Mit der SRAM Force eTap AXS kommt jetzt die lang erwartete günstigere eTap-Gruppe. Sie verfügt über 12 Gänge und auch sonst übernimmt die neue Force AXS fast alle Techniken der gerade erst eingeführten Red eTap AXS. Wir konnten den neuen direkten Ultegra Di2-Gegenspieler schon Probefahren. Hier gibt es alle Infos zu Preisen, Gewichten sowie Unterschieden zur Red AXS und erste Fahreindrücke von der 1x- und 2x-Version.
Lange hat SRAM damit gewartet, das branchenübliche „Durchreichen“ der Top-Technik der Force-Gruppe angedeihen zu lassen. Wer SRAM eTap wollte, musste 4 Jahre lang auch „Red“ sagen. Bis jetzt. Denn heute kommt mit der Force eTap AXS die erste elektronische Force auf den Markt. Und sie übernimmt fast alle Alleinstellungsmerkmale der erst im Februar eingeführten Red eTap AXS: Angefangen vom 12-fach-Antrieb bis hin zur App für die komfortable Individualisierung – aber nicht das vieldiskutierte vollintegrierte Powermeter, soviel vorab. Ansonsten ist der einzige große Unterschied das Gewicht: Rund 300 g wiegen die Force AXS-Gruppen mehr als die Red AXS-Pendants – ganz gleich ob mit Felgen- oder Disc-Bremse. Und die Preise? Los geht es mit 2.148 € UVP für die 1x-Gruppe mit hydraulischen Scheibenbremsen (die Aero-Gruppe ohne die Rennrad-Schaltbremshebel ist noch etwas günstiger).
SRAM Force eTap AXS: Infos und Preise
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- Elektronische 12-fach Schaltgruppe auf Mittelklasseniveau mit Funkübertragung
- Gleiche Technikbasis wie SRAM Red AXS
- Gewicht ab 2.213 g (1×12, mechanische Felgenbremse)
- Ein Schaltwerk für alles
- Als 1x-oder 2x-Gruppe
- Als hydraulische Disc- oder Felgenbrems-Version
- Breiterer Übersetzungsbereich als klassische 2×11 Gruppen
- Geringere Unterschiede zwischen Kettenblatt-Zähnezahlen als bei 2×11-Gruppen
- Mehr 1-Zahn-Sprünge an den 12-fach Ritzelkassetten
- Verfügbar sofort
- Preise ab 2.058 €
- Infos www.sram.com
SRAM Force AXS: Preise der einzelnen Varianten
Mit dem Debüt der SRAM Force AXS reduziert sich der Einstiegspreis in die neue 12-fach Elektroschaltungs-Welt von SRAM um rund ein Drittel. Bei Artikelerstellung war die felgengebremste Red AXS 2-fach zu Preisen um 2.700 € im (Online)-Handel erhältlich, bei einer UVP von 3.182 €. Für die entsprechende Force AXS liegt die UVP von SRAM rund 1000 € darunter, nämlich bei 2.148 €. Die Force AXS könnte damit im Handel ungefähr auf dem Niveau der „alten“ Red eTap 22 landen. Hier die UVP der Gruppen:
- 2-fach mit hydraulischer Scheibenbremse: 2.548 € / 1.850 € (nur Elektronik-Teile)
- 1-fach mit hydraulischer Scheibenbremse: 2.148 € / 1.450 € (nur Elektronikteile)
- 2-fach mit Felgenbremse: 2.408 € / 1.550 € (nur Elektronikteile)
- 1-fach mit Felgenbremse Aero-Gruppe: 2.058 € / 1.200 € (nur Elektronikteile)
[UPDFATE 3. April, 20:50 Uhr: SRAM hatte UVP für die elektronischen Teile kommuniziert, Preise wurden im Artikel angepasst]
Technik
Bei den Preisunterschieden ist es schon fast erstaunlich, dass die neue Force AXS fast sämtliche Innovationen der Red AXS 12-fach Gruppe übernimmt. Die wichtigste davon (neben der Elektronik) ist aus Redaktionssicht der gestiegene Übersetzungsbereich gegenüber einer klassischen 2×11-Gruppe. „X-Range“ heißt das bei SRAM. So sieht X-Range an der Force im Vergleich aus:
X-Range 50-37 / 10-28 | 53-39 / 11-25 | X-Range 48-35 / 10-28 | 52-36 / 11-28 | X-Range 46-33 / 10-33 | 50-34 / 11-34 | X-Range Wide 43-30 / 10-36 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Bandbreite | 378 % | 309 % | 384 % | 368 % | 460 % | 454 % | 516 % |
