no*dice
shit sucks!
Alles Doping oder was?
Spitzensport ist die Chance auf eine schnelle Mark und ein kurzes Leben. Wozu greift, wer sie ergreift, geht niemanden was an. Von Hermann L. Gremliza
"Augenkorrekturen, Brustverkleinerungen, Brustvergrößerungen, Facelift, Faltenuntersprutzungen, Lippenmodellierung, Fettabsaugung, Laser-Haarentfernung, Nasenkorrekturen, Ohrenkorrekturen, Eigenhaartransplantationen"
Aus dem Katalog einer Hamburger Privatklinik für ästhetische und plastische Chirugie
"Wer versucht, auch nur einen letzten Rest von Verständnis aufzubringen für jene, die gerade die Tour de France zugrunde dopen..."
Süddeutsche Zeitung“ über „Die Radfahr – Mafia
Es ist so einfach, daß man sich schämt, Aufhebens davon zu machen: Nichts in der Ordnung, welche die Menschheit über sich verhängt hat, funktioniert, ohne Körper, Geist und Seele Gewalt anzutun, mit Zuckerbrot und Peitsche, betäubenden oder erregenden Substanzen, Reklame oder Skalpell. Verhängte man über alle Mitarbeiter des Ferhsehens, die ihre Arbeit ohne Einnahme von Alkohol, Nikotin, Aufputsch- oder Beruhigungsmitteln weder leisten noch ertragen können, eine Sperre, und vergäße auch jene nicht, die sich – vom Schlupflied zur Reiterhose – bildschirmkompatibel haben zurechtschnitzen lassen, wäre auf hundert Kanälen nichts zu senden als das Testbild, auch nicht die peinlichen Verhöre, die der valiumgecoolte Moderator, gestrafften Tränensacks und Doppelkinns aus solargegerbtem Teint, weisseste Implantate bleckend, als Prophet der Natürlichkeit mit dem Radrennfahrer Jan Ullrich veranstaltet. Einen Fausto Coppi, der die Schnüffler an „ La Bomba“, seinen Kraftelixier, einst beschieden hatte, es sein sein Körper, von dem er lebe, und keinem gehen es an was er Ihm zufüge, brächten sie heute in Stunden zur Strecke. Kein Rudi Altig würde je mehr sagen dürfen: „Ich bin kein Sportler, ich bin Profi.“
Ich war nicht dabei, als Seniorenfahrer der RG Hamburg aber in der Gegend, als der Vereinspräsident die Junioren Mannschaft von Dynamo Berlin samt ihrem Spartakiade Sieger Ullrich und dessen Trainer Peter Becker nach Hamburg holte. Die Amateure aus dem Osten waren sorgfältig ausgesucht und ausgebildet, bei den Klassikern des Nordens, auf den Lindener Berg oder ums alte Gymnasium Eckernförde, wischten sie die lutschenden Wessis mit links vom Hinterrad. was immer die Sportmediziner der DDR fürs radsportspezifische Wachstum getan hatten – Körperliche Deformationen, wie man sie bei den Kraftsportlern (Diskuswerfern, Sprintern, Gewichthebern, Kugelstoßern, aber auch bei „Bahnwanzen“ genannten Radsprintern) sehen konnte hatten sie nicht hinterlassen. Epo schien den Ossis noch unbekannt und wer sollte schon aufputschende oder schmerzlindernde Mittel einnehmen, wenn er nur mal eben die Kette nach rechts legen mußte, um das Feld zu distanzieren?
Ullrich wurde zwei Jahre später, 1993, in Oslo Weltmeister der Amateure, wechselte zu den Profis und konnte in seiner ersten Saison von einer unvergeßlichen Lektion berichten: Zehn Kilometer vor dem Ziel noch locker im vorderen Feld fahrend, habe er auf der letzten Steigung fast Zehn Minuten verloren. Er hatte nicht die Kategorie seines Sports gewechselt, sondern den Sport. Gustav Adolf („Täve“) Schur, das Idol des DDR-Sports, hätte es ihm sagen können, wie er es mir 1985 bei einem Besuch in Magdeburg gesagt hat: „Profirennen sind kein Radsport“ Man könne nicht 250 Kilometer von der ersten bis zur letzten Minute Höchstleistung abrufen. Es sei denn.
