Wenn der Startschuss schon um 6 Uhr fällt, dann heisst es um 5 Uhr Tagwache. Dann gilt es, in aller Hast ein paar Bisse Müsli, eine Banane und einige Datteln rein zu schieben und schon sitzt man auf dem Rad. Und da habe ich in der ganzen morgendlichen Hektik doch glatt vergessen, einen Kaffee zu kochen. Und wer mich kennt, der weiss: Ohne Kaffee läuft bei mir am Morgen fast gar nichts!
Geschlafen habe ich letzte Nacht auch nicht so top. Kurz vor dem Ins-Bett-Gehen hat starker Regen eingesetzt und der auf das Dachzelt prasselnde Regen hat mich nur schwer schlafen lassen. Natürlich habe ich Ohropax dabei, aber eben unten im Auto und um bei Regen nochmals aufzustehen, da war ich einfach zu faul dafür – Anfängerfehler!
Nicht ganz ausgeschlafen stehen wir also in Herrgottsfrühe an der Startlinie. Da ich ziemlich knapp dran bin, muss ich weit hinten anstehen. Wie sich herausstellen wird, ist dies rennentscheidend. Schon auf den ersten Metern geht die Post ab und bis ich mich nach vorne gekämpft habe, sind die ersten beiden Mädels schon über alle Berge.
102 Kilometer und rund 2000 Höhenmeter gilt es heute zu bewältigen. Dass kleveres Kräfteeinteilen hier das A und O ist, versteht sich da von selbst. Für mich ist dies gar nicht so einfach. Ich bin zwar relativ schnell am Berg und auch schnell in den Downhills, aber in der Fläche und in den Antritten nach den Kurven, krieg ich einfach nicht so viel Druck auf die Pedale wie meine männlichen Mitstreiter. Es gilt also ein gutes Hinterrad zu finden, das zu meinem eigenen Fahrstil passt.
Bereits am ersten Aufstieg finde ich Unterschlupf in einer 10-Köpfigen Gruppe. Diese fährt ein schnelles Tempo und vermeidet glücklicherweise harte Antritte, die zu einem Handorgeleffekt führen würden. Lustigerweise treffe ich hier auf einige Weggefährten, die schon beim Prolog gestern mit mir unterwegs waren. Ein gutes Zeichen, dass ich mich in der richtigen Gruppe befinde.
Es gibt aber auch Situationen, in welchen ich die Gruppe fast ziehen lassen muss. Einmal habe ich tierisches Glück: Ich verliere den Anschluss an die Gruppe genau in dem Moment, in dem einem Mitstreiter die Kette runterfällt. Als dieser wieder von hinten angebraust kommt, hänge ich mich an sein Hinterrad und so schaffen wir den Anschluss an die Gruppe wieder. Ich habe zu beissen, aber ich beisse mich durch!
Nach 30 Kilometenr erreichen wir die längste Steigung des Tages. 5 Kilometer am Stück geht es auf schleichend steigenden Kiesstrassen rauf. Genau meine Spezialität, denn allzu steil mag ich nicht so. In der Mitte des Aufstiegs hole ich die erfolgreiche Multisportlerin Eva Hürlimann ein, die bis dorthin drittplatzierte der Etappe. Ich fahre mein Tempo weiter und bin beflügelt, nun auf Podiumskurs zu sein.
In der darauffolgenden Abfahrt fährt aber meine ganze Gruppe falsch und wir verlieren wertvolle Minuten. Als wir wieder auf den richtigen Weg zurückfinden, sehe ich Eva wieder vor mir. Zum Glück folgt darauf ein technischer Singletrack, und ich kann gleich wieder davonziehen.
Bei Kilometer 50 sehe ich dann kurz Sternchen. Im Eifer des Gefechts kam die Verpflegung etwas zu kurz und ich stopfe mir gleichzeitig einen Riegel und einen Gel rein. 3 Minuten später habe ich mich wieder gefangen.
Die zweite Rennhälfte ist ein stetiges Auf und Ab. Leider verliere ich einige meiner Weggenossen durch platte Reifen. Die dezimierte Gruppe harmoniert aber gut und zwischenzeitlich gibt es sogar Zeit für einen kleinen Schwatz. Ich achte nun gut auf die Ernährung und esse alle 30 Minuten einen kleinen Happen. Das wirkt Wunder! Bei einer Laufpassage über ein waaahnsinnig steiles Feld, habe ich zwischenzeitlich Anzeichen von Krämpfen. Da gibts nur eines: kleine Gänge fahren und Trittfrequenz erhöhen. Das mache ich zwar schon den ganzen Tag über, weil ich so muskulär weniger schnell ermüde, aber nun halt umso mehr!
Ich erreiche das Ziel nach 4 Stunden und 22 Minuten auf Rang drei und bin super happy damit. Es war ein echt toller Tag auf zwei Rädern. Die Strecke war abwechslungsreich und auch technisch viel anspruchsvoller als gedacht. Da wir so früh am Morgen gestartet sind, bin ich bereits vor der Mittagszeit wieder zurück im Ziel und kann gemütlich Bike putzen bevor es zum Mittagessen geht und am Nachmittag bleibt sogar noch Zeit für einen Mittagsschlaf. Früh aufzustehen hat sich also doch gelohnt!
Morgen geht es nochmals um die Wurst. 80 Kilometer und 1300 Höhenmeter locken. Der Startschuss fällt dieses Mal erst um 8 Uhr..Da sollte es vorher locker für einen Kaffee reichen.
Bis Morgen, Nathalie
Zu den Resultaten geht es hier:
Ergebnisse Nathalies Tortour CX
Über Nathalie Schneitter
Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. In Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry. Vollgas gibt Nathalie auch neben der Rennstrecke: Sie lacht viel, ist bisschen verrückt und tanzt in jeder möglichen Situation. Seit Herbst 2016 ist sie Messeverantwortliche im Organisationsteam der Bike Days in Solothurn und des Urban Bike Festival in Zürich. Seit dieser Saison spricht sie auf Red Bull TV auch den Deutschen Co-Kommentar des Cross Country Weltcup (4 von 7 Rennen).
Andere Stationen auf der Tortour CX von Nathalie
- Nathalies Tortour CX – 4. Teil: Frische Beine sollen her
- Nathalies Tortour CX – 2. Teil: Prolog mit Platten
- Nathalies Tortour Cyclocross – Teil 1: Graveln mit Jolanda Neff
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