Giant TCX SLR2 im Test: Die SLR-Serie von Giant zählt zu den Urgesteinen der Cyclocross-Räder. Die günstigeren SLR-Aluversionen erben traditionell die Renngeometrie der Carbonvarianten, lassen sich aber alltagstauglich nachrüsten. Das 2018er Einstiegsmodell ist das Giant TCX SLR 2 für 1.299 Euro. Wir haben es im Gelände und auf der Straße getestet.
Steckbrief: Giant TCX SLR2
Rahmenmaterial | Aluminium |
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Gabel | Aluminium, Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 10,0 kg |
Rahmengrößen | Unisex 50, 52,5, 54,5 (Test), 55,5, 56,5 cm |
Website | www.giant-bicycles.com |
Lars Van der Haar setzte als einer der ersten Profi-Cyclocrosser Scheibenbremsen am Wettkampfrad ein: an einem Giant TCX SLR Advanced. Der taiwanesische Hersteller wollte die Technik gerne im Cross-Peloton sehen; Van der Haar war von den Vorteilen überzeugt, als die Cantilever-Bremse noch als Goldstandard für Querfeldein galt. Das TCX SLR ist in der Carbonvariante „Advanced“ der Wettkampf-Technologieträger von Giant. Es hatte früh eine gemäßigtere, mehr auf Gutmütigkeit als auf Wendigkeit getrimmte Geometrie. Und die günstigeren Varianten TCX SLR-Modelle mit Giant AluXX-Rahmen erben die Technik. So ist auch die Geometrie des Giant TCX SLR 2 bis auf den Millimeter identisch mit den Wettkampfrennern. Was kann der Einsteiger?
Geometrie
Rahmengröße | S | M | ML | L | XL |
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Laufradgröße | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C |
Reach | 370 mm | 375 mm | 385 mm | 395 mm | 406 mm |
Stack | 540 mm | 556 mm | 572 mm | 589 mm | 603 mm |
STR | 1,46 | 1,48 | 1,49 | 1,49 | 1,49 |
Lenkwinkel | 71° | 71,5° | 72° | 72,5° | 72,5° |
Sitzwinkel, effektiv | 73,5° | 73° | 73° | 73° | 73° |
Sitzwinkel, real | 73,5° | 73° | 73° | 73° | 73° |
Oberrohr | 530 mm | 545 mm | 560 mm | 575 mm | 590 mm |
Steuerrohr | 130 mm | 145 mm | 160 mm | 175 mm | 190 mm |
Sitzrohr | 500 mm | 525 mm | 545 mm | 555 mm | 565 mm |
Kettenstreben | 430 mm | 430 mm | 430 mm | 430 mm | 430 mm |
Radstand | 1.014 mm | 1.019 mm | 1.030 mm | 1.040 mm | 1.055 mm |
Tretlagerabsenkung | 60 mm | 60 mm | 60 mm | 60 mm | 60 mm |
Gabel-Offset | 68 mm | 65 mm | 62 mm | 59 mm | 59 mm |
Ausstattung
- Rahmen: Alu, 3-fach konifiziert, 12 mm Steckachse, 142 mm Einbaumaß
- Gabel: Aluschaft/Carbonscheiden, tapered 1 1/8 auf 1 1/4-Zoll
- Schaltung: Shimano 105 5800 11-fach
- Antrieb: FSA Alu BB86 Kettenrad mit 46-36 Z. / Ritzel: 11-32 Z.
- Laufräder: Giant S-X2-Disc, 19-622, 28 Speichen vorne und hinten, Tubeless ready
- Reifen: Schwalbe Super Swan 35-622 Drahtreifen
- Bremsen: Conduct/Tektro Semi-Hydraulik-Disc-Bremse, 140/140 mm, Flat-Mount
- Sattelstütze: D-Fuse Carbon
- Lenker: Giant Connect 31,8 mm
- Gesamt Gewichtszulassung: 136 kg
Im Detail
Ein Aufkleber „UCI-Approved“ weist auf die Gemeinsamkeit der Geometrie zu den Carbonrahmen hin – für Lizenzrennen müssten aber dünnere Reifen als die 35 mm Super Swan montiert werden. Gemeinsamkeiten des Alu-Rahmens zum Carbon-Modell sind auch das getaperte Steuerrohr, das die ebenfalls getaperte Gabel mit Carbonscheiden aufnimmt. Und nicht zuletzt kommen Scheibenbremsen zum Einsatz – diese sind eine Besonderheit des Giant TCX SLR2: Sie werden halb-hydraulisch betätigt. Ein Adapter, der sozusagen in die Vorbaukappe integriert ist, übersetzt die Hebelkraft der mechanischen Shimano 105- STI in Öldruck. Wozu? Ein Grund könnte sein, dass so ein Rad mit zeitgemäßer 11-fach 105-Gruppe und hydraulischer Bremsleistung für 1.299 Euro aufzubauen ist. Vergleichbare 105er-Crosser kommen dagegen eher mit rein mechanischen Scheibenbremsen. Giant gibt das TCX SLR 2 zudem für ein Fahrergewicht bis 136 kg plus 14 kg Gepäck frei, was sehr großzügig für ein race-orientiertes Bike ist.
