Canyon Grail 2024 Test: Ist es wirklich schon so lange her? 2018 löste das erste Canyon Grail mit seinem zweistöckigen Cockpit einen Socialmedia-Sturm aus. Das neue Grail bekommt ebenfalls einen eigenen Lenker und wartet mit etwas weniger auffälligen, aber sehr cleveren Neuerungen auf. Wir konnten das Canyon Grail CFR Top-Modell testen.
Video: Canyon Grail 2024 Test
Canyon Grail 2024: Infos und Preise
Es ist ein Race Gravel Bike. Das hat das neue Canyon Grail 2033 schon vor seinem Markstart mehrfach bewiesen: mit Siegen bei der inoffiziellen Gravel WM Unbound mit Carolin Schiff und zuletzt bei der offiziellen Gravel Weltmeisterschaft am vergangenen Wochenende mit Kasia Niewiadoma. Deutlich zu sehen: Der heiß diskutierte Doppeldecker-Lenker ist weg. Eher noch versteckt: die offroad-tauglichere Geometrie und die vielen kleineren Neuerungen, die das neue Grail zu einem der flexibelsten schnellen Gravel Bikes machen, die wir kennen. Die wichtigsten Fakten:
- Verbesserte Aerodynamik: 9,1 Watt gespart gegenüber Ur-Grail bei 45 km/h
- Aero-Rahmentasche mit Fidlock-Befestigung spart 1,5 Watt zusätzlich
- Teilintegrierte Kabelführung ab Steuerrohr
- Neues CP0039 Carboncockpit mit spezieller Lenkerform (nicht an CF SL)
- Gear Grove – integrierte Lösung für Aero-Aufsatz und anderes Zubehör
- Staufach im Unterrohr (nicht an CF SL)
- Gabelscheiden ohne Ösen, aber Bikepacking-Halter möglich
- Passendes Schutzblechset
- Komfortablere Sattelstütze
- Ausstattung ab Shimano GRX 620 aufwärts
- Preise ab 2.699 €
- Reifenfreiheit bis 42 mm in 700c
- Gewicht Rahmenset 1.233 g (CFR, M, Herstellerangabe)
- Gewicht Komplettrad 8,1 kg (gewogen, CFR, Größe M)
- www.canyon.com
- Verfügbar sofort
Was ist neu?
Einsatzbereich | Tour, Rennen, Commute |
---|---|
Rahmenmaterial | Carbon |
Gabel | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 8,1 kg |
Stack | 591 mm |
Rahmengrößen | XXS, XS, S, M, L, XL, XXL (im Test: M) |
Website | www.canyon.com |
Preisspanne | 2.699 Euro bis 10.000 Euro |
Außer dem Namen hat das neue Canyon Grail 2024 mit dem Ur-Grail wenig gemeinsam: Das neue Cockpit ist ein Musterbeispiel an Vielseitigkeit, die Aero-Rahmenformen machen Anleihen beim Canyon Ultimate, die Sattelstütze hat eine neue D-form für mehr Komfort. Und sogar die Geometrie entwickelte Canyon von Grund auf neu, indem man ein Testrad mit verstellbaren Winkeln und Längen baute.
Wie immer baut Canyon sein neues Gravel Race-Aushängeschild in drei Carbonqualitäten. In der neuen CFR-Version, die auch die Profis fahren, soll das Rahmenset 118 g leichter und 10 % steifer sein als bei der CF SLX-Variante.
Und um den Racern gerecht zu werden sind alle Modelle auch für Rennrad-Kurbeln bis 52-36 geeignet. Dabei können Reifen bis 42 mm Breite in 700c gefahren werden. Übrigens hat der Rahmen auch bereits ein SRAM UDH-Schaltauge und ist damit auch für den Einsatz im Mullet Set-up mit neuen SRAM Transmission Schaltwerken der MTB-Reihe geeignet.
- Innenlager-Bauart Press-Fit
- Steuerlager 1-1/2″ unten und 1-1/8″ oben
- Bremsaufnahme Flat-Mount
- Antrieb- /Schaltungs-Kompatibilität 1-fach und 2-fach, Umwerfer abnehmbar, mechanisch und elektronisch
- Garantie 2 Jahre
- Gewichtszulassung 120 kg
CP0039 Cockpit – auch mit Aero-Extensions
Neue Wege geht Canyon mit dem neuen CP0039 Cockpit, das an allen Grail CFR und CF SLX-Modellen serienmäßig dazu gehört – bei den CF SL-Modellen kommt ein anderes Lenker-Vorbau-System zum Einsatz.
