Gravel Bike vs. MTB: die Daten
Das XC-Hardtail ist leicht definiert, denn es wandelt sich seit einigen Jahren nicht mehr: 100 mm Federweg, leichter Rahmen, leichte Räder, inzwischen hauptsächlich 1x-Antriebe. Je nach Preisklasse gibt es mehr oder weniger Carbon. Unser Vertreter im Duell ist ein typisches Cross Country Hardtail: Das Focus Raven 8.8 – mit Rock Shox SID Federgabel, Shimano XT-Antrieb und Carbon-Rahmen. Bewährt, gut, bekannt – und leicht! Das Focus Raven 8.8 wandert für 2.999 € über den Ladentisch und wiegt schlanke 10,4 kg.
- Testbike Focus Raven 8.8
- Art XC-Hardtail
- Federweg 100 mm
- Rahmenmaterial Carbon
- Gewicht 10,4 kg
- Preis 2.999 €
Das Gravel Bike dagegen findet sich noch: Es begann als bequemeres Rennrad, bekam dann immer breitere Reifen und immer höhere Lenker. Inzwischen sind sogar Federgabeln und Dropperposts zu finden. Das Focus Atlas hält es mit seiner 2x-Schaltung ein wenig klassischer, aber die 45 mm Reifen sind auch schon ordentlich voluminös: So viel fetter sind die 2,25″-Reifen am Bruder Raven aber auch nicht. Wir fahren das Atlas in der Variante „6.8“, es ist für 1.999 € zu haben. Für 1.000 € weniger kommt es auf fast das gleiche Gewicht: 10,6 kg zeigt die Waage, was sich für ein Gravel Bike ehrlich gesagt schwerer anfühlt, als für ein Hardtail. Wer beim Gravel Bike mehr auf den Tisch legt, der kriegt auch hier weniger: etwas weniger Gewicht, weniger Gänge. Leichter als das Raven wird das Atlas aber nie. Das liegt am Alu-Rahmen und den vielen Befestigungsmöglichkeiten.
- Testbike Focus Atlas 6.8
- Art Gravel Bike
- Federweg —
- Rahmenmaterial Aluminium
- Gewicht 10,6 kg
- Preis 1.999 €
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Optik-Vergleich: Gravel Bike vs. MTB
Der Slider zeigt den Unterschied deutlich: auf dem Gravel Bike sitzt man weiter hinten und insgesamt tiefer. Auch Antrieb und Räder lassen sich mit dem Slider gut und direkt vergleichen.
Einsatzbereiche: Tempo oder Trails?
Was macht man mit einem Gravel Bike? Graveln! So weit, so klar. Und mit einem XC-Hardtail? Cross-Country fahren – auch klar. Was unterschiedlich klingt, ist eigentlich auch schon der Zusammenhang: Schotter kann man schließlich auch mit dem Hardtail gut fahren, leichte Trails auch mit dem Gravel Bike. Auf Asphalt sind beide nicht ganz zu Hause, ebenso wenig auf schwierigeren Strecken. Schauen wir uns das Duell also in den verschiedenen Disziplinen genauer an!
Allroad, Gravel Bike oder Cyclocrosser: Das sind die Unterschiede zwischen den Offroad-Rennrädern
Gravel Bike vs. XC-Hardtail im Test
Straße
Gravel Bike 1:0 XC-Hardtail
Beginnen wir dort, wo keines der Bikes zu Hause ist: auf der Straße. Das Gravel Bike ist im Vorteil, klar. Je nach Interpretation kann man sogar mit Rennrädern mitfahren. Die hier getestete Interpretation von Focus ist allerdings schon deutlich stärker vom Rennrad abgegrenzt. In Konsequenz will man damit nicht wirklich bei einer Gruppe Rennradfahrer mitfahren. Im Windschatten geht’s, mehr aber auch nicht. Die Gravel-Reifen rollen schwerer, man steht aufrechter im Wind. Im Gegenzug fährt man auch elegant über Kopfsteinpflaster, Bordsteinkanten und Trambahn-Schienen.
Das Mountainbike ist auf der Straße wieder außer Mode gekommen. Anfang des neuen Jahrtausends war es ja sogar mal Mode, mit Stollenreifen und Vollfederung durch die Stadt zu fahren. Des Vergleichs halber habe ich das Mountainbike mal wieder durch die Stadt bewegt, und stelle fest: So schlimm ist es gar nicht. Ja, rollt – mit adäquatem Reifendruck – schlechter als das Gravel Bike. Aber auf meinen Arbeitsweg von 35 Minuten habe ich mit dem Focus Raven auch nur eine, maximal zwei Minuten länger gebraucht. Trotz 95 % Asphalt.
