Mit dem neuen Specialized S-Works Torch läuten die Kalifornier eine neue Ära bei ihren Rennrad-Schuhen ein. Der absolute Highend-Schuh für 450 € löst den S-Works 7 als Maß der Dinge ab und bekam eine ganz neue Passform, gepaart mit vielen Innovationen. Für unsere Artikelserie “Ausprobiert” konnten wir den Torch breits näher in Augenschein nehmen. Dort findet ihr regelmäßig kurze Vorstellungen von spannenden Produkten, die wir einem ersten Check unterzogen haben.
Specialized S-Works Torch kurz und knapp
Die Fußstapfen des Specialized S-Works 7 sind groß, aber nicht für alle groß genug könnte man sagen. Der Top-Rennrad-Schuh der Kalifornier – oder besser, jetzt Ex-Top-Schuh – verbuchte Siege bei den letzten 7 UCI-Straßenweltmeisterschaften der Männer und war sehr beliebt. Und doch war nicht Jede und Jeder (Profi) 100 % mit dem Fit zufrieden. Weshalb Specialized auch Spezial-Schuhe wie den superfirmen S-Works Ares für die Sprinter oder den superleichten S-Works Exos mit flexiblerem Oberschuh ergänzte. Der neue S-Works Torch soll jetzt den Tragekomfort auf eine neue Stufe heben. Dabei soll es aber zu keinen Einbußen bei der S-Works 7 Kernkompetenz kommen: der Kraftübertragung. Die Eckdaten:
- Neuer Highend Rennrad-Schuh löst S-Works 7 ab
- Bessere Passform auf Basis von 100.000 Retül-Fußbett-Scans
- Neuer Leisten und breiteres Fußbett
- 20 g leichtere, genauso steife Carbonsohle wie S-Works 7
- In Normal- und Wide-Passform zu haben
- Verschluss 2x Boa S3 Alu-Drehverschluss
- Gewicht 238 g pro Schuh in Größe 44 (gewogen)
- Bindung 3-Loch-Standard (ROAD), verstellbar im Langloch
- Größen 36 bis 49 (38,5 bis 45,5 auch halbe Größen)
- Farben Weiß, Oak Green, Schwarz
- Verfügbar ab sofort
- www.specialized.com
- Preis 440 € (UVP)
Details
„Wo drückt der Schuh?“ Mit dieser Frage konfrontieren Specialized Schuh-Entwickler:innen regelmäßig die Fahrer:innen der UCI World-Tour-Teams in den jährlichen Trainingscamps, nicht nur wenn sie neue Schuhe entwickeln. Der Specialized S-Works 7 hat im Peloton viele Fans, aber nicht Jede/Jeder war auf Anhieb mit dem siegverwöhnten Highend-Schuh der Marke rundum glücklich, weiß Specialized Entwickler Rob Cook: „Direkt aus dem Karton war der S-Works 7 nicht für jede Fahrerin und jeden Fahrer komfortabel“, berichtet Cook und schließt damit auch Feedback der anspruchsvollen normalen Käufer*innen ein. Um das zu ändern und gleichzeitig die ausnahmslos hoch geschätzte Kraftübertragung aufs Pedal zu behalten, begann man vor 3 Jahren mit der Entwicklung des neuen S-Works Torch.
Der neue Specialized S-Works Torch entstand wie alle Highend-Schuhe der Kalifornier in enger Zusammenarbeit mit den Fahrer:innen der gesponserten World-Tour-Teams. Supertalent Remco Evenepoel trägt zum Beispiel laut Specialized neue Schuhe in ständiger Rotation und liefert regelmäßig Feedback. Aber auch normale Kund:innen wenden sich mit Kritik an ihren – teuren – Rennrad-Schuhen an die Marke.
