Wilier Cento10NDR im Test: Mit einem Dämpfer in den Sitzstreben haucht Wilier der Rennmaschine Cento10 Sanftheit ein, die ansonsten strikt auf Tempo getrimmt ist. Wir haben den Aero-Komfort-Renner getestet.
Steckbrief: Wilier Cento10NDR
Einsatzbereich | Rennen, Aero |
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Rahmenmaterial | Carbon |
Gabel | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 7,5 kg |
Stack | 586 mm |
Website | www.wilier.com |
Hochdekoriert ist das Wilier Cento10NDR schon. Es war Rad des Jahres bei der Zeitschrift Tour 2018 und gewann für sein Hinterbau-Dämpfungskonzept per Elastomer einen Eurobike-Award. Muss man so ein Rennrad noch einmal testen? Wir haben die Ausstattung der Campagnolo Super Record 12-fach-Gruppe dafür zum Anlass genommen – italienische Vorzeigeprodukte unter sich sozusagen.
Dabei ist das getestete 2019er Modell mit Campagnolo Super Record 2×12-Gruppe, Felgenbremsen und Mavic Cosmic Carbon UST-Laufradsatz nicht einmal das teuerste im Stall. Den Titel beansprucht seit kurzem die Variante mit der anderen 12-fach-Rennradgruppe: das Cento10NDR mit Campagnolo Super Record EPS-Disc für 13.200 €. Es gibt ebenfalls Varianten mit SRAM eTap AXS 2×12-Gruppen. Wer das Endurance-Rennrad Cento10NDR so günstig wie möglich haben will, muss zur Shimano Ultegra Felgenbrems-Variante greifen. Dann kostet es 4.800 €. Mit mechanischer Campagnolo Record 12-fach ist es 2020 nicht mehr im Programm. Die am nächsten liegende Variante ist eine Campa Chorus-Ausstattung mit Campagnolo Zonda-Laufrädern für 5.450 € (die im Unterschied zum Testrad auch eine Gebirgskassette mit 11-32 Zähnen an Bord hat).
Ausstattung
Der Rahmen in der Testvariante Black/Black Matt Glossy ist ein Hingucker: Steht das Rad im Raum, schauen die Leute es an. Trotz schlichtem Farbkonzept hat das Design dem Auge etwas zu bieten. Vorne macht sich das Steuerrohr sanduhrförmig schmal, die Spacer stellen einen schlüssigen Anschluss zum Aero-Cockpit her, der kurze Knick des Oberrohrs zum Steuerrohr hin findet seinen Widerhall im spiegelbildlichen Knick der Alabarda-Lenker-Vorbau-Einheit.
Im Aerocockpit nehmen die die Schaltzüge solche Wege, dass sie keine engen Bögen machen müssen. Auch der Abbau des Lenkers für den Transport verlangt keine Schrauber-Spezialkenntnisse. Die Klemmung des Vorbaus am Schaft ist über einen Konus gelöst. So stören außen keine Schrauben die glatte Oberfläche und den Luftstrom. Aerodynamisch schmal fällt das Unterrohr aus, das sich erst zum breiten Tretlager-Bereich hin aufweitet.
Auch das Dämpferelement aus Elastomer ist an den Sitzstreben formschlüssig integriert und stört die „Optik“ nicht. Ein Gelenk nimmt die Querkräfte auf, das Elastomer kann ausgetauscht werden. Dass es tatsächlich einfedert, kann man im Stand beobachten und während der Fahrt deutlich spüren – dazu unten mehr.