Sport gibt es in drei Sorten: Leistungs-, Hochleistungs- und Spitzensport. Nehmen wir von den Kriterien, nach denen sie sich unterscheiden lassen, die der letalen Konsequenzen ihrer Ausübung, läßt sich sagen, daß ein Leistungssportler mit einigem Glück fast so alt werden kann wie ein adipositöser Buchhalter; die späten Tage von Hochleistungssportlern enden an der Krücke oder im Rollstuhl; und die Besten sterben früh. Spitzensport ist die Chance auf eine schnelle Mark und ein kurzes Leben. Der Bürgersohn ist beim Städtemarathon die Ausnahme, an der Rampe zur Alpe d`Huez und vor den Fäusten des Evander Holyfield steht er nie.
Auch der nicht, der Bürgersohn erst werden will, wie mein jugendlicher Mentor Michael Marx, der mir meinen ersten "Gios Torino" verkaufte. "Mäx", wie er in Hamburg hieß, war Anfang der Achtziger der talentierteste Rennfahrer im Norden. 1983 wurde er in Zürich mit Gölz, Günther und Strittmatter Weltmeister in der 4.000-Meter-Mannschaftsverfolgung, im darauf folgenden kälte klirrenden Winter durfte ich ihn zweimal die Woche bei seinen Trainingsfahrten für die Olympischen Spiele Gesellschaft leisten. Er strebete aus dem Milieu seines Sports hinaus, suchte Freundschaft bei einem Studenten der Philosophie und einem Schauspieler vom Deutschem Theater (Dietmar Mues), las und sprach ger über Bücher wie das der Psychoanalytikerin und Kindheitsforscherin Alice Miller (Am Anfang war Erziehung).
Obwohl es in Los Angeles nur zur Bronze reichte, weil die Vier sich im Halbfinale auseinander gefahren hatten, sollten Gölz und Marx nun Profis werden. Auf ich weiß nicht wie vielen Kilometern durch südliche Holstein drehten wir die Argumente im Takt der Kurbeln hin und her: ich dafür, er dagegen. Stellte ich ihm die traurige Figur des Radsport-Opas Marx vor, der seinen Enkeln die Frage, wie er durch die Hölle des Nordens oder auf dem Tourmalet gekommen sei, nicht würde beantworten können, replizierte er mit seinen Kniebeschwerden, zu deren Behebung die heute noch berühmteren Freiburger Ärzte die Kniescheibe mit einem Kunststoff beschichten wollten, sowie dem Angebot einer großen Reifenfirma, ihm bereits für die Dauer von Ausbildung und Studium ein Jungmanagergehalt zu zahlen.
Den Segen für seine längst getroffene Entscheidung holte er sich bei der Niedersachsen-rundfahrt, zu der jährlich die besten Amateure (Olaf Ludwig, Uwe Ampler, Bjarne Riis) antraten. Nachdem er seine Etappe gewonnen hatte, holte er beim westdeutschen Bundestrainer, einem Tour-erfahrenen Profi, die erwünschten Auskünfte ein: Ja, wenn er Profi werde, müsse er alles schlucken, was Mannschaftsleitung und Ärzte ihm vorsetzten. Und das, wo sein biodynamisches Gewissen sich schon schüttelte, wenn ich, wie er es nannte, „gebleichten Industriezucker“ in meinen Tee tat.
Der Bürgersohn, der wirkliche wie der Idielle, steht nie vor der Muur von Geraardsbergen. Um so häufiger sitzt er un der Sportredaktion,wo es seine Aufgabe ist, den Proleten, der nichts zu Geld machen kann als seinen Körper, Mores zu lehren, in dem er mit Verve in endlosen Variationen die Parole verbreitet: „Doping ist inakzeptabel. Sportler sind dazu verpflichtet Vorbilder zu sein.“ In diesen Worten hat die ewige Geschichte von der Moraljener Jean-Marie Leblanc repetiert, der als Direktor der Tour de France fünfzehn Jahre lang hundertfünfzig junge Männer in wenigen Tagen möglichst viele Bergpässe hinaufgejagt hat, die sie bei Verzicht auf hilfreiche Chemie nie hätten erklimmen können. Aus hohlen Augen hat ein deutscher Profi einmal ein paar Apostel der Sauberkeit gefragt, ob sie wohl glaubten, sein auf dem Weg über vier Alpenpässe von den letzten Resten Glukose, Mineralien und Vitaminen entleerter Körper ließe sich vor den drei Pässen des nächsten Tags mit ein paar Tellern Spaghetti auffüllen. Ja? Er jedenfalls werde sich jetzt an einen Tropf legen. Der natürliche Nähr- und „Nahrungsergänzungsstoffe“ in seine Venen spülte.