Trotz Renngenen ist die Fahrwerks-Geometrie des Giant TCX SLR2 eher auf der Fahrfehler verzeihenden Seite einzuordnen. Lange Kettenstreben, ein ebenfalls eher längerer Radstand und ein mittlerer Lenkkopfwinkel mit viel Nachlauf stellen Laufruhe auf gröberen Wegen über Wendigkeit. Doch als Einladung zum Bummeln will die Geometrie nicht verstanden werden: Die Sitzposition fällt unmissverständlich sportlich aus. Das vergleichsweise kurze Steuerrohr, das lange Oberrohr und der Vorbau verlangen dem TCX-Piloten eine gestrecktere Haltung mit mehr Gewicht auf dem Vorderrad ab. Das Tretlager ist etwa 1 cm weniger abgesenkt als bei typischen Gravelbikes, so dass man hoch auf dem Rad sitzt. In der Beziehung ist das TCX renntauglich. Ein Blick auf den Platz zwischen den großvolumigen Kettenstreben und Reifen verrät, dass auch deutlich breitere Reifen hineinpassen als die 35 mm-Modelle. So stellten probeweise montierte 42 mm Reifen in 28-Zoll kein Problem dar. Und auch die Trendgröße 47-584, auch „Road-Plus“ genannt, passte mit ausreichend Luft in Rahmen und Gabel.
Der mehrfach konifizierte Alu-Rahmen des Giant TCX SLR2 ist mit seinem leuchtenden Neon-Orange ein Hingucker und optisch tadellos verarbeitet. Flat-Mount-Bremsaufnahmen sowie 12 mm-Steckachsen an allen Alulaufrädern und 142 mm Einbauweite sind aktueller Technikstand. Mit einer bis auf die Naben und die Kurbel vollständigen Shimano 105 11-fach-Gruppe ist das TCX SLR 2 für seine Preisklasse antriebsseitig hochwertig ausgestattet. Die Giant Conduct-Lösung für die semi-hydraulische Scheibenbremse liegt ebenfalls über dem Standard. Vollhydraulische Systeme kosten rund 100 Euro mehr, die Regel sind aber in diesem Segment mechanische Systeme. Die 140 mm Bremsscheiben sind eher auf echte Cyclocross-Kurse und den Alltag im Flachland als auf bergige Gravel-Events abgestimmt. Ein Highlight ist die asymmetrische Carbon-Sattelstütze. Giant nennt sie „D-Fuse“. Sie flext und bringt (trotz hartem Sattel) einen spürbaren Komfortgewinn. Solide, herkömmlich eingespeichte Laufräder mit je 28 Speichen versprechen eine einfache Ersatzteilversorgung ohne Abhängigkeit von Speichen- oder Nippel-Sonderanfertigungen.
Die richtigen Reifen und die passenden Laufräder sind an einem Wettkampf-Cyclocrossrad das A und O. Das Giant TCX SLR 2 rollt auf 35 mm breiten Schwalbe Super Swan-Modellen, die es in Deutschland nur in der Erstausrüstung gibt (OEM). Sie sitzen auf 19 mm breiten Alu-Felgen von Giant PX2-Laufrädern. Giant folgt also dem Trend zu immer breiteren Felgen nur den halben Weg. Die Laufräder hinterließen einen sehr soliden Eindruck bis hin zu den Naben auf Formula-Basis. Trotz einiger ruppiger Trails auf der Testdistanz sowie Einsatz bei Schnee und Streusalz liefen sie bei Testende rund und satt. Allerdings sind sie auch keine Leichtgewichte: Mit 1.016 g für das Vorderrad und 895 g für das Hinterrad wundert ein etwas trägeres Gefühl beim Beschleunigen nicht, zumal die Reifen mit Drahtkern ebenfalls den Zeiger der Waage nach oben treiben.
