Canyon Endurace CF 7 All-Road im Test: Mit 35 mm breiten Gravel-Reifen ab Werk und vielseitiger Rival AXS-Übersetzung geht ein Modell in der beliebten Canyon Endurance-Rennrad Baureihe weiter als alle anderen. Wie fährt sich das Roadbike offroad? Und wie rennmäßig ist das All-Road auf der Straße noch unterwegs? Wir haben es getestet.
Video: Canyon Endurace CF SL 7 Allroad Test
Steckbrief Endurace CF SL 7 Allroad
Einsatzbereich | Tour, Gravel |
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Rahmenmaterial | Carbon |
Gabel | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 8,8 kg |
Stack | 590 mm |
Rahmengrößen | 3XS, 2XS, XS, S, M, L, XL, 2XL (im Test: M) |
Website | www.canyon.com |
Preisspanne | 1.399 Euro - 2.999 Euro |
Die offizielle Gravel Weltmeisterschaft 2022 bestritten viele Profis auf Rennrädern. Endurance-Rennräder wie das Canyon Endurace waren hier ebenso am Start wie ausgewiesene Competition-Rennräder: Der Sieger bei den Männern, Gianni Vermeersch, fuhr zum Beispiel ein Canyon Ultimate, das auch bei Hochgebirgsetappen der Tour glänzen soll. Möglich macht das die gestiegene Reifenfreiheit der modernen Disc-Rennräder. Vermeersch und andere setzten auf typische Cyclocross-Reifen mit 33 mm Breite. Und damit zum Punkt: Das aktuelle Canyon Endurace CF bietet sogar Platz für bis zu 35 mm breite Reifen. Unser Canyon Endurace CF 7 Allroad ist das Rennrad der Modellpalette (hier zum Überblick über das Canyon Endurace CF 2022), an dem der Koblenzer Direktanbieter die Reifenfreiheit ab Werk vollständig ausschöpft und es mit der SRAM Rival eTap AXS-Gruppe und ihren 2×12 Gängen von vornherein passend für den Einsatz jenseits des Asphaltbandes ausstattet. Aber macht es auch für Nicht-Profis Sinn, das Rennrad für den gelegentlichen Gravel-Einsatz zu nutzen? Und was bleibt von den viel geschätzten Straßen-Eigenschaften des Canyon Endurace? Das sollte unser Test klären.
Details
Ein Canyon Bike aus der Versandbox (in der auch unser Endurace-Testrad ankam) zu holen und zu montieren, ist immer wieder ein erfreuliches Erlebnis. Alles ist gut organisiert und leicht verständlich erklärt. Also hängt das Endurace CF 7 Allroad Testrad auch schnell an der Waage. Mit 8,8 kg wiegt es 140 g weniger, als Canyon offiziell angibt – leicht für ein Allroad- oder Gravel-Bike dieser Preisklasse mit Rival AXS-Gruppe, etwas schwerer für ein Endurance-Rennrad.
Der dunkelblaue Lack des Carbonrahmen-Sets glänzt schön. Aus den meisten Blickwinkeln scheinen die lila-metallischen Canyon-Dekors darin kaum durch. So wirkt es dezent und beinahe unifarben. Details wie der Schutz vor Kettenklemmern an der Kettenstrebe und der Schlagschutz an selbiger sind schön gemacht. Besonderen Schutz vor Steinschlägen am Unterrohr besitzt das Endurace Allroad aber nicht. Auch Gewinde-Einsätze für Schutzbleche oder gar Gepäckträger, die an den meisten Gravel Bikes und manchen Endurance-Rennrädern vorhanden sind, gibt es nicht. In Sachen Montagemöglichkeiten ist das Endurace Allroad also ganz Sport-Rennrad. Lediglich das Gewindepaar zum Anschrauben einer Oberrohrtasche für Snacks und Co. zeugt vom Willen zur vielseitigen Langstrecke.
