Die gehen halt davon aus, dass jeder Radfahrer auf der Welt so lahmarschig unterwegs ist wie sie selbst, wenn sie mit ihrer Baumarktmöhre über ebene Feldwege gurken und als Stundenmittel weniger erreichen als die Mitglieder hier bergauf drauf bekommen. Hinterher sind die dann wahrscheinlich ganz geschockt über "diese rücksichtslosen Rennrad-Rüpel, die gemeingefährlich durch die Gegend rasen" oder so ähnlich.
Ja und nein. Ich gehe eher davon aus, dass der handelsübliche Autofahrer es die meiste Zeit mit zwei Typen von Hindernissen zu tun hat: Etwa gleich schnellen und mehr oder weniger stehenden. Nämlich anderen Autos und Motorrädern oder eben Verkehrsinseln und Fußgängern. Auf diese beiden ist das ganze Verhalten eingeschliffen und passt auch meistens dazu.
Radfahrer (und klassische Mofisti) liegen dummerweise zwischen diesen Geschwindigkeiten, bewegen sich aber meistens auf der Straße und in Fahrtrichtung. Die Gewohnheit sagt dabei dem Unterbewusstsein: Es bewegt sich auf der Straße in der selben Richtung, also kann es nicht langsam sein und ich habe noch einen Moment Zeit mit dem Ausscheren. Das führt dazu, dass Radfahrer in Längsrichtung häufig beinahe angefahren werden und die Autos erst ausscheren, wenn sie schon am Radfahrer vorbei sind - beim Überholen eines flotten Motorrollers mit ca. 60 km/h hätte das perfekt gepasst.
Quer zur Fahrtrichtung funktioniert das Spiel dann andersrum, weil das Unterbewusstsein dann eher etwas kleines ohne Blech drumrum = Fußgänger = langsam registriert und keine Veranlassung zum Zögern sieht. Das beobachte ich auch regelmäßig: Eindeutige Vorfahrt an der Kreuzung oder Einmündung, Blickkontakt zum Autofahrer, kurzes Zögern, und er fährt trotzdem noch raus. Das Ergebnis bekommt er selten mit, weil er dann längst in eine andere Richtung schaut.
Das ist nur in seltenen Fällen böse gemeint und ich vergleiche es bei mir selbst gern mit der nötigen Anpassung beim sportlichen Autofahren auf kurvigen Pisten: Da lenke ich am Anfang auch immer etwas zu spät, dann aber zu weit und muss mich ein paar Runden lang eingewöhnen. Aktuell wäre das nach mehreren Jahren Pause vermutlich einen ganzen Tag lang haarsträubend, bis Einlenkpunkte und Geschwindigkeit wieder zusammenpassen.