Entfaltung mit 28-622 Reifen | 2,8 bis 10,7 m | 3,35 bis 10,36 m | 2,69 bis 10,32 m | 2,76 bis 10,16 m | 2,15 bis 9,89 m | 2,15 bis 9,77 m | 1,79 bis 9,25 m |
Geschwindigkeit bei 90 U/min schwerster Gang | 58 km/h | 56 km/h | 56 km/h | 55 km/h | 53 km/h | 53 km/h | 50 km/h |
Die Tabelle macht gleich den ersten Unterschied zur Red AXS klar. Die Gruppe umfasst keine Kurbel mit der großen Zahnkranzkombi 50-37. Bei den Kassetten gibt es identische Abstufungen wie bisher:
- 10-26
- 10-28
- 10-33
Damit kommen Force AXS-Fahrer auch in den Genuss der kleinen Gangsprünge in den schweren Gängen, die SRAM mit der Red AXS einführte. Die beiden kleinen Kassetten offerieren je 7 Ein-Zahn-Sprünge am unteren Ende des Übersetzungsbereichs – mithin in den Bereichen fürs Flache oder Hügelige, wo sich veränderte Trittfrequenzen stärker aufs Tempo auswirken. Aber auch die 10-33-Kassette, die SRAM vor allem im Gravelbereich sieht, ist mit 5 Ritzeln mit 1-Zahn-Sprung weit besser für gleichmäßiges Roulieren aufgestellt als die 11-fach Gruppen mit ähnlichem Übersetzungsbereich, wie die Grafik von SRAM zeigt.
Das unterscheidet Force AXS von Red AXS
Eine Differenz wurde schon angesprochen: Eine Zahnkranzkombi mit Abstufung 50-37 wird es für die Force AXS-Kurbel zum Markstart nicht geben. Die wichtigsten Unterschiede zur Red AXS im Überblick:
- keine 50-37 Kurbel
- Rund 300 g Mehrgewicht
- Ritzelkassetten aus geschmiedetem Stahl statt aus Alu gefräst
- Keine aus einem Stück Alu gefrästen Kettenblattkombinationen
- Powermeter im Spider integriert, nicht in den Kettenblättern
- Quarq Powermeter-Option bringt 100 g statt 36 g Mehrgewicht
- Nur 1 Anschluss für Blips an den eTap-Brems-/Schalthebeln (statt 2)
- Flat-Top Kette mit weniger aufwändiger Oberflächenvergütung
- Weniger Einsatz von Leichtbau-Materialien wie etwa Titan bei Schrauben
- Weniger aufwändige Oberflächen-Behandlung der Komponenten
- 1-fach Kurbeln nur bis 46 Zähne
- 1-fach Aero Kurbel nur mit 48 Zähnen
Das haben die AXS-Gruppen gemeinsam
Das Gros der Technik-Innovationen übernimmt die Force AXS von der Red AXS – was auch die gleichen Folgen für die Kompatibilität hat. So sind außer den Red eTap-Akkus keine alten 11-fach eTap-Teile kompatibel. Dafür kann etwa ein Antriebsstrang (Schaltwerk, Kette, Kassette und Kurbel) der MTB-Gruppe Eagle angesteuert werden. Das erweitert die Auswahl um extreme Berg-Übersetzungen.
=> Hier findet ihre alle Neuerungen der SRAM Red AXS im Artikel auf Rennrad-News
Volle Kontrolle über alle Einstellungen gibt die mit der Red eingeführte AXS App. Die Möglichkeiten sind zahlreich: So kann man die Tasterbelegung umkehren oder auch festlegen, welche Funktion mit den zusätzlichen Blips angesteuert werden soll (z.B. eine Dropper Post aus der MTB-Gruppe für Gravelbikes). Außerdem lassen sich verschiedene Schaltunterstützungen einstellen. Die umfassendste „Automatik“ liefert „Sequential Shifting“. Hier wechselt die AXS automatisch in den nächsten leichteren oder schwereren Gang und wechselt dazu auch das Kettenblatt vorne selbsttätig, wenn nötig. Wer den Moment des Kettenblattwechsels lieber selbst bestimmen will – man denke an Sprints – kann sich mit „Compensated Shifting“ das Schalten erleichtern. In dem Modus gleicht das Schaltwerk automatisch einen Kettenblattwechsel aus, in dem es eine festgelegte Anzahl Ritzel überspringt. Wieviele es sein dürfen, legt man in der App fest. Aufgrund der neuen X-Range-Abstufung mit kleinerer Differenz zwischen den Kettenblättern sind dabei aber maximal zwei „kompensierende“ Schaltschritte nötig, um einen flüssigen Anschlussgang zur erreichen.
