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Zyklusbasiertes Training
Warum wir Frauen nicht wie „kleine Männer“ trainieren sollten

Welchen Einfluss hat eigentlich der weibliche Zyklus auf die Anforderungen einer Leistungssportart? Unsere Autorin Theresia Schwenk steht seit Jahren an der Startlinie kleiner und großer XC-Rennen und hat ihr Training seit zwei Jahren ganz neu angepasst. In diesem Artikel gibt sie einen Einblick in ihr zyklusbasiertes Training, samt Tipps und vielen Informationen rund um das Thema.

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Mein Training als XC-Fahrerin beinhaltet eine Abwechslung aus Ausdauer, intensiven kürzeren Einheiten, Kraft und Technik. Es ist eine große Herausforderung, die richtige Balance zwischen den unterschiedlichen Anforderungen meiner Sportart zu finden. Seit bald zwei Jahren trainiere ich bei Philipp Seipp und KickAss Sports – seitdem ist mein Training neben all den sportartspezifischen Anforderungen an meinen Zyklus angepasst. Es hat sich dadurch einiges für mich verändert, aber nur zum Positiven.

Vom Tabuthema zur Trainings-Integration

Eigentlich verrückt: Seit circa acht Jahren habe ich mit verschiedenen Trainern an meiner Leistungsfähigkeit gearbeitet, aber erst seit zwei Jahren ist mein weiblicher Zyklus in den Trainingsplan integriert. Ich habe zuvor einfach hingenommen, dass das nicht berücksichtigt wird und dadurch gewissermaßen trainiert wie ein Mann. Oft habe ich am ersten Tag meines Zyklus, also am Starttag meiner Menstruation, trotz starker Schmerzen im Unterleib intensive Intervalle trainiert und überhaupt nicht auf die Alarmsignale meines Körpers gehört. Zudem hatte ich nicht das Gefühl über meine Beschwerden reden zu können, auch wenn meine damaligen Trainer bestimmt dafür offen gewesen wären.

Für mich war das Thema teilweise mit Scham behaftet. Ein viel größeres Problem war aber die riesengroße Unsicherheit rund um meinen Zyklus. Hätte ich als Jugendliche und junge Erwachsene besser gewusst, wie stark mich Hormone beeinflussen, hätte ich früher mehr darüber wissen wollen. Meine Periode war fernab meiner Familie, mit der ich immer offen darüber sprechen konnte, ein Tabuthema.

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Die Offenheit mit dem Thema und die Selbstverständlichkeit darüber zu sprechen haben mich sehr positiv beeinflusst. Ich habe im Juni 2020, als ich bei meinem neuen Trainer angefangen habe, direkt gemerkt, dass es sehr viel bei mir bewegen kann, wenn ich offen über meine Periode und die einhergehenden Herausforderungen sprechen kann. Gesagt, getan – und das Training wurde angepasst. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass ich einen natürlichen Zyklus habe und kein hormonelles Verhütungsmittel einnehme.

Das ist deshalb wichtig zu betonen, da bei der Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln (z. B. Pille) die Ausschüttung von Hormonen gehemmt wird und die natürlichen Hormonvorgänge unterdrückt werden. Ich bin keine Gegnerin von hormonellen Verhütungsmitteln, da es für uns Frauen in Deutschland ein Privileg ist, selbstbestimmt über die Verhütung entscheiden zu dürfen. Dennoch ist die Einnahme der Pille für mich keine Option mehr.

Im Training bedeutet es für mich konkret, dass ich in der ersten Zyklushälfte, in welcher der Hormonspiegel am konstantesten ist, am intensivsten trainieren kann. Das bedeutet nicht, dass ich in der zweiten Zyklushälfte nie intensive Einheiten fahre. Wir gehen aber sehr sensibel mit meinem Wohlbefinden und der gefühlten Erholung um. Doch eins nach dem anderem. Im nächsten Abschnitt möchte ich ein paar grundlegende Fakten zur Periode der Frau mit euch teilen. Falls du dich damit schon bestens auskennst, kannst du den nächsten Absatz natürlich überspringen.

