Mancher, der vom idealen Pendler-Rennrad träumt, denkt auch an eine Nabenschaltung. Genesis ist einer der wenigen Hersteller, der so ein Commuter-Roadbike in Serie baut. Beim Genesis Day One Ltd ist für 1.579 Euro noch ein Alltagspaket mit Schutzblechen, Nabendynamo und USB-Lader am Stahlrahmen montiert. Wir haben den britischen Race-Commuter im Pendelverkehr getestet.
Steckbrief: Genesis Day One Ltd
Einsatzbereich | Tour, Commute |
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Rahmenmaterial | Stahl |
Gabel | Stahl |
Gewicht (o. Pedale) | 14,3 kg |
Stack | 612 mm |
Website | www.genesisbikes.co.uk |
Neben rassigen Traumrädern mit bis zu fünfstelligen Preisen tut sich auch am anderen Ende der Preisskala so einiges. Nicht zuletzt durch die wachsende Schar an Pendlern stehen “Daily-Driver” mit einem guten Preis-/Leistungsverhältnis hoch im Kurs. Das merkt man insbesondere dem Sortiment von Marken aus Großbritannien an, wo es flächendeckend “cycleschemes” gibt, um Räder kostengünstig zu finanzieren. Das Genesis Day One ist ein Vertreter der wachsenden Gattung von Commuter-Rennrädern. Genesis hat sich anfangs mit universellen, aber nicht nach Brot-und-Butter Art gestalteten und nicht teuren Stahlrahmen einen Namen gemacht. Inzwischen sind die Briten Rennrad-Vollsortimenter und sponsern sogar mit Madison-Genesis ein eigenes Radsportteam. Das Genesis Day One Ltd verspricht eine Komplettausstattung mit Nabenschaltung, Scheibenbremsen, Schutzblechen und Lichtanlage zum fairen Preis von 1579,99 Euro. Es ist das am besten ausgestattete Modell der Day One-Reihe, zu der auch ein Singlespeed-Rennrad mit Schutzblechen für 899 Euro gehört. Um dem Rad artgerecht auf den Zahn zu fühlen, haben wir es in gut 2 Wochen knapp 1.100 km auf dem Weg zur Arbeit und in der Freizeit bewegt.
Ausstattung: einfachst bis luxuriös
Eines fällt sofort auf: Der Aufbau mit den 32 mm breiten Reifen von CST, dem starken Tubus Cargo Gepäckträger (40 kg Zuladung) und der IQ Luxos Lichtanlage mit integriertem USB-Lader ist konsequent auf regelmäßiges Pendeln und entspannte Radtouren ausgerichtet. Durch Ösen für die Befestigung eines Lowrider-Gepäckträgers an der Stahlgabel taugt der Rahmen auch für den Reiserad-Aufbau.
Basis für den Alltags- und Tourenaufbau ist ein solider, aber natürlich nicht ganz leichter Stahlrahmen aus CrMo-Rohr mit vielen ansehnlichen Details. Die Rohre sind auf Stoß geschweißt, ein Gusset verstärkt das Steuerrohr, das Oberrohr ist für Freiheit im Schritt abfallend ausgeführt. Ein besonderes Plus im Alltag ist die reflektierende Lackierung unter der Pulverbeschichtung von Schriftzug und Kreuzmuster. Die Kettenspannung stellt der Day One-Fahrer über ein verschiebbares Ausfallende ein. Das ist nicht die konstruktiv beste Lösung, da bei einem Reifendefekt das Hinterad immer wieder neu ausgerichtet werden muss. Die IS-Disc-Aufnahme kann mit verschoben werden, sie sitzt aber auch nicht auf einem Schlitten, der das Verschieben einfacher macht. Gut: Alle Lichtkabel-Eingänge sind mit Auflötteilen verstärkt.