Zentrales mechanisches Bauteil bleibt der neue XDR-Freilaufkörper, der für das zusätzliche Ritzel 1,85 mm breiter ausfallen muss. Passende Laufräder wurden bereits zahlreich mit der Red AXS eingeführt, viele sind umrüstbar. An den Brems-/Schalthebeln lassen sich ergonomisch keine Unterschiede zur Red AXS festmachen. Die Druckpunkt unabhängige Griffweiten-Einstellung und die Druckpunkteinstellung laufen identisch. Bleeding Edge-Technologie soll das Entlüften vereinfachen.
Die optisch charakteristische Flat-top Kettentechnik wird natürlich übertragen. Die schmalere Kette mit den oben geraden Außenlaschen soll leiser laufen und gleichzeitig haltbarer sein – mehr dazu im Fahreindruck. Auch das SRAM Force AXS-Schaltwerk besitzt die neue Schwingungsdämpfung gegen Kettenschlagen. Und es bedient wie der Umwerfer alle Kurbel- und Ritzelkombis – keine unterschiedlich langen oder verschieden geformten Käfige mehr. Zudem setzen beide Gruppen auf den universellen SRAM DUB-Standard für die Innenlager. Er enthält Lösungen für BSA, BB30, PF30, BBRIGHT, PF30A, 386 und PF86.5.
Überarbeitet wurden die Felgenbremsen der SRAM Force AXS. Sie sollen jetzt Platz für Reifen bis 28 mm lassen und können mit SwissStop Carbon-Bremsbelägen oder Belägen für Alu-Felgen geordert werden.
Bei den Disc-Bremsen sind – abseits der Oberfläche und Montage-Teile – kaum Unterschiede auszumachen. Zum Einsatz kommt die augenscheinlich und gewichtsmäßig gleiche, neu entwickelte Bremsscheibe mit abgerundeten Kanten nach UCI-Vorgaben. Die Bremskörper gibt es für Flat Mount und Post Mount für 160 oder 140 mm Scheiben.
Interessant ist noch ein Blick auf die neuen Quarq DZero Powermeter-Optionen. Die Leistungs-Messtechnik mit beidseitiger Messung ist als Upgrade in normale Kurbeln der Force AXS nachrüstbar. Sie sitzt im Unterschied zur Red auch bei den 2-fach-Gruppen im Spider. SRAM verspricht eine Genauigkeit von +/-1.5 % unabhängig von Änderungen der Witterung. Die Kurbeln geben zudem Werte für die Powerbalance zwischen beiden Beinen aus. Die Kettenblattoptionen entsprechen den normalen Kurbeln: 1-fach mit 36 bis 46 Zähnen und 2-fach mit 46/33 oder 48/35 Kombi.
SRAM Force AXS-Gruppen: Gewichte
Eine Leichtbaugruppe ist die neue SRAM Force AXS nicht. Rund 300 g mehr als die Red AXS bringt die Force AXS auf die Waage, unabhängig davon, ob man die Felgenbrems- oder Disc-Variante betrachtet. Mit 2.449 g liegt die neue 12-fach Force in der Felgenbremsvariante ebenfalls grob 300 g über der bestehenden mechanischen Force mit 11 Ritzeln. Das wiegen die Gruppen im Einzelnen:
Force AXS Gruppe | 2-fach | 1-fach |
---|---|---|
Disc | 2.812 g | 2.572 g |
Felge | 2.453 g | 2.213 g |
Aero Disc | 3.377 g | 3.133 g |
Aero Felge | 2.223 g | 1.983 g |
Ein Blick auf die Gewichte der einzelnen Komponenten zeigt, dass das Mehrgewicht gegenüber der Red AXS im Wesentlichen an zwei Stellen entsteht: an Kurbel (+ 183 g) und Kassette (+ 51 g). Wir erinnern uns: Der Leichtbau war laut SRAM schon bei der Vorstellung der Red AXS Kurbeln ein Grund für die umstrittene, aufwendig aus einem Stück gefräste Kettenblattkombi mit integriertem Powermeter. Entsprechend wirkt es sich nun bei der Force stärker im Gewicht aus, wenn man die Quarq Powermeter-Technik addiert: 100 g Gewichtsaufschlag statt 36 g bei der Red sind damit verbunden.
