Hi Zusammen,
Frage an die Experten: meine Freundin (1,76m, Sitzhöhe: 748mm) besitzt eine etwas zu grosse Mühle was dafür sorgt dass sie viel zu gestreckt sitzt. Habe heute auf Basis des Touring Magazins den optimalen Reach & Stack Plus ausgerechnet. Ohne grosse Überraschung: beide Werte sind am Rad höher als ihr Sweetspot (s.Screenshot). Jetzt hatte ich den Gedanken ihr einen 20mm Spacer und einen 80mm Vorbau (aktuell 120mm) zu installieren. Was denkt ihr, ist das ein gangbarer Weg bis in 2023 wieder Räder zur Verfügung stehen? Mit dem aktuellen Setup hatte sie nach 50km natürlich Rückenscherzen...mach mir um das Handling des Rads bei dem kurzen Vorbau sorgen.
Um das mal zu sortieren: Deine Freundin ist, wenn ich aufgrund der Sitzhöhe mal etwa 85cm Innenbeinlänge annehme, schon eine ausgeprägte "Langbeinerin". Ich hab schon deutlich extremere gemessen, aber rein statistisch ist das schon deutlich.
Die "Größenberatung" der Tour wird immer unübersichtlicher. Ich finde es eher unglücklich.
Der Rahmen ist zu lang, das ziemlich sicher. Ob zu flach ist relativ. Und wirklich "passend" bekommt man den auch nicht mit kürzeren Vorbauten, auch das sollte klar sein.
Aber man sollte eine leidlich gute Sitzposition hinbekommen:
Und weil in einigen Beiträgen die Tipps, sagen wir mal: etwas schwierig sind, drücke ich mich mal grundsätzlich aus:
Das Fahrverhalten wird nicht durch die Vorbaulänge beeinflusst, sondern durch die Rahmengeometrie. Und vor allem natürlich durch das "Zusammenspiel" von Geometrie und den Körper-Proportionen der Fahrerin / des Fahrers.
Um es einfach und ganz grob zu umreißen: Je stärker vorgebeugt wird, um so näher sollte das Vorderrad zum Schwerpunkt "wandern": Der Lenkerbogen liegt dann in etwa über der Vorderachse. Je weiter der hinter der Achse liegt, um so indirekter und schwammiger wird das Lenkverhalten.
Das ist jetzt nicht als in Stein gemeißelte Regel zu nehmen, das ist der Zusammenhang. Aber das macht deutlich, warum immer mal wieder die Vorbaulänge angeführt wird. Nur von ganz ungefähr kommt das ja auch nicht.
Niemals, aber wirklich niemals, wird die horizontale Sattelposition für die Sitzlänge verschoben. Der
Sattel sollte immer zuerst ausgerichtet werden.
Das berühmte "Knielot" sollte man wirklich nicht so genau nehmen, aber anders, als sich mancher ausdrückt, braucht es auch nicht gleich in die Tonne getreten zu werden. Das ist ein Konzept, was einfach nur "zufällig" bei Rennrädern, aber auch anderen sportlichen Rädern wie MTB oder Trekking-Räder hinreichend hinkommt. Bei TT oder Hollandrädern wiederum gar nicht.
Als "Basis" kann man sich sehr wohl daran orientieren, nur auf keinen Fall verabsolutieren. Die horizontale Sattelposition sollte dann so eingestellt werden, dass ein flüssiger und möglichst effizienter Bewegungsablauf möglich ist. Nicht so weit nach vorne, dass der Oberkörper komplett auf die Arme gestützt werden muss. Es sollte, auch bei wenig trainiertem Rücken, die Chance bestehen, dass der Oberkörper sich weitgehend selbst tragen kann und die Hände mehr oder minder nur auf dem Lenker abgelegt werden können.
Das ist nicht immer möglich, aber dahin sollte die Tendenz gehen.
Auf der Bahn oder auch bei Kriterien wird die ganze Haltung weiter nah vorne "gedreht" und die Last auf dem Lenker ignoriert. Aber das sind andere Verhältnisse, als eine Haltung für ausgedehnte Touren.
Überhöhung: Auch hier pendeln viele zwischen "Angst" und "Irrsinn". Auch die gerne mal gegebene Empfehlung "höher" sei bequemer, stimmt einfach so nicht. Im Zweifel erreicht man mit einem zu hohen Lenker eher das Gegenteil des beabsichtigten.
Jede Lenkerposition sollte gefahren werden können. Der Lenker sollte nicht so hoch sein, dass man sich "einklemmt", also wenig Platz für die Arme hat, aber auch nicht so niedrig, dass die Unterlenkerhaltung nur mit eingeklemmten Zwerchfell zu fahren ist.
Sitzlänge: Bei der gestrecktesten Position, was meist die Bremsgriffhaltung ist, sollten zwar die Arme ( nicht ganz durch-) gestreckt sein, aber erstens nicht in "Superman-Haltung", also weit nach vorne, statt nach "unten-vorne", vor allem aber so, dass die Schultern nicht auch noch vorgeschoben werden müssen um die Bremsgriffe zu erreichen. Das tut auf Dauer nämlich weh.
Bis dahin belasse ich es mal.
Also: stellt erst den
Sattel ein, dann schaut, wie kurz und auf welcher Höhe der Vorbau sein muß - und da würde ich nicht auf irgendwelche "Mindestmaße" oder was auch sonst achten, sondern ob sie mit der Haltung klar kommt. Was nämlich ebenfalls nicht richtig ist: Dass man trainieren müsse, damit man ein Rennrad fahren kann.
Bei vollkommen Untrainierten kann es durchaus mal vorkommen, und nicht jede beliebige Distanz kann schmerzfrei überstanden werden. Aber der Körper sollte nicht schon beim Start herausgefordert oder gar überfordert werden.
Das Rad ist schon mal da, also kann man es so weit manipulieren, dass sie darauf gut sitzen kann. Und das könnt Ihr für das nächste Rad mitnehmen.