Rennrad-News

Was ist Gravel?
Der Unterschied zwischen Gravelbike, Cyclocross-Rad und All-Road-Rennrad

Der Unterschied zwischen Gravelbike und Cyclocross-Rad? Gibt es nicht, sagen manche Hersteller. Ist gravierend, behaupten andere. Was stimmt? Und wer braucht dann noch ein All-Road-Rennrad?

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Rennräder mit Stollenreifen, gibt es schon lange. Ebenfalls sehr lange hießen solche Räder fast ausschließlich Cyclocross-Räder – nicht zu verwechseln mit den Crossrädern, das sind Trekkingräder mit Stollenreifen, aber ohne Schutzbleche. Cyclocross-Räder, oder auf Deutsch „Quer-Räder“ waren ursprünglich echte Rennräder. Denn sie kamen nur für Renn-Wettbewerbe zum Einsatz. Weil die Gattung entstand, als die Bremsen noch weit über den Reifen thronten, war es ein leichtes, das normale Straßenrennrad zum Querfeldeinrad umzurüsten. Etwas breitere Reifen drauf, fertig. Geboren war das Rad für die Fahrt durchs offene Gelände.

Querfeldein war dabei fast wörtlich zu nehmen. Man fuhr anfangs über die Felder. Wenn man nicht mehr fahren konnte, lief man eben. Als der Sport sich spezialisierte, kamen Rundkurse, enge Kurven und lange Tragepassagen. Da wurde die bislang unveränderte Geometrie angepackt. Diese kurze Geschichte erklärt nicht, was ein Cyclocross-Rad ist, aber in welcher Tadition es sich sehen will. Und zum Teil ergeben sich daraus die:

Kennzeichen eines Cyclocross-Rades

# Ridlex X-Night SL Force1 - Als Wettkampfcrosser hat das Ridley X-Night SL - hier in der Version mit Sram Force 1x11 - eine sehr sportliche Sitzposition.

Ein Cyclocross-Rad im engeren Sinne ist also ein Wettkampfrad. Aber jetzt kommt die neuere Geschichte des Cyclocross-Rades ins Spiel. Jemand erkannte, einige Jahre bevor es Komfort-Rennräder gab, dass Cyclocross-Räder eigentlich recht gut als Alltagsräder taugen. Dickere Reifen mit Pannenschutz vom Trekkingrad passten rein, Trekking-Laufräder mit Nabendynamo ebenso. Dann kamen Ösen für Schutzbleche ans Cyclocross-Rad (denn dafür bietet der Rahmen ja auch Platz) und sogar Gewindebuchsen für Gepäckträger. Schließlich passten einige Hersteller die Geometrien dem neuen Einsatzgebiet an. Der Radstand wurde verlängert, das Tretlager wanderte tiefer.

Jetzt ahnt der Leser, warum manche Hersteller behaupten, es gäbe keinen Unterschied zwischen Cyclocross- und Gravelbike. Denn tieferes Tretlager und mehr Radstand, das sind zwei besonders wichtige Dinge, die ein Gravelbike vom Cyclocross-Bike unterscheiden. Es sind:

Kennzeichen eines Gravelbikes

# Norco Search XR.Ultegra - Das eher tourenorientierte Modell mit 2x11 Ultegra, starrer Carbonstütze und 28-Zoll-Bereifung. Foto: Norco

-> Hier findet ihr alles über Gravelbikes: Neuheiten und Tests

„Gravel“ bedeutet soviel wie „Kies, Schotter“. Ein Gravelbike im engeren Sinne ist also ein Rad für komfortables, schnelles Fahren auf Kies. Genauer gesagt, für Rennen oder RTF-ähnliche Events auf Kieswegen, die in den USA das Land erschließen und gerne gefahren werden, weil es dort weniger Konflikte mit Autofahrern gibt. Typischerweise laufen die Straßen ziemlich geradeaus oder sanft geschwungen gen Horizont – zumindest verglichen mit einem Crosskurs, der auf einem Acker Platz findet. Die Rennen für Gravelbikes heißen meist Gravelgrinder. Das wohl bekannteste Event in den USA ist das Dirty Kanza, das über mehr als 200 Meilen (rund 322 km) Gravelroads führt. In Deutschland sprossen Gravel-Events 2017 wie Pilze aus dem Boden. Der prominenteste Verteter scheint derzeit mit dem Votec Gravelfondo im Schwarzwald beheimatet zu sein.

Dirty Kanza 2017 Video

Die schiere Länge solcher Events erklärt die typische Auslegung der Gravelbikes. Allerdings: Nachdem das Rennlenker-Rad einmal den Weg zurück ins Gelände gefunden hatte, auf den es einst schon MTB-Legende John Tomac gesetzt hatte, war der Damm gebrochen. In Kombination mit der MTB-Laufradgröße 27,5-Zoll wurden weitere Spielarten des Gravelbikes möglich, die auch das Fahren in rauerem Gelände bis hin zu Trails zu einem relativen Vergnügen machen sollten. Das erreichen sie vor allem durch breitere Reifen. Deshab heißen sie „Gravel-Plus-Bikes“. Reifen von 47 mm bis hin zu 55 mm MTB-Pneus finden in den Gravel-Plus-Bikes Platz. Solche Walzen sind endgültig zu groß für die ebenfalls neue Kategorie des „All-Road-Racebike“.