Da SRAM Force und SRAM Red AXS den identischen Standard für die Aufnahme der Kettenblätter, respektive des Spiders, nutzen, ist ein „Downgrade“ einer verschlissenen Red-Kurbel mit Force-Kettenblättern theoretisch möglich, geht aber laut SRAM mit Steifigkeitseinbußen der Kettenradgarnitur einher – und natürlich dem entsprechenden Gewichtsaufschlag.
Komponente / Gruppe | SRAM Force AXS 2-fach Felgenbremse | SRAM Red AXS 2-fach Felgenbremse | SRAM Force AXS 2-fach Disc | SRAM Red AXS 2-fach Disc |
---|---|---|---|---|
Kassette 10-28 | 232 g | 181 g | 232 g | 181 g |
Innenlager DUB BSA | 76 g | 76 g | 76 g | 76 g |
Kurbel (175 mm, 48-35) | 755 g | 572 g | 755 g | 572 g |
Schaltwerk | 322 g | 303 g | 322 g | 303 g |
Umwerfer | 180 g | 170 g | 180 g | 170 g |
Schalt/Bremshebel (bei Disc inkl. Bremszangen und Beläge) | 301 g | 283 g | 822 g | 763 g |
Kette | 266 g | 249 g | 266 g | 249 g |
Bremsen (bei Disc: Rotoren) | 317 g | 269 g | 230 g | 230 g |
Gesamt | 2.449 g | 2.103 g | 2.883 g | 2.518 g |
Fahreindruck der neuen SRAM Force AXS
Auf Testfahrten rund um Girona in Katalonien konnten wir erste Fahreindrücke mit der Force AXS sammeln. Dabei kam sowohl die 1×12-Gruppe als auch die 2×12-Variante am Gravelbike und am Roadbike zum Einsatz – beide jeweils über rund 80 km. Was fiel auf?
Das Schaltversprechen: SRAM hat die gleiche Schaltqualität wie bei der neuen Red AXS ausgelobt. Für den Tester war es eine eTap-Premiere. Deshalb wurde zum direkten Vergleich ein mit Red AXS ausgestattetes Testrad herangezogen. Unterschiede? Sie waren tatsächlich nicht zu spüren. Weder in der Bedienung und Haptik der Hebel noch in der Geschwindigkeit oder Exaktheit der Schaltvorgänge. Vielleicht war das Schaltgeräusch an den Ritzeln und Kettenblättern bei der Red etwas leiser – aber das kann auch an den Testrädern liegen. Denn auch im Vergleich vom Force AXS Road-Setup zum Force AXS Gravel-Setup waren Unterschiede hörbar. Ansonsten gilt: Man bekommt schlicht die gleiche Schaltfunktion für weniger Geld.
Welche Schaltfunktion bekommt man? In Sachen Schaltlogik ist alles wie gehabt. Zwei Hebel steuern alle Vorgänge. Linken Hebel drücken, leichterer Gang; rechten Hebel drücken, schwerer Gang; beide Hebel gleichzeitig: Kettenblattwechsel bei 2-fach Antrieben. Die Logik ist so bestechend, dass man sich als Novize binnen anderthalb Stunden umgestellt hat. Kraft braucht man keine. Die Taster der Schalthebel sind angenehm groß und so auch auf Rüttelpisten immer sicher zu treffen – was aus unserer Sicht ein großer Vorteil gegenüber der Shimano Di2 mit ihren dicht beieinander liegenden Tastern ist.