Rahmen | CrMo-Stahl, verschiebbare Ausfall-Enden, 2x Flaschenhalter | |||||
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Gabel | CrMo-Stahl, 1 1/8 Zoll A-Head, Lowrider-Ösen | |||||
Gewicht | 14,3 kg (gewogen ohne Pedale) | |||||
Entfaltung | 2,28 - 6,98 m pro Kurbelumdrehung | |||||
Zulässiges Gesamtgewicht (Rad & Fahrer) | keine Angabe | |||||
Schalthebel | 1x8 Microshift Lenkerendschalthebel | |||||
Umwerfer / Schaltwerk | – / – | |||||
Kurbel / Zähne | Alu, Vierkant, 170 mm / 42 T | |||||
Ritzel / Zähne | Shimano Nexus Inter 8 Getriebenabe / 20 T | |||||
Innenlager | BSA / Vierkant | |||||
Kette | KMC-X1 | |||||
Bremsen | Promax Render R mech. Scheibenbremse, v./h.: 160 mm | |||||
Laufradsatz | Shimano Nabendynamo DH-T4050 + Shimano Nexus Inter 8 / Alu-Felgen, 32 Speichen | |||||
Reifen / Größe | CST Sensamo Speed, 32-622, Reflex | |||||
Lenker | Genesis, Alu, oben 400 / unten 460 mm | |||||
Vorbau | Genesis, 105 mm | |||||
Sattel | Genesis | |||||
Sattelstütze | Genesis, Alu, Jochklemmung | |||||
Besonderheiten | SKS-Schutzbleche lang, b+m IQ Luxos Scheinwerfer mit Fernlicht und USB-Lader, b+m Secula Plus Rücklicht, Tubus Cargo Gepäckträger (max. 40 kg) | |||||
Zu dem Konzept des wartungsarmen Alltagsrenners passt die Shimano Nexus Inter8 Nabenschaltung. Die Vorteile einer Nabenschaltung im Pendelverkehr liegen auf der Hand: Der größte Pluspunkt ist das gekapselte Getriebe. Nach der Fahrt Kette abwischen, fertig. Laufleistungen von 10.000 km und mehr mit einer Kette sind bei Nabenschaltungen nicht die Ausnahme. Außerdem kann die Nabe an der Ampel im Stand geschaltet werden. Anfahren im zu dicken Gang adé! Genesis steuert die Shimano-Nexus-Nabe über einen Lenkerendschalthebel an, für die mechanischen Scheibenbremsen Typ Render R von Promax braucht es daher nur einfache Bremshebel, die im Falle eines Sturzes kostengünstig ausgetauscht werden können.
Etwas unschön ist die Schutzblechbefestigung vorne. Da die Scheibenbremse (IS-Standard) im Weg ist, wurde die Strebe mit ca. 3 cm Spacern linksseitig versetzt, was im Ergebnis dazu führt, dass das Schutzblech nie wirklich gerade sitzt. Mit einer besseren Ösen-Anordnung und einem anderem Disc-Montagestandard sind heute solidere und aufgeräumtere Lösungen Standard.
Geometrie: Ein paar Ungereimtheiten
Die Tretlagerachse liegt beim Genesis Day One rund 2 cm über dem, was bei Rennrädern üblich ist. Das bedingt eine eher hohe Sitzposition. Zugleich erschwert es dem Fahrer, bei korrekter Sattelhöhe im Stand mit dem Fuß auf den Boden zu kommen – für ein Stadtrad, mit dem man oft anhält, eigentlich keine wünschenswerte Eigenschaft.
Das Testrad mit 52er Rahmenhöhe (M) hat ein virtuelles waagerechtes Oberrohr von 561 mm. Das entspricht einem 56er Rahmen in traditioneller Rennrad-Geometrie, das Sattelrohr steht mit 73,5 Grad allerdings einige Grad steiler als das Steuerrohr. So nimmt die virtuelle Oberrohrlänge ab, je weiter oben man den Sattel positioniert. Liegt man zwischen zwei Größen, sollte man also eher die größere Rahmenhöhe nehmen. Unser Testrad kam mit 170 mm-Kurbel, was für Größe M gerade noch angemessen ist. Größeren Menschen stellt Genesis leider keine längeren Kurbeln zur Verfügung, da wird es dann schnell grenzwertig. Dass die Vorbaulänge ebenfalls nicht den verschiedenen Rahmengrößen angepasst wird, ist ergonomisch auch nicht vorteilhaft. Das Verhältnis von Stack zu Reach bleibt immerhin über alle Rahmenhöhen hinweg annähernd identisch.
Mit einem Radstand von 1.035 mm liegt das Testrad in Größe M etwas über dem, was bei Gravelbikes üblich ist. Für ein langstreckentaugliches Rennrad ist das Genesis Day One Ltd damit eher wendig ausgerichtet, gemessen an sportlichen Rennrädern aber eher ein „Dickschiff“. Doch dazu mehr bei den Fahreigenschaften.
