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Angebot und Nachfrage nach Velowerkstätten in der Schweiz

grunewaldrocks

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Hallo! Ich lebe seit vielen Jahren in der Schweiz und kümmere mich um meine Bikes komplett selbst in meiner Heimwerkstatt. Nun habe ich in letzter Zeit viele haarsträubende Stories über die Werkstattkultur hierzulande gehört. So hat z.B. jemand ein Angebot einer bekannten Werkstatt (Veloplus) gepostet, wo jede Menge offensichtlich unnötige Arbeiten an einem relativ neuen Velo durchgeführt werden sollten, und das zu Preisen, wo man teilweise auf vierstellige Stundensätze kommt! Klar, die Schweiz ist teuer, aber die üblichen Stundensätze in dem Bereich sind hier offiziell 120-150 CHF. Dann habe ich noch diesen Test in SRF Kassensturz gefunden, bei dem Testvelos für eine Inspektion mit Mängeln präpariert wurden. Fast überall wurden viele offensichtliche Mängel überhaupt nicht bemerkt, d.h. die teure Inspektion offensichtlich gar nicht durchgeführt. Es scheint ja auch während Corona einen grossen Nachfrage-Boom gegeben zu haben, wodurch solche Geschäftspraktiken sicherlich noch häufiger geworden sind.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Velowerkstätten hierzulande gemacht? Ist das ein flächendeckendes Problem und woran liegt es? Ist es den Leuten überhaupt bewusst, dass sie so übers Ohr gehauen werden? Gibt es einen solchen Mangel an Mechanikern und wenn ja, warum? Was kann man tun, um das Problem zu verbessern, damit Velos sich weiter verbreiten können? Bin gespannt auf eure Erfahrungen.
 

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Re: Angebot und Nachfrage nach Velowerkstätten in der Schweiz
Nun, du ordnest den Stundensatz schonmal richtig ein, wobei eher am oberen Ende. "Auf dem Land" (nicht zu verwechseln mit der Agglomeration :rolleyes: ) können es auch mal 90-100.- sein, aber urban dürfte der Standard mittlerweile 120-140.- betragen, 150.- sind dann schon arg viel.

Dass die Qualität der Arbeit, und auch die Qualität grundsätzlicher Betriebsabläufe (Auftragsannahme, Bestellung, Lagerhaltung etc.), verbreitet nicht auf der Höhe ist, muss ich leider auch bestätigen, und dies sowohl aus Kunden-, wie auch aus Mitarbeiteroptik (habe vor nicht allzu langer Zeit in der Branche gearbeitet). Ob es in anderen Ländern besser ist, kann ich nicht beurteilen.

Der Hauptgrund dürfte meines Erachtens die Qualifikation der Mitarbeiter sein. Inzwischen kommt wohl die klare Minderheit der angestellten Mechaniker "vom Fach" (Fahrradmechaniker/in EFZ ist eine dreijährige Ausbildung), meistens besteht die Mehrheit der Mitarbeiter aus Quereinsteigern. Das muss nicht zwangsläufig schlecht sein, birgt aber Risiken - üblicherweise besteht eine grössere Werkstatt dann aus 2-3 Quereinsteigern und einem qualifizierten Mechaniker. Dazu kommt die hohe Fluktuation - gerade Quereinsteiger bleiben oftmals nur einige Jahre im Beruf und sehen diesen als Zwischenlösung.

Weshalb dies so ist? Grundsätzlich fehlt es hierzulande in so ziemlich allen Handwerksberufen an Nachwuchs. Und das, obwohl das Ausbildungssystem auf international hohem Niveau und dazu - im Gegensatz zu früher - durchlässig ist (Berufsmatura -> FH/HF). Das liegt wohl an der Bezahlung und Wertschätzung, was auch auf den Verkauf (die andere Hauptfunktion im Fahrradladen) zutrifft. Was mir mit Bezug auf das Fahrradgewerbe spontan als negativ einfällt, ist die kleinteilige Struktur der meisten Betriebe und die damit verbundenen fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten (ausser der Übernahme eines kompletten Betriebs gibt es nicht viel, was bei anderen Handwerksrichtungen deutlich besser aussieht). Dazu muss man samstags arbeiten, und die Urlaubszeiten fallen grundsätzlich in eher wenig attraktive Monate von November bis Februar. Von April bis August wäre theoretisch eine 60h-Woche nach der anderen gefragt (wobei man als Betrieb mit etwas Fantasie durchaus Möglichkeiten hätte, die Auslastung zu glätten).

Was die grundsätzlichen Betriebsabläufe angeht, so fehlt häufig den Mechanikern das Verständnis dieser bzw. auch die Motivation, sich überhaupt damit zu beschäftigen, was auch verständlich ist.