Das neue CP0039 Carboncockpit hat zum einen eine besondere Form – um es vorwegzunehmen, eine, die sich mir im Test geradezu als Offenbarung zeigte. Der Oberlenker fällt leicht nach unten ab und ist nach hinten zurückgebogen. Der Übergang zu den Hoods ist fast gerade und etwas länger als üblich, wobei die Hoods nur leicht angestellt sind (5° Flare). Der weiter ausgestellte Unterlenker (16° Flare) ist mit 115 mm Drop nur sanft abgesenkt, was die Position lange fahrbar macht.
Dabei fällt der Lenker mit 420 mm bis 460 mm Griffweite an den Hoods in der Serie mittel breit aus. Für die Profis offeriert Canyon deshalb eine noch aerodynamischere Variante, das CP0047-Cockpit (349,95 €). Es ist einerseits schmaler und misst 400 mm an den Hoods. Zusätzlich ist der Oberlenker noch stärker abgesenkt. So wird sozusagen ein stärker angewinkelter Vorbau simuliert. Apropos Vorbau: Das Pro Cockpit wird in Längen von 80 bis 110 mm erhältlich sein.
Ein Clou am neuen Cockpit ist die Gear Groove, eine Schnittstelle. An ihr kann auch ein speziell angepasster Aero-Aufsatz andocken, der zum Beispiel bei Long Distance Gravelrennen gerne eingesetzt wird. Er hat allerdings auch einen stolzen Preis von 499,95 €. Die Gear Groove Aero Extensions übernehmen viele Merkmale der vom Canyon Speedmax Tritahlon-Bike bekannten Version. So ist die Höhe ebenso anpassbar wie die Länge und der Winkel der Handposition. Lediglich die Position der Armauflage ist fixiert.
Außerdem hat Canyon die übliche Bandbreite an Zubehörteilen für die Gear Groove im Programm, etwa GPS-Geräte-Mounts, die es auch mit optionaler Action-Cam- oder Licht-Aufnahme gibt.
Aerodynamik: 9 Watt gespart bei Race Speed
Canyon war auch mit dem alten Grail schon im Windkanal, hat es aber nie an die große Glocke gehangen. Das Grail II soll jetzt 9 Watt gegenüber dem Grail I sparen, dessen Doppeldecker-Lenker zwar nach Fliegen aussah, aber aerodynamisch eher gebremst haben dürfte. Gemessen hat Canyon bei 45 km/h, ohne Fahrer und einem Mix aus Anströmwinkeln. Wer glaubt, dass Aero und solche Geschwindigkeiten am Gravel Bike nicht aufgehen, dem hält Canyon das Durchschnittstempo von Werksfahrer Varkoc beim letzten Steamboat Gravel-Rennen entgegen: 38 km/h über 227 km.
Erreicht haben die Koblenzer den Gewinn nach eigenen Angaben mit einem Bündel an Maßnahmen: allen voran das neue Cockpit, das die Stirnfläche reduziert, dann die Aero-Rohrformen nach Vorbild des Canyon Ultimate, die teilintegrierten Leitungen und Kabel sowie nicht zuletzt das Aero-Load System, zu dem wir jetzt kommen.
Aero Load – schneller mit Stauraum
Ein Highlight am Canyon Grail 2024 ist die neue Tasche für das vordere Rahmendreieck – bekanntlich der Ort am Rahmen, der an Aero-Rennrädern gerne mit viel Carbon umhüllt wird, um den Luftstrom länger zu leiten. Hier dockt am Grail 2024 die sogenannte „Fidlock-Quickloader-Tasche“ an, die magnetisch per Fid-Lock-System hält. So stehen keine Befestigungsteile über. Sie soll noch einmal 1,5 Watt sparen bei 45 km/h. Sie ist aber nicht im Preis inbegriffen (Preis: 79,95 €).
Zusätzlich gibt es ein integriertes Staufach im Unterrohr. Klapperfrei unter dem Deckel eingelegt, lagern dort eine Topeak Micro Rocket Pumpe sowie ein kleines Mini-Tool. In einem Neopren-Beutel zum Herausziehen finden zudem Reifenheber, CO2-Kartusche sowie ein TPU-Schlauch Platz – auch hier gegen Aufpreis: 99,95 € für das Kit.