Ansonsten gefielen die Super Swan-Reifen mit guter Griffigkeit und vorhersagbarem Kurvenverhalten auf den gängigen Cyclocross-Untergründen: von losen Kiesbelägen über weiche Waldböden bis hin zu Wiesen. Nur für tiefen Matsch eignet sich das eher geschlossene Profil, das an den Schwalbe Rocket Ron erinnert, weniger. Auf der Straße erzeugen die Stollen ein sonores Brummen, der gefühlte Leichtlauf ist aber auf Augenhöhe mit vielen Semi-Slicks. Für 75-kg-Tester erwiesen sich 3,5 bar hinten und 3 bar vorne als ein guter Allround-Druck.
Insgesamt bieten die Laufräder und Reifen das höchste Potential für effektives Tuning. Ein erster Schritt in Richtung Wettkampf-Cosser lässt sich mit der Montage von Tubeless-Reifen machen (nicht getestet). Die Giant S-X2-Laufräder sind bereits mit Tubeless-Felgenband gedichtet. Fehlen noch Ventile und passende Reifen.
Die Kurbel von FSA zählt zu den günstigeren und schweren Modellen. Ihre Kettenblätter sind crosstypisch gering abgestuft: 46 zu 36 Zähne. Das ergibt laut Ritzelrechner eine Entfaltung von rund 2,5 bis 9 m pro Pedalumdrehung. In der Praxis bedeutete das für mittelmäßig trainierte Testfahrer: Absteigen am Steilstück im Wald! Auch für lange Gravelrides im Mittelgebirge dürfte die Übersetzung vielen zu schwer sein. Vorteil ist der vergleichsweise geringe Gangsprung beim Wechsel zwischen den Kettenblättern – ein Vorteil, der eigentlich nur in Rennen zählt.
Alltagsfreundlichkeit
Eine Überraschung in der winterlichen Fahrpraxis war die mechanisch-hydraulische Giant Conduct-Scheibenbremse. Sowohl gegenüber rein mechanischen Systemen als auch gegenüber anderen semi-hydraulischen Bremsen wirkten die Hebelkräfte geringer und der Druckpunkt definierter. Das lässt sich auf die geraden, kurzen Bowdenzugwege am Lenker zurückführen. Das Niveau von rein hydraulischen Rennrad-Scheibenbremsen verfehlt die Adapterlösung nur knapp. Ihr größter Nachteil: Bei der Montage von Akkuscheinwerfern und anderem Zubehör sind die Züge und der Adapter in der Vorbaukappe immer im Weg. Die Halter müssen weit innen platziert werden, was die Griffmöglichkeiten etwas einschränkt.
Sehr positiv fielen die Original-Giant-Beläge der Scheibenbremsen auf, die selbst bei Nässe nur kurz und dezent beim Anbremsen quietschten.
Die Belagsträger sind identisch mit Shimano-Modellen günstiger Baureihen. So treibt einem der mögliche hohe Belagverschleiß bei Matsch- und Sandfahrten keine Tränen in die Augen. Freude macht das Giant auch beim Reinigen nach dem Crossen. Weil alle Züge innen verlegt sind und nur zum Tretlager hin kurz austreten, lässt sich das Giant TCX SLR2 gut säubern. Blätter und die fiese Mischung aus Matsch und Grashalmen finden kaum „Widerhaken“. Von den Reifen darf man keinen hohen Pannenschutz und lange Laufleistungen des Profils für Alltagsfahrten auf Asphalt erwarten. Am Ende der Testdistanz von rund 300 km zeigte der Hinterreifen in der Mitte schon sichtbare Abnutzungserscheinungen trotz nur geringer Straßenanteile.
Gut für ein sportlich orientiertes Cyclocross-Rad ist auch die Ausstattung mit Befestigungsösen. Für 2 Flaschenhalterpaare sind Gewindebuchsen vorhanden. Schutzbleche sind leicht anzubringen. Nur für einen Gepäckträger müsste an den Sitzstreben eine „Bastellösung“ her.
