Vecnum Freeqence im ersten Test: Der gefederte Vorbau erlebt mit dem Gravel Bike-Boom eine Renaissance. Vom deutschen Hersteller Vecnum kommt jetzt eine eigene Variante, die das Prinzip der Parallelogramm-Federsattelstütze anwendet und auch einen Negativfederweg bietet. Im Rahmen unserer Rubrik „Ausprobiert“ haben wir getestet, ob Vecnum Wunder wirkt.
Vecnum Freeqence: Infos und Preise
Die Federung am Gravel Bike bekommt Zuwachs. Specialized ebnete mit dem Future Shock-System das Terrain für eine Aufhängung des Lenkers am Gravel Bike (hier geht es zum Test des Specialized Diverge mit Future Shock). Es hat den Vorteil, dass es die Lenkgeometrie nicht ändert, ist aber in den Rahmen integriert. Mit dem Redshift ShockStop kam später eine günstige Vorbaufederung zum Nachrüsten, die wir ebenfalls bereits fahren konnten (Test folgt). Und mit dem Vecnum Freeqence-Vorbau ist jetzt ein Vorbau mit Parallelogramm-Federung verfügbar, der ebenfalls frei von Einflüssen auf die Lenkung sein soll. Die Eckdaten:
- Gefederter Vorbau mit 30 mm Federweg
- 20 mm Positiv- und 10 mm Negativ-(Sag)Federweg
- Kein Lenkeinfluss durch Parallelogramm-Aufhängung
- Material Alu, gefräst
- Klemmung 31,8-mm-Lenker / 1 1/8-Zoll-Ahead-Schaft
- Längen 90 mm, 105 mm, 120 mm
- Gewicht 285 g (gewogen, 90 mm)
- Verfügbar sofort
- https://www.vecnum.com
- Preis 299 € UVP
Im Detail
Vecnum aus dem Allgäu ist Mountainbiker*innen bereits durch besonders leichte Vario-Sattelstützen ein Begriff. Mit dem Vecnum Freeqence betritt die Allgäuer Firma jetzt die Gravel Bike-Bühne. Für ihren gefederten Vorbau setzt sie auf eine Parallelogramm-Aufhängung und eine innovative Konstruktion. Sie verspricht verschiedene Vorteile: Zum einen ist das, keinen Einfluss auf das Lenkverhalten beim Einfedern auszuüben sowie gleiches Federverhalten unabhängig von der Griffposition am Lenker. Hintergrund dazu: Bei Eingelenkern wie dem Redshift ShockStop-Vorbau verlängert der Griff an die Hoods den Hebel und führt damit zu mehr Einfedern – und weniger Federweg.
Zum anderen verspricht der Freeqence bessere Stoßdämpfung durch Negativ- und Positiv-Federweg, genau wie bei einer Federgabel. Insgesamt 30 mm Auf- und Ab-Federung stehen so zur Verfügung. Gleichzeitig hält sich das Mehrgewicht gegenüber einem normalen Vorbau noch in Grenzen: Rund 160 g sind es beim Freeqence in 90 mm Länge, den wir gewogen haben.
Montage
Öffnet man den schlichten Karton, in dem Vecnum den Freeqence ausliefert, erblickt man ein kleines Fräskunstwerk aus Aluminium. Glatt geschliffene Ecken verleihen dem Vorbau ein extravagantes Aussehen. Es erinnert bei dem Preis sicher nicht zufällig an einen Diamantschliff. Das Parallelogramm ist an gedichteten Lagern und durchgängigen Achsen aufgehängt. Im Inneren sorgen, unsichtbar, Elastomere für die Dämpfung der Aufhängung. Ihre Dämpfungsrate lässt sich über eine kleine Inbus-Schraube an der Seite ganz einfach einstellen – auch unterwegs. Kleiner Vorgriff: Ich (75 kg) bin mit der Werkseinstellung hervorragend gefahren und beließ es nach Versuchen mit den Extremen in beide Richtungen dabei.
Die beiliegende Bedienungsanleitung informiert, dass das feine Teil auch für gröberen Einsatz zugelassen ist: Vecnum hat den Vorbau an Rennrädern auf der Straße (Kategorie 1) und Gravel Bikes auf unbefestigten Wegen (Kategorie 2) nach Euronorm (EN17406) beim EFBE-Prüfinstitut testen lassen.
Zur Montage an Carbonschäften (1 1/8-Zoll) und von Carbonlenkern ist Montagepaste angeraten. Damit konnte ich den SQlab Rennrad-Lenker am Testrad sicher klemmen, ohne das maximal erlaubte Drehmoment zu nutzen. Etwas kritisch sehe ich die Klemmung am Gabelschaft. Hier ist der Vorbau in der Mitte ausgefräst und liegt nur im Bereich der Schrauben flächig an. Solche weniger großflächig klemmende Designs können leichter zu Kraftspitzen führen und sind gegenüber Montagefehlern nicht so tolerant. Mit Montagepaste genügte ein Drehmoment von 5 Nm für eine betriebsfeste Klemmung.