Zwischenfazit: Leichter Vorteil fürs Gravel Bike. Wer Straßenreifen montiert, der kann ernsthaft schnell werden. Die Gravel-Interpretation des Focus Atlas ist aber nicht wirklich für die Straße konzipiert, und so ist der Vorteil gegenüber dem XC-Hardtail kleiner als gedacht.
Forststraßen
Gravel Bike 2:1 XC-Hardtail
Die Heimat des Gravel Bikes, denn die meisten Forststraßen in Deutschland sind geschottert. Man möchte sagen: Gravel. Manche grober Schotter, mancher ziemlich fein – und ehrlich gesagt macht das Gravel Bike vor allem auf den feinen Sorten Spaß. Hier, wo man mit Tempo 30 dahinfliegen kann, ist die kompakte Sitzposition von Vorteil. Solange es nicht zu steil bergauf geht, kann man den perfekten der fein abgestimmten Gänge wählen. Bergab kann man auch bei sehr hohem Tempo noch mittreten. Passt!
Das XC-Hardtail trägt Gravel nicht im Namen, und dennoch muss ich sagen: auf Gravel ist es absolut zu Hause. Und zwar nicht nur auf dem feinsten Schotter, sondern auch auf gröberem. Klar, die Gangsprünge sind etwas größer, der Luftwiderstand höher, aber ganz ehrlich: die Reifen rollen top und der Tempounterschied zum Gravel Bike nicht vorhanden.
Zwischenfazit: Glatte Forstraßen laufen auf dem Gravel Bike perfekt, doch das XC-Hardtail fliegt ebenso fröhlich drüber. Für einfache Forstraßen würde ich sagen: unentschieden.
Schlechte Forststraße
Gravel Bike 2:2 XC-Hardtail
Groben Schotter meide ich mit dem Gravel Bike wie die Pest. Man kann mit dem Reifendruck spielen, um hier ein wenig weniger Pest meiden zu müssen, aber gut wird das Gravel Bike auf grobem Schotter nie. Es gilt für den reinen Komfort: je weniger Reifendruck, desto besser. Die Sache mit wenig Reifendruck am Gravel Bike hat aber einen Haken: Die Lenkung wird ziemlich träge, unter 2 Bar beginnt Self-Steering. Heißt: Lenken verstärkt sich selbst, die Mittellage findet sich schwierig, freihändig fahren nicht mehr einfach, oder in einem Satz: macht keinen Spaß. Das Gleiche gilt, wenn sich echte Wasserrinnen gebildet haben oder es richtig steil wird. Macht keinen Spaß.
Die Voraussetzungen für einen Punktsieg des XC-Hardtails in unserem Vergleich Gravel Bike vs. MTB sind auf der Forststraße also gut. Durch die breiteren Reifen am XC-Hardtail (10 mm mehr) will und kann man auch noch einen niedrigeren Reifendruck fahren. Der Vorteil vom Mountainbike: Die Lenkung bleibt auch bei 1,5 Bar oder sogar weniger noch direkt, leichtgängig und ohne große Einflüsse. Das liegt am breiteren Lenker, der einen besseren Hebel bietet. Es liegt weiterhin am flacheren Lenkwinkel und dem weiter hinten liegenden Schwerpunkt. Weniger Druck auf dem Vorderrad führt zu weniger Self-Steering. Wasserrinnen, Stufen oder sonstige Schwierigkeiten verursachen keine Sorgenfalten.
Zwischenfazit: Für schlechte oder steile Forststraßen geht der Punkt klar ans XC-Hardtail. Sie sind mit dem Gravel Bike noch fahrbar, aber Fahrspaß kommt hier sicher nicht auf.
Singletrails 2:3
Trails: hier ist das Mountainbike heimisch. So ist es nicht besonders überraschend, dass es hier Spaß macht. Das Focus Raven geht schnell voran, liegt aber auch ausreichend stabil, um sich von Querwurzeln nicht durcheinander bringen zu lassen. Ohne Dropperpost hat der Trailspaß zwar ein Limit, doch das liegt schon ziemlich hoch: Die RockShox SID der neuesten Generation und die Bremsen bieten schon einiges an Sicherheit. Obwohl das Raven nur ein Kettenblatt hat, ist seine Übersetzungsbandbreite größer als die des Atlas. Und sie ist natürlich insgesamt extrem viel kürzer, somit besser für steile Anstiege.