Für die Spiele, denen gerade in Zeiten, da die Herrschaft das Brot lieber an ihre Köter verfüttert, besondere Bedeutung für den Bestand des ausbeutbaren Gemeinwesens zukommt, gilt seit alten Zeiten, das Ceasar von seinen Gladiatoren verlangen darf, in moralisch erstklassiker und also für den zuschauenden Mob vorbildlichen Haltung vor die Löwen zu treten. Daß heute die Löwen von Leuten wie Reinhold Beckmann und Nikolaus Brender dargestellt werden und Caeser von Schäuble und Scharping, ändert am Sinn der Sache nichts.
Wer nicht brunzdumm und verlogen ist wie ein deutscher Verteidigungsminister in oder außer Diensten, wird sich fragen, in welcher Wirklichkeit Sauberkeit, Natürlichkeit zu finden wären. Ein Europäer gibt pro Jahr zwischen einhundert und dreihundert Euro für Medikamente aus. Er nimmt also täglich eine oder mehrere Pillen, seine diversen Schmerzen zu lindern. Drei Viertel der nordischen Skiläufer leiden (wie übrigens Jan Ullrich und viele andere Ausdauersportler auch) unter Ärztlich attestiertem Asthma, das ihnen den Gebrauch Atemweg öffnender Cortisonsprays erlaubt. Bluthochdruck ist, der zur Hemmung der Streßhormone angezeigten Betablocker wegen, die Krankheit, die zum Sportschützen oder zum Golfer prädestiniert. Unvorstellbar, das zu einer Weltmeisterschaft oder zu Olympischen Spielen eine Mannschaft ohne mehrere Busladungen Ärzte aller Disziplinen und ihre Medikamente anreist. Spitzensport ist Behindertensport.
Wer die Doktoren mit ihren Köfferchen am Rande der Tartanbahn kauern sieht, darf mutmaßen, daß der „Kampf gegen das Doping“ vorallen gegen die Schmutzkonkurrenz geführt wird. Was der spanische Blutpanscher Fuentes gekonnt hat, können die Pharmaindustrie und ihre Ärzte sauberer und besser. Doping im Spitzensport wird weder ausgerottet noch freigegeben, sondern Indutraliesiert und auf ein Nivau gehoben werden, das als Teil der ordnungsgemäßen Kapitalverwertung per se legal ist. Was uns hoffentlich wenigstens von dem Geplärr und dem Denunziationen der Doping-Blockwarte befreit.
Weil die Presse, die der pharmazeutischen medizinische Komplex berechnen wird, zu hoch sein werden und der Aufwand zu groß, wir die Masse der Sportler noch für viele Jahre zu den guten alten Mitteln greifen. Denn bloß weil der der Spitzensportler seine Gesundheit der schnellen Mark wegen aufs Spiel setzt, glaube doch keiner, daß dort, wo kein größerer Gewinn winkt als ein polierter Eierbecher und drei geknickte Fresien, auf den Segen der Chemie, auf Koffein, Cortison, Carnitin, Alkohol, Bromatepan, und so fort verzichtet wird. Zwei Aspirin plus C waren zu meiner Zeit das Minimum, das ein Senior vorm Start zur Sonntagsrunde in der Haseldorfer Marsch (Höhepunkt: der Ortsschildsprint in Hetlingen) sich zu genehmigen hatte.
Der Autor war Vereinsmeister/Straße Senioren 1 RG Hamburg von 1987. Der Text ist ein Vorabdruck aus dem von Rolf-Günther Schulze und Martin Krauß herausgegebenen Buch „Wer macht den Sport kaputt? Doping Kontrolle und Menschenwürde“ Verbrecher Verlag, 180 Seiten, 13Euro, das in diesen Tagen erscheint.