Auf dem Kurs
Das UCI-Logo auf dem Rahmen lässt keine Zweifel an der Bestimnung des Giant TCX SLR 2 für den Rennkurs – nicht alle Rennfahrer wollen teure Carbonboliden mit Top-Gruppen dem Schlamm opfern. Gemäß der Aufgabe fällt auch die Sitzposition ziemlich sportlich, aber nicht athletisch gestreckt aus. Das Cockpit liegt gut in der Hand, der Lenker und die Kurbeln sind in Breite und Länge passend zur Rahmengröße und zum Einsatzgebiet gewählt.
Obwohl das Tretlager vergleichsweise hoch über dem Boden sitzt, liegt das TCX gefühlt satt auf dem Kurs. Es gab kaum eine Situation, in der sich das Testrad nicht souverän verhielt. Im Fahrtest war es auf klassischen Cyclocross-Trainingsstrecken mit Treppen und engen Kurven ebenso unterwegs wie auf Singletrails im Wald und auf Kieswegen – auch Gravelroads genannt.
Das TCX spricht für ein Rad dieser Gewichtsklasse direkt auf Pedaldruck an. Weder schnelle Kurven noch ruppigere Trails bringen Unruhe oder lassen die Lenkung indirekter wirken, was für die Steifigkeit von Rahmen, Gabel und Laufrädern spricht. Am deutlichsten spürt man Unterschiede zu manchen anderen Cyclocross-Rädern auf schnellen Trails im Wald. Dort bringt die lange, eher gutmütige Auslegung viel Gelassenheit am Steuer.
Auf dem Crosskurs lässt sich das TCX dennoch leicht durch enge Kurben zirkeln und mit Gewichtsverlagerung intuitiv fahren.
Auch das Schultern an Treppen ging – trotz des zum Sattel hin schmalen Oberrohrs – überraschend schmerzfrei vonstatten. Beim Tragen fällt das Gewicht dann aber doch auf. Überzeugend sind die großen Durchläufe und die Formgebung an der Gabel und am Hinterbau. Dort „staute“ sich die Matsche nicht über Gebühr. Nicht zuletzt sind die Bremsen für Crosskurse passend ausgelegt: nicht zu kräftig, nicht zu schwach. Auch für Steilabfahrten im Wald reichte die Standfestigkeit mit 75-kg-Fahrer noch, wer aber mehr Waldwege und Trails als Cyclocross fährt oder Bikepacking-Touren durch die Berge plant, wird mit größeren Scheiben besser beraten sein.
Ganz allgemein ist das Giant TCX SLR2 in dieser Konfiguration weniger für fordernde Berge ausgelegt. So fordert auch die Übersetzung an langen Bergaufpassagen eine gut ausgebildete Muskulatur. Im Flachen dagegen sind die relativ geringen Gangsprünge im Berich zwischen 20 und 35 km/h ein Vorteil, vor allem gegenüber den 1-fach Gruppen, die an Wettkampf orientierten Cyclocross-Rädern ebenfalls oft zu finden sind.
Video – mit dem Giant TCX SLR2 auf dem Trail
Giant TCX SLR2 Test von Thomas – Mehr Rennrad-Videos
Fazit – Giant TCX SLR2
Giant schafft es mit dem TCX SLR2 für 1.299 Euro ein ernsthaft wettkampfgeeignetes Cyclocross-Rad anzubieten. Laufradtuning kitzelt dabei leicht mehr heraus. Gleichzeitig ist es auch eine Spaßmaschine auf leichten Trails und kann – mit anderen Reifen – auch im Alltag durchaus mithalten. Die für die Preisklasse hochwertige Ausstattung erkauft man mit den semi-hydraulischen Bremsen. Sie zeigten im Test zwar keine funktionellen Nachteile, benötigen aber prinzipell die Wartung von zwei verschiedenen Systemen. Der Bereich, den das sehr vielseitige Giant TCX SLR 2 gegenüber gleich teuren Modellen am ehesten schlechter besetzt, ist die Endurance-Graveltour. Unterm Strich bleibt ein vielseitiges, tadellos verarbeitetes Cyclocross-Bike mit einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis.
Pro / Contra
Pro
- Verzeihendes Fahrverhalten
- Allround-Tauglichkeit mit Wettkampf-Option
- für den Preis hochwertige 105-Teile
- sehr gut verarbeiteter, vielseitiger Rahmen
- hohe Gewichtszulassung
- solide Laufräder
- Bikepacking tauglich
- komfortable Carbonsattelstütze
Contra
- Ersatzeilversorgung für Semi-Hydraulik
- etwas schwer
- harter Sattel
- Wettkampf-Übersetzung
- weniger Platz im Cockpit
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