So war’s Rad Race Tour de Friends

Manche Rennrad-Events sind in aller Munde. Andere hätten es verdient, tauchen aber nirgends auf. Rennrad-News redet mit und fragt nach dem Jedermannrennen, dem Rennrad-Marathon oder dem Brevet Teilnehmer nach ihren Erfahrungen. Den Anfang macht Rad Race Tour de Friends.
Titelbild
TourdeFriends, Foto: Rad Race /  Bengt Stiller
# TourdeFriends, Foto: Rad Race / Bengt Stiller - Verena fährt ganz links.

 

Tour de Friends führt über die Alpen, ist aber kein Rennen wie die Tour Transalp auf gesperrten Straßen. Den Veranstaltern Rad Race, die auch eine bekannte Fixie-Rennserie ausrichten, geht es mehr um den gemeinsamen Spaß am Leiden am Berg und ums Zusammensein. Es gibt eine Zeitnahme, aber gemessen wird immer die Zeit des dritten Fahrers im Team. Auch ein Massenstart findet nicht statt, und Handbiker sind ebenfalls mit dabei. Die Premiere startete am 14. September 2017 und führte über rund 600 km von München nach Venedig. Eine der Freundinnen war Verena Engel, mit der wir gesprochen haben.

Hallo Verena, wann hast Du die Entscheidung getroffen, an der Tour de Friends teilzunehmen? Was hat Dich daran so gereizt?

Ich bin ungefähr 10 Tage vor dem Start angesprochen worden, ob ich einen Startplatz übernehmen möchte.
Vorher hatte ich die Veranstaltung in sozialen Netzwerken eigentlich nur am Rande wahrgenommen – ich habe kein einziges Tattoo, daher fühlte mich erst nicht wirklich angesprochen (lacht). Eigentlich hat mich in erster Linie genau diese erforderliche Spontaneität gereizt, und die Möglichkeit, das Team und mich selber mit so einer Teilnahme zu überraschen.

TourdeFriends Foto: Rad Race /  Bjoern Reschabek
# TourdeFriends Foto: Rad Race / Bjoern Reschabek
TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser


War das Deine erste Veranstaltung dieser Art? Wie würdest Du Deine Rennradevent-Biografie in 5 Sätzen beschreiben – 1.000 Eventkilometer oder eher 10.000?

Eher 10.000. Ich fahre seit 25 Jahren Rennrad, und jedes Jahr kommen so zwischen 7.000 und 10.000 km zusammen. RTF, Lizenzrennen, Radmarathons, alles mal gemacht, sowie HEW-Cyclassics, Ötztaler und die mehrtägige Rundfahrt Giro Dolomiti. Im Herbst und Winter bin ich mit Crosser oder Bahnrad unterwegs – im August hatte ich gerade 3 Wochen Alpenurlaub mit dem Rad gemacht – so war es für mich im Vorfeld eigentlich weniger die Frage, ob ich das „schaffen“ würde, vielmehr habe ich mich gefreut, dem Sommer ein bisschen hinterher zu fahren! Ein bisschen verlängerter Urlaub also. Ich bin das nicht kompetitiv angegangen.

TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser - Maloja Push Bikers
TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser

War es schwer einen Startplatz zu bekommen?
Da wir als Gestalter für Abus beruflich tätig sind, konnte ich wie gesagt im Abus-Werksteam einen Startplatz übernehmen, der kurzfristig frei geworden war und durfte die Mannschaft unterstützen.

Wie lief es dann? Nie verfahren?
Den Track nur auf elektronischen Devices zur Verfügung zu stellen, war schon ein ziemliches Experiment. Der eine oder andere Pfeil hätte für ein flüssigeres Abfahren der Strecke sorgen können. Andererseits entstanden durch Vorbeifahren, Wenden, Suchen und Gucken auch immer wieder neue Gruppenkonstellationen, was in den jeweiligen Situationen immer für Auflockerung gesorgt hat. Wir selbst haben dadurch auf der Königsetappe unsere verstreuten Teamkollegen wiedergefunden – und waren so pünktlich zum Fotopoint auf einer Brücke alle wieder vollzählig. Perfekt! Leute ohne Garmin oder Wahoo, die mit leeren Handyakkus am Straßenrand standen, waren teilweise schon etwas aufgeschmissen, und wer aus der Gruppe hinten rausflog, hatte einfach Pech …

TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
TourDeFriends Foto: Rad Race /  Bengt Stiller
# TourDeFriends Foto: Rad Race / Bengt Stiller
TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser

Wie fandest Du die Streckenführung?
Die Strecke war wirklich eine der einfacheren Alpenüberquerungen mit relativ wenigen Höhenmetern. Für ein Gruppenevent dieser Art, mit vielen Neulingen und außerdem Fixiefahrern und Handbikern sicherlich schon anspruchsvoll genug, aber die „richtigen“ Alpen mit „echten“ Pässen und Serpentinen kamen mir zu kurz. Am Tag der Königsetappe waren die Dolomiten außerdem komplett in Wolken, ich glaube, einige werden noch mal wiederkommen müssen ;-).
Was nicht ganz so optimal war, waren die Durchfahrten mitten durch Fußgängerzonen oder über Fußwege an Uferpromenaden. Es tat mir für die Fußgänger leid, die da mit Hunden, Kindern, Picknicktaschen rumliefen. Da kollidierten teilweise die Interessen, und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie die Fahrer, die wirklich vorne auf Zeit gefahren sind, da teilweise durchgedüst sein müssen.

Wird bei der Tour de Friends auch freundlich gefahren? Oder ist es eher Puls 200 mit Ansage?
Da es ein Team-Event ist, wo nicht auf eigene Kappe gefahren wurde, sondern bei dem die drittbeste Zeit des Teams im Ziel zählt, hatten sich alle Teams darauf eingerichtet. So wurde auf Teamkameraden gewartet, gemeinsam Pause gemacht, auch mal zwischendurch eine Pizza gegessen etc. Die später erstplatzierten Teams waren natürlich etwas ambitionierter unterwegs. Da am 2. und 3. Tag in umgekehrter Reihenfolge des Einlaufs des Vortages gestartet wurde, kam immer irgendwann jemand Schnelleres von hinten, dann konnte man schauen, ob und wie lang man mit denen mitfahren konnte. Dadurch, dass durchaus ein breites Leistungsspektrum unterwegs war, haben glaube ich alle jemanden Passenden gefunden.

TourdeFriends Foto: Rad Race /  Bjoern Reschabek
# TourdeFriends Foto: Rad Race / Bjoern Reschabek

Wie war die Stimmung? Schnell Freunde gefunden?
Da Abus ja Sponsor war und einige Teams mit dem neuen Rennradhelm ausgestattet hatte, wurde ich als Mitarbeiterin immer wieder angesprochen auf die Helme. (Zitat: „Bor, der Gamechanger, geil, purer Sex!“)
Ich persönlich musste mich in die Rolle, an der Veranstaltung quasi beruflich teilzunehmen, erstmal einfinden. Schlechte Laune wegen Regen am Start? Nicht angesagt! Auch hatte ich noch nie eine solche permanente fotografische Dokumentation erlebt. Insta, Facebook, youtube, alles quasi in Echtzeit online, da musste man permanent auf die richtige Selbstinszenierung achten. Manche Aktionen, wie an einer Verpflegungsstelle übermütig in komplettem Radoutfit in einen Pool springen, wurden extra fürs Foto so lange wiederholt, bis der optimale Schuss im Kasten war. Fand ich witzig, dass die Leute das machten, aber mit Radsport hat das ja eher weniger zu tun.

TourDeFriends Foto: Rad Race /  Bengt Stiller
# TourDeFriends Foto: Rad Race / Bengt Stiller

Was waren Deine Highlights – menschliche, sportliche landschaftliche?
Highlights waren die lokal organisierten Checkpoints auf der 3. und 4. Etappe, die einem den tief verwurzelten Respekt der Italiener vor Radsportlern vor Augen führten. Nachdem am 1. Tag die Verpflegungspunkte etwas schlecht bestückt waren und für später eintreffende Fahrer keine Riegel und zum Teil noch nicht mal mehr Wasser da war, war man total überwältigt von der Herzlichkeit des Empfangs, frischer Pizza, Honig aus der Region, warmem Tee, live mit einer Schneidemaschine frisch aufgeschnittener Salami etc.. Auch die Professionalität bei der Radunterbringung in Vittorio Veneto, wo man die Räder über Nacht stehen lassen konnte und einen „Abholschein“ bekam (s. Foto), hat uns alle überzeugt. Es war gut, dass die Organisatoren hier auf die Erfahrung von alten Hasen zurückgreifen konnten.