Spitzensport ist die Chance auf eine schnelle Mark und ein kurzes Leben. Wozu greift, wer sie ergreift, geht niemanden was an. Von Hermann L. Gremliza
"Augenkorrekturen, Brustverkleinerungen, Brustvergrößerungen, Facelift, Faltenuntersprutzungen, Lippenmodellierung, Fettabsaugung, Laser-Haarentfernung, Nasenkorrekturen, Ohrenkorrekturen, Eigenhaartransplantationen"
Aus dem Katalog einer Hamburger Privatklinik für ästhetische und plastische Chirugie
"Wer versucht, auch nur einen letzten Rest von Verständnis aufzubringen für jene, die gerade die Tour de France zugrunde dopen..."
Süddeutsche Zeitung“ über „Die Radfahr – Mafia
Es ist so einfach, daß man sich schämt, Aufhebens davon zu machen: Nichts in der Ordnung, welche die Menschheit über sich verhängt hat, funktioniert, ohne Körper, Geist und Seele Gewalt anzutun, mit Zuckerbrot und Peitsche, betäubenden oder erregenden Substanzen, Reklame oder Skalpell. Verhängte man über alle Mitarbeiter des Ferhsehens, die ihre Arbeit ohne Einnahme von Alkohol, Nikotin, Aufputsch- oder Beruhigungsmitteln weder leisten noch ertragen können, eine Sperre, und vergäße auch jene nicht, die sich – vom Schlupflied zur Reiterhose – bildschirmkompatibel haben zurechtschnitzen lassen, wäre auf hundert Kanälen nichts zu senden als das Testbild, auch nicht die peinlichen Verhöre, die der valiumgecoolte Moderator, gestrafften Tränensacks und Doppelkinns aus solargegerbtem Teint, weisseste Implantate bleckend, als Prophet der Natürlichkeit mit dem Radrennfahrer Jan Ullrich veranstaltet. Einen Fausto Coppi, der die Schnüffler an „ La Bomba“, seinen Kraftelixier, einst beschieden hatte, es sein sein Körper, von dem er lebe, und keinem gehen es an was er Ihm zufüge, brächten sie heute in Stunden zur Strecke. Kein Rudi Altig würde je mehr sagen dürfen: „Ich bin kein Sportler, ich bin Profi.“
Ich war nicht dabei, als Seniorenfahrer der RG Hamburg aber in der Gegend, als der Vereinspräsident die Junioren Mannschaft von Dynamo Berlin samt ihrem Spartakiade Sieger Ullrich und dessen Trainer Peter Becker nach Hamburg holte. Die Amateure aus dem Osten waren sorgfältig ausgesucht und ausgebildet, bei den Klassikern des Nordens, auf den Lindener Berg oder ums alte Gymnasium Eckernförde, wischten sie die lutschenden Wessis mit links vom Hinterrad. was immer die Sportmediziner der DDR fürs radsportspezifische Wachstum getan hatten – Körperliche Deformationen, wie man sie bei den Kraftsportlern (Diskuswerfern, Sprintern, Gewichthebern, Kugelstoßern, aber auch bei „Bahnwanzen“ genannten Radsprintern) sehen konnte hatten sie nicht hinterlassen. Epo schien den Ossis noch unbekannt und wer sollte schon aufputschende oder schmerzlindernde Mittel einnehmen, wenn er nur mal eben die Kette nach rechts legen mußte, um das Feld zu distanzieren?
Ullrich wurde zwei Jahre später, 1993, in Oslo Weltmeister der Amateure, wechselte zu den Profis und konnte in seiner ersten Saison von einer unvergeßlichen Lektion berichten: Zehn Kilometer vor dem Ziel noch locker im vorderen Feld fahrend, habe er auf der letzten Steigung fast Zehn Minuten verloren. Er hatte nicht die Kategorie seines Sports gewechselt, sondern den Sport. Gustav Adolf („Täve“) Schur, das Idol des DDR-Sports, hätte es ihm sagen können, wie er es mir 1985 bei einem Besuch in Magdeburg gesagt hat: „Profirennen sind kein Radsport“ Man könne nicht 250 Kilometer von der ersten bis zur letzten Minute Höchstleistung abrufen. Es sei denn.