Komfort: neue D-förmige Stütze
Eine neue Carbon-Sattelstütze mit d-förmigem Profil erhöht den Komfort am Canyon Grail 2024. Canyon gibt an, dass sie beinahe so gut flext wie die VCLS 2.0-Blattfederstütze (69 Newton pro mm Auslenkung vs. 55 Newton pro mm Auslenkung). Gewichtsmäßig liegt sie mit 203 g zwischen der Ultimate-Sattelstütze und der VCLS-Post.
Bikepacking: versteckte Qualitäten
Sehr clever hat Canyon seinem Gravel-Racer Bikepacking- und Long-Distance-Qualitäten mitgegeben. So kann die Gabel mit einem speziellen Sleeve umhüllt werden, das dann als Träger für Bikepacking-Halter dient. Bis zu 3 kg pro Seite können transportiert werden. Insgesamt 3 Flaschenhalter-Aufnahmen finden sich am Hauptrahmen.
Schutzbleche? Auch daran hat Canyon gedacht und gibt dem Grail 2024 wie beim Vorgänger ein spezielles Set mit auf den Weg. Den Bildern nach decken die Bleche Vorder- wie Hinterrad so weit ab, wie man es sich für echten Schutz wünscht.
Ausstattung: rennfertig
Wie inzwischen die Regel bei Canyon, gibt es auch das neue Canyon Grail in drei Carbonqualitäten CFR, CF SLX und CF SL, wobei unser Testrad mit CFR-Kürzel für die höchste Entwicklungsstufe steht. Dabei unterscheiden sich CFR und CF SLX nur im Gewicht. Dagegen muss man bei den CF SL-Modellen auf das CP0039 Cockpit verzichten und bekommt auch nicht das Staufach im Unterrohr. Hier die Modelle im Überblick:
Canyon Grail CFR Di2 | Canyon Grail CFR AXS | Canyon Grail CFR LTD | Canyon Grail CF SLX 8 AXS | Canyon Grail CF SLX 8 Di2 | Canyon Grail CF SL 7 AXS | Canyon Grail CF SL 8 | Canyon Grail CF SL 7 | |
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Preis | 6.999 € | 7.999 € | 10.000 € | 5.299 € | 4.999 € | 3.499 € | 2.999 € | 2.699 € |
Gewicht | 8,3 kg | 8,04 kg | 8,04 kg | 8,14 kg | 8,5 kg | 9,82 | 8,74 | 9,22 |
Rahmen | Canyon CFR Carbon R121, 12x142 mm Steckachse, Flat-Mount | Canyon CFR Carbon R121, 12x142 mm Steckachse, Flat-Mount | Canyon CFR Carbon R121, 12x142 mm Steckachse, Flat-Mount | Canyon CF SLX Carbon R120, 12x142 mm Steckachse, Flat-Mount | Canyon CF SLX Carbon R120, 12x142 mm Steckachse, Flat-Mount | Canyon CF SL Carbon R119, 12x142 mm Steckachse, Flat-Mount | Canyon CF SL Carbon R119, 12x142 mm Steckachse, Flat-Mount | Canyon CF SL Carbon R119, 12x142 mm Steckachse, Flat-Mount |
Gabel | Grail CFR Carbon FK118, 12x100 mm Steckachse, Flat-Mount 160 mm | Grail CFR Carbon FK118, 12x100 mm Steckachse, Flat-Mount 160 mm | Grail CFR Carbon FK118, 12x100 mm Steckachse, Flat-Mount 160 mm | Grail CF SLX Carbon FK117, 12x100 mm Steckachse, Flat-Mount 160 mm | Grail CF SLX Carbon FK117, 12x100 mm Steckachse, Flat-Mount 160 mm | Grail CF SL Carbon FK117, 12x100 mm Steckachse, Flat-Mount 160 mm | Grail CF SL Carbon FK117, 12x100 mm Steckachse, Flat-Mount 160 mm | Grail CF SL Carbon FK117, 12x100 mm Steckachse, Flat-Mount 160 mm |
Gruppe | Shimano GRX Di2 2x11 | SRAM Red AXS 1x12 | SRAM Red AXS XPLR 1x12 | SRAM Force AXS XPLR 1x12 | Shimano GRX Di2 2x11 | SRAM Rival AXS XPLR 1x12 | Shimano GRX 820 1x12 | Shimano GRX 620 2x12 |