Dazu kommt, und da schliesst sich der Bogen zur Bezahlung und Wertschätzung, das Verhalten der Kundschaft. Ich schreibe hier nicht von der Mehrheit, aber ein nicht unerheblicher Teil verhält sich explizit (oder zumindest implizit) frech bzw. anmassend. Vermutlich haben einige Menschen immer noch das Gefühl, jemanden im Tieflohnsektor von oben herab behandeln zu können. Dass ein Fahrradmechaniker an einem sonnigen Samstag im Juni um halb 12 sich dann mal denkt, "für den Lohn + X könnte ich auch irgendwo Mo-Fr arbeiten, und mir jetzt mit den Kumpels im Garten ein Steak auf den Grill hauen", ist für mich schon nachvollziehbar.
 
Nun, du ordnest den Stundensatz schonmal richtig ein, wobei eher am oberen Ende. "Auf dem Land" (nicht zu verwechseln mit der Agglomeration :rolleyes: ) können es auch mal 90-100.- sein, aber urban dürfte der Standard mittlerweile 120-140.- betragen, 150.- sind dann schon arg viel.

Dass die Qualität der Arbeit, und auch die Qualität grundsätzlicher Betriebsabläufe (Auftragsannahme, Bestellung, Lagerhaltung etc.), verbreitet nicht auf der Höhe ist, muss ich leider auch bestätigen, und dies sowohl aus Kunden-, wie auch aus Mitarbeiteroptik (habe vor nicht allzu langer Zeit in der Branche gearbeitet). Ob es in anderen Ländern besser ist, kann ich nicht beurteilen.

Der Hauptgrund dürfte meines Erachtens die Qualifikation der Mitarbeiter sein. Inzwischen kommt wohl die klare Minderheit der angestellten Mechaniker "vom Fach" (Fahrradmechaniker/in EFZ ist eine dreijährige Ausbildung), meistens besteht die Mehrheit der Mitarbeiter aus Quereinsteigern. Das muss nicht zwangsläufig schlecht sein, birgt aber Risiken - üblicherweise besteht eine grössere Werkstatt dann aus 2-3 Quereinsteigern und einem qualifizierten Mechaniker. Dazu kommt die hohe Fluktuation - gerade Quereinsteiger bleiben oftmals nur einige Jahre im Beruf und sehen diesen als Zwischenlösung.

Weshalb dies so ist? Grundsätzlich fehlt es hierzulande in so ziemlich allen Handwerksberufen an Nachwuchs. Und das, obwohl das Ausbildungssystem auf international hohem Niveau und dazu - im Gegensatz zu früher - durchlässig ist (Berufsmatura -> FH/HF). Das liegt wohl an der Bezahlung und Wertschätzung, was auch auf den Verkauf (die andere Hauptfunktion im Fahrradladen) zutrifft. Was mir mit Bezug auf das Fahrradgewerbe spontan als negativ einfällt, ist die kleinteilige Struktur der meisten Betriebe und die damit verbundenen fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten (ausser der Übernahme eines kompletten Betriebs gibt es nicht viel, was bei anderen Handwerksrichtungen deutlich besser aussieht). Dazu muss man samstags arbeiten, und die Urlaubszeiten fallen grundsätzlich in eher wenig attraktive Monate von November bis Februar. Von April bis August wäre theoretisch eine 60h-Woche nach der anderen gefragt (wobei man als Betrieb mit etwas Fantasie durchaus Möglichkeiten hätte, die Auslastung zu glätten).

Was die grundsätzlichen Betriebsabläufe angeht, so fehlt häufig den Mechanikern das Verständnis dieser bzw. auch die Motivation, sich überhaupt damit zu beschäftigen, was auch verständlich ist.

Dazu kommt, und da schliesst sich der Bogen zur Bezahlung und Wertschätzung, das Verhalten der Kundschaft. Ich schreibe hier nicht von der Mehrheit, aber ein nicht unerheblicher Teil verhält sich explizit (oder zumindest implizit) frech bzw. anmassend. Vermutlich haben einige Menschen immer noch das Gefühl, jemanden im Tieflohnsektor von oben herab behandeln zu können. Dass ein Fahrradmechaniker an einem sonnigen Samstag im Juni um halb 12 sich dann mal denkt, "für den Lohn + X könnte ich auch irgendwo Mo-Fr arbeiten, und mir jetzt mit den Kumpels im Garten ein Steak auf den Grill hauen", ist für mich schon nachvollziehbar.
Vielen Dank für deine interessante und ausführliche Antwort. Ich habe in der Zwischenzeit entschieden, selbst in die Branche einzusteigen. Du hast viele Punkte angesprochen, die ich verbessern will. Ich bin Softwareentwickler und habe schon einige Ideen. Vielleicht hast du Lust auf einen Austausch? Bin gerade noch verreist, aber nächste Woche kann ich wieder ausführlicher antworten.
 
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