Wie viel Sicherheit ein modernes XC-Hardtail bietet, wird einem besonders nach einer Runde auf dem Gravel Bike klar. Denn während es natürlich auf dem glatten, handtuchbreiten Singletrail noch genauso gut läuft wie auf einer glatten Forststraße, schüttelt es ab der ersten Wurzel ordentlich durch. Wer die Dritten drin hat, sollte gute Haftcreme verwenden, bevor er mit dem Gravel Bike Wurzeln attackiert. Von Gravel Bike-Fans habe ich gehört, dass es ihnen auf einfachen Trails den Spaß zurück bringt: „Back to the roots, im wahrsten Sinne des Wortes: Mehr kämpfen, Grip suchen, so etwas.“ Ich persönlich fand keinen Spaß daran. Der Unterlenker bietet hier – meiner Meinung nach – nur Nachteile. Nach längeren, holprigen Strecken schmerzen die Handflächen. Immerhin: Die Shimano GRX Bremsen sind kräftig und gut zu dosieren. Es bleibt aber ein Mysterium, warum die Bremshebel in der schlechtesten Bergab-Gravel-Lenkerposition (nämlich im Unterlenker) am besten zu ziehen sind.
Zwischenfazit: Ohne Frage ist das Mountainbike dem Gravel Bike auf Singletrails meilenweit überlegen.
Einsatzbereich-Fazit Gravel Bike vs. MTB
Ein 2:3 klingt knapper, als das Duell Gravel Bike vs. MTB für mich eigentlich ist. Es gibt so gut wie keinen Grund, das Gravel Bike dem XC-Hardtail vorzuziehen. Der Vorteil des Gravel Bikes auf Asphalt ist marginal. Der Vorteil des Mountainbikes in schwierigerem Terrain dagegen gigantisch. Dennoch hat das Gravel Bike seine Daseinsberechtigung: Als entspannter Commuter für all jene, die eh nicht vorhaben, damit Trails zu fahren.
In unserem markeninternen Duell Focus Raven vs. Focus Atlas spricht außerdem die Bikepacking-Eignung für das Atlas. Es ist so voll mit Aufnahmemöglichkeiten, dass man gleich einpacken und losfahren will. Außerhalb der Marke Focus halte ich aber auch das Mountainbike – also ein Fahrrad mit über 50 mm breiten Reifen und Flatbar – für das bessere Bikepacking-Zweirad. Komfortabler, fahrstabiler.
Gravel Bike und XC-Hardtail: Das unterscheidet die Konzepte technisch
Zwei unterschiedliche Bikes, zwei recht ähnliche Einsatzbereiche. Für mich, der offen gesagt auch mehr Zeit seines Lebens auf dem Mountainbike verbracht hat, ist das XC-Hardtail das bessere Konzept. Die wichtigsten technischen Unterschiede im Detail:
Unterschied #1: Lenker
Der Rennlenker bietet mehr Griffpositionen und bringt uns in eine aerodynamischere Haltung (Tipp: alles über Gravel-Lenker). Im Gegenzug bietet der Mountainbike-Lenker mehr Kontrolle und mehr Bremskraft. Wenn ihr mich fragt: Kauft euch Inner Barends und baut sie ans Mountainbike – das kombiniert das Beste aus beiden Welten.
Unterschied #2: (Feder-)Gabel
Carbon-Starrgabel am Gravel Bike, Rock Shox SID am Mountainbike: Unterschiedlicher wird’s nicht. Im Inneren der SID High-Tech ohne Ende, an der Starrgabel zählen die Befestigungsmöglichkeiten für Gepäcktaschen, Licht und Schutzblech schon zu den Features. Die SID funktioniert klasse. Gebraucht wird sie aber ehrlich gesagt erst ab dem Singletrail, breite Reifen können hier schon viel kompensieren. Meinetwegen könnten Mountainbikes mit Starrgabel gern wieder Mainstream werden.