Vecnum Freeqence – Test auf dem Kurs
„Vecnum fahrn is, wie wennze fliechs“, so könnte man, frei nach einem beliebten Auto-Aufkleber der 80er, den ersten Fahreindruck schildern. Gemeint sind hier wirklich die ersten Fahrmeter. Denn wenn man direkt umgestiegen ist vom nicht vorbaugefederten Gravel Bike, fühlt es sich an, als hätte jemand den Gleiter-Modus eingeschaltet.
Vor allen Dingen auf schlechtem Asphalt glättet der Vecnum Freeqence sofort spürbar feinere und etwas gröbere Unebenheiten. Das fühlt sich auch spontan besser an als beim Redshift ShockStop-Vorbau, der dagegen hölzern wirkt. Und auch sensibler als beim Future Shock 2.0-System, das ich schon am Specialized Diverge und am Specialized Roubaix getestet habe. Es wirkt ein wenig wie eine Art schnelle Niveau-Regulierung. Der Unterschied zum ungefederten Fahren ist größer als gedacht. Keinen großen Unterschied zu den anderen Systemen kann man aber beim geraden Überfahren größerer Asphaltflicken und Löcher spüren, die zwar gefiltert ankommen, aber dennoch spürbar sind.
Ab geht’s auf die Rüttelpiste auf der Wiese mit Kurven – der Cyclocross-Trainingsparcours bietet ideale Testbedingungen. Hier rüttelt es ohne Vorbaufederung wirklich unangenehm am Lenker. Dennoch wollen Kurven zielgenau angesteuert werden. Zunächst zum Steuern: Das geht wie versprochen ohne merklichen Kontrollverlust – eine Schwäche des Redshift-Systems, die es aus meiner Sicht für CX ausscheiden lässt. Auch im Wiegetritt bleibt das Wippen unaufdringlich. Einen Lockout zur Blockierung habe ich nicht vermisst. In der Stoßdämpfung wirkt der Vecnum Freeqence hier im Gegenzug eher firm aufgrund der Progression in der Dämpfung. Bunny Hop? Geht ok. Die Verzögerung im Abheben des Lenkers ist gut einschätzbar. Und der Freeqence schlägt nicht „oben an“, weil auch nach oben ein Elastomer den Weg dämpft. Würde ich ihn im CX-Rennen einsetzen? Ja, werde ich, wenn viel Wiese im Parcours ist.
Und der klassische Gravel – Gravel Skala 1 bis 6? Je feiner der Kiesweg und je höher die Geschwindigkeit, desto besser kommen die Stärken des Vecnum Freeqence zum Tragen: präzise Kontrolle, schnelle Reaktion auf feine Stöße und der bessere Ausgleich von Wellen.
Vecnum Freeqence vs. Redshift ShockStop
Im erinnerten Vergleich hat der Vecnum Freeqence in Sachen Lenkpräzision deutlich die Nase vorne und auch im Ansprechverhalten. Für dickere Gravelbrocken im Weg hat der Redshift-Vorbau gefühlt die größeren Reserven und nimmt ihnen besser die Spitzen, auch wenn er dafür manchmal hart durchschlägt. Das ist beim Freeqence nicht der Fall. Auch die schnelle Anpassung der Federhärte ist ein Vorteil des Freeqence. Wann kann man sich den Mehrpreis von 130 Euro für den Vecnum Freeqence sparen? Wenn einfach nur etwas mehr Komfort gefragt ist und man vorwiegend Touren fahren will.
Vecnum Freeqence vs. Specialized Future Shock 2.0
Obwohl die Federn anders platziert sind – bei Specialized im Gabelschaft – eint die beiden Systeme die vorteilhafte Bewegung parallel zur Lenkachse beim Einfedern. Sie führt bei beiden zu einem neutralen Lenkverhalten. Der große Vorteil des Future Shock 2.0-Systems ist die Einstellbarkeit während der Fahrt bis zur Beinahe-Blockage. Und es nimmt in der Erinnerung gröberen Stößen besser die Spitzen. Der große Vorteil des Vecnum Freeqence-Vorbaus ist die Nachrüstbarkeit. Er arbeitet zudem leiser und der – nennen wir es – „Gleiteffekt“ ist ausgeprägter.
Test-Fazit Vecnum Freeqence
Einmal am Gravel Bike, will man den Vecnum Freeqence-Vorbau schnell nicht mehr missen. Einen so ausgeprägten Effekt des kontrollierten „Über-die-Straße-Gleitens“ hatte ich bei anderen Vorbau-Aufhängungen nicht. Der lange Allroad-Einsatz ist die Domäne des gefederten Vorbaus aus dem Allgäu. Bei allem, wo Lenkpräzision und Komfortgewinn unter einen Hut zu bringen sind, ist er im Vorteil. Bei gröberen Pisten schmälert die Progression den Komfortgewinn etwas. 200 Euro Leichtvorbau oder 299 Euro Vecnum? Ich würde den Vecnum wählen.
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