Übersetzung | 48/31 - 11-34 | 42 - 10-44 | 42 - 10-44 | 42 - 10-44 | 48/31 - 11-34 | 42 - 10-44 | 42 - 10-45 | 46/30 - 11-36 |
Laufradsatz | DT Swiss GRC 1100, 24 mm intern, 42 mm hoch | DT Swiss GRC 1100, 24 mm intern, 42 mm hoch | DT Swiss GRC 1100, 24 mm intern, 42 mm hoch | Zipp 303 Firechrest, 25 mm intern, 40 mm hoch | DT Swiss GRC 1400, 24 mm intern, 42 mm hoch | DT Swiss Gravel LN, 24 mm intern, 25 mm hoch | DT Swiss Gravel LN, 24 mm intern, 25 mm hoch | DT Swiss Gravel LN, 24 mm intern, 25 mm hoch |
Reifen | Schwalbe G-One RS (40 mm) | Schwalbe G-One RS (40 mm) | Schwalbe G-One RS (40 mm) | Pirelli Cinturato RC, 40 mm | Schwalbe G-One RS (40 mm) | Schwalbe G-One R (40 mm) | Schwalbe G-One R (40 mm) | Schwalbe G-One R (40 mm) |
Cockpit | Canyon CP0039 Double Drop Bar mit Gear Groove, Carbon | Canyon CP0039 Double Drop Bar mit Gear Groove, Carbon | Canyon CP0039 Double Drop Bar mit Gear Groove, Carbon | Canyon CP0039 Double Drop Bar mit Gear Groove, Carbon | Canyon CP0039 Double Drop Bar mit Gear Groove, Carbon | Canyon CP0045 Double Drop Bar mit Gear Groove, Carbon | Canyon CP0045 Double Drop Bar mit Gear Groove, Carbon | Canyon CP0045 Double Drop Bar mit Gear Groove, Carbon |
Kurbel | Shimano GRX 810 mit 4iiii Leistungsmessung | SRAM Red mit Quarq Spider Leistungsmessung | SRAM Red mit Quarq Spider Leistungsmessung | SRAM Force | Shimano GRX 810 | k.A. | k.A. | k.A. |
Sattelstütze | Canyon SP0072, Carbon, D-förmig | Canyon SP0072, Carbon, D-förmig | Canyon SP0072, Carbon, D-förmig | Canyon SP0072, Carbon, D-förmig | Canyon SP0072, Carbon, D-förmig | Canyon SP0072, Carbon, D-förmig | Canyon SP0072, Carbon, D-förmig | Canyon SP0072, Carbon, D-förmig |
Sattel | Fizik Vento Argo X1 | Fizik Vento Argo X1 | Fizik Vento Argo X1 | Fizik Vento Argo X3 | Fizik Vento Argo X3 | Fizik Vento Argo X5 | Fizik Vento Argo X5 | Fizik Vento Argo X5 |
Farben | Hale Bopp, Mars Attack | Hale Bopp, Mars Attack | GRVL DZZL | Metal Grind, Sand Grain | Metal Grind, Sand Grain | Stone Grind, Quick Sand | Stone Grind, Quick Sand | Stone Grind, Quick Sand |
Auch wenn die Werksfahrer die Renn-Übersetzung fahren können – in den Verkauf kommt das neue Canyon Grail ausschließlich mit typischen Gravel-Gruppen. Sowohl 1-fach als auch 2-fach Set-ups sind auf allen Carbon-Niveaus zu haben.
Dabei sind unserer Meinung nach die 2-fach-Ensembles für den kompetitiven Einsatz auf längeren Distanzen und anspruchsvollem Terrain die bessere Wahl. Hier ist man auf Shimano GRX-Gruppen festgelegt. Die Funkschaltungsgruppen aus der SRAM AXS-Welt sind sämtlich in der XPLR-Variante mit 1×12 Gängen und 42 zu 10-44 Übersetzung auf den verschiedenen Niveaus Red, Force und Rival an Bord – eine race-mäßige Auslegung für hügeliges Terrain und/oder kräftige Beine.
Interessanter Nebenaspekt: Weil Shimano die mechanische GRX 12-fach Gravel Gruppe vor der elektronischen GRX Di2-Variante brachte, haben die günstigeren Modelle mit GRX auf CF SL-Niveau mehr Gangvielfalt und einen breiteren Übersetzungsbereich als die CFR- und CF SLX-Modelle. Letztere kommen ausschließlich mit elektronischen Gruppen.
