Renner der Woche
Eigenbau, Rahmenhöhe 56 (horizontal gemessen), Stahl mit wildem Mix
verschiedener Rohrsätze und Hersteller, Knobi
Rennrad-News.de: Hallo Knobi. Wie bist Du zu dem Rad gekommen, das wir heute als Renner der Woche vorstellen? Warum hast Du Dich für genau diesen Aufbau entschieden?
Das ist eine gute Frage zum Anfang, weil da gleich vieles zusammenkommt! Ich habe dieses Rad für meinen Vater gebaut und dabei die Gelegenheit genutzt, den langgehegten Traum vom selbstgebauten Rahmen umzusetzen. Dabei habe ich sicher viel gelernt und auch gleich einige Ideen einfließen lassen, die nicht unbedingt vorgegeben oder nötig waren, die ich aber unbedingt mal ausprobieren wollte. Der grobe Rahmen des Projekts hat sich aber fast von selbst ergeben, weil mein Vater ein künstliches Hüftgelenk bekommen hat und deshalb nicht mehr so schwungvoll aufs Rad steigen kann bzw. darf, wie wir jungen Leute das kennen. Daraus ergab sich eine Lösung mit versenkbarer Sattelstütze und abfallendem Oberrohr, aber ein Rennrad sollte es trotzdem wieder sein, ein gemuffter Rahmen auch. Und gelb. Schutzbleche, Gepäckträger und Licht waren aber keine Vorgabe und eher meine Idee.
Das Rad ist gewissermaßen die Ergänzung eines reinen Rennradfuhrparks und das eine, letzte, besondere, das man irgendwann mal will. Und es ist auch eine Möglichkeit für mich, danke zu sagen, für unendlich viele Stunden Arbeit an Spielzeugen, Fahrrädern und Autos im Laufe meines Lebens. Und, naja, letztendlich auch irgendwie Liebe.
Was zeichnet das Rad für Dich besonders aus? Worauf hast Du besonders geachtet?
Eine Besonderheit an diesem Rad ist vielleicht, dass viele verschiedene Vorstellungen und Ideen in ein einziges Projekt eingeflossen sind, ohne unbedingt einem geradlinigen Weg zu folgen. In einigen Details sollte sich z.B. wiederspiegeln, dass mein Vater ein großer Fan von Christian Smolik, dem ehemaligen Tour-Technikchef (das Rennrad-Magazin, Anmerkung der Redaktion), ist. Manches ist dabei auch aus reinem Selbstzweck etwas freaky ausgefallen, wie z.B. komplett innenverlegte Schaltzüge, die in dünnen Röhrchen auch durchs Tretlagergehäuse laufen, oder die stark nachbearbeitete XTR-Kurbel, die aber immer noch schwerer als viele modernere ist. Der Lenkeraufsatz ist auch eine persönliche Vorliebe meines Vaters, weil er mit sowas früher wirklich schnell war, also musste ich einen möglichst schlanken und leichten finden, der nicht so hässlich ist. Für mich war das aber auch eine willkommene Gelegenheit zu Befestigung des Auslösehebels der Sattelstütze, denn schließlich hätte der ja ohne Lenkeraufsatz nirgends Platz gefunden. Und die 12-V-Lichtanlage mit Drehstromgenerator, Pufferakku und abnehmbarer Taschenlampe hat genau genommen an diesem Rad auch keinen anderen Sinn, als so etwas eben unbedingt mal bauen zu wollen. An dieser Stelle vielen Dank an die schlauen Köpfe hinter Velogical und dem Forumslader, die so eine Lösung überhaupt erst möglich gemacht haben.
Bleibt jetzt alles so oder wird es weitere Ausbaustufen geben?
Im Grunde genommen ist das Rad fertig und okay so, wie es ist. Die Taschenlampe könnte natürlich etwas leichter und optisch weniger dominant ausfallen, ihre Halterung könnte auch steifer sein, also kann da durchaus noch was kommen. Und vielleicht mache ich irgendwann noch eine kleine Tasche, die perfekt zwischen Frontträger und Lenkeraufsatz passt.
