Ein und denselben Rennradrahmen kann man mit sehr unterschiedlichen Komponenten zu sehr unterschiedlichen Preisen aufbauen. Wir vergleichen das Votec VRC in einer Konfiguration für 2.999 € mit einem Dreambuild für ziemlich genau 7.000 €. Und fragen uns kritisch, welcher Euro gut investiert ist – und welcher nicht.
Votec VRC Rahmen und Gabel
Die Gleichteile sind schnell benannt: Rahmen und Gabel teilen sich unsere beiden ungleichen Geschwister. Den Rahmen gibt’s aber in unterschiedlichen Farben, sodass hier zu keinem Zeitpunkt Verwechslungsgefahr besteht: Orange der noble Renner, Blau das preislich vernünftigere Modell. Ab Werk gibt es das VRC übrigens auch nochmal günstiger: Für 2.499 € geht der Carbonrahmen in der „Comp“ Ausstattung mit einer Shimano 105 Gruppe über den virtuellen Ladentisch, übrigens in schlichtem Schwarz.
Mit seinem markanten Design, der sehr guten Verarbeitung und den cleveren Details ist er eine würdige Basis für hochwertigste Komponenten – dennoch stimmt das Preis-Leistungsverhältnis, was nicht nur das Einstiegsmodell für 2.499 € zeigt, sondern auch die 3.999 € Top-Modelle, die mit Dura-Ace oder Force eTap an den Start gehen. Die Reifenfreiheit erlaubt einen Aufbau als echtes Allroadbike, durch die Schutzblechaufnahmen kann auch ein schneller Commuter daraus gestrickt werden.
=> Hier findet ihr unsere Neuheiten-Vorstellung des Votec VRC
Jetzt aber ans Eingemachte: Was erzeugt an ein und demselben Rahmen einen Preisunterschied von 4.000 €? Und warum kauft man sich dann nicht gleich zwei Bikes?
Laufräder
Fangen wir gleich einmal mit dem teuersten Upgrade an: Der Laufradsatz. Wo das Votec VRC Pro auf vernünftige Mavic Ksyrium-Laufräder setzt, steht unser Dreambuild auf DT Swiss GRC1400, mithin einem Highend Gravel-Laufradsatz aus Carbon. Die sind in jeder hinsicht besser: Aerodynamischer, leichter, schöner. Mit 2.000 € aber auch preislich eine Ansage. Dennoch bilden sie funktional wohl den krassesten Vorteil und schaffen einen super Spagat: komfortabel, aber steif. Aerodynamisch, aber recht leicht. Schlauchlos lassen sich aber auch die Mavic Felgen aufbauen. Den vielleicht wichtigsten Vorteil der Räder hätte man aber sicher auch günstiger bekommen können: Die Extra-Breite gibt den Reifen mehr Volumen und erlaubt weniger Druck – ideal für das Allroad Konzept des VRC. Je nach Streckenprofil ist aber auch die Aerodynamik ein wichtiges Argument!
Ich weiß, dass sich ein solcher Preis nicht objektiv rechtfertigen lässt, aber trotzdem erscheint er im direkten Vergleich verständlich: Jedes Detail, von der Zahnscheibe bis zum Felgenhorn, ist von äußerst hoher Qualität. Das Profil ist mit 42 mm Höhe ein toller Kompromiss aus Aerodynamik, Matscheignung und Komfort… toll!
Stichwort Reifenbreite: Die WTB Expanse 32 sind ebenfalls etwas breiter als die Vittoria Corsa 30, auf denen das VRC ab Werk rollt. Für mich sind diese 32 mm auf breiter Felge der Sweetspot aus Komfort und Geschwindigkeit, und der WTB-Reifen rollt einwandfrei.
Gangschaltung
Viele Rennräder scheinen immer noch nach der Gangschaltung gekauft zu werden. Shimano 105, Ultegra, Dura-Ace bzw. SRAM Rival, Force und Red eTAp AXS – so werden die unterschiedlichen Preispunkte von den beiden großen Komponentenkonzernen bedient. An unserem Dreambuild sorgt die SRAM-Gangschaltung mit eTap Funkverbindung für einen aufgeräumten Look und schaltet zweifelsohne sehr gut. Dennoch muss ich ehrlich sein: Die Ultegra schaltet ebenfalls zuverlässig, schnell und knackig. Mangels Akku wird sie niemals leer gehen, es gibt kein Ladegerät, dass man beim Wochenendausflug vermissen könnte. Auch wenn die Bedienung der eTap sehr intuitiv gelingt – ich würde dafür keinen Cent ausgeben. Eine Tour mit leerem Umwerfer und eine mit verstellter Schaltung, die ich mangels App nicht einfach wieder eingestellt hatte, reichen mir als Argumente gegen Funk und Elektronik. eTap ist für mich eine komplizierte Lösung für ein nicht vorhandenes Problem. Da klinge ich jetzt sicher wie mein Großvater; ihr dürft gern fragen, ob ich wirklich erst 30 bin, aber die Funkschaltung brauche ich nicht.