- Innenlager-Bauart Press-Fit
- Steuerlager 1-1/4″ unten und 1-1/4″ oben
- Bremsaufnahme Flat-Mount 160 mm / 160 mm
- Antrieb- /Schaltungs-Kompatibilität 1-fach und 2-fach, mechanische und elektronische Schaltungen
- Garantie 2 Jahre
- Gewichtszulassung max. 120 kg (Rad + Fahrer + Gepäck)
Wer mit der Sitzposition experimentiert oder an der Sattelstütze tunen will, wird sich über das runde Sattelrohr für 27,2 mm-Stützen freuen. Komfort-Tuning ist nicht vonnöten. Die Canyon SP0043 VCLS Carbon-Sattelstütze fiel bereits im Zusammenspiel mit der tief angesetzten Klemmung durch herausragenden Komfort auf. Er liegt deutlich höher, als wir es gewohnt sind, lässt etwa auch das Canyon Ultimate oder ein parallel getestetes Cannondale Synapse weit hinter sich, soviel vorab.
Ausstattung: wirklich vielseitig
Das Canyon Endurace CF SL 7 Allroad Canyon aus unserem Test ist das Top-Modell der Endurace CF-Modellreihe. Aufgepasst: Die erst 2022 erneuerten Canyon CF-Modelle mit Carbonrahmen unterscheiden sich – anders als bei Canyon sonst üblich – auch in der Geometrie und einigen Rahmendetails von den CF SL- und SLX-Modellen. Letztere laufen noch aus der Vorgänger-Generation weiter. Insgesamt ist die Canyon Endurace-Reihe die am breitesten gestaffelte Rennrad-Serie bei Canyon und nach der Premiere des neuen Canyon Ultimate diejenige, wo es die größte Auswahl günstiger Rennräder gibt.
Los geht es mit den Endurace Alu-Modellen bei 1.399 € für die Variante mit Shimano Tiagra 2×10 Schaltgruppe und hydraulischen Scheibenbremsen der gleichen Gruppe. Das Canyon Endurace CF mit Carbonrahmen gibt es mit 3 verschiedenen Schaltgruppen: je einmal mit Shimano 105 2×11 sowie mit der mechanischen Shimano Ultegra 2×11 und zwei Modelle mit SRAM Rival eTap AXS 2×12 Schaltung, von denen eins unser Testrad ist.
Modell | Canyon Endurace 6 | Canyon Endurace 7 | Canyon Endurace CF 7 | Canyon Endurace CF 8 | Canyon Endurace CF 7 Etap | Canyon Endurace CF 7 All-Road | Canyon Endurace 6 RB | Canyon Endurace 7 RB |
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Preis | 1.399 € | 1.699 € | 1.999 € | 2.299 € | 2.999 € | 2.999 € | 1.099 € | 1.299 € |
Gewicht | 9,4 kg | 9,2 kg | 8,6 kg | 8,3 kg | 8,6 kg | 8,9 kg | 8,72 kg | 8,46 kg |
Schaltung | Shimano Tiagra R4700 2x10 | Shimano 105 R7000 2x11 | Shimano 105 R7000 2x11 | Shimano Ultegra R8000 2x11 | SRAM Rival eTap AXS 2x12 | SRAM Rival eTap AXS 2x12 | Shimano Tiagra 2x10 | Shimano 105 R7000 2x11 |
Übersetzung | 11-34 – 50/34 | 11-34 – 52/36 | 11-34 – 52/36 | 11-34 – 52/36 | 10-36 – 48/35 | 10-36 – 48/35 | 11-34 – 50/34 | 11-34 – 50/34 |
Laufräder | Fulcrum Racing 900 DB | Fulcrum Racing 900 DB | Fulcrum Racing 900 DB | Fulcrum Racing 900 DB | DT Swiss Endurance LN | DT Swiss Endurance LN | Fulcrum Racing 900 | Fulcrum Racing 900 |
Reifen | Schwalbe One 30 / 32 mm | Schwalbe One 30 / 32 mm | Schwalbe One 30 / 32 mm | Schwalbe One 30 / 32 mm | Continental GP 5000 S 30 mm | Schwalbe G-One Speed 35 mm | Continental Grand Prix SL 25 mm | Continental Grand Prix SL 25 mm |
