Die Route quert zwei Wüsten, man kämpft mit Temperaturen weit über 40 Grad am Tag und im einstelligen Bereich in der Nacht und das alles auf 780 km mit 16.000 Höhenmetern. Das ist das Badlands Gravel Ultracycling Event in Spanien und natürlich ließ Nathalie Schneitter es sich nicht nehmen, es anzutesten. Hier ihr Bericht.
Meine ersten Ultracycling-Erfahrungen sammelte ich vergangenes Jahr. Die Grenz- und Selbsterfahrung stand dabei im Zentrum. Doch ich bin Rennfahrerin seit ich denken kann und es überraschte nicht mal mich selbst, dass ich der Grenzerfahrung schnell auch den Wettlauf gegen die Zeit hinzufügte.
Dieses Jahr im September startete ich bei Badlands, einem Ultracycling-Event im Süden Spaniens über 780 Kilometer und 16’000 Höhenmeter. Mein Ziel? Natürlich so schnell wie möglich das Finish zu erreichen.
Die körperliche Belastung bei Badlands ist extrem. Die Route quert zwei Wüsten, man kämpft mit Temperaturen weit über 40 Grad am Tag und Temperaturen im einstelligen Bereich in der Nacht. Die Verpflegungsmöglichkeiten sind meist rar, das Terrain unverzeihlich steinig und an Schlaf ist nicht zu denken, wenn man schnell sein will. Ich war zuversichtlich, wenn auch nicht ganz ehrlich zu mir selbst und so lehrte mich Badlands einige wichtige Lektionen:
Um einen Ultra als Rennen zu bestreiten, müssen Körper, Herz und Geist im Einklang sein.
- Man muss sein „Warum“ kennen, um sich selbst ans Limit der eigenen Fähigkeiten zu bringen und auch dann noch weiter zu pushen, wenn man müde und leer ist und der Hammer des Schlafentzugs einsetzt.
- Man muss extrem ehrlich zu sich selbst sein. Keine Entschuldigungen, keine Ausreden, keine Filter.
- Man verbringt viele Stunden mit sich selbst. Je früher man ehrlich und im Reinen mit sich selbst ist, umso besser sind die Entscheidungen, die man trifft.
Wenn man die eigenen Limits kennt, kann man diese auch verschieben.
Ich war nicht bereit für Badlands. Doch es dauerte, bis ich mir dies selbst eingestehen konnte. Ein Jahr mit vollem Terminkalender auf der Arbeit, die E-XC Weltmeisterschaft in Andorra nur 4 Tage zuvor und das Ultracycling-Rennen Hope1000, waren in der Summe einfach zu viel.
Es geht viel, wenn man wirklich will, doch manchmal will der Kopf mehr als der Körper leisten kann.
Es geht viel, wenn man wirklich will, doch manchmal will der Kopf mehr als der Körper leisten kann. Ich bin der Typ ‘mit dem Kopf durch die Wand’. Ich war fit, die Wattwerte passten und motiviert war ich auch.
Doch nach der Hope1000 im Juni konnte ich mich mehr oder weniger kaum erholen. Die 1000 Kilometer und 30‘000 Höhenmeter hatte ich in neuer Rekordzeit bewältigt: in 4 Tagen, 9 Stunden und 37 Minuten. Hingesetzt zum Essen habe ich mich dabei nur ein einziges Mal, geschlafen insgesamt nur 12 Stunden. Ich quetschte das letzte bisschen Energie aus mir heraus. Vor allem der Schlafentzug zehrte an mir. Als ich etwas mehr als zwei Monate später bei Badlands am Start stand, war mein Körper zwar bereit, aber Kopf und Geist immer noch erschöpft.
Mein Equipment war ready, die Ernährungsstrategie auch. Ich könnte trotzdem tausend Gründe finden, warum es nicht lief wie gewünscht. Zum Beispiel die unerträgliche Hitze von 46 Grad in der Gorafe-Wüste, die es mir unmöglich machte, Nahrung aufzunehmen. Ich kämpfte mich durch die Hitze von Gorafe, viel langsamer als gewünscht, sammelte nach rund 13 Stunden Renndauer bei Kilometer 230 in einer Bar im Dorf Gor neue Kräfte und entschied mich, direkt weiterzufahren.
Ich hatte kein Schlafsystem eingepackt.