Weiblicher Zyklus: Grundlegende Fakten

Der weibliche Zyklus startet mit der Menstruation, der Monatsblutung und lässt sich fortan in zwei Hälften einteilen. Die erste Zyklushälfte beginnt mit der Monatsblutung und endet mit dem Eisprung, die zweite Zyklushälfte beginnt mit dem Eisprung und endet mit dem Start der Menstruation. Die erste Zyklushälfte nennt man auch Follikelphase oder Eireifungsphase, da nach der Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut (Menstruation) der Aufbau der neuen Schleimhaut folgt. Gleichzeitig reifen mehrere Eibläschen im Eierstock heran. Die fruchtbare Phase ist die Zeit, in der es zum Eisprung kommt. Dabei platzt ein reifes Eibläschen, das die Eizelle freigibt und vom Eileiter aufgenommen wird.

Die zweite Zyklusphase nennt man auch Gelbkörperphase, da das Eibläschen in dieser Phase zusammenfällt und sich in den Gelbkörper verwandelt. Zudem wird die Gebärmutterschleimhaut aufgebaut und wenn es nicht zu einer Befruchtung der Eizelle kommt, bildet sich der Gelbkörper zurück und der Zyklus beginnt mit der Menstruationsblutung von vorn. Nun zu den Hormonen, die den weiblichen Zyklus steuern. Die Eizellen entwickeln sich durch die Einwirkung des FSH (follikelstillendes Hormon) im Eierstock. In den Wänden dieser Follikel wird das Hormon Östrogen gebildet.

Zu Beginn der Follikelphase ist der Östrogenspiegel noch sehr gering. Je mehr das FSH fortan auf die Follikel einwirkt, desto größer werden sie und der Östrogenspiegel steigt somit auch immer weiter an. Der Anstieg des Östrogens wiederum verursacht den Wiederaufbau der Gebärmutterschleimhaut, welche bei der letzten Blutung abgebaut wird. Durch die wachsenden Follikel und den Anstieg des Östrogenspiegels rückt der Eisprung immer näher, was ein Signal in die Hirnanhangsdrüse sendet und zu einem vermehrten Ausschuss von LH (luteinisierendes Hormon) führt.

Das erhöhte LH-Niveau führt wiederum dazu, dass der am weitesten entwickelte Follikel platzt und seine reife Eizelle in den Eierstock freigibt. Das ist der Eisprung. Jippie, beziehungsweise manchmal auch nicht so jippie. Einige Frauen haben beim Eisprung Schmerzen im Unterleib. Diesen Schmerz nennt man auch Mittelschmerz.

Die Eizelle bleibt nur eine kurze Zeit befruchtungsfähig. Nachdem die Eizelle freigesetzt wurde, wird der Follikel in der zweiten Zyklushälfte in eine Drüse umgewandelt, welche aufgrund ihrer Farbe auch Gelbkörper genannt wird. Der Gelbkörper bildet das Hormon Progesteron, welches die Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut vorbereitet. Wenn es zu keiner Befruchtung der Eizelle kommt, stirbt der Gelbkörper circa 12-16 Tage nach dem Eisprung ab und die Östrogen- und Progesteronspiegel sinken. Dadurch wird die Gebärmutterschleimhaut abgestoßen und die Regelblutung setzt ein.

Bei einer Befruchtung der Eizelle wandert diese über einige Tage hinweg vom Eierstock in die Gebärmutter. Dort angekommen, ist die Gebärmutterschleimhaut durch die Wirkung des Östrogens bereits für die Einnistung der Eizelle vorbereitet. Wenn sich die Eizelle erfolgreich einnistet, bleibt der Gelbkörper weiterhin erhalten und fängt an, große Mengen Progesteron zu bilden. Die Gebärmutterschleimhaut wird nicht abgestoßen und die Regelblutung setzt nicht ein – die Frau ist schwanger.