Bremsen
Klar, passend zur SRAM- beziehungsweise Shimano-Gruppe gibt es auch die jeweilige Scheibenbremsanlage. Ergonomisch finde ich subjektiv die Shimano Hebel hier besser, optisch die von SRAM. In Sachen Bremsleistung hat Shimano einen leichten Vorsprung, sodass ich auch hier sagen muss: Der Punkt geht an das günstigere Bike. Aus der Force konnte ich mit Tuningbelägen von Trickstuff dann noch etwas rausholen, in Sachen Kühlung funktioniert der Alukern der Shimano-Scheibe aber weiterhin etwas besser, deshalb machen wir es kurz: Die Bremsen wären für mich kein Grund, zum teureren Rad zu greifen.
Cockpit
Mit Zipp und Newmen stehen hier große Namen auf Vorbau und Lenker. An unserem Premium-Votec handelt es sich aber um die Top-Notch-Variante aus dem Allgäu, während von Zipp mit den Service Course SL Bauteilen eher günstige Varianten gewählt wurden. Der Unterschied? Newmen spart durch den Einsatz von Carbon und Titan etwas Gewicht, der Evolution SL Vorbau ist gleichzeitig steifer und der Lenker komfortabler. Klarer Sieg für das Premium-Cockpit, der mit etwa 300 € Aufpreis auch noch – für mich – auf die Ergonomie einzahlt. In Euro pro Gramm Gewichtsersparnis sollte man auch hier nicht rechnen, aber das Paket gefällt mir schon sehr gut!
Sitzen
Der Sattel ist ja eh ein äußerst individuelles Teil – und der ab Werk verbaute Fabric ist mir persönlich ein wenig zu stark gewölbt. Ich sitze seit Jahren auf 66Sick Sätteln sehr gut. Zunächst montierte ich den gewichtsmäßig sehr interessanten „El Flaco“ mit Carbonstreben, inzwischen ist aus Gründen der guten Laune das Tropic-Motiv des 66Sick Espacio Libre montiert. Spart immer noch etwa 70 g, was in Sachen Preis-Leistung vernünftig ist. Bei der Sattelstütze noch ein Lob an Votec: Durch den Verzicht auf eine Stütze mit D-Form oder sonstige Besonderheiten kann hier aus einer breiten Auswahl gewählt werden, die ab Werk verbaute Votec-Stütze ist schön leicht. Aber: Die Syntace P6 ist für mich immer noch quasi der Goldstandard in Sachen Komfort. Sie wiegt zwar 35 g mehr als die ab Werk verbaute, ist dafür aber auch 5 cm länger und hat – falls man das braucht – ein Di2-Akkufach integriert. Der wichtigste Aspekt ist hier aber zweifelsohne der Komfort!
Fazit
Objektiv gibt es keinen echten Grund für ein 7.000-Euro-Rennrad. Komfort, Vielseitigkeit und ein geringes Gewicht gibt es ohne Einschränkungen auch für 3.000 €. Subjektiv gibt es aber auch für 7.000 € einen Grund, und das ist natürlich das Schöne am Hobby: Nicht alles braucht eine rationale Begründung! Von den Upgrades gegenüber dem Votec VRC in der vernünftigen Konfiguration erscheinen mir Reifen, Cockpit und Sattel als No-Brainer; allein um das Fahrrad an die individuelle Anatomie anzupassen. Der Laufradsatz liefert darüber hinaus den größten Mehrwert in Punkto Aerodynamik und Komfort, sein Preis ist aber auch eine Ansage. Auf die AXS-Schaltung könnte ich persönlich wie gesagt gut verzichten – weshalb für mich sicher auch 6.000 € zum Traumrad reichen.
Für welches Tuningteil greift ihr gern tief in die Tasche? Welchen Euro kann man sich getrost sparen?