Unterschied #3: Schaltung
Mit 510 % steht am Mountainbike eine größere Spreizung der Gänge zur Verfügung, und das ohne sich mit einem Umwerfer rumschlagen zu müssen. Umwerfer schalten auch 2021 nicht so direkt, schnell und sicher, wie man es sich von einer Gangschaltung erwartet. Deshalb gilt für mich: wenn Gravel Bike, dann mit 1fach-Antrieb.
Unterschied #4: Befestigungsmöglichkeiten
Kommen wir zur Kür in unserem Vergleich Gravel Bike vs. MTB: Das XC-Hardtail ist ein Sportgerät, das Gravel Bike ein Abenteuergerät. So scheint es in den Lehrbüchern der Produktmanager zu stehen. Ergebnis: Kunden fahren kurze Touren und Rennen mit dem Mountainbike, lange Abenteuer und Stadtflüchte mit dem Gravel Bike. Abgesehen von Nischenherstellern wie Salsa hat scheinbar noch keiner gecheckt, dass lange Abenteuer mit dem Mountainbike Spaß machen, und man deshalb auch an einem Hardtail einfach mal ein paar Aufnahmen für Gepäck gebrauchen kann.
Technik-Fazit Gravel Bike vs. MTB
Wenn es mehr Mountainbikes mit Befestigungsmöglichkeiten geben würde, entfiele ein starkes Argument fürs Gravel Bike. Federgabeln gibt es inzwischen auch für Gravel Bikes, 1fach-Antriebe sowieso, und die Reifen nähern sich einander immer weiter an. Streichen wir sie aus unserer Diskussion, fällt auf, dass eigentlich nur noch eine Entscheidung getroffen werden muss: Rennrad-Lenker oder Mountainbike-Lenker? Mehr Kontrolle oder weniger Luftwiderstand? Und plötzlich wäre die Frage „XC-Hardtail oder Gravel Bike?“ ganz einfach beantwortet. Und zwar für jeden individuell.
Wer von euch schwankt zwischen diesen Bikes? Oder ist die Sache für euch klar?
Du interessiert dich für das Thema Mountainbike? Im Mountainbike Einsteiger Guide
von unseren Kollegen auf MTB-News.de findest du die wichtigsten Informationen!
22 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumHat nichts mit der Position zu tun, eher das handling und (für mich) eine schnellere/direktere Bremsmöglichkeit.
Ich bin seit 20 Jahren primär mit dem MTB in meiner Freizeit unterwegs. Hatte aber schon immer ein Gravel um den Arbeitsweg möglichst effizient auf Wald , Wiese und Flur zurückzulegen.
Für mich ist und bleibt der Rennlenker die beste Lenkerform für den Rennradsport. Alle fahren in die gleiche Richtung, alle haben vergleichbare Bremswege, alle können technisch ziemlich gut Radfahren- alles top.
im öffentlichen Raum sieht das anders aus. Egal wie man es dreht und wendet an einem Rennlenker gibt es keine Griffposition die es einem ermöglicht gleich gute Bremswege wie mit einem Flatbar zu erzielen. Das liegt offensichtlich am deutlich weiter vorn liegenden Schwerpunkt.
Die aerodynamischen Vorteile des Rennbügels greifen erst ab ca 25 km/h aufwärts. Um dauerhaft 25 km/h und mehr auf Schotter zu fahren setzt einen ziemlich guten Trainingszustand voraus
Von daher ist die Frage schon sehr berechtigt wie sinnvoll so ein Gravel im Alltag ist. Die meisten Fahrer sind mit Flatbar , Starrbike und entsprechender Bereifung wahrscheinlich sicherer unterwegs.
Für Langstrecken überwiegen wohl wieder die ergonomischen Vorteile des Rennbügels🤔
am besten wäre mal ein wattgesteuerter Versuchsaubau bei dem man ein Rad sowohl mit Flatbar ( plus Spinaccihörnchen) als auch Mit Rennbügel aufbaut und Vergleichsfahrten macht.
Schöner Bericht und da kommen mir auch die Gedanken meinen Fuhrpark zu erweitern. Wobei ich mir auch ehrlich gestehen muss, mit meinem Zeitfahrrad und dem QuerfeldeinCrosser bin ich sehr glücklich. Im Harz bei den Abfahrten würde ich mir aber schon eine Federgabel wünschen. Es gibt ja noch die Kategorie zwischen dem Gravel und MTB.... ala Topstone mit Federgabel.... welche Schublade ist das eigentlich.... "GravelHardTail" 😉
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