Rennmäßig konsequent und auf den Niveaus einheitlich ist auch die weitere Komplettierung. Aerodynamisch optimiert und dennoch robust für den Gravel Einsatz sind die DT Swiss GRC 1100 Carbon-Laufradsätze auf CFR-Niveau und die DT Swiss GRC 1400 auf CF SLX-Niveau. Ausnahme: Das Grail CF SLX 8 AXS mit Zipp 303 Firechrest Laufradsatz hat leichtere Räder an Bord. Auf CF SL-Niveau gibt es dann DT Swiss Gravel LN-Laufradsätze mit Alufelgen.
Mit etwas über 8 kg sind dabei die beiden CFR-Modelle mit SRAM Red AXS-Gruppe die leichteste Option. Damit steht das Grail CFR gut da, dringt aber nicht in die Riege der superleichten Gravel Bikes wie Specialized Crux oder BMC Kaius oder der neueren Gravel tauglichen Allroad-Bikes mit ähnlicher Reifenfreiheit vor.
Besonders spannend erscheint uns beim Blick auf die Modellpalette das Canyon Grail CF SLX 8 AXS mit Force AXS-Gruppe für 5.299 €. Es kommt dank leichtem Zipp 303 Laufradsatz mit dennoch Gravel-gemäßer Felgenbreite gewichtsmäßig nahe an die teureren CFR-Modelle heran, ohne irgendwo Abstriche machen zu müssen. Unter den CF SL-Varianten sticht für uns das Einstiegsmodell Grail CF SL 7 für 2.699 € mit Shimano GRX 620 2×12-Gruppe besonders heraus. Hier gibt es ein recht geringes Gewicht, gepaart mit dem breitesten Übersetzungsspektrum aller Grail-Modelle ab Werk.
Unser Grail CFR Di2-Testrad wäre auch die naheliegende Wahl für ambitionierte Gravel Racer, die sich möglichst viele Einsatzoptionen offen halten wollen und nicht ganz so tief in die Tasche greifen wollen. Dazu passt das breite Übersetzungsspektrum des 2-fach GRX Di2-Ensembles, gepaart mit kleinen Gangsprüngen. Auch eine 4iii Leistungsmessung ist immerhin bereits an Bord, auch wenn sie nicht die Kraft beider Beine misst, wie die SRAM Red/Quarq-Systeme an den anderen beiden Modellen.
Das Kürzel „RS“ an den Schwalbe G-One Gravel-Reifen am Testrad weist bereits auf den angedachten Renneinsatz hin. Tatsächlich erwiesen sich die Semi-Slicks als hervorragend auf die Stärken des Grail abgestimmt. Mit einem Druck um 1,8 bar gefahren, liefern sie eine sehr gelungene Allround-Performance. Sie liefen im Tubeless Set-up auf Asphalt ebenso flüsterleise wie superleicht, hatten aber dennoch in Gravelkurven einen berechenbaren, guten Griff. Lediglich hartes Bremsen auf losem Grund ist profilgemäß nicht ihre Stärke.
Geometrie: Grail „Frankenstein“ half
Ein Grail „Frankenstein“ half bei der Geometrie-Entwicklung des Grail 2024. Gemeint ist damit ein zusammengestecktes Testrad, an dem die Canyon-Ingenieure unterschiedliche Geometrien schnell hintereinander ausprobieren konnten: Wichtige Faktoren wie Gabel-Vorbiegung, Kettenstrebenlänge und Lenkwinkel ließen sich damit gewissermaßen „unterwegs“ anpassen.
Das Ergebnis: Gegenüber dem Ur-Grail macht die Geometrie des Canyon Grail 2024 einen deutlichen Schritt Richtung Offroad-Fähigkeiten. Dafür setzt es vorwiegend auf eine längere Front, sprich mehr Reach, gepaart mit einem flacheren Lenkwinkel – er ist jetzt rund 1° flacher als beim Vorgänger. Dadurch wächst laut Canyon auch der Radstand um rund 1 cm. Alles zusammen soll für eine sattere Lage auf dem Schotterweg sorgen. Dabei halten kurze Vorbauten (70 mm in den mittleren Größen) die Lenkung agil.