Kennzeichen eines All-Road-Racebikes

# Cannondale 2018 M Synapse Carbon Disc Ult Di2 OBL

Das All-Road-Rennrad ist am meisten Rennrad und am wenigsten Geländerad. Es sieht aus wie ein normales Rennrad (mit Scheibenbremse) und fährt in der Regel auch so, eher wendig als auf Geradeauslauf auf schlechten Straßen getrimmt. Die Sitzpositon wird in der Regel auf längere Strecken ausgelegt sein. Wer Straßenrennen fahren will, kauft kein All-Road-Rennrad, es ist sozusagen eher für ambitionierte Genießer gedacht, die sich nicht auf die Straße als Einsatzbereich festlegen wollen. Ab Werk sind in der Regel Slick-Reifen mit 28 mm montiert. Manchmal passen Reifen bis zu 32 mm zwischen Rahmen und Gabel. Blind ausgehen kann man davon aber nicht, das ist im Einzelfall zu erfragen. Weil die Hersteller von geringeren Belastungen ausgehen, können die All-Road-Rahmen in der Regel leichter sein. Komplettradgewichte unter 8 kg sind durchaus drin, wohingegen sie bei Gravebikes und Cyclocross-Bikes eher den ausgereizten Top-Modellen vorbehalten sind, wenn sie überhaupt erreicht werden. Man muss kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass das All-Road-Rennrad das Main-Stream-Rennrad der Zukunft ist.

Gemeinsamkeit Scheibenbremse

Übrigens: Ob Gravelbike, Cyclocrosser oder All-Road-Rennrad – allen Typen gemeinsam ist, dass sie nahezu ausnahmslos auf Scheibenbremsen setzen. Die Disc-Stopper ermöglichen mehr Flexibilität bei den Laufrädern und Reifen. So können auch schon mal im Grunde sehr ähnliche Rahmen einmal als „Gravelbike“, einmal als „All-Road-Bike“ auftauchen. Insgesamt scheinen sich die gerade erst geschaffenen Kategorien „Gravel“ und „All-Road“ zu vermischen, während bei den Cyclocross-Rädern der Trend wieder zu reinen Wettkampfgeräten geht.

Geometrie im Vergleich: Cyclocross vs. Gravelbike vs. All-Road

Zum direkten Vergleich typischer Vertreter der drei Rennrad-Gattungen sind in der Tabelle 3 Geometrien direkt nebeneinander gestellt. Als Cyclocrosser haben wir ein Ridley X-Night SL Disc gewählt, das bekannt ist für seine radikale Cyclocross-Wettkampfgeometrie. Es ist auch die Basis für die Wettkampfgeräte der gesponserten Cyclocross-Teams. Ridley empfiehlt die 54er Rahmengröße für Körpergrößen, bei denen die anderen beiden Hersteller das 56er-Modell vorsehen. Daher haben wir diese auch als Vergleichsgröße herangezogen. Als Gravelbike Exempel dient ein Norco Search XR, das eher die stärker geländeorientierte Variante des Gravelbikes abbildet. Das Cannondale Synapse schließlich wird zwar nicht als All-Road-Rennrad vermarktet, hat aber alle Attribute eines Rennrades für viele Spielarten von Wegen.

GeometriedatenCyclocross vs. Gravelbike vs. All-Road-Bike
Ridley X-Night SL Disc Norco Search XR CarbonCannondale Synapse Carbon
Rahmenhöhe (mm)540555560
Oberrohr horizontal (mm)545565561
Steuerrohr Länge (mm)140155173
Lenwinkel (Grad)7271,7573
Kettenstreben Länge (mm)425422410
Tretlager-Absenkung (mm)647073
Radstand (mm)10091026995
Stack (mm)554580590
Reach (mm)380390386
Stack to Reach (STR)1,461,491,53

Gravelbike oder Cyclclocrosser oder All-Road-Rennrad? Riesig scheinen die Unterschiede zwischen Cyclocross und Gravelbike oder All-Road-Racer auf den ersten Blick nicht. Vor allem für die vielzitierten Geometrie-Unterschiede muss man schon genauer hinsehen. Ein höheres Tretlager und eine sehr sportliche Sitzposition heben in diesem Vergleich den Cyclocrosser von den anderen Bikes ab. Das All-Road-Bike hat die entspannteste Sitzposition. Das muss aber nicht immer so sein. Wichtiger in der Praxis dürften folgende Punkte sein: Welche Reifen passen durch Rahmen und Gabel? Wieviel Platz bleibt dann noch für Schlamm oder Schutzbleche? Welche Anbauteile lassen sich leicht über vorhandene Ösen montieren? Im Zweifel also lieber nach Details schauen als nach Etikett kaufen.

 

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Text: Redaktion / Fotos: Ridley, Norco, Cannondale

Alle Artikel aus unserer Serie „Muddy Monday“

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