Rahmen | Carbon Monocoque (1.190 g /M*) | |||||
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Gabel | Carbon Monocoque, 1 1/8-Zoll, A-Head, Schnellspanner (390 g*) | |||||
Gewicht | 7,45 kg (gewogen), Gr. M | |||||
Entfaltung | 2,5-9,7 m pro Kurbelumdrehung | |||||
Zulässiges Gesamtgewicht | k.A. kg | |||||
Schalthebel | Campagnolo Super Record 2x12 | |||||
Umwerfer / Schaltwerk | Campagnolo SR / Campagnolo SR | |||||
Kurbel / Zähne | Campagnolo Super Record, 172,5 mm / 50-34 T | |||||
Ritzel / Zähne | Campagnolo Super Record / 11-29 T | |||||
Innenlager | Campagnolo Super Record, Press-Fit | |||||
Kette | Campagnolo Super Record 12-fach | |||||
Bremsen | Campagnolo Super Record, Direct-Mount, rote Beläge | |||||
Laufradsatz | Mavic Cosmic Pro Carbon UST Carbon, 622x18c, tubeless-fähig | |||||
Reifen / Größe | Mavic Yksion UST, 622-25, kein Reflex, tubeless (mit Schlauch montiert) | |||||
Lenker | Wilier Alabarda Aero-Cockpit, 420 mm breit, 130 mm drop, 75 mm reach | |||||
Vorbau | Wilier Alabarda Carbon, 110 mm | |||||
Sattel | Astute Skylite VT, Carbonstreben | |||||
Sattelstütze | Ritchey Pro Carbon 27,2 mm | |||||
Besonderheiten | Elastomer Dämpfer am Hinterbau, 2 Ösen auf Unterrohr, 2 Ösen am Sitzrohr, UCI konformer Rahmen |
Etwas stört allerdings die ästhetische Komposition: Da Wilier keinen separaten Disc-Rahmen baut, gibt es am felgengebremsten Modell leere Disc-Aufnahmen vorne und hinten. Schöner ist das bei den Ausfall-Enden gelöst. Sie haben Inserts und können für Steckachsen umgerüstet werden. Austauschbar ist im übrigen auch die Sattelstütze. Sie folgt nicht dem Trend zur herstellereigenen Form und ist einfach rund mit 27,2 mm Durchmesser.
Die Mavic Cosmic Pro Carbon-Laufräder passen sowohl optisch als auch technisch gut zu dem Marathon-Rennrad, da sie die Aerodynamik des Rahmens unterstützen. Mit einer Maulweite von 18 mm und Tubeless-Eignung sind sie auf der Höhe der Zeit. Der Seitenwindeinfluss hielt sich bei den Testfahrten in Grenzen, war aber natürlich spürbar. Wilier hatte Mavic Yksion-Reifen mit Schlauch montiert. Damit kann man höhere Drücke fahren. Gut, dass ein Aufkleber auf den Felgen Auskunft über die maximal erlaubten Drücke und Reifengrößen gibt.
Die Mavic Yksion UST-Pneus messen auf den Felgen 26,7 mm. Platz für noch breitere Reifen ist ausreichend vorhanden. Am Hinterbau sind es 8 mm, vorne ist der Abstand zur Bremse der limitierende Faktor: 6 mm bleiben Luft. Also darf der Reifen vorne noch maximal 4 mm in die Breite gehen, um innerhalb der Normen zu bleiben. Mithin dürfte ein 30-mm-Pneu auf diese Felgen noch passen.
Das Schaltwerk ist eine Skulptur aus Carbon. Von hinten sieht man die roten Abdeckungen der Keramiklager durch die Speichen schimmern, am ganzen Antriebsstrang blitzt kein Metall hervor, alles ist schwarz wie die Nacht. Auch die Campagnolo Super Record-Kurbel macht mit Form und Finish auf sich aufmerksam – technisch ist ihre geteilte Achse nach wie vor ein Vorbild in Sachen Krafteinleitung in die hervorragenden Lager.
Geometrie: Endurance für Rennfahrer
Die Geometrie des Wilier Cento NDR ist trotz sportlicher Aero-Optik sehr nah am Endurance-Rennrad. Das zeigt schon ein Blick auf die Länge des Steuerrohrs, das, traditionell einem 56er Rahmen äquivalent, in Größe „L“ 177 cm misst. Auch der Lenkwinkel ist gemäßigt flach, was etwas, aber keine übertriebene Ruhe in die Steuerung bringt. Auch bei den Kettenstreben hat sich Wilier Mühe gegeben, die Wendigkeit, für die italienische Geometrien traditionell bekannt sind, nicht der Disc-Option zu opfern. Sie sind vergleichsweise kurz.
Rahmengröße | XS | S | M | L | XL | XXL |
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Sitzrohrlänge mm (Mitte-Mitte) | 405 | 435 | 455 | 475 | 505 | 535 |
Oberrohrlänge mm | 517 | 532 | 547 | 558 | 574 | 592 |
Lenkwinkel Grad | 71 | 71,5 | 72,0 | 72,5 | 72,5 | 72,5 |
Sitzwinkel Grad | 71 | 71,5 | 72,0 | 72,5 | 72,5 | 72,5 |
Steuerrohrlänge mm | 117 | 136 | 157 | 177 | 196 | 217 |
Kettenstreben mm | 406 | 406 | 408 | 408 | 411 | 411 |
Radstand mm | 974 | 982 | 991 | 998 | 1012 | 1024 |
Stack mm | 527 | 546 | 566 | 586 | 604 | 625 |
Reach | 369 | 374 | 379 | 384 | 389 | 395 |
STR-Wert | 1,43 | 1,46 | 1,49 | 1,52 | 1,56 | 1,58 |
Ein richtig gemütliches Endurance-Rennrad ist das Wilier auch nicht in Sachen Sitzposition. Zwar sitzt man leicht aufrecht, aber unser Testrad hatte 8 cm Überhöhung vom Sattel zum Lenker bei maximaler Spacerhöhe von 3,5 cm unter dem Vorbau. Apropos Spacer: Sie sind trotz Aero-Cockpit leicht zu wechseln.