Rahmenhöhen | XS | S | M | L | XL |
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Sitzrohr mm | 470 | 500 | 530 | 550 | 580 |
Oberrohr horizontal (virtuell) mm | 524 | 544 | 561 | 582 | 605 |
Steuerrrohr mm | 115 | 135 | 155 | 175 | 195 |
Steuerrohrwinkel Grad | 71 | 71 | 71,5 | 71,5 | 72 |
Sitzrohrwinkel | 74 | 73,5 | 73,5 | 73 | 72,5 |
Kettenstrebe mm | 430 | 430 | 430 | 430 | 430 |
Tretlagerabsenkung mm | 73 | 73 | 73 | 73 | 73 |
Radstand mm | 1007 | 1023 | 1035 | 1052 | 1063 |
Gabelnachlauf mm | 69 | 69 | 66 | 66 | 63 |
Vorbau mm | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 |
Lenkerbreite mm | 400 | 420 | 420 | 440 | 440 |
Kurbellänge | 165 | 1701 | 170 | 170 | 170 |
Stack | 553 | 572 | 593 | 612 | 633 |
Reach | 365 | 375 | 385 | 395 | 405 |
STR | 1,52 | 1,53 | 1,54 | 1,55 | 1,56 |
Auf dem Kurs: Überraschend schnell
Liegen die Hände auf dem recht bequemen Oberlenker, nimmt man eine leicht aufrechte Sitzposition ein, vergleichbar mit einem Endurance-Rennrad. Da der Lenker mit dem angenehm griffigen Lenkerband etwas Flare – also nach außen weisende Lenkerenden – aufweist, ist er unten mit rund 46 cm breiter als am 41 cm breiten Oberlenker. Das ermöglicht in Unterlenkerposition ein entspanntes Fahren und macht den Lenkerendschalthebel rechts gut erreichbar. Der Sattel der Hausmarke ist zweckmäßig, in der Breite der Sitzposition angemessen, bietet aber nur wenig Komfort und durch die abgerundete Form kaum Seitenhalt.
„Ich muss gestehen, dass ich nach dem Wiegen skeptisch war, was das tägliche Pendeln mit dem Genesis angeht, aber Radtests sind ja nicht immer nur Vergnügen. Nach minimalen Anpassungen der Sattelpostion ging es auf die Straße, und der beim Anheben des Rades entstandene Eindruck verflüchtigte sich schnell.“
Das Day One ist natürlich kein Renner, aber es fühlt sich flotter an, als man es bei dem Gewicht von 14,3 kg erwartet hätte. Die Sitzposition ist entspannt und kontrolliert, man fühlt sich sofort wohl auf dem Rad. Der lange Radstand macht das Day One Ltd auch mit einseitiger Beladung zu einem Geradeausläufer par excellence. Man findet den Arbeitsweg quasi im Halbschlaf. Doch selbst Kurven nimmt es willig und wirkt dabei manchmal geradezu agil. Die Reifen machen das alles mit und kommen beim täglichen Pendeln nicht ans Limit, tragen aber definitiv nicht zum Leichtlauf bei; der Zusatz „Speed“ auf den CST Sensamo-Pneus ist mehr Wunschdenken. Hier gibt es bessere, vermutlich allerdings teurere Alternativen.
Die Shimano Nexus Inter8 Nabenschaltung bietet, wie die Typenbezeichnung schon sagt, 8 Gänge. Ihr Übersetzungsbereich von über 300 % klingt zwar erstmal gut, wird aber mit teilweise (zu) großen Gangsprüngen erkauft. Wenn man mit 8 Gängen das Spektrum einer 2×10 Kompaktkurbel von ungefähr 34-30 bis 50-14 abbildet, ist das auch kein Wunder. Es fährt sich aber in vielen Situationen nicht gut, oder: nicht rennradtypisch. In den Gängen 1 – 5 tritt es sich noch flüssig, wenn man jedoch flotter unterwegs ist, leidet man als Rennradfahrer zwischen den Gängen 5 und 6 sowie 6 und 7 gewaltig. Insbesondere auf langen Geraden ist man ständig auf der Suche nach dem richtigen Gang. Bei Gegenwind zum Beispiel wird es nervig, wenn man sich im 7. Gang stampfend in die Ermüdung tritt und im 6. Gang noch gefühlt als kleine Nähmaschine unterwegs ist. Das ist sicher zum Teil auch von den Tretvorlieben des Fahrers abhängig. Die Bedienung über den Lenkerendschalthebel hingegen war überraschend angenehm und funktionierte durch die Indexierung problemlos. Nur die Gewöhnung an die kurze Unterbrechung des Tretens zum flüssigen Schalten kann sich nicht jeder gewöhnen.
Kann man die Nabenschaltung noch unter Geschmacksfrage verbuchen, sind die Promax Bremsen einer der wenigen echten Schwachpunkte am Rad
Die Bremshebel sind für große Hände in allen Positionen gut erreichbar, bei kleinen Händen gibt es aber im Unterlenker Probleme. Wenn man einmal verstanden hat, dass die Vorderradbremse typisch englisch rechts montiert ist (und vom Händler ggf. umgebaut werden sollte), bremst es sich dank der druckstabilen Jagwire Bremsaußenhüllen zwar einigermaßen, aber Sicherheitsreserven bietet die mechanische Render R nicht. Der Druckpunkt ist schwammig, die Bremsleistung bei trockenen Bedingungen noch ausreichend, auch im Nassen passiert zu wenig und dazu neigt sie zum Quietschen. Hier wurde vermutlich dem Budget Rechnung getragen. Ein glasklarer Tuning-Tipp!