Noch ein offroad-lastiges Gravel Bike? Dafür hat Canyon doch schon das Grizl, hören wir es rufen. Tatsächlich ist das neue Grail an der Front sogar noch mehr auf Länge getrimmt als das Grizl, das noch vergleichsweise steile Lenkwinkel hat. Dafür bleibt das Grail mit 425 mm langen Kettenstreben über alle Rahmengrößen hinten sehr kompakt. In unserem ersten Canyon Grail 2024 Test auf dem Kiesweg fühlt es sich auch anders an – doch dazu später mehr. Das deutlich längere Steuerrohr am neuen Grail ist ein klares Indiz dafür, dass hier keine Federgabel-Option besteht.
Im Stack-to-Reach-Verhältnis gleichen sich Grizl und Grail 2024 übrigens. Beide weisen für ein Gravel Bike ein eher moderat sportliches Verhältnis auf, wie es auch kompetitiv ausgerichtete Endurance-Rennräder bieten.
Rahmengröße | XXS | XS | S | M | L | XL | XXL |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Laufradgröße | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C |
Reach | 372 mm | 385 mm | 394 mm | 411 mm | 427 mm | 435 mm | 454 mm |
Stack | 545 mm | 556 mm | 573 mm | 591 mm | 613 mm | 633 mm | 655 mm |
STR | 1,47 | 1,44 | 1,45 | 1,44 | 1,44 | 1,46 | 1,44 |
Lenkwinkel | 69,5° | 71° | 71,5° | 71,5° | 71,5° | 71,5° | 71,8° |
Sitzwinkel, real | 73,5° | 73,5° | 73,1° | 73,1° | 73,2° | 73,2° | 73,5° |
Oberrohr (horiz.) | 533 mm | 550 mm | 568 mm | 590 mm | 613 mm | 627 mm | 648 mm |
Steuerrohr | 123 mm | 129 mm | 145 mm | 163 mm | 187 mm | 207 mm | 230 mm |
Sitzrohr | 420 mm | 450 mm | 480 mm | 510 mm | 540 mm | 570 mm | 648 mm |
Kettenstreben | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm |
Radstand | 1.019 mm | 1.024 mm | 1.034 mm | 1.057 mm | 1.080 mm | 1.092 mm | 1.118 mm |
Tretlagerabsenkung | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm | 75 mm |
In unserer Geometrie-Datenbank könnt ihr das Canyon Grail ganz einfach mit anderen Gravel Bikes vergleichen. Einfach auf die Links in der Tabelle unten klicken. Hier haben wir einen Vergleich für euch zusammengestellt.
Stichwort Sitzposition: Sie fällt sportlicher aus, als man es von vielen aktuellen Gravel Bikes gewohnt ist, bei denen der Fokus eher auf Tourenfahren liegt. Größe M passte für mich (siehe Testerprofil unten) perfekt. Dabei ist die Streckung des Oberkörpers gefühlt einen Tick größer als etwa beim Grizl gleicher Größe – auch wegen des breiten Lenkers. Richtig race-lastig ist die Haltung aber gleichzeitig noch nicht.
Gut angepasst an das riesige Einsatzspektrum des Grail CFR 2024 ist die Sattelstütze. Mit 1 cm Off-Set erlaubt sie auch weiter nach vorn rotierte Sitzpositionen, die für die Nutzung der Aero-Auflieger oder das lange Fahren in „Belgischer Position“ mit rechtwinklig angewinkelten Oberarmen vorteilhaft sind.
Wie gehabt, ist das Grail 2024 in 7 Größen von 2XS bis 2XL zu haben, ähnlich feine Abstufungen gibt es nicht bei vielen Anbietern.
Auf dem Kurs: Graveln leichter gemacht
Keine Frage, Canyon hat mit dem neuen Grail 2024 das Graveln in all seinen Facetten ein Stück leichter gemacht. Nicht, was das Gewicht angeht, das wurde schon angesprochen, sondern schlicht und einfach das Fahren.
Fangen wir mit dem Cockpit an: Canyon macht hier wieder einiges anders und sehr, sehr viel richtig, wie ich finde. Der Oberlenker mit seinem leichten Back-Sweep und Down-Swing bot für mich die ideale Position. Er bringt die Ellenbogen etwas nach innen. Zugleich sitzt man automatisch tiefer, wenn man belgisch an den Hoods fährt. Die 5° Flare an den Hoods sind ebenfalls für die belgische Position zuträglich. Und auch die Position am Übergang zu den Hoods ist sehr bequem und lange nutzbar. Hinzu kommt, dass der Unterlenker mit 115 mm Drop ausgezeichnet erreichbar ist und die Bremsgriffe auch mit mittelgroßen Händen sofort zur Hand sind.