Auch die Stack-to-Reach-Werte, die wir wie immer in der Tabelle für euch errechnet haben, weisen das Wilier Cento10NDR als eher gemäßigt aufrechtes Endurance-Rennrad aus. Mit Werten um 1,5 in den mittleren Größen liegen sie ziemlich in der Mitte des Spektrums. Betrachtet man Räder mit gleichen Stack-Werten, ist die Geometrie etwa vergleichbar mit dem Rose Team GF, das wir hier getestet haben.
So sitzt man: Zunächst recht hart, denn der Astute-Sattel gehört mit einem straffen, eher dünnen Polster und der schmalen Form sicher zu den Modellen für Vielfahrer. Bedeutet auch: Auf langen Strecken gefiel er mit passenden Hosenpolstern dem Tester gut. Lob gibt es für das Cockpit, beziehungsweise den Lenker. Dessen flache Seite ist nicht zu groß, so dass sie den Händen einen guten Halt bietet. Überraschenderweise stört die sichtbare Kante dabei nicht. Gut für lange Strecken sind auch der gemäßigte Drop des Lenkers und die weit zum Fahrer reichenden Lenkerenden. Beides macht das Unterlenkerfahren bequemer.
Auf dem Kurs
Mit 7,45 kg in Größe M und mit Hochprofil-Laufrädern gehört das Wilier Cento NDR zu den leichteren Endurance-Rennrädern, vor allem, wenn man auch das Elastomer im Hinterbau berücksichtigt. Was gleich zu den beiden spannendsten Fragen führt: Erhöht die Dämpfung tatsächlich den Komfort? Und beeinträchtigt sie nicht das Gefühl von Vortrieb?
Fangen wir mit dem Vortrieb an: Nein, gar nicht. Schon auf den ersten Metern mit dem Wilier Cento NDR fühlt man sich überhaupt nicht wie auf einem Marathon-Rennrad. Eher wie auf einem Vollblut-Racer. Das Rad hat einen unbändigen Vorwärtsdrang (vielleicht auch beflügelt dadurch, dass langsames Fahren bei so einer Optik irgendwie peinlich aussehen könnte).
=> Hier findet ihr eine Testfahrt auf Strava
Auch beim Erreichen des schnelleren Trainingstempos bis hin zum Sprinten fühlt man sich wirkungsvoll unterstützt, am Tretlager-Gehäuse jedenfalls ging nicht merklich Energie verloren und auch die Laufräder blieben in der Bahn. Alles wirkt ausgesprochen verwindungssteif. Auch in Kurven, in die sich das Wilier Cento10NDR leichthändig hineinlegen lässt, war die Lenkpräzision mit 80-Kilo-Fahrer exakt und das Lenkverhalten absolut berechenbar. Nur die Rückmeldung der Mavic Yksion-Reifen fanden wir etwas hölzern.
In Fahrt flüstert die Geräschkulisse des Wilier Cento10NDR dem Fahrer ständig zu: Sportgefährt! Fahr schneller! Flüstert, weil die Campa-Kette fast unhörbar über die Ritzel rauscht, wenn nicht geschaltet wird. Alle Gänge liegen exakt ein. Sportlich, weil die Schaltung wie ein Renngetriebe beim Auto Rückmeldung gibt. Alles rastet definiert und flüssig ein und aus, aber die Hebel verlangen eben doch ein wenig beherzteres und bestimmteres Zugreifen. Sportlich nicht zuletzt auch, weil man – typisch Campa – eben fünf Gänge in einem Rutsch mit dem Daumen überspringen kann, um dann die letzte Kraft für den Sprint zu mobilisieren. Nach wie vor Freude macht auch der Umwerfer, der sich feiner trimmen lässt als die Produkte der anderen Schaltriesen. Damit lässt sich eigentlich auch jede (scheinbar) unmögliche Ritzelkombi ohne Schleifgeräusche fahren. Kurz: Die Campagnolo Super Record 12-fach gefiel in Sachen Definiertheit sowie Geschwindigkeit der Gangwechsel und Schaltkultur ausgesprochen gut. Wer allerdings das letzte Quentchen Geschmeidigkeit der Kettenwechsel will, wird bei einem anderen Top-Ensemble eher fündig.