=> Hier findet ihr ein Interview mit Specialized Chef Schuh-Entwickler Rob Cook
Ein Feedback aus den Reihen der Profis zum S-Works 7 war etwa, dass der Klettverschluss über den Zehen eigentlich nie wirklich zum Einsatz kam, weil der Schuh auch ohne diesen vorne schon boxartig fest saß. Ein Grund, warum Specialized den wie eine zweite Haut sitzenden S-Works Ares im Bereich über den Zehen flexibler machte und einen Boa-Verschluss weiter unten positionierte. Eine andere Rückmeldung waren Druckstellen an der Zunge bei sehr langen Tagen im Sattel. Und nicht alle Nutzer*innen mochten die feste Ferse. Cook beschreibt es als eine Art „Container-Feeling“ im S-Works 7. Und das wollte man mit dem S-Works Torch abschaffen. Auf Basis von über 100.000 Fußbettscans aus dem hauseigenen Retül-System schufen die Rennrad-Schuh Entwickler um Rob Cook dann schrittweise den neuen S-Works Torch.
Datenbasis aus 100.000 Fußbettscans.
Das Vorgehen dazu: Zunächst griff man auf die Daten des Retül-Systems zurück. Das Bikefitting-System, das Specialized vor Jahren kaufte, beinhaltet die Werte aus über 100.000 Fußbettscans. Laut Specialized handelt es sich dabei um die größte Datenbasis in der Fahrradschuh-Industrie, aber auch im Vergleich zu Sportschuh-Herstellern, wo Cook bereits arbeitete, sei es noch ein großer Datenschatz.
Auf Basis der Daten entstand dann zunächst ein neuer Leisten, also die Form, um die herum der Schuh gebaut ist. Der Leisten fällt weiter aus als beim S-Works 7, aber nicht höher. Grund: Gleichzeitig verbreiterte das Entwicklerteam auch das Fußbett aus Carbon um 4 mm, um den weiteren Oberschuh auch großflächig und ohne Druckspitzen näher an den Fuß zu bringen.
Das weitere Vorgehen beschreibt Cook so: „Wo es am meisten quietscht, dahin kommt das Öl“. Für den Oberschuh spricht er von einer neuen Philosophie: Ein Wechsel aus Stretch-Zonen und festem Material schafft Platz für die härteren Strukturen im Fuß, stellt aber den Kraftschluss dort sicher, wo er gebraucht wird.
Am Ende der Entwicklung stand ein vollkommen neuer Rennrad-Schuh, der den S-Works 7 ablöst – letzterer wird auch nicht mehr weiter produziert. Für den höheren Tragekomfort und die Zielvorgabe des geringeren Gewichtes beim S-Works Torch gibt es einige Schlüsselstellen:
- Leisten Die Form, um die der ganze Schuh gebaut wird, wurde weiter.
- Fußbett Das Fußbett wurde ebenfalls 4 mm weiter. So umschmiegt der weitere Schuh den Fuß besser.
- Sohle Die Carbon-Sohle wurde 20 g leichter. Für Steifigkeit sorgt eine zentrale Strebe. Eine neue Form zur Herstellung ermöglicht feinere Kanten und weniger überschüssiges Material.
- Oberschuh Stretch-Zonen an potenziellen Druckstellen wie Knochen und feste Zonen zur Kraftübertragung. Statt Dyneema setzt Specialized hier nun auf einen eigens entwickelten, eigenen Materialmix.
- Asymmetrische Fersenkappe Die sehr feste Struktur der S-Works 7-Fersenkappe führte bisweilen zu Problemen. Die neue Fersenkappe gibt Halt ohne einzuengen.
- Verschluss Die 2 Boa-Verschlüsse spannen oder lösen schräg statt gerade laufende Schnüre – die weißen Kabel wurden übrigens extra für die Optik neu entwickelt.
- Apropos Optik Große Logos sind passé. Mit dem neuen S-Works Torch sollen sich auch Fahrer:innen passend gekleidet fühlen, die Rennräder anderer Marken fahren (oder fahren müssen).
Geblieben ist es bei den sehr fein rastenden S3 Boa-Verschlüssen aus Metall, die schon am S-Works exklusiv waren. Sie lassen sich nicht per Zug ganz freigeben, worauf Specialized laut eigener Aussage bewusst verzichtet hat zugunsten der bewährten Haltbarkeit.
