-Schuhentwickler Rob Cook schickte den Top-Sprinter mit vielen Prototypen auf die Reise, bevor die letztendliche Form geboren war.
Das Team begann ein Testprogramm mit vielen Verschlussdesigns bei Spitzenleistungen, um das effektivste System zu ermitteln. Um zu verstehen, woher letztlich die 1 %-Verbesserung kam, die sie mit dem S-Works Ares erzielten, nutzten sie Pressure-Mapping, wie man es von Sitzfolien für Sättel kennt. Aus den Ergebnissen folgerten sie, dass letztlich das Verschlusssystem für die bessere Kraftübertragung verantwortlich sei.
Erste Anprobe
Schon beim ersten Reinschlüpfen gibt der neue S-Works Ares dem Träger das Gefühl, es mit der Passform genauer zu nehmen (Testschuh Größe 44, Straßenschuhgröße des Testers 43,5). Zwar öffnen die Boa-Verschlüsse mit einem Click leicht und sperrangelweit. Aber dann saugt sich die Dyneema-verstärkte „Innensocke“ förmlich an den Fuß an. Nichts für Tria-Wechselzonen! So wirkt der Sitz schon fest, bevor überhaupt am Boa-Verschluss gedreht wurde. Dann dreht man an den zwei sehr feinschrittigen Verschlüssen (irgendwie schön, dass man den 3 Sperrklinken währenddessen bei der Arbeit zuschauen kann), und der Fuß fühlt sich wie eingegossen in den Ares.
Aber nicht eingequetscht. In der Zehenbox herrscht das vertraute Specialized Body Geometry Gefühl: genug Platz zum Ausdehnen auch für etwas breitere Füße, aber kein ausdrücklicher „Wide fit“. Zur Not kann das Material hier auch noch seitlich etwas nachgeben. Damit ist der erste Vorteil des neuen Verschlusssystems bereits spürbar. Wegen des weit vorn platzierten Boa-Verschlusses kann der Vorderfuß nach oben fest in Position gehalten werden, wird aber seitlich nicht in eine zu feste Zehenbox gespannt. Von den Zehen bis zur Ferse spürt man sofort einen Unterschied. So sitzt die Ferse zwar extrem stramm und fest im Schuh, aber oben am Übergang zur Sehne wirkt der S-Works Ares gleichzeitig anpassungsfähiger, als man es vom S-Works 7 gewohnt ist. Die Polsterung im Sehnenbereich ist dicker und die Fersenbox reicht höher. Unterm Strich: satter eingepackt kann man sich kaum fühlen. Das lässt Skepsis gegenüber der dauerhaften Bequemlichkeit keimen. Aber Passform-Notiz am Rande: Selbst fünf Stunden am Schreibtisch getragen wird der Druck nicht lästig und es entstehen keine Schnürstellen.
Letzter Schritt, bevor es losgehen kann: Cleat-Montage. Hier folgt der S-Works Ares der bekannten Specialized-Funktionalität. Das bedeutet, dass das Cleat weiter Richtung Ferse positioniert werden kann als bei vielen anderen Rennrad-Schuhen. Die 3 Löcher sind als Langloch ausgeführt, das ergibt zusätzlichen Spielraum. Mithilfe der feinteiligen Striche an der Seite und oben konnte ich die Einstellung von vorhandenen Specialized-Schuhen 100 % genau übernehmen.
Auf dem Rad
Kann man als Nicht-Sprinter und eher „Rennrad-Diesel“ wie ich (max. 850 Watt) und vielleicht viele, die Vorzüge eines solchen Schuhs wie dem neuen Specialized S-Works Ares wirklich umsetzen? Das war vor dem Probefahren eine Frage. Danach nicht mehr. Aber nicht, weil die Antwort gefunden war, sondern weil die Frage keine Rolle mehr spielte. Der Hauptvorteil des Specialized S-Works Ares ist – jenseits der für uns nicht nachprüfbaren einprozentigen Verbesserung der maximalen Kraft im Antritt – ein Gefühl, das zum Beispiel der schon sehr direkte S-Works 7 Road-Schuh so nicht bietet.
Ich versuche, es bestmöglich zu beschreiben (nach mehreren winterlichen Probefahrten von 2 bis 3 Stunden und einer Indoor-Einheit über 2 Stunden). Mit dem Specialized S-Works Ares fühlt sich der Fuß auf dem Rad wie eingegossen an, fast wie eine natürliche Verlängerung der Mechanik. Alles fühlt sich unmittelbarer an. Selbstverständlich befeuert der Ares Antritte geradezu mit der brettsteifen Sohle (wo die Kraft ja fast ausschließlich aus der Abwärtsbewegung der Kurbel kommt). Weil er so „spack“ und bequem sitzt wie eine Stretch-Jeans, aber gleichzeitig so fest wirkt eine Gussform, hat man das Gefühl, dass wirklich nirgends auch nur ein Quäntchen Kraft in einer Mini-Bewegung des Fußes verloren geht.