Damit gleich ans Eingemachte für ein Race Gravel Bike: schnell fahren. Auf den ersten Meter, natürlich auf Asphalt, kommen die leichten Laufräder schnell auf Touren. Im Antritt fühlt sich das Grail CFR beinahe wie ein normales Mittelklasse-Rennrad an. Auch die Reifen erzeugen in schnellen Kurven keine schwammigen Übergänge. Wer es auch als Hobbyist darauf anlegt, über längere Zeit mit dem Gravel Bike mehr als 30 km/h zu fahren, trifft mit dem Grail sicher eine gute Wahl.
Für mich persönlich würde lediglich das schmalere Pro-Cockpit noch besser zum Aero-Konzept des Bikes passen, denn das werksseitig montierte CP0039-Cockpit mit 440 mm Breite an den Hoods fühlt sich beim Tempomachen dann doch leicht bremsend an.
Beeindruckt hat mich erneut die Ergonomie der GRX Di2-Hebel. Die Hände haken richtig ein in die Grifform, was auch in den steilsten Abfahrten perfekten Halt gibt.
Auch das Schalt- und Bremsverhalten der etwas in die Jahre gekommenen GRX 2×11 Di2-Gruppe ist absolut überzeugend. Kettenblattwechsel habe ich nach einigem Probieren komplett der Schaltung überlassen. Der Shimano Synchro Shift-Modus funktioniert hervorragend, es gab keine Abwürfe trotz schnellster Gangwechsel. Wer diesen Modus nutzt, könnte auch die Shimano-Schaltlogik vereinfachen und je einen Hebel fürs Hoch- und Runterschalten reservieren (wenn Canyon den Bluetooth E-Tube-Connector ab Werk einbauen würde). Ansonsten bleiben die beiden kleinen Taster am Hebel logisch und haptisch ein Kritikpunkt im Vergleich zu SRAM-Gruppen.
Weiter geht es in unserem Canyon Grail 2024 Test auf dem Kiesweg: Hier setzt sich der Spaß am Tempo fort. Das Grail liegt auf schnellen, geraden Abfahrten auf dem Schotterweg sehr satt. Und es vermittelt im erinnerten Vergleich zum Canyon Grizl Test noch einmal mehr Sicherheit auf Highspeed Gravel-Abfahrten.
Sofort spürbar wird auf dem Kiesweg auch der gewachsene Komfort. Am Sattel zählt das neue Canyon Grail 2024 jetzt zu den komfortabelsten Gravel Bikes. Und irgendwie hat es Canyon auch hinbekommen, dem Cockpit oder der Gabel etwas mehr Stoßdämpfung mitzugeben, zumindest wirkt es auf der Schotterpiste etwas angenehmer zu den Händen als viele andere Bikes ohne aktive Federelemente.
Grail und Trail, das reimt sich, und es geht am neuen Modell auch besser zusammen. Trotz des gewachsenen Radstandes kann man das Grail auch auf ruppigeren engen Wegen noch gut um die Ecke stellen, wobei Fußüberlappung natürlich kein Problem ist. Für winklige Kurse und spielerisches Hin- und Herwedeln gibt es aber sicher passendere Auslegungen.
Überrascht hat mich auch, was man mit den nur 40 mm breiten Reifen alles fahrbar ist. Dabei haben die Carbonfelgen auch den einen oder anderen harten Einschlag auf vorstehenden Steinen unbeschadet weggesteckt, wenn die Linie verfehlt wurde. Apropos Einschlag: Die Lenkung hat einen Einschlagsbegrenzer zum Schutz vor Schäden des Oberrohres.
Unterm Strich ist das Fahrverhalten des Canyon Grail jetzt damit sehr nah am Optimum für ein Gravel Bike, das auf langen Geraden mit ruppiger Oberfläche ebenso brillieren soll wie auf kurvigen schnellen Abfahrten, die nach einer sicheren Lenkung verlangen. Es kann aber auch auf dem Trail durchaus Spaß machen, wenn man es darauf anlegt.
Den optionalen Aero-Aufsatz und die Fidlock-Tasche konnten wir bereits montieren, aber noch nicht ausgiebig testen. Ein Update folgt nach der ersten angemessen langen Fahrt.
