Macey Stewarts drückt in ihrem emotionalen Video nach einem engen Überholmanöver aus, was sicher viele denken: „…idiotische Autofahrer, die nicht einmal 10 Sekunden Geduld haben, hinter einer Radfahrerin zu bleiben.“ Die Fahrerin vom Profiteam Wiggle-High5 war beim Training in Australien offenbar zu dicht überholt worden. Danach war sie so verängstigt, dass sie daran dachte, ihre Karriere aufzugeben. In England gibt es Programme gegen zu dichtes Überholen. Und hier?
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Dass jemand so mutig ist, seine Angst nach einem derartigen Überholvorfall offen zu zeigen, kommt selten vor. Bekannter sind eskalierende Aggressionen, wie zuletzt bei einem kolumbianischen Radprofi. Und zu dichtes Überholen von Pkw oder Lkw erleben nicht nur Radprofis häufig, die zehntausende Kilometer auf der Straße unterwegs sind. Es ist für Radfahrer fast alltäglich. Im angelsächsischen Sprachraum gibt es unter Rennradfahrern dafür deshalb das Wort „closepass“. Viele twittern ihre Schock-Erlebnisse im Verkehr unter dem Hashtag #closePass. In einigen Distrikten Großbritanniens verfolgt die Polizei sogar gezielt ein Programm gegen zu enges Überholen, etwa in den West Midlands und im Thames Valley. Wer ein Verkehrsvergehen aufzeichnet, kann das Video auf einer Webseite der Polizei hochladen und so gegebenenfalls eine Ermittlung auslösen. Außerdem ist die Polizei selbst mit einer Helm-Kamera auf dem Fahrrad im Verkehr unterwegs. Ziel ist es, das Bewusstsein für den Straftatbestand zu schaffen.
Auch in Deutschland ist zu dichtes Überholen ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. Wie ein Überholvorgang erfolgen soll, ist in Paragraph 5 der Straßenverkehrsordnung geregelt (StVO). Wörtlich heißt es dort:
„Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu den zu Fuß Gehenden und zu den Rad Fahrenden, eingehalten werden. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.“
Der richtige Abstand beim Überholen von Radfahrern
Welcher Abstand „ausreichend“ ist, wird im Gesetz nicht genau beziffert. Allerdings gibt es in der Rechtsprechung laut Deutscher Anwaltsauskunft einen Richtwert, der sich etabliert hat. Demnach sind 1,5 Meter als Sicherheitsabstand in der Regel einzuhalten. Autofahrer müssen ihre Fahrweise auch darauf einstellen, dass Radfahrer plötzlich von ihrer Fahrlinie abweichen könnten, etwa wegen Schlaglöchern. Was ist maßgeblich dafür, ab wann die Unterschreitung des Sicherheitsabstand ein Verkehrsvergehen ist? Laut einer Information des ADFC Kreisverbandes Bottrop, die sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes beruft, zählt, ob der Fahrer „den Eingeholten erschreckt und damit zu einer Fehlreaktion veranlasst. Fühlt sich der Radfahrer bedroht oder wird er unsicher, ist der Abstand zu gering“.
Radfahrer müssen ihrerseits ebenfalls einen Sicherheitsabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern einhalten. Das gilt auch für den Abstand zum ruhenden Verkehr. So sollen sie etwa parkende Autos mit so großem Abstand passieren, dass sich öffnende Autotüren keine Gefahr darstellen. In der Praxis führt das jedoch häufig zu Konflikten mit Kraftfahrzeuglenkern, die bei sicherer Fahrweise des Radfahrers für das eigene sichere Überholmanöver die Spur wechseln müssen.
Nach unseren Recherchen gibt es in Deutschland keine vergleichbare Sammelbewegung gegen den fahrlässigen Umgang mit der Sicherheit beim Überholen wie im englischen Sprachraum. Auch eine Initiative der Polizei, die auf die Gefahren aufmerksam macht oder sogar gezielt Verstöße verfolgt, ist uns nicht bekannt. Manche Aktionen wie dieses Beispiel in Düsseldorf zielen zwar auf eine Bewusstwerdung, sind aber nicht als Programm angelegt. In Salzburg, Österreich, mischte sich die Polizei ähnlich wie in England selbst unter die Radfahrer und erfasste den Abstand mit einem Gerät auf der Lenkstange. Hier wurden die zu dicht überholenden Autofahrer verwarnt, aber kein Bußgeld verhängt.
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