In Sachen Taschentransport und Ganzjahresfahren ist das Genesis Day One Ltd in seinem Element. Der für ein Rennrad geradezu übermäßig tragfähige Tubus Cargo-Gepäckträger nimmt es mit einseitigen Office-Bags ebenso locker auf wie mit beidseitig angehängten Taschen voller Einkäufe. Die 40 kg Tragkraft sind kaum auszuschöpfen. Mit normaler Last im Rahmen von 5 bis 15 kg auf dem Träger lässt sich das Day One dabei sicher bewegen. Nicht zu wünschen übrig lässt auch das Lichtbild des b+m Luxos U Scheinwerfers: Es reicht auch für Abfahrten in der Dunkelheit auf schlechten Straßen. Bei den Schutzblechen hat Genesis an des Pendlers Füße gedacht und sie so weit Richtung Boden ausgelegt, dass die Schuhe halbwegs trocken bleiben.
Haltbarkeit: Achillesferse Reifen
Auf ein Rad mit dem Einsatzzweck „Alltag“ sollte man sich verlassen können. In der Regel muss man pünktlich morgens am Arbeitsort erscheinen und nachmittags erst recht stressfrei und zuverlässig zu Hause ankommen.Wir waren mit dem Genesis Day One Ltd auf kurzen Stadtstrecken in Wuppertal und im täglichen, längeren Pendelverkehr zwischen Köln und Bonn über rund 1.100 km unterwegs.
Das Day One ist nach unseren Testerfahrungen eine gute Basis für genau diesen Einsatzbereich, was die Verarbeitung, den Aufbau und den Antrieb angeht. Einschränkungen gibt es allerdings, wie oben beschrieben, bei den verwendeten Bremsen, die neben der Funktion bauartbedingt recht fummelig einzustellen sind und für den Ganzjahresbetrieb nicht zuverlässig genug erscheinen.
Die Reifen sind ebenfalls ein Tauschkandidat. Sie laufen gut, bieten aber keinen ausreichenden Pannenschutz. Genau 3 Platten auf knapp 1000 km sind mit neuen Reifen einfach zu viel. Scharfe Sachen wie kleine Glassplitter oder Drähte drückten sich schnell durchs Gummi und punktieren den Schlauch. Das ist noch dazu lästig, weil am Hinterrad das Handling beim Schlauchwechsel in einem Rad mit fest verschraubter Nabenschaltung deutlich umständlicher ist. Wenn man das Loch im Schlauch nicht findet und im eingebauten Zustand flicken kann, muss man das gesamte Rad ausbauen und sollte dafür extra einen 15er Maulschlüssel dabeihaben. Da dauert ein Schlauchwechsel schnell mal doppelt so lang wie beim Rennrad mit Schnellspannern.
Abgesehen von diesen beiden Ausstattungs-Kritikpunkten erhält man mit dem Genesis Day One viel Rad fürs Geld. Es ist robust, uneingeschränkt reisetauglich, ausbaufähig und fährt sich sehr entspannt. Noch dazu kann man während der Fahrt seine elektrischen Geräte laden.
Fazit
Das Genesis Day One Ltd ist schon allein durch die Nabenschaltung und die komplette Vielfahrer-Ausstattung zum fairen Preis ein attraktives Commuter-Rennrad – und hat ein gewisses Etwas beim Design. Mit dem vielseitigen soliden Stahlrahmen kann man nichts falsch machen und es wirkt agiler, als es das hohe Gewicht vermuten lässt. Dass es kein ausgesprochenes Kletterer-Rad ist, versteht sich; die Rouleur-Qualitäten könnten höher sein. Nicht ganz schlüssig ist die Kombination von Top-Teilen beim Licht und Träger mit eher mäßigen Bremsen und Reifen – beide sind klare Tuning-Tipps.
Pro / Contra
Pro
- Rennrad-Geometrie und Nabenschaltung
- ab Werk fast perfekt für Alltag gerüstet
- wartungsarm
- Top-Lichtanlage
- USB-Lader integriert
- überraschend agil
- ausbaufähig zum Reiserad
- recht günstig
Contra
- Reifen mit mäßigem Pannenschutz
- eher schwache Promax Scheibenbremse
- große Gangsprünge zu den leichtesten und schwersten Gängen
- hoher Sitz auf dem Rad