Auch die Campa-Bremsen gefallen, der Druckpunkt ist sehr knackig, anfangs packen sie hart zu. Nicht so gut: Die Bremshüllen gaben wenig Rückmeldung, kompressionslosere Varianten wären ein Plus. Die eigentliche Verzögerung ist natürlich auch von der Paarung Bremsbelag/Felge abhängig. Die verlangte im Test mehr Handkräfte, als man von anderen Felgenbremssytemen im Schnitt gewohnt ist. Dabei erzeugten die Beläge erst ein typisch hell surrendes Geräusch von Carbon-Bremsflanken, das nach häufigerem Bremsen aber in ein durchdringende Kreischen überging – nichts für geräuschempfindliche Mitfahrer. Bei Nässe kamen wir mit den roten Belägen auf den Mavic-Carbonfelgen jederzeit sehr gut zum Stehen, in der Hinsicht passt die Kombi.
Und der Komfort? Was bringt das Elastomer? Es ist – neben der erkennbaren Aerodynamik – letztlich der entscheidende Faktor im Gesamtpaket. Denn es nimmt den schlechten Straßen spürbar die Spitzen. Trotz wirklich hartem Sattel mit geringem Flex in den Carbonstreben fühlte sich die Fahrt deutlich geglättet an. Der vielbeschworene Komfort am Sattel liegt gefühlt irgendwo zwischen Federsattelstütze à la Canyon VCLS und 32-mm-Reifen. Nicht so stark einfedernd beim schnellen (unrunden) Treten wie die Stütze, aber starke Schläge besser abfedernd, in etwa so wie der Reifen.
Haltbarkeit
Das Testrad wurde während der Testphase unter 400 km bewegt. Das beschränkt Haltbarkeitsaussagen auf einen ersten Eindruck. Positiv fiel auf, dass die Züge (es gibt wirklich nur Züge, keine Leitungen) nicht im Rahmen klapperten, was leider nicht selbstverständlich ist. Schon erwähnt wurde die gute Demontierbarkeit und Zugänglichkeit des Aero-Cockpits – ebenfalls keine Selbstverständlichkeit. Das Campagnolo-Schaltwerk verfügt über Keramiklager, was ein Plus ist, ebenso wie die generell als härter bekannten Kettenblätter und die Kette von Campagnolo.
Test-Fazit Wilier Cento10NDR
Das Wilier Cento10NDR trifft ziemlich exakt die goldene Mitte aus Speed und Komfort. Es glättet die Straße, lässt die Tachonadel schnell klettern und beherrscht die Haarnadel-Kurven. Es verlangt keine massive Rückentstreckung, macht sicht aber im Wind schlank, und es ist (fast) ganz normal zu warten. Es gibt leichtere Komfort-Rennräder, aber auch das Gewicht ist mehr als gut. In der Testversion wartet das Cento10NDR zudem mit einer erstklassigen Schaltung auf. In der Zusammenstellung ein ziemlich selten so zu findendes Paket, das allerdings auch mit günstigeren Gruppen nur zu eher höheren Wilier-Preisen zu haben ist.
Pro / Contra
Pro
- Hoher Dämpfungskomfort am Sattel
- Geringes Gewicht
- Agile Fahreigenschaften
- Präzise, knackige Schaltung
- Rahmenform und Laufräder mit Aero-Bonus
- Aero ohne übermäßige Wartungserschwernisse
Contra
- Disc-Aufnahmen stören Design
- Bremsaußenhüllen geben keinen guten Druckpunkt
Was sagt ihr zum Wilier Cento10NDR – wäre so eine Art der Dämpfung für euch ein Plus?
Testablauf
Testräder werden bei den Herstellern für den Test in der beschriebenen Kategorie angefragt. Die Hersteller stellen das Rad kostenlos in der Art und Weise zur Verfügung, wie es der Fachhandel erhält; bei Testrädern von Direktanbietern, wie sie der Endkunde erhält, also vormontiert. Testräder wurden in der Redaktions-Werkstatt endmontiert. Für den Test werden die Räder gewogen, die Sitzposition wird bei identischer Sattelhöhe (bezogen auf die Tretlagermitte) vermessen und die Reifen auf den mittleren empfohlenen Reifendruck befüllt. Für eventuelle Geländefahrten wird der Reifendruck zusätzlich auf den unteren empfohlenen Wert gesenkt. Nach Testende erhalten die Hersteller die Testräder zurück.
- Ich fahre hauptsächlich
- Rennradtouren, CX-Rennen, Gravelrides
- Vorlieben bei der Geometrie
- Gemäßigt sportlich, eher lang
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