Der Schaltvorgang selbst läuft 100% exakt, Kettenrasseln kommt nicht vor. Bei der 2-fach Gruppe dauert ein Schaltschritt an der Kassette etwas länger als beim 1-fach Ensemble. Die Geschwindigkeit entspricht gefühlt etwa der mechanischer Systeme. Der Umwerfer stand am 2-fach Gravel-Testbike in allen fahrbaren Gängen, sogar in den nicht empfohlenen (!) Kombinationen „groß-groß“ und „klein-klein“, so über der Kette, dass es keinen Kontakt zum Gliederstrang gab. Am Orbea Testbike lieferte die automatische Trimmfunktion für den Umwerfer in den extremen Gängen nicht vollständig berührungsfreien Kettenlauf, was jedoch nicht der Force AXS anzulasten ist. Auch unter Last ist vorne wie hinten das Schalten zwar geräuschvoller, aber problemlos. Vorne scheint die Schaltung dabei etwas kräftiger die Kette umzulegen als etwa ein Di2-Ensemble. Jedenfalls lief vor allem das „Runterschalten“ am Kettenblatt auch an steilen Anstiegen sehr zügig, der Umwerfer blieb nie „hängen“, weil zuviel Spannung auf der Kette war.
Was X-Range bringt ließ sich in den Bergen und „Rolling Hills“ rund um die Rennrad-Hochburg Girona gut erspüren – beziehungsweise nicht spüren, weil nichts vermisst wurde. Klettern die Prozente nicht zweistellig, fährt man die SRAM Force 12-fach sehr lange auf einem Kettenblatt. Ohne es zunächst bewusst zu merken, lag beispielsweise beim Gravelbike anfangs nur das kleine Kettenblatt auf. Zum Einsatz kam die 2-fach Kombi aus 10-33 Kassette und 46-33 Kettenrädern. Ohne Nachdenken schaltet man die Ritzel hinten rauf und runter und bewegt sich dabei meist im Bereich der 1- oder 2-Zahn-Sprünge. Erst längere steile Anstiege rufen dem Fahrer ins Gedächtnis, dass es die Suche nach dem optimalen Gang gibt, etwa eine Gravelroad hinauf zum Gipfel Sant Miquel bei Girona. An dieser mit Geländeprozenten deutlich jenseits der 10 wünscht man sich dann teilweise eine noch leichtere Untersetzung als die 1:1-Abstufung, die an der Gravel-Kombi vorhanden ist. Auf Abfahrten wurde dagegen rein gar nichts vermisst.
War die geringe Spreizung der schweren Gänge vorher ein kaum bemerkbarer Bonus, war nach dem Umstieg zu spüren, dass hier und da eine Abstufung zur 100%-Wohlfühlfrequenz fehlte
An unserem Orbea Orca-Testbike, das in der getesteten Konfiguration auch in den Handel kommen wird, war die SRAM Force-Übersetzungskombi 10-28 Kassette mit 48-35 Kurbel im Einsatz. Hier sind sogar noch zwei 1-Zahn-Sprünge mehr vorhanden als an der „10-33 Gravelkassette“. Der Effekt fiel auf der Straße ähnlich aus wie auf dem Kiesweg: Weniger Schalten und mehr in passender Trittfrequenz fahren ist ein fühlbarer Vorteil. Anders als am Gravelbike war die Übersetzung für die um Girona befahrenen Anstiege, darunter auch eine bekannte Kletterpartie zu Els Angels, passend. Einen echten Aha-Effekt löste der Umstieg auf ein Mietrad mit 2×11-Kompaktgruppe und 32er-Kassette für Erkundungen der Region nach dem Ende der Testtage aus. War die geringe Spreizung der schweren Gänge vorher ein kaum bemerkbarer Bonus, war nach dem Umstieg zu spüren, dass hier und da eine Abstufung zur 100%-Wohlfühlfrequenz fehlte, und zwar besonders in den hügeligen Gegenden. Wenn etwas da ist, merkt man nicht, was man vermisst.
Die neue Schwingungsdämpfung – von SRAM Orbit genannt – arbeitete bei den Testfahrten sehr effektiv. Auch auf steinigen Trails mit kleinen Stufen stellte Kettenschlagen kein Problem dar. Zudem blieb die Kette am Diverge-Testbike ohne Chainguide zuverlässig auf den Kettenblättern.
Die Disc-Bremsen konnten rundum überzeugen. Auf den bis zu 70 km/h schnellen Abfahrten ließen die montierten, neuen 160 mm Scheiben (vorne und hinten) keine Zeichen von Fading provozieren. Und das, obwohl die vordere Bremsscheibe auf einer Abfahrt ausgeglüht wurde und nachher bläulich verfärbt war. Auch zu Verformungen kam es nicht. Die Force AXS Hydraulik-Discs zeichnen sich durch eines sehr definierten Druckpunkt aus und beißen anfangs sehr kräftig zu, lassen sich aber feinfühlig dosieren, hat man die Kraftentfaltung einmal gelernt. Felgenbremsen waren an keinem Testrad montiert. Laut SRAM Chef-Entwickler J.P McCarthy wird die Gruppe an Hersteller zu 98% in der Disc-Version geliefert.
