Domestik: Das wahre Leben eines ganz normalen Radprofis (German Edition) by Wegelius Charly
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Last annotated on October 29, 2016
Das war nichts, was jemals offen verkündet oder ausgesprochen wurde, und es gab genug andere Fahrer, die dafür in Frage gekommen wären. Der Österreicher Gerhard Trampusch zum Beispiel, der im gleichen Alter war wie ich und wahrscheinlich der begabtere Fahrer, aber ihn ließen die Kollegen einfach links liegen. Wahrscheinlich hatten sie einfach erkannt, dass er auf Siege aus war, während ich jemand war, der ihre Rolle ausfüllen könnte. Falls Trampusch zehn Rennen gewinnen wollte, war das schön für ihn, aber das war nichts, was sie ihm beibringen konnten – sie hatten ja selbst kaum ein Rennen gewonnen. Aber sie konnten aus mir einen Domestiken machen – das war der Job, mit dem sie sich auskannten. Sie mussten es nicht tun und ein Stück weit schnitten sie sich damit sogar ins eigene Fleisch, aber sie hatten beschlossen, es mir beizubringen, und sie taten es auf die gleiche Weise, wie es ihnen einst beigebracht worden war.
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Ich sah mich unter meinen Kollegen um, den Fahrern, die das Peloton bildeten. Da war keine Spur vom guten, sauberen, »noblen« Streben nach sportlichen Höchstleistungen, von dem die Leute glauben, dass er Sportler antreibt. Diese perfekt austrainierten Athleten waren in der Regel einfach nur im Eimer. Sie waren verlorene Söhne auf der Suche nach ihren Vätern oder nach der Anerkennung anderer oder ein wenig Selbstachtung. Es ist ganz normal, den Radsport zu lieben und in seiner Freizeit gerne Rad zu fahren, aber es als Beruf zu betreiben, ist etwas völlig anderes. Nichts ist normal daran, ein professioneller Radfahrer zu sein.
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Als Radprofi lernt man, mit dem Schmerz zu leben. Es ist nicht der gleiche Schmerz, den jemand erfährt, der das Radfahren nur zum Spaß oder als Freizeitsport betreibt. Er ist viel gravierender und hinterlässt viel tiefere Spuren. Als Profi erfährt man mehr als nur den Schmerz körperlicher Anstrengung; man erfährt den Schmerz leistungsorientierter Höchstbelastung. Es ist ein Schmerz, der sich tief einbrennt, und man lernt damit zu leben, sich körperlich und mental bis an die äußerste Grenze zu quälen.
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