Bremsen | Shimano Tiagra hydraulic Disc 160/160 mm | Shimano 105 hydraulic Disc 160/160 mm | Shimano 105 hydraulic Disc 160/160 mm | Shimano Ultegra hydraulic Disc 160/160 mm | SRAM Rival Disc 160/160 mm | SRAM Rival Disc 160/160 mm | Shimano Tiagra 4700 (bis 28 mm Reifen) | Shimano 105 (bis 28 mm Reifen) |
Vorbau | Canyon V13 | Canyon V13 | Canyon V13 | Canyon V13 | Canyon V13 | Canyon V13 | Canyon V15 | Canyon V15 |
Lenker | Canyon H17 | Canyon H17 | Canyon H17 | Canyon H17 | Canyon H17 | Canyon H17 | Canyon H28 Ergobar AL | Canyon H17 |
Sattelstütze | Iridium One AL, 27,2 mm | Canyon SP0043 VCLS 27,2 mm | Iridium One AL 27,2 mm | Canyon SP0043 VCLS 27,2 mm | Canyon SP0043 VCLS 27,2 mm | Canyon SP0043 VCLS 27,2 mm | Iridium, Alu, 27,2 mm | Canyon SP0042 VCLS CF |
Sattel | Selle Italia Model X | Selle Italia Model X | Selle Italia Model X | Selle Italia Model X | Fizik Argo Tempo R5 | Fizik Argo Tempo R5 | Selle Italia Model X | Selle Italia Model X |
Farben | Stealth | Stealth, True Blue | Stealth, True Red | Stealth, Light Blue, Light Lobster | Stealth | Purple Chrome | Stealth | True Blue, Stealth |
Das Besondere an der Ausstattung des Canyon CF 7 Allroad ist zum einen die Übersetzung, die es mit dem anderen SRAM Rival AXS-Modell teilt. Es besitzt leichtere Berggänge. Denn es ist mit 48-35 zu 10-36 sogar leicht untersetzt (hier findet ihr die Übersetzung im Ritzelrechner). Damit lassen sich bergab rund 57 km/h bei 90er Trittfrequenz erreichen. Bergauf kurbelt man mit 60er Frequenz rund 7 km/h – beobachtet einfach eure Geschwindigkeiten an steilen Anstiegen eurer üblichen Runden, wenn ihr die Zahl einem Anstrengungsgefühl zuordnen wollt. Ein Vorteil der 2×12 Gruppe sind die kleinen Gangsprünge. In der Praxis genügten mir immer 2 Ausgleichs-Schaltvorgänge beim Wechsel der Kettenblätter.
Die Schaltfunktion der Rival eTap AXS war während des mehrmonatigen Tests tadellos. Es gab weder Kettenabwürfe noch Gerassel im Getriebe und Kettenschlagen beim Allroad-Einsatz war kein Thema. Dass die Bedienung für uns die intuitivste Rennrad-Schaltung darstellt, wurde hier ja bereits mehrfach gesagt.
Die zweite Besonderheit, die den Zusatz „Allroad“ rechtfertigt, sind die Reifen. Die Schwalbe G-One Allround in 35 mm sorgen wahlweise für Tempo auf der Straße, wenn sie mit höherem Druck gefahren werden. Aber sie stellen auch Grip und Komfort bereit, wenn sie auf schlechteren Wegen und feinem Gravel mit weniger Druck rollen.
Im Test ging das Konzept mit einer kleinen Einschränkung gut auf (interessanterweise besser auf der Straße, mehr dazu unten). Theoretisch wäre für die angestrebte Vielseitigkeit ein Tubeless Set-up besser geeignet, das die DT Swiss Endurance LN-Laufräder durchaus gestatten. Aber Canyon stattet sein Allroad Rennrad ab Werk mit Schläuchen aus.