Was wiegt Dein Renner der Woche?
Das Gewicht liegt aktuell bei 12,2 kg, fertig aufgebaut mit Pedalen, beiden Trägern, Licht und Luftpumpe. Für einen Randonneur ist das zwar grundsätzlich noch in Ordnung, aber die verstellbare Stütze und der Lenkeraufsatz verschenken schon recht viel.
Wo fährst Du mit diesem Rennrad? Welche Rennen, RTF oder andere Veranstaltungen hat es schon bestritten?
Ich selbst habe das Rad einige Male auf dem Arbeitsweg gefahren, der bei mir etwas länger ausfällt, und werde es auch zukünftig ab und zu für Nachtfahrten ausleihen. Mein Vater sieht es bislang eher als Ansporn, nach fast drei Jahren Zwangspause wieder langsam loszulegen und wird vermutlich erstmal recht gemächlich durch die dafür vorgesehene Landschaft rollen.
Wie würdest Du das Fahrverhalten des Rades charakterisieren?
Überraschend wendig! Es fährt sich eigentlich wie ein Rennrad, weil die Gewichtsverteilung unverändert ist, der Lenkwinkel nicht zu flach und der Nachlauf nicht zu lang. Der lange Radstand stört überhaupt nicht.
Wie und wann bist Du zum Rennradfahren gekommen?
1987, weil ich keine Lust auf ein Mofa hatte und Rennräder einfach wunderschön fand. Wirklich ernsthaft gefahren im Sinne von Rennen oder eines besonders zielgerichteten Trainings bin ich aber nie.
Wie bist Du zum Forum von Rennrad-News gekommen?
Die Rennrad-News habe ich 2004 eher zufällig entdeckt und fand die damals noch recht überschaubare, lustige Gemeinschaft einfach interessant. Im Lauf der Jahre habe ich dann einen nahtlosen Übergang aus der Technik- in die Klassikerecke geschafft, und aus einigen Kontakten hier im Forum sind mittlerweile Freunde geworden.
Was macht für Dich den Reiz des Rennradfahrens aus?
Der Reiz liegt für mich im unmittelbaren Ankommen in der Situation: Man bewegt eine (hoffentlich) wunderschöne Maschine, die nur diesem einen Zweck folgt und sonst nicht viel kann, allein im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten. Rennradfahren ist einfach nur… Rennradfahren, und sonst eigentlich nicht viel.
Dein Verhältnis zur Radbranche – immer das neuste oder am
liebsten noch mit Rahmenschalthebel?
Hmm. Das ist eine schwierige Frage, weil ich im Alten wie im Neuen gleichermaßen schlaue Ideen und sinnvolle Konstruktionen finden kann, wie auch Überflüssiges und Undurchdachtes. Manchmal gehen im Lauf der Jahre gute Lösungen verloren, während an anderer Stelle neue, sinnvolle Lösungen auftauchen – und manche althergebrachten Ideen ergeben zusammen mit dem heutigen Stand der Technik überhaupt erst wirklich Sinn. Alt oder neu ist also nicht automatisch schlecht oder gut, sondern einfach nur alt oder neu.
Technische Daten:
Rahmen: Eigenbau, RH 56 (horizontal gemessen), Stahl
mit wildem Mix verschiedener Rohrsätze und Hersteller
Gabel: Eigenbau, Stahl (Columbus Cromor, Schaft SLX)
Schalthebel: Shimano ST-5800
Umwerfer: Shimano FD-5800
Ritzelkassette / Abstufung: 11-32, 11-fach
Tretkurbel / Abstufung / Innenlager: Shimano XTR
FC-M900, 44/30, Innenlager Token Vierkant
Pedale: Exustar E-PM86, zwischenzeitlich ersetzt
durch Look Kéo
Kette: k.A.
