Lassen wir doch einmal die 'Ich hab da was im Keller gefunden, keine Ahnung was es ist, aber möchte es mit kleinstmöglichem Aufwand und größtmöglichem Gewinn verscherbeln'-Fraktion außen vor und machen ein Gedankenspiel:
X beschließt eines Morgens, sich für ein(en)
[ ] Vintage Rennrad
[ ] Rennradklassiker
[ ] Retro Bike Eroica Klassiker Fixi
[ ] eines dieser eleganten Stahlräder, die man jetzt öfter auf der Straße sieht,
zu interessieren.
Das passiert, weil sie/er
[ ] Rennräder aus zeitgenössischer Produktion einfach grottenhässlich
[ ] so was vintage-mäßiges einfach absolut stilisch findet, oder
[ ] Y, der total coole Typ von gegenüber, neuerdings auch so was hat oder
[ ] in dem Magazin neulich was über diese ganzen coolen Typen stand, die mit den alten Dingern irgendwo in Italien rumfahren, jeden Herbst.
Wie geht X also vor?
[ ] Sie/er kauft sich das aus den Kleinanzeigen/der Bucht, was auf dem total unscharfen Foto so halbwegs nach dem aussieht, was sie/er haben will, was zudem noch unglaublich günstig und erstaunlicherweise auch nach fünf Tagen Sofortkaufoption oder drei Wochen Kleinanzeigen noch von keinem anderen Konkurrenten weggekauft worden ist.
[ ] Sie/er kauft auf dem Flohmarkt, was der vertrauenerweckende Händler ihr/ihm als das Angebot des Jahres anpreist.
[ ] Sie/er erinnert sich, neulich in der Kneipe am Nebentisch aus einem angeregten Gespräch ein paar Namen wie Clonago, Bianschi oder Tschios aufgeschnappt zu haben, und ersteigert deshalb das erste beste Angebot, was sie/er unter diesen Namen gerade findet.
[ ] Sie/er macht sich ein wenig kundig, wofür sie/er sich damit nun gerade so interessiert und worauf sie/er sich damit einlässt. Mit einer halbwegs funktionierenden Suchmaschine dürfte das in einer halben Stunde entweder zu diesem oder zum Forum nebenan führen; nach zwei, drei weiteren Stunden erfährt man von so was wie velobase; nach einer Woche weiß man Blechausfaller von geschmiedeten Ausfallenden zu unterscheiden, kennt eine Handvoll unterschiedlicher Rohrsatzqualitäten und weiß, dass ein Rad mit einer
Shimano 105- oder Campa-Victory-Ausstattung wohl eher nicht an der Tour de France dabeigewesen sein wird. Nach zwei Wochen wird sie/er sich mit den frisch erworbenen Kenntnissen umsehen und schließlich das Rad ihrer/seiner Wahl zu dem gerechtfertigt erscheinenden Preis kaufen. Oder, wenn nichts dabei war, halt noch ein wenig weiter suchen.
Ich finde ja, aufgrund der beiden ersten Ankreuzoptionen verdient niemand auch nur den geringsten Hauch von Spott, egal wie man sich zu den einzelnen Absichten und Begründungen auch stellt. Beim Vorgehen allerdings verdient wirklich nur Schonung, wer sich im Groben und Ganzen nach der letzten Maxime verhalten hat und dann merken muss, dass sie/er da entweder was übersehen hat oder möglicherweise gar tatsächlich übers Ohr gehauen worden ist. Mit Arroganz oder Unfreundlichkeit hat eine klare Ansage dabei m.E. wenig zu tun. Um festzustellen, dass das hier Gezeigte weder ein Rennrad ist noch sonst ein ernstzunehmendes Sportgerät, dass von materiellem Wert oder Sammelwürdigkeit kaum die Rede sein kann – nun, ich glaube, dafür braucht man weder Fahrradmechaniker noch Langzeitsammler zu sein.