Noch ein Blick auf den Laufradsatz, eine DT-Produktion für Canyon: Er trägt rund 1.9 kg zum Gewicht des Endurace CF 7 Allroad bei, keine Kleinigkeit und ein guter Ansatzpunkt für gezieltes Tuning. Mit 22 mm Maulweite stützt er die gewählten Reifen gut ab und ist für den anvisierten Allroad-Einsatz fast schon zu solide. Der Stirnzahn-Freilauf – dafür steht der Zusatz „Ratchet“ – läuft vergleichsweise dezent.
Am Cockpit setzt Canyon wie gewohnt auf hauseigene Komponenten, Lenker und Vorbau sind aus Aluminium. Dabei orientiert sich der Lenker mit einer Breite von 420 mm lobenswerterweise am Straßeneinsatz. Und seine Form schafft gute Übergänge zu den SRAM eTap AXS-Schalthebeln. Auch das Lenkerband ist griffig und trägt noch etwas zur Stoßdämpfung bei.
Endurace CF Geometrie: ab Werk betont komfortabel
Mit insgesamt 8 Größen ist das Canyon Endurace CF 2022 breit aufgestellt. So sollten viele Rennradfahrer*innen einen passenden Rahmen finden. Für kleine Leute bringen die neuen 2022er Endurace CF und AL den Vorteil kleiner 650b-Laufräder in den XXS- und XS-Rahmengrößen mit. Die kleineren Räder passen besser zu den Verhältnissen in den kleinen Rahmen und machen ein harmonischeres Fahrgefühl möglich.
Bei der Sitzposition grenzt sich das Canyon Endurace CF ganz klar vom Competition-Rennrad Canyon Ultimate aus gleichem Haus ab. Das Endurace platziert seine Fahrer*innen deutlich aufrechter. Beinahe 3 cm höher als beim Canyon Ultimate ist der Stack in der Testgröße M. Anders gesagt: Wer den Vorbau des Endurace CF etwa so tief montieren will, wie die höchste mögliche Lenkerposition am Ultimate, muss alle montierten Spacer (2,5 cm) entfernen. Hinzu kommt: Das Endurace fällt auch kurz aus. Beides zusammen addiert sich zu einem Stack-to-Reach Wert von 1,56 in Größe M. Damit gehört das Canyon Endurace CF 2022 auch unter den populären Endurance-Rennrädern zu den besonders komfortabel ausgelegten Modellen – hier seht ihr einen entsprechenden Vergleich in unserem Geometrie-Tool Geometrics.
Übrigens haben die neuen Canyon Endurace CF und AL-Modelle auch eine leicht andere Geometrie als die noch weiterlaufenden Endurace CF SL-Modelle, die ihr ebenfalls in unserer Geometrie-Datenbank vergleichen könnt.
Rahmengröße | XXXS | XXS | XS | S | M | L | XL | XXL |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Laufradgröße | 27,5″ / 650B | 27,5″ / 650B | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C |
Reach | 350 mm | 354 mm | 370 mm | 375 mm | 378 mm | 387 mm | 405 mm | 414 mm |
Stack | 510 mm | 529 mm | 548 mm | 568 mm | 590 mm | 611 mm | 637 mm | 656 mm |
STR | 1,46 | 1,49 | 1,48 | 1,51 | 1,56 | 1,58 | 1,57 | 1,58 |
Lenkwinkel | 70,5° | 71,5° | 71° | 72° | 73° | 73° | 73,3° | 73,3° |
Sitzwinkel, real | 73,5° | 73,5° | 73,5° | 73,5° | 73,5° | 73,5° | 73,5° | 73,5° |
Oberrohr (horiz.) | 501 mm | 511 mm | 532 mm | 543 mm | 553 mm | 568 mm | 594 mm | 609 mm |
Steuerrohr | 122 mm | 139 mm | 128 mm | 145 mm | 164 mm | 186 mm | 213 mm | 232 mm |
Sitzrohr | 402 mm | 432 mm | 462 mm | 492 mm | 522 mm | 552 mm | 582 mm | 612 mm |
Kettenstreben | 405 mm | 405 mm | 415 mm | 415 mm | 415 mm | 415 mm | 415 mm | 415 mm |
Radstand | 957 mm | 958 mm | 989 mm | 991 mm | 990 mm | 1.006 mm | 1.029 mm | 1.044 mm |
Kann man das Endurace CF also nicht sportlich tief fahren? Doch. Für normale Trainingsrunden auf verschiedenen Wegarten reichte es mir schon, den Vorbau mit Negativwinkel zu montieren. Wenn es vorwiegend auf der Straße zügig gehen soll, erzielt man durch Weglassen der Spacer schon eine sportliche Überhöhung. Da der Canyon Lenker an den Hoods rund 410 mm breit ist, sitzt man zudem aerodynamisch schmal und nicht wie auf einem Gravel Bike.