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So gestalte ich mein zyklusbasiertes Training

Nichts erzwingen!

Uff, ich hoffe, das war einigermaßen verständlich erklärt. Es sind wirklich nur die Basics zum weiblichen Zyklus. Über die Jahre hinweg habe ich viele Symptome, welche mit meinem Zyklus und den unterschiedlichen Hormonausschüttungen einhergehen, gesammelt. Ich habe beispielsweise am ersten und dritten Tag meiner Periode oft starke Unterleibsschmerzen. Sobald ich Schmerzen habe, fahre ich keine intensiven Einheiten.

Da Bewegung diese Schmerzen bei mir oft aber sogar lindern können und mir lockeres Radfahren dann sehr guttut, fahre ich an diesen Tagen Grundlageneinheiten. Als mein Training noch nicht auf meinen Zyklus angepasst war, habe ich an diesen Tagen oft trotzdem intensiv trainiert. Während und nach der Einheit ging es mir aber dann nie gut, ich wollte aber auf keinen Fall wegen meiner Regelblutung eine Trainingseinheit ausfallen lassen.

# Voll durchpowern im Training? Besser nicht immer alles erzwingen.

Das ist einer der wichtigsten Dinge, die ich gelernt habe: Nichts erzwingen. Wenn ich Krämpfe habe und der Körper nach Ruhe und Entspannung schreit, dann ist das Letzte, was hilft, ein intensiver Trainingsreiz. Das klingt für mich jetzt leichter, als es ist, denn „Nein“ zu einer Trainingseinheit zu sagen, fiel mir anfangs überhaupt nicht leicht. Ich habe mich oft schlecht gefühlt und gedacht, dass ich deshalb im nächsten Rennen bestimmt nicht so gut performen kann. Von diesen negativen Gedanken habe ich mich zum Glück befreit. Heute bin ich stolz auf mich, wenn ich auf meinen Körper höre und eine Trainingseinheit entschärfe oder ganz ausfallen lasse.

Superwoman-Zeit

Nach der Regelblutung setzt meine „Superwoman-Zeit“ ein, in der ich den mentalen Zustand erreiche, alles schaffen zu können. Es ist auch die Zeit, in der ich am leistungsfähigsten bin und „Fun fact“: In dieser Phase sind wir Frauen auch dem Hormonspiegel eines Mannes am ähnlichsten. In der ersten Zyklushälfte fallen mir intensive Trainingseinheiten leichter und zudem regeneriere ich deutlich besser und schneller als in der zweiten Zyklushälfte. Wenn Wettkämpfe in diesem Zeitraum sind, dann fühle ich mich am Start immer besonders gut. Das bedeutet nicht, dass ich mich in der zweiten Zyklushälfte prompt schlecht oder unwohl fühle. Ich sehe die Superwoman-Zeit mehr als eine Art Bonus zum „normalen Zustand“.

Nach einem Wettkampf oder einer sehr intensiven Trainingseinheit regeneriere ich in der ersten Zyklushälfte besser, sodass ich am Tag nach einem Rennen oft schon keine schweren oder müden Beine habe. Die zweite Zyklushälfte ist aber wirklich nicht grundsätzlich schlecht – ich bin auch dann schon sehr gute Rennen gefahren. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass ein Wettkampf von sehr vielen Faktoren abhängt. Der Zyklus ist nur einer davon.

# Vollgas - die „Superwoman-Zeit“ ist für Theresia ein willkommener Bonus.

Kleine Ernährungs-Anpassungen

Ich stelle die Ernährung je nach Zyklushälfte nicht komplett um. Es gibt aber ein paar Kleinigkeiten, auf die ich achte. In der zweiten Zyklushälfte esse ich etwas mehr Kohlenhydrate als in der ersten Zyklushälfte. Ich esse insgesamt ein wenig mehr und versuche Hungerattacken zu vermeiden, indem ich bereits deutlich vor einem Hungergefühl esse und meine Gerichte oft vorkoche. Wegen der schlechteren Regeneration in der zweiten Zyklushälfte versorge ich meine Trainingseinheiten innerhalb eines Zeitfensters von 30 Minuten nach der Einheit mit einem Proteinshake.