Sport gibt es in drei Sorten: Leistungs-, Hochleistungs- und Spitzensport. Nehmen wir von den Kriterien, nach denen sie sich unterscheiden lassen, die der letalen Konsequenzen ihrer Ausübung, läßt sich sagen, daß ein Leistungssportler mit einigem Glück fast so alt werden kann wie ein adipositöser Buchhalter; die späten Tage von Hochleistungssportlern enden an der Krücke oder im Rollstuhl; und die Besten sterben früh. Spitzensport ist die Chance auf eine schnelle Mark und ein kurzes Leben. Der Bürgersohn ist beim Städtemarathon die Ausnahme, an der Rampe zur Alpe d`Huez und vor den Fäusten des Evander Holyfield steht er nie.
Auch der nicht, der Bürgersohn erst werden will, wie mein jugendlicher Mentor Michael Marx, der mir meinen ersten "Gios Torino" verkaufte. "Mäx", wie er in Hamburg hieß, war Anfang der Achtziger der talentierteste Rennfahrer im Norden. 1983 wurde er in Zürich mit Gölz, Günther und Strittmatter Weltmeister in der 4.000-Meter-Mannschaftsverfolgung, im darauf folgenden kälte klirrenden Winter durfte ich ihn zweimal die Woche bei seinen Trainingsfahrten für die Olympischen Spiele Gesellschaft leisten. Er strebete aus dem Milieu seines Sports hinaus, suchte Freundschaft bei einem Studenten der Philosophie und einem Schauspieler vom Deutschem Theater (Dietmar Mues), las und sprach ger über Bücher wie das der Psychoanalytikerin und Kindheitsforscherin Alice Miller (Am Anfang war Erziehung).
Obwohl es in Los Angeles nur zur Bronze reichte, weil die Vier sich im Halbfinale auseinander gefahren hatten, sollten Gölz und Marx nun Profis werden. Auf ich weiß nicht wie vielen Kilometern durch südliche Holstein drehten wir die Argumente im Takt der Kurbeln hin und her: ich dafür, er dagegen. Stellte ich ihm die traurige Figur des Radsport-Opas Marx vor, der seinen Enkeln die Frage, wie er durch die Hölle des Nordens oder auf dem Tourmalet gekommen sei, nicht würde beantworten können, replizierte er mit seinen Kniebeschwerden, zu deren Behebung die heute noch berühmteren Freiburger Ärzte die Kniescheibe mit einem Kunststoff beschichten wollten, sowie dem Angebot einer großen Reifenfirma, ihm bereits für die Dauer von Ausbildung und Studium ein Jungmanagergehalt zu zahlen.
Den Segen für seine längst getroffene Entscheidung holte er sich bei der Niedersachsen-rundfahrt, zu der jährlich die besten Amateure (Olaf Ludwig, Uwe Ampler, Bjarne Riis) antraten. Nachdem er seine Etappe gewonnen hatte, holte er beim westdeutschen Bundestrainer, einem Tour-erfahrenen Profi, die erwünschten Auskünfte ein: Ja, wenn er Profi werde, müsse er alles schlucken, was Mannschaftsleitung und Ärzte ihm vorsetzten. Und das, wo sein biodynamisches Gewissen sich schon schüttelte, wenn ich, wie er es nannte, „gebleichten Industriezucker“ in meinen Tee tat.
Der Bürgersohn, der wirkliche wie der Idielle, steht nie vor der Muur von Geraardsbergen. Um so häufiger sitzt er un der Sportredaktion,wo es seine Aufgabe ist, den Proleten, der nichts zu Geld machen kann als seinen Körper, Mores zu lehren, in dem er mit Verve in endlosen Variationen die Parole verbreitet: „Doping ist inakzeptabel. Sportler sind dazu verpflichtet Vorbilder zu sein.“ In diesen Worten hat die ewige Geschichte von der Moraljener Jean-Marie Leblanc repetiert, der als Direktor der Tour de France fünfzehn Jahre lang hundertfünfzig junge Männer in wenigen Tagen möglichst viele Bergpässe hinaufgejagt hat, die sie bei Verzicht auf hilfreiche Chemie nie hätten erklimmen können. Aus hohlen Augen hat ein deutscher Profi einmal ein paar Apostel der Sauberkeit gefragt, ob sie wohl glaubten, sein auf dem Weg über vier Alpenpässe von den letzten Resten Glukose, Mineralien und Vitaminen entleerter Körper ließe sich vor den drei Pässen des nächsten Tags mit ein paar Tellern Spaghetti auffüllen. Ja? Er jedenfalls werde sich jetzt an einen Tropf legen. Der natürliche Nähr- und „Nahrungsergänzungsstoffe“ in seine Venen spülte.