In der ersten Nacht fand ich schnell meinen Meister. Auf rund 2000 Metern Höhe überkam mich auf dem Carar Alto bei Regen und 5 Grad die Müdigkeit. Darauf war ich nicht vorbereitet. Ich hatte kein Schlafsystem eingepackt. Zudem gab es nirgends eine Möglichkeit, um geschützt vor Regen und Wind eine Pause einzulegen. Ich fuhr also weiter, mit dem nächsten Dorf als Ziel vor Augen. Ich nickte in der Abfahrt dreimal fahrend ein und kam nur mit viel Glück ohne Sturz heil nach Verifique. Hier lag bereits ein anderer Badlander in seine Rettungsdecke eingepackt am ersten Hauseingang. Ich schnappte mir das zweite Haus und schlief ein ohne den Helm abzuziehen. Ich vergaß, den Wecker zu stellen und als ich drei Stunden später aufwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel.
In diesem Moment konnte ich der Realität endlich ins Auge sehen. Ich gestand mir ein, dass ich nicht das liefern konnte, was ich von mir selbst erwartete. Ich beschloss einen Gang zurückzuschalten, mich zum Essen hinzusetzen und in der zweiten Nacht so viel zu schlafen, um die Fahrt durch die atemberaubende Wüstenlandschaft genießen zu können. Nach einem weiteren langen Tag im Sattel, buchte ich ein Hotel. Die Dusche fühlte sich großartig an, die von Hand ausgewaschene Radhose am nächsten Tag auch.
Das Rennen blieb hart. Allerdings konnte ich die verbleibende Strecke genießen. Am Ende benötigte ich 67 Stunden und 30 Minuten. Dies reichte für Gesamtrang 32. Damit war ich die sechstschnellste Frau. Trotz aller Strapazen, Zweifel und Anpassung meiner Ziele reichte meine Performance, um in den ersten 10% des Rennens die Badlands 2024 zu finishen.
Ich bin stolz, wie ich den inneren Diskurs mit mir selbst gemeistert habe. Ich weiß, ich kann mehr. Doch diesmal war das nicht drin. Werde ich meine Grenzen irgendwann erneut suchen? Ja klar. Wo und wann, ist noch offen. Zuerst brauche ich eine Pause, um neue Energie zu tanken. Denn nur wer auch mal einen Gang zurückschalten kann, kann auch wieder rauf schalten und angreifen.
Badlands Komoot Collection
Nathalie Schneitter hat eine Collection auf Komoot zu ihrer Badlands 2024 Route erstellt. Hier findet ihr die Badlands 2024 Komoot Kollektion, falls ihr auf Nathalies Spuren unterwegs sein wollt oder einfach nur wissen, wie sie die Route aufgeteilt hat.
Bike Setup
Das Trek Checkmate ist eine Rakete und mit den 45-mm-Schwalbe G-One Overland-Reifen der ideale Partner für schnelle Rennen auf rauem Terrain. Ich fahre das Bike mit einem Sram Mullet-Setup: 38T-Kettenblatt und einer 10-52er-MTB-Kassette mit MTB-Schaltwerk. So habe ich stets genügend leichte Gänge zur Verfügung. Der 60 mm-Vorbau gibt mir eine bequeme Position für lange Stunden im Sattel und der Aerolenker eine Menge verschiedener Positionen für meine Hände.
- Rahmen: Trek Checkmate SLR7 (Grösse M)
- Antrieb: Sram Force Kurbel 38T / 10-52 Kassette / XX Eagle AXS Schaltwerk
- Laufräder: DT Swiss GRC 1400 Dicut, 50 mm
- Reifen: Schwalbe G-One Overland, 45mm
- Licht: Supernova B54
- Bags: Trek Framebag / Tailfin Top Tube Bag / Apidura 4.5L SaddleBag
Über die Autorin
Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. Im Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry und 2019 wurde sie erste E-MTB Weltmeisterin der Geschichte und 2023 gelang es ihr erneut E-MTB-Weltmeisterin zu werden. Sie gehört zur Geschäftsleitung der Cycle Week in Zürich.
Hier findet ihr mehr Rennradreisen und Touren auf Rennrad-News:
- Bright Midnight 2023 – Mitgefahren!: Das hellste Ultracyling? 1.040 km durch Norwegen
- Dead Ends & Dolci 2023 – Mitgefahren: Die Ultracycling Feuertaufe im Tessin
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- Bikepacking Albanien: Meer, Berge und nette Menschen
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