Abgesehen von der komfortbetonten Sitzposition bleibt das Endurace CF auch in der von uns gefahrenen Allroad-Variante ganz Rennrad. Oben kommod, unten agil, könnte man salopp sagen. Der Radstand fällt kurz aus. Die Kettenstreben sind noch kompakt zu nennen. Der Lenkwinkel liegt sogar für ein Endurance-Rennrad noch auf der steilen Seite des Spektrums. Und so ergibt sich eine wendige Basis. Allerdings muss man auch in Kauf nehmen, dass es etwas Überlappung zwischen Schuh und Vorderrad gibt, wenn der Lenker stark eingeschlagen wird.
Canyon Endurace CF 7 Allroad auf dem Testkurs
Wie sitzt man nun nach dem Komfort-Update auf dem Canyon Endurace CF Allroad 2022? Noch bevor ich zum ersten Mal auf unserem Testrad in Größe M Platz nehme, merke ich, dass ich mein Bein etwas höher schwingen muss als sonst, um in den Sattel zu kommen. Das ist wohl ein Tribut an die größeren Reifen, die den Sattel bei der üblichen Rennrad-Tretlagerabsenkung sofort etwas nach oben bringen.
Auch im Sattel realisiere ich unmittelbar einen gravierenden Unterschied zur üblichen Rennrad-Sitzposition. Auf den Händen am Lenker liegt weniger Gewicht. Aber nicht nur der Höhenunterschied zwischen Lenker und Sattel ist geringer, die ganze Haltung wirkt kompakter. Unwillkürlich kontrolliere ich die Satteleinstellung, die aber nahezu korrekt ist. Nach der ersten „Runde im Hof“ wandert der Sattel weiter nach hinten, um mehr Sitzlänge zu schaffen. Zudem setze ich den Vorbau noch 1 cm tiefer und drehe ihn um für einen negativen Winkel. Mehr will ich nicht zunächst nicht „tunen“, um den Grundcharakter des Endurace nicht zu sehr zu verändern.
Erwartet hatte ich wegen der Offroad-Reifen-Optik leicht entschleunigtes Rollen. Geliefert wurde: ziemlich gute Beschleunigung und vor allem ein Leichtlauf wie auf ganz normalen Rennrad-Reifen.
Auf der ersten echten Testrunde wartet gleich die nächste Überraschung. Wie leicht das vorangeht! Da die ersten Testkilometer in der Redaktion regelmäßig über die flache und glatte Wuppertaler Nordbahntrasse führen, prägt das Verhalten beim Roulieren in mäßigem Tempo immer den ersten Testeindruck. Erwartet hatte ich wegen der Offroad-Reifen-Optik leicht entschleunigtes Rollen. Geliefert wurde: ziemlich gute Beschleunigung und vor allem ein Leichtlauf wie auf ganz normalen Rennrad-Reifen oder sogar besser als bei einigen einfachen Rennrad-Trainingsreifen. Bock auf breite Rennrad-Reifen? Die Schwalbe G-One Allround sind definitiv ein Tipp. Auch ihr Fahrgeräusch ist fast so unaufdringlich wie bei Slicks. Defekte gab es während der Testphase nicht, trotz eigentlich nicht herausragender Pannenschutzqualitäten der Pneus.