Die Ferse sitzt wie angetackert in der Box.
Noch viel stärker macht sich der Kraftschluss in der Zugphase bemerkbar, sofern man darauf achtet. Ich bin der Typ, der komischerweise vor allem im Wiegetritt, tief im Lenker auch an den Pedalen zieht, vielleicht in Folge eines leichten Knieschadens. Auch hier: kein Nachgeben, nirgends, trotz nachweislich unrunden Tretzyklus‘ (Dysbalance rechts/links) nicht das geringste Ausweichen des Fußes im Schuh. Die Ferse sitzt wie angetackert in der Box. Am Spann wird der Zug großflächig abgeleitet.
Wenn man das liest, sollte man meinen, dass da doch irgendwo der Schuh drücken muss. Aber das Erstaunliche ist, dass das eben wirklich nicht der Fall ist. Dennoch: Wer eher das Gefühl von sanfter Umspieltheit am Fuß braucht, aber dennoch festem Tritt, der ist mit dem leichten (und etwa gleich teuren) S-Works Exos im Vergleich wahrscheinlich besser bedient. Und wer den S-Works 7 liebt, der wird den Ares noch mehr lieben, denn er ist für meinen Geschmack sogar noch einen Tick bequemer und direkter.
Noch ein Wort zum Schuhklima. Die Belüftung ist nicht so extrem, dass man an einem kühlen Herbsttag nicht auch mal 2 Stunden nur mit dickeren Socken ohne Überschuhe fahren könnte. Schwitzig wird der Schuh mit ganz dünnen Socken aber auch indoor nicht. Und an beide Sockentypen lässt er sich sehr gut anpassen. Übrigens, die kleinen Steinchen hält die eingebaute „Dyneema-Socke“ ebenfalls draußen. Bleibt noch zu sagen, wie immer bei Tests von Schuhen: Ein Ausprobiert-Lesen ersetzt kein Anprobieren!
Fazit von Rennrad-News.de
Specialized hat auch mit seinem jüngsten Performance-Rennradschuh wieder ganze Arbeit geleistet. Wie der S-Works Ares einen angegossenen Sitz am Fußrücken erzeugt und gleichzeitig nirgends Druckstellen entstehen, das setzt Maßstäbe. Wer den Specialized Body Geometry-Leisten schon schätzt, kann hier einen idealen Partner finden – vor allem, wenn ambitioniert gefahren wird und Antritte und Sprints fest zum persönlichen Profil gehören.
Das gilt durchaus auch fürs Indoor-Training, wenn auch die Belüftung keinen Hochsommerschuh aus dem Ares macht. Gewichtsmäßig muss er sich nur vor der hausinternen Konkurrenz wirklich verstecken. Hier haben zahlungswillige Kunden jetzt die Qual der Wahl. Schlechte Passform konnte man schon dem Exos nicht vorwerfen, aber dem Einen oder der Anderen mag er doch zu filigran für Maximalleistungen sein.
Pro / Contra
Pro
- Sitzt wie angeschweißt
- Perfekte Kraftübertragung
- Body Geometry-Ergonomie mit ihren guten Anpassungsmöglichkeiten
- Schnell anpassbare BOA-Verschlüsse
- Fußklima „Allround“
Contra
- Preis
Weiterlesen
Weitere kurze Tests aus der Serie Ausprobiert findest du auf dieser Übersichtsseite. Wenn du ein Produkt für einen ersten Test vorschlagen möchtest, schreibe uns einfach hier eine Nachricht!
Zum Weiterstöbern empfehlen wir dir die fünf neuesten Beiträge in unserer Serie Ausprobiert.
- Trainingsplattform Rouvy – Ausprobiert!: Indoor-Training mit Outdoor-Look
- Canyon CFR Rennrad-Helme – Ausprobiert!: Aero und Highbar für Speed und Sicherheit
- CHPO Luca Rennrad-Brille – Ausprobiert: Gute Sicht für kleines Geld?
- Neuer Continental Aero 111 Reifen im Test: Macht schneller als ein Aero-Laufrad allein
- Der neue Wahoo Trackr – Ausprobiert!: Wahoo Brustgurt jetzt mit Akku