Für die Spiele, denen gerade in Zeiten, da die Herrschaft das Brot lieber an ihre Köter verfüttert, besondere Bedeutung für den Bestand des ausbeutbaren Gemeinwesens zukommt, gilt seit alten Zeiten, das Ceasar von seinen Gladiatoren verlangen darf, in moralisch erstklassiker und also für den zuschauenden Mob vorbildlichen Haltung vor die Löwen zu treten. Daß heute die Löwen von Leuten wie Reinhold Beckmann und Nikolaus Brender dargestellt werden und Caeser von Schäuble und Scharping, ändert am Sinn der Sache nichts.
Wer nicht brunzdumm und verlogen ist wie ein deutscher Verteidigungsminister in oder außer Diensten, wird sich fragen, in welcher Wirklichkeit Sauberkeit, Natürlichkeit zu finden wären. Ein Europäer gibt pro Jahr zwischen einhundert und dreihundert Euro für Medikamente aus. Er nimmt also täglich eine oder mehrere Pillen, seine diversen Schmerzen zu lindern. Drei Viertel der nordischen Skiläufer leiden (wie übrigens Jan Ullrich und viele andere Ausdauersportler auch) unter Ärztlich attestiertem Asthma, das ihnen den Gebrauch Atemweg öffnender Cortisonsprays erlaubt. Bluthochdruck ist, der zur Hemmung der Streßhormone angezeigten Betablocker wegen, die Krankheit, die zum Sportschützen oder zum Golfer prädestiniert. Unvorstellbar, das zu einer Weltmeisterschaft oder zu Olympischen Spielen eine Mannschaft ohne mehrere Busladungen Ärzte aller Disziplinen und ihre Medikamente anreist. Spitzensport ist Behindertensport.
Wer die Doktoren mit ihren Köfferchen am Rande der Tartanbahn kauern sieht, darf mutmaßen, daß der „Kampf gegen das Doping“ vorallen gegen die Schmutzkonkurrenz geführt wird. Was der spanische Blutpanscher Fuentes gekonnt hat, können die Pharmaindustrie und ihre Ärzte sauberer und besser. Doping im Spitzensport wird weder ausgerottet noch freigegeben, sondern Indutraliesiert und auf ein Nivau gehoben werden, das als Teil der ordnungsgemäßen Kapitalverwertung per se legal ist. Was uns hoffentlich wenigstens von dem Geplärr und dem Denunziationen der Doping-Blockwarte befreit.
Weil die Presse, die der pharmazeutischen medizinische Komplex berechnen wird, zu hoch sein werden und der Aufwand zu groß, wir die Masse der Sportler noch für viele Jahre zu den guten alten Mitteln greifen. Denn bloß weil der der Spitzensportler seine Gesundheit der schnellen Mark wegen aufs Spiel setzt, glaube doch keiner, daß dort, wo kein größerer Gewinn winkt als ein polierter Eierbecher und drei geknickte Fresien, auf den Segen der Chemie, auf Koffein, Cortison, Carnitin, Alkohol, Bromatepan, und so fort verzichtet wird. Zwei Aspirin plus C waren zu meiner Zeit das Minimum, das ein Senior vorm Start zur Sonntagsrunde in der Haseldorfer Marsch (Höhepunkt: der Ortsschildsprint in Hetlingen) sich zu genehmigen hatte.
Der Autor war Vereinsmeister/Straße Senioren 1 RG Hamburg von 1987. Der Text ist ein Vorabdruck aus dem von Rolf-Günther Schulze und Martin Krauß herausgegebenen Buch „Wer macht den Sport kaputt? Doping Kontrolle und Menschenwürde“ Verbrecher Verlag, 180 Seiten, 13Euro, das in diesen Tagen erscheint.
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