Apropos Reifen: Bewegt habe ich das Canyon Endurace CF auf der Straße mit 4 bar Druck und mit den werksseitig montierten Schwalbe-Leichtschläuchen. Auf eine Veränderung des Reifendrucks reagiert das Endurace recht sensibel.
Das zeigt sich besonders in Kurven. Auf der Straße wirkt die Lenkung einen Tick nervöser, als man es von sportlicher ausgelegten Competition-Rennrädern gewohnt ist. Ein Fahrverhalten, das nicht ganz zum Charakter des auch bei Einsteigern beliebten Rennrades passt, sich aber zum Teil auch durch die aufrechte Sitzposition erklärt. Dennoch sind die Spurtreue und die Lenkpräzision in Kurven vollkommen sicher. Zumindest bis zu einem Reifendruck von 3 bar und mehr. Mit einem Druck unter 3 bar wirkt die Lenkung auf der Straße jedoch tänzelnd. Dagegen wird es auf gröberen Schotterstrecken mit dem niedrigeren Druck erst richtig gut fahrbar.
Am Berg spürt man sofort, dass das Canyon den üblichen Gravel Bike-Kandidaten der Preisklasse einen Gewichtsvorsprung voraus hat. Es fühlt sich einfach dynamischer an, obwohl die Laufräder nicht einmal besonders leicht sind. Das mag an den kurzen Kettenstreben liegen, spricht aber auch für die direkte Kraftübertragung des Rahmens und der soliden SRAM Rival-Kurbel.
Und wie steht es nun mit echten Allroad-Touren, für die das Endurace CF 7 Allroad ja dem Namen nach ausgelegt ist. Die Straßenpassage: check, alles besser als erwartet, eigentlich genau wie ein Rennrad mit sattem Komfortplus. Aber der auf dem typischen Kiesweg der Gravel-Skala 1 bis 4 ergibt sich ein zweischneidiges Bild. Einerseits passt der Komfort am Sattel hervorragend zum Offroad-Fahren und stünde auch einigen „echten“ Gravel Bikes gut zu Gesicht. Auch wie schnell das Endurace über die gut befestigten Wege rollt, bereitet Vergnügen.
Aber richtig warm werde ich mit dem Endurace CF 7 Allroad auf Schotter nicht. Und das liegt daran, dass der kurze Radstand und die Rennrad-Geometrie zu einem nervöseren Fahrverhalten bei Bodenwellen und anderen Unebenheiten führen. Anders gesagt: Es holpert mehr und das Rad hält schlechter die Spur, als ich es von aktuellen Gravel Bikes gewohnt bin. Schotter-Abfahrten gehen – auch dank der aufrechteren Sitzposition und den sehr gut dosierbaren Bremsen – gut von der Hand. Aber reines Vergnügen kommt dort nicht auf.
Unterm Strich: Für Profis bei der Gravel WM mögen die Vorteile des Rennrades im Wettkampf überwiegen. Für mich, dem es nicht um das letzte Quäntchen Effizienzgewinn auf halbwegs glatten Wegen geht, sondern um Fahrspaß, ist ab 30 % bis 40 % Schotter-Einsatz das Gravel Bike die bessere Wahl. Aber viele dürften in der Praxis tatsächlich eher unter dieser Grenze bleiben.
Das ist uns aufgefallen
- Einsatzbereich Den Zusatz All-Road betont das Endurace CF eher auf „Road“. Auf straßenähnlich befestigten Wegen ist es richtig gut und auf der Straße viel besser, als die breiten Reifen vermuten lassen.
- Schaltung Die SRAM Rival eTap AXS in der gewählten Abstufung ist für uns ein Perfect-Fit für den Einsatzbereich, akzeptable Gangsprünge und große Bandbreite.
- Komfort So viel Komfort am Sattel wie beim Endurace CF würden wir manchem Gravel Bike wünschen.