Welche Ausrüstung hattest Du, also was für ein Rad und welche Kleidung? Zufrieden damit oder hat Dir irgendwas unterwegs gefehlt?
Ich bin mit meinem „normalen“ Rennrad gefahren, hatte mir wie alle im Team aber 27mm Reifen besorgt, da Gravelpassagen und Strade Bianche dabei sein sollten.

Ich fahre einen Ridley FenixSL-Rahmen von diesem Jahr, mit Campa 11-fach und einem schon etwas älteren Eurus-Laufradsatz.Solides Teil, kein Superleichtbau (er liegt gewichtsmäßig um die 8kg), also genau das richtige für so eine Alpenüberquerung im Spätsommer. Hatte den Rahmen im Frühjahr bei Ridley auf Instagram gesehen, und sofort stellte sich ein „Will-Haben“-Effekt ein.

Das ist die Sonderlackierung FixAll, die das Team LottoSoudal dieses Jahr bei Paris-Nizza gefahren hat. Limited Edition. Mein olles 2008er Isaac Sonic war echt schon vermackt gewesen, und ich hatte lange Ausschau gehalten nach einem Nachfolger. Pünktlich zum Start der Tour de France am 1.7. hatte ich dann endlich den Rahmen da. Brauchte nur eine neue Sattelstütze und ein neues Innenlager, ansonsten hat mein versierter „Privatmechaniker“ alle Komponenten umgeschraubt – Geometrie passte, konnte sofort losgehen.

Die Bereifung mit den Challenge Paris Roubaix OpenPro in 27 mm rollte ganz gut und war bestimmt richtig für alle Gravelpassagen oder den Abschnitt Strade Bianche auf der 3. Etappe. Gerade wenn man in der Gruppe ohne richtig gucken zu können durch die Schlaglöcher knallt, war es super, sich auf die Reifen verlassen zu können. Anders als so manche, die von Reifenpannen gebeutelt waren, hatte unser gesamtes Team keinen einzigen Platten. Allerdings hatte ich die Reifen vor der Tour kein Mal getestet und das Nasshaftverhalten nicht richtig eingeschätzt, vielleicht doch einen zu hohen Luftdruck gefahren, wer weiß. So bin in der Abfahrt nach Cortina in der erstbesten Rechtskurve schön weggerutscht. Wäre mir mit meinen gewohnten Grand Prix 4000 höchstwahrscheinlich nicht passiert. Aber vielleicht war ich auch einfach nur übermotiviert und viel zu schnell. Da es so supernass und rutschig war, ist nicht viel passiert, ich konnte sofort weiterfahren. Der Helm (jetzt leicht verschrappt) hat sehr gute Dienste geleistet und am Rad waren zum Glück auch nur der Sattel und Bremsschaltgriff verdreht.

Im Endeffekt waren es natürlich 90% Asphalt, aber wir hatten keine Reifenpannen, von daher die richtige Entscheidung. Da das Wetter viel schlechter vorhergesagt war, als es im Endeffekt wurde, hatte ich viel zuviele dicke Sachen dabei. Die schwere Tasche jeweils zum Hotel und zum Transport zu schleppen bzw. mehrere km damit nach Etappenankunft mit dem Rad zur Unterkunft zu fahren, hat etwas genervt. Andererseits hab ich mich am 4. Tag über mein trockenes Paar Ersatzschuhe gefreut. Am 3. Tag waren 130 von 190 km nass gewesen und die Klamotten noch nicht wieder trocken.

TourdeFriends Foto: Rad Race /  Bjoern Reschabek
# TourdeFriends Foto: Rad Race / Bjoern Reschabek

Kennst Du vergleichbare Veranstaltungen auf dem Rennrad?
Eigentlich nicht. Die Etappenfahrt war vom ‚Publikum’, von der medialen Aufbereitung, von Anspruch und Art der Umsetzung schon irgendwie neu.

Was müsste passieren, damit Du dort nochmal am Start stehst?
Wenn das Abus-Team noch mal mitfährt, würde ich es selbstverständlich auch nächstes Mal gern verstärken, für kleine Streckenänderungen wäre ich aber offen.

TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser - Aftershow
TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser
# TourdeFriends Foto: Carlos Fernandez Laser - Aftershow

Wir danken Rad Race und den Fotografen für die Fotos und Verena Engel für das Gespräch!

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