Bremsen: TRP CX 8.4
Laufräder: Bitex / Halo Evaura
Reifen: Schwalbe G-One speed, tubeless
Sattel / Sattelstütze: Selle Italia SLR / Mighty
Vorbau / Lenker: Syntace Force 808 / Ritchey Pro
Lenkerband: k.A.
Sonstiges: Beleuchtung: Velogical Drehstromgenerator, Forumslader und umgebauter iQ-X in selbstgebautem Lampengehäuse, namenloses Rücklicht mit schönem, großen Streuglas und Systart-LED. Gepäckträger selbstgebaut aus rostfreiem Stahlrohr 1.4462; hinten ca. 460 g, vorn 135 g, Lange Gilles Berthoud-Schutzbleche, teillackiert. HED-Lenkeraufsatz Clip Lite mit klappbaren Armauflagen.
Über den Renner der Woche
Die letzten Renner der Woche findet ihr hier:
14 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumAlle Achtung Toll
Wunderschöner, individueller Aufbau. Auch die technischen Detaillösungen gefallen mir sehr.
Gratulation zu dem handwerklichen Meisterstück!
Farblich schoen abgestimmt. Aber soll das Rad auch wirklich gefahren werden? Wenn ich mir die Schaltung anschauen, dann habe ich meine Zweifel dass alle Gaenge ueberhaupt geschaltet werden koennen bzw. wie lange das haelt. Das Ruecklicht erscheint mir nicht ganz optimal fuer ein Reiserad.
Aber schoen zu sehen, dass Cantis zum Einsatz kommen.
Tatsächlich können alle 22 Gänge geschaltet werden, aber die Kombination groß/groß läuft natürlich zu schräg, um sinnvoll zu sein, und bei klein/klein kommt die Kette dem großen Blatt recht nahe. Das Problem groß/groß wäre auch an jedem anderen Rad mit fast jeder anderen Übersetzung vorhanden; klein/klein je nach Unterschied und absoluter Größe der Kettenblätter nicht unbedingt. Den Unterschied von 14 Zähnen zwischen den Kettenblättern hat man auch beim Rennrad, bei Compact sind es sogar meistens 16. Die längere Kettenstrebe samt längerer Kette hält die Probleme beim Schräglauf jedenfalls kleiner, als an einem Rennrad; die Kette hält also eher länger. Das beobachte ich seit einigen Jahren an einem ähnlichen Rad genau so.
Die Gesamtkapazität liegt um drei Zähne oberhalb der Werksangabe für das RD-9000, aber es kommt wirklich gut damit zurecht. Werksseitig geht ja heute auch niemand mehr von langen Ausfallenden aus: Schaltwerk und Hinterradachse sind weit genug auseinander (nicht nur nach unten, auch nach vorn), um das 32er Ritzel ohne Rattern oder Verzögerung schalten zu können. An zwei anderen Rädern fahre ich sogar 34er Ritzel mit kurzen Rennradschaltwerken, ebenfalls mit langen Hinterbauten und einem Mindestabstand von 32 mm zwischen Achse und Schaltwerksbolzen. Im Winter, im Schlamm, ohne Probleme. Nichts anderes tun übrigens die maßstäblich vergrößerten MTB-Schaltwerke: Sie bringen den Käfig weiter nach vorn und etwas weiter nach unten.
Das Rücklicht habe ich ausgewählt, weil es eine große Austrittsfläche mit Streuglas hat. Die anderen Verkehrsteilnehmer sehen also nicht nur einen gleißend hellen Punkt ohne Bezug zur Umgebung, sondern erkennen den Radfahrer in seinen eigenen Lichtreflexen, die auch auf der Straße zu sehen sind (im Thread gibt es ein Foto, auf dem das gut zu erkennen ist). Von Gepäck verdeckt werden kann es nicht, weil der hintere Träger oben keine Ablagefläche hat und als reiner Taschenhalter gedacht ist. Die Cantis sind allerdings V-Brakes.
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