- Nicht ganz konsequente Vielseitigkeit Bei so guten Einsatzmöglichkeiten des Endurace CF hätten wir uns Ösen für Schutzbleche fürs Pendeln gewünscht.
- Für wen? Für Nicht-Traditionalisten, die keine Angst vor breiten Reifen haben, gerne schnell auf der Straße fahren, aber auch kleine Wirtschaftswege komfortabel nutzen wollen und mal mit einem Berg-Marathon liebäugeln.
- Für wen besser nicht? Weder für Wettkampf orientierte Fahrer und solche, die immer auf den Schnitt schielen, noch für Gravel Biker, die gerne viel im Wald unterwegs sind oder ins Unbekannte aufbrechen, ist das Endurace CF All-Road eine gute Wahl.
- Welche Rennräder sind ähnlich oder kommen nahe? Im Prinzip kommt jedes Endurance-Rennrad infrage, das eine ähnlich hohe Reifenfreiheit besitzt oder echte Allroad-Bikes. Letzteres wäre etwa das Votec VRC Comp, das genauso viel kostet und genauso breite Reifen gestattet, aber mit einer ruhigeren Geometrie aufwartet (hier zu einem Votec VRC-Vergleich). Das Trek Domane SL kostet in der günstigsten Variante mit Shimano 105 2×11 etwas mehr (3.499 €), bringt aber auch noch mehr Reifenfreiheit von 38 mm mit. Teurer und schlechter ausgestattet ist auch das Cervélo Caledonia, das 34 mm Reifenfreiheit bietet und ab 3.999 € mit Shimano Ultegra 2×11 kommt. Es gibt noch weitere Kandidaten unter den Endurance -Rennrädern, schreibt eure Meinung gerne in die Kommentare!
Fazit Canyon Endurace CF 7 All-Road Test
Zuerst und vor allem ist das Canyon Endurace CF 7 All-Road ein besonders komfortables, agiles und dabei vielseitig einsetzbares Endurance-Rennrad mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Herausstechend ist für das Geld die SRAM Rival 2x12 Gruppe mit großer Bandbreite. Auch das Gewicht ist ok. „All-Road“ machen das Bike sonst nur die Reifen, die auch auf der Straße bestens funktionieren. In der Seele bleibt das Endurace CF mehr Rennrad als Allroad-Bike.
Pro / Contra
Pro
- Komfort
- Agilität
- Übersetzungs-Bandbreite
- Reifenfreiheit
- Verarbeitung
- Preis/Leistung
Contra
- Geometrie könnte einen Tick „allroadiger“ sein
Was sagt ihr zum Ansatz des Canyon Endurace CF 7 eTap All-Road?
Testablauf
Hier haben wir unsere Fahreindrücke gesammelt:
- Bergisches Land Circa 1.500 km auf Straßen, welligem Terrain mit kurzen Anstiegen bis 15 % und maximal 110 Hm am Stück, Sprints bis 50 km/h und Abfahrten bis circa 70 km/h. Auch Gran Fondos über 100 km.
Testräder werden bei den Herstellern für den Test in der beschriebenen Kategorie angefragt. Die Hersteller stellen das Rad kostenlos in der Art und Weise zur Verfügung, wie es der Fachhandel erhält; bei Testrädern von Direktanbietern, wie sie der Endkunde erhält, also vormontiert. Testräder werden in der Redaktions-Werkstatt endmontiert. Für den Test werden die Räder gewogen, die Sitzposition wird bei identischer Sattelhöhe (bezogen auf die Tretlagermitte) vermessen und die Reifen auf den mittleren empfohlenen Reifendruck befüllt. Für eventuelle Geländefahrten wird der Reifendruck zusätzlich auf den unteren empfohlenen Wert gesenkt. Nach Testende erhalten die Hersteller die Testräder zurück.
- Ich fahre hauptsächlich
- Rennradtouren, CX-Rennen, Gravelrides
- Vorlieben bei der Geometrie
- Gemäßigt sportlich, eher lang
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