Die AXS APP macht das Einstellen der gewünschten Funktionen wirklich leicht – gut ist aber dennoch, dass die Gruppe auch „aus der Kiste“ ohne App einfach funktioniert. Das Verbinden mit einem iPhone SE lief zügig und störungsfrei, so lange bei dem Prozess ausreichend Abstand zu anderen AXS-Rädern gehalten wird. Sogar Komponenten und Powermeter im Abstand von 50 m wurden noch angezeigt, was für die Stärke der Sender spricht. Die Menüs der App sind selbsterklärend, einfacher kann man es kaum machen. Was alles geht, beschreiben wir in einem separaten Artikel.
Das stille Versprechen: Wie bei der Red AXS verspricht SRAM auch für die Force AXS einen extraleisen Lauf der Kette. Unseren Hörtest auf den Gravelroads und Straßen rund um Girona bestand die neue Gruppe. Sowohl am Orbea Orca Roadbike als auch am Specialized Diverge Gravelbike war das Laufgeräusch angenehm leise, aber nicht hörbar ruhiger als bei vergleichbar wertigen Gruppen der beiden anderen großen Hersteller. Allerdings bemerkten wir Unterschiede zwischen beiden gefahrenen Rädern – am Orbea lief die Kette vor allem bei viel Druck auf dem Pedal hörbar lauter. Als Ursache kommen laut SRAM Produktmanager J.P. McCarthy Toleranzen bei der Montage in Frage. Letztere würden auch erklären, warum es am Orbea-Straßenrad zu einem Kettenabwurf beim Herunterschalten vom großen Blatt aufs kleine Blatt unter Last kam, während das auf weit ruppigerem Terrain bewegte Diverge unter allen Bedingungen tadellos schaltete.
Fazit – SRAM Force AXS
Mit der neuen SRAM Force AXS macht elektronisches Schalten einen weiteren Schritt Richtung Mainstream. In unserem Fahrtest unterschied sich die neue 12-fach-Gruppe nicht wahrnehmbar von der teureren Red. Die Force besitzt die gleiche narrensichere Schaltlogik und ist ihrem direkten elektronischen Gegenspieler, der Shimano Ultegra Di2, ein Ritzel und einen breiteren Übersetzungsbereich voraus. Die offiziellen Preisempfehlungen liegen derzeit rund 1.000 Euro über dem Shimano-Produkt, das es in der Disc-Version zu „Straßenpreisen“ um 1.200 € gibt, dürften sich aber weiter annähern. Spannend ist, zu welchen Preisen heute neue Rennräder mit der elektronischen SRAM 12-fach-Gruppe in der Mittelklasse auf den Markt kommen. Denn auch bei der schnellen Markteinführung will SRAM den gleichen Weg gehen wie mit der Red AXS. Einen Wunsch hätten wir aber noch: Die „dicke“ Pro-Kurbel der Red AXS vermissen wir nicht, aber eine Kassette mit noch leichteren Berggängen, wie sie die aktuellen 1x11-Gruppen haben, das wäre doch was – speziell für Gravelbikes, auf die SRAM ja auch mit der Force 1x12 abzielt.
Pro / Contra
Pro
- Eindeutige Schaltlogik
- Sehr einfache Anpassung und Schalt-Automatisierung über die AXS-App
- Zusätzliche 1-Zahn-Sprünge der Kassette will man nicht mehr vermissen
- Schnelle, immer präzise Funktion
- Perfekte Kettenschlag-Dämpfung
- Starke, gut dosierbare Bremsen
- Lenker-Satelliten koppelbar
- Powermeter separat
Contra
- Akkus müssen geladen werden (der Elektro-Nachteil!)
- Berg spezialisierte Gravelkassette für 1x12 fehlt (noch?)
- relativ teuer (noch?)
- Etwas schwerer als Ultegra Di2 2x11
Löst die SRAM Force AXS ein, was ihr vom Schritt zum E-Schalten bei SRAM in günstigere Preisregionen erwartet hattet?
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