Ansonsten fügt sich der S-Works Torch nahtlos in das bekannte Specialized Body Geometry-System und teilt bewährte Technik mit den anderen Highend-Schuhen. Herausragend ist die Carbonsohle mit Stiffness Index 15 wie beim S-Works 7. Sie ist an der Kurbelseite besonders verstärkt und mit einer Vorwölbung versehen, um ein feste Grundlage für die austauschbaren Einlegesohlen zur Abstützung des Längsgewölbes zu bieten.
Varus Keil eine 1,5 mm nach außen gerichteten Neigung der Außensohle, die den Vorfuß stabilisieren soll und dabei hilft, den Knöchel, das Knie und die Hüfte auszurichten.
Patentiertes Längsgewölbe Beugt dem Einsinken des Fußgewölbes vor. Es ist in die Außensohlen eingearbeitet und kann mit drei verschiedenen Gewölbehöhe-Einlagen individuell angepasst werden. Noch weiter an den nötigen Support anpassen, lässt es sich durch die verschiedenfarbigen Body Geometry-Schuheinlagen.
Metatarsal Button Soll die empfindlichen Nerven und Arterien im Fuß schützen, indem die Knochen des Vorfußes leicht angehoben und getrennt werden. Das soll auch Taubheitsgefühlen entgegenwirken.
Nichts Neues gibt es bei der Cleat-Montage. Hier bietet der S-Works Torch die bekannte Specialized-Funktionalität mit der zusätzlichen Verstellung im Langloch. Damit kann die Pedalplatte weiter Richtung Ferse positioniert werden als bei vielen anderen Rennrad-Schuhen. Mithilfe der feinteiligen Striche an der Seite und oben lässt sich die Einstellung von vorhandenen Specialized-Schuhen 100 % genau übernehmen.
S-Works Torch: erste Anprobe
Specialized gibt dem neuen S-Works Torch große Vorschusslorbeeren mit den Worten „ein Schuh zum Vergessen“ und „ein Hauch von Nichts“. Höher kann man die Erwartungen kaum schrauben, zumal ich zu den Fußtypen gehöre, die von der bisherigen Passform mit ihrer etwas weiteren Zehenbox sehr gut bedient waren, aber tatsächlich etwas „geboxed“. Schon beim Specialized Ares Test gefiel mir der dehnbare Bereich am Vorfuß gut. Geht es besser?
Das erste Reinschlüpfen gibt eine kleine Ernüchterung: So weich und stretchy, wie es sich liest, fühlt sich der S-Works Torch gar nicht an (Testschuh Größe 44, Straßenschuhgröße des Testers 43,5). Defintiv nötig ist der Einsatz des vorderen Boa-Verschlusses, um genug Raum zu schaffen.
Aber noch innerhalb einer Minute stellt sich im Zehenbereich sogar ein besseres Gefühln ein, als ich es schon kannte. Außer der Sohle ist hier nichts, was sich meinem Hang zum Abspreizen des kleinen Zehs entgegenstellt – und er muss auch nicht erkennbar den Schuh dehnen wie beim S-Works Exos-Test. Aber dennoch wirkt der Fuß im Vergleich zum Exos firm umschlossen. Ein Rest S-Works 7 Gefühl ist vorhanden.
An der Ferse wiederum ist der Unterschied zum S-Works 7 sofort spürbar. Auch wenn ich am Schreibtisch die Füße ständig anziehe und strecke, entsteht an keiner Stelle unangenehmer Druck. Der Spann findet in der Mitte der Zunge eine feine Lücke, um sich nach oben zu wölben.
Was noch? Zunächst nichts. Vor der offiziellen weltweiten Premiere heute, blieb noch keine Zeit zum Fahren, nachdem die Schuhe gestern ankamen. Nun, da ich die S-Works Torch zwei Stunden am Schreibtisch getragen habe, sehe ich der ersten Ausfahrt umso gespannter entgegen. Vor allem, ob sie auf Dauer so komfortabel sind, dass sie dem Socken-ähnlichen Exos das Wasser reichen können, macht mich neugierig. Wird fortgesetzt.
Was meint ihr zum neuen Specialized S-Works Torch?
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