In der ersten Zyklushälfte mache ich das zwar auch, aber meistens nur bei intensiven Einheiten. Zudem habe ich herausgefunden, dass bei mir Koffein und Kuhmilchprodukte während der Monatsblutung sehr starke Krämpfe im Unterleib auslösen können. Ich habe das festgestellt, weil ich am ersten bis dritten Tag meiner Periode eine halbe Stunde nach meinem morgendlichen Kaffee sehr starke Bauchschmerzen und Krämpfe bekommen habe. Seit ich auf koffeinfreien Kaffee mit Hafermilch umgestiegen bin, habe ich diese „Koffein-Milch-Krämpfe“ nicht mehr. Ein Glück, dass mittlerweile fast alle Cafés auch Hafermilch und Decaf haben!

Wettkämpfe während der Periode

Doch was ist, wenn ein Wettkampf genau am Starttag meiner Periode liegt? Um ehrlich zu sein ist mir das noch nicht passiert, was bestimmt kein Zufall ist. Ein Wettkampf ist für den Körper ein Stresszustand. Obwohl schon viele Rennen auf dem errechneten Zeitpunkt meines Periodenstarts gelegen sind, habe ich meine Periode immer erst ein paar Tage danach bekommen. Auch das ist etwas sehr Bewundernswertes, was in unserem Körper abläuft, da es wie eine Art Selbstschutz wirkt. Natürlich kann es aber gut sein, dass das nicht bei jeder Frau so ist. Hormone sind ein komplexes Thema!

Meine Periode hatte ich aber schon öfter an Renntagen. Wie fühlt sich das an? Glücklicherweise hatte ich noch keine Unterleibskrämpfe während eines Rennens. Jedoch gab es Rennen bei denen ich etwas kraftloser war, weil ich das Gefühl hatte, dass der Körper für die Periode viel Kraft benötigt. Oft fühle ich mich dann aufgebläht und schwer, was kein schönes Gefühl für Renntage ist. Wenn ein Rennen am vierten oder fünften Tag meiner Periode stattfindet, dann weiß ich, dass alles möglich ist, denn an diesen Tagen fangen meine „Superwoman-Kräfte“ an zu wirken. Wenn ich an der Startlinie stehe und die Sekunden runtergezählt werden, denke ich aber nicht mehr an meine Periode oder wie ich mich deshalb gerade fühle, denn dann zählt nur noch das Rennen und das Bestmögliche von meinem Körper abzuverlangen.

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Insgesamt habe ich in den vergangenen Monaten sehr viel über meinen Zyklus gelernt und dadurch angefangen, mich selbst besser zu verstehen. Ich gehe viel gelassener und positiver mit meinem Zyklus um und habe viel weniger negative Assoziationen damit. Das liegt daran, dass ich viele Unklarheiten über den weiblichen Zyklus durch Wissensaneignung auflösen konnte und heute offen darüber reden kann. Mit ein paar Anpassungen im Training und der richtigen Ernährung habe ich es auch geschafft meine Krämpfe und Schmerzen zu reduzieren. Zudem weiß ich, dass ich auch in der zweiten Zyklushälfte meine Leistung abrufen kann.

Deshalb nehme ich meine erste Zyklushälfte als Superkraft wahr und nicht die zweite Zyklushälfte als schlechte Phase. Schade, dass es zwischen Sportlerinnen einen sehr geringen Austausch über die Periode gibt. Ich würde mir besonders für junge Sportlerinnen wünschen, dass die Periode immer weniger ein Tabuthema ist. Danke an Laura Philipp und Philipp Seipp, dass ich so viel von euch lernen durfte!

Hast du Fragen zum zyklusbasierten Training? Stelle sie mir in den Kommentaren!

 

Fotos: Alex Rebs, Martin Schwenk
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