Das ist uns aufgefallen
- Komfort Das Grail verzeiht auch ohne aktive Federelemente und breite Reifen überraschend viel.
- Vielseitigkeit durch Integration Die Menge an cleveren Detaillösungen für lange Strecken und Bikepacking hebt das neue Grail von den meisten Race Gravel Bikes ab.
- Cockpit Eine der besten Gravel Lenker-Formen, die derzeit zu haben sind – aber trotz Gear Grove ist man auf Canyon Zubehör festgelegt.
- Für wen? Für Gravel Racer gehört das Grail CFR 2024 oder eines der CF SLX-Modelle definitiv in die engere Auswahl, aber auch wer Freude am schnellen Bewältigen ganz langer Gravel-Strecken hat, sollte an seinem Lenker hervorragend aufgehoben sein und auch Gelegenheits-Graveller mit Spaß an Speed sind mit dem Einstiegsmodell sicher sehr gut bedient.
- Für wen besser nicht? Für maximalen Gravel-Trail-Spaß, für kompromisslosen Aufbruch ins Ungewisse mit hohen Reserven für jedes Terrain und für 85 % Road-Gravel Fans gibt es bessere Bikes.
Fazit: Canyon Grail 2024 Test
Keine Frage, Canyon hat mit dem neuen Grail CFR 2024 das Graveln in all seinen Facetten ein Stück leichter gemacht. Wer Graveln gern schnell und lang mag oder eins von beiden, kommt am Grail nicht mehr vorbei und sogar Bikepacking und Alltag macht es mit vielen cleveren Lösungen möglich, ohne wie ein „Ösen-Kaktus“ daherzukommen. Das neue Cockpit empfanden wir als Highlight, aber hier sind auch individuelle Vorlieben gefragt. Dazu sind die Preise für ein derart potentes Race Gravel Bike nicht zu abgehoben.
Pro / Contra
Pro
- Fahr-Souveränität
- Speedgraveln
- Cockpit-Ergonomie
- Hoher Komfort
- Kluge Integration
- Preis/Leistung
Contra
- Gewicht nicht Spitzenklasse
Trauert ihr um den Doppeldecker-Lenker – was sagt ihr zum neuen Canyon Grail 2023?
Testablauf
Hier haben wir unsere Fahreindrücke gesammelt:
- Bergisches Land Circa 150 km auf Straßen und ehemaligen, asphaltierten Bahntrassen sowie Forst- und Wirtschaftswegen (circa 70 %)und gelegentlichen einfachen Singletrails.
Das Testrad wurde vom Hersteller kostenlos vor dem Markstart zur Verfügung gestellt, als Testrad vom Direktanbieter, so wie es der Endkunde erhält, also vormontiert. Testräder werden in der Redaktions-Werkstatt endmontiert. Für den Test werden die Räder gewogen, die Sitzposition wird bei identischer Sattelhöhe (bezogen auf die Tretlagermitte) vermessen und die Reifen auf den mittleren empfohlenen Reifendruck befüllt. Für eventuelle Geländefahrten wird der Reifendruck zusätzlich auf den unteren empfohlenen Wert gesenkt. Nach Testende erhalten die Hersteller die Testräder zurück.
- Ich fahre hauptsächlich
- Rennradtouren, CX-Rennen, Gravelrides
- Vorlieben bei der Geometrie
- Gemäßigt sportlich, eher lang
Noch mehr Gravel Bike-Neuheiten auf Rennrad-News:
- Canyon Speedmax Road to Roth: Triathlon-Sondermodell mit Startplatzgarantie
- Neues Colnago Steelnovo: Jubiläumsmodell für 17.500 €
- Craft Bike Days 2024: 12 Gravel Bikes und Rennräder zum Träumen
- DT Swiss 350 Straightpull Dynamo: Neuer Nabendynamo für Gravel-Abenteuer
- Neues Mondraker Arid Carbon Gravel Bike: Off-Road-Performance und Komfort
- Craft Bike Days 2024: Spektakulärer wird’s nicht – diese 42 Bikefirmen waren dabei
- Decathlon will in Deutschland expandieren: Werkstätten und kleinere Shops geplant
- German Cycling: BDR präsentiert neue Markenidentität
- Lightweight HPC Aero-Cockpit: Schneller mit 1.950 € Carbon-Cockpit?
- Giant Revolt Advanced Pro 1 Test: Anspruch auf die Gravel-Allrounder Krone
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