Wie im RRTY-Faden angedroht, habe ich einen Erfahrungsbericht zum
Randonnée dei due Golfi verfasst. Da in Italien gestartet wird und das Ganze vom Club I Draghi aus Cervignano organisiert wird (und ich das Interesse daran nicht einschätzen kann), nutze ich mal diesen Thread dazu
Prolog
„Resturlaub ist bis März zu verbrauchen!“ - So lautet die Anweisung, und ich habe noch fünf Tage aus dem Vorjahr über. Fünf Tage Urlaub, damit kann man schon ein bisschen was anfangen. Nur wohin? Jetzt, Anfang Februar, ist das Wetter in Berlin grau und kalt und durchgehend verregnet. Rad fahren möchte ich. Die Sonne soll scheinen. Am besten ein paar Höhenmeter. Mit der Bahn innerhalb eines Tages zu erreichen. Italien? Auf der Website von ARI, den Audax Randonneuren Italia, finde ich das „Randonnée dei 2 Golfi“ vom Fahrradclub I Draghi aus Cervignano. 300km und fast 4000 Höhenmeter auf einer Route durch Italien, Slowenien und Kroatien. Der E-Mail Kontakt mit Alex, dem Ersteller der Tour, räumt die letzten Zweifel aus. Das möchte ich fahren! Auch wenn es Februar ist, die Wettervorhersage drei Wochen im Voraus eher unbeständig, und der Respekt vor der Route auch groß ist.
So geht es am 25.02. mit dem Zug von Berlin über München, Villach und Udine nach Friulien. Am 26.02. rolle ich nur 75km durch die flache Gegend und schaue mir das Unesco-Weltkulturerbe Städtchen Palmanova an.
Das Randonnée
Am 27.02. steige ich morgens um 5:40 Uhr in den Zug um zwei Stationen nach Cervignano zu fahren. Der Zug ist pünktlich um 5:52 Uhr da, aber auf dem kurzen Weg zum Startpunkt verfahre ich mich noch. Fängt ja gut an. Vor dem Clubhaus von I Draghi starte ich meine Geräte, mache ich das erste Kontrollfoto, sende es direkt an Stefano, und steige dann auch wieder auf die Pedale. Los geht’s um 6:07 Uhr!
Die ersten 20km sind flach. Der Wind kommt von vorne und ist stark. Die Sonne geht langsam auf. Den ersten kleinen Anstieg von San Michele bis Doberdò del Lago bezwinge ich bereits im Sonnenlicht. Auf kleinen Straßen ist die slowenische Grenze bald erreicht. Der Wind kommt von vorne und ist stark. Die nächsten 40km steigt der Track langsam und gleichmäßig bis auf ca. 450m ü. M. In Dutovlje ist der erste Checkpoint erreicht. Ich mache ein Kontrollfoto und sende es direkt an Stefano. Es ist schon 8:31 Uhr. Der Schnitt den der
Garmin zeigt ist nicht ermutigend. Noch kurz ein Happen gegessen und wieder aufs Rad. Mittlerweile folge ich etwas größeren Straßen. Der Verkehr ist allerdings immer noch sehr gering, und die Straße schlängelt sich durch ein Flusstal weiter bergauf, der kroatischen Grenze entgegen. Dort soll ich mich rechts halten, da hinter dem Grenzübergang eine Autobahn beginnt. Scheinbar ist die Sauerstoffversorgung des Gehirns nicht mehr so ganz gegeben, denn ich probiere direkt hinter dem slowenischen Grenzposten rechts zu fahren. Das quittieren die Kroatischen Grenzer mit wildem Gestikulieren und lauten Rufen. So auf meinen Fehler aufmerksam gemacht, reihe ich mich in die Schlange der PKW am Grenzübergang ein. Nach kurzem Blick auf meinen Ausweis und Scannen des Covid-Passes geht die Fahrt auf kroatischen Boden weiter!
Kurz vor der kroatischen Grenze
Wie angekündigt geht es bald nach der Grenze rechts ab auf eine kleine Wirtschaftsstraße, geradeaus geht es nur auf die Autobahn. Der Abschnitt ist aber sehr kurz, beim Ort Rupa wird wieder eine größere Straße erreicht. Nun geht es bergab – erst leicht, dann stärker. Bei Matulji, kurz vor Opatija treffe ich auf den Kvarner Golf. Schnell ein Foto gemacht, und etwas gegessen und es geht weiter – nun südwärts auf der stärker befahrenen Küstenstraße. Auf diesen 10km hilft mir der Wind aber, sodass ich gut mit 35-40 km/h im Verkehr mitschwimmen kann. Nach Ičidi wird es aber direkt langsamer – nun stehen auf den kommenden 16 Kilometern 940 Höhenmeter an. Der Poklon Pass im Učka-Gebirge folgt. Abgesehen von einigen steileren Stücken ist der Anstieg aber sehr gleichmäßig zu fahren. Es wird gemütlich mit dem kleinsten Blatt hochgekurbelt. Oben angekommen ist es verdammt kalt, rechts und links der Straße liegt Schnee. Hier wird noch schnell ein Kontrollfoto gemacht und es geht bergab! Kalt wird auch die Abfahrt, bei der der Wind auch wieder tückisch wird. In starken Böen ist er unberechenbar, sodass ich bergab nicht einfach laufen lassen kann, sondern meinen gesamten Körper einsetzen muss um das Rad in der Spur zu halten. Auf der Abfahrt springt mir dann auch noch bei über 60km/h mein altes Navi aus der Halterung und landet auf dem Asphalt. Nachdem ich fluchend abbremse und ein stückweit wieder bergauf fahre finde ich es wieder – völlig intakt, auch das Display. Bloß das Gehäuse hat einige tiefe Schrammen abbekommen. Die Abfahrt erfolgte auf einer etwas größeren Straße, nun geht es rechts ab. Es folgt direkt wieder ein Anstieg, hoch in die Orte Paz und Africi. Der ist zwar wesentlich kürzer, gefühlt aber steiler als der Anstieg zum Poklon Pass. Vielleicht sind es aber auch nur die Ermüdungserscheinungen die ihren Tribut zollen. Bis kurz vor Buzet folgen noch mehrere kleinere Wellen auf wenig befahrenen Straßen. In Buzet folgt das nächste Kontrollfoto, bevor es wieder in Richtung slowenische Grenze geht. Das Straßenschild in Buzet ist aber etwas sehr optimistisch als es verkündet dass es nur noch 30 Kilometer nach Trieste seien. Laut meines Roadbooks sind es noch 50 – und in Trieste wollte ich noch im Hellen ankommen! Bei 2 Stunden bis zum Sonnenuntergang wird das bei nur noch 30 Kilometern hoffentlich gelingen.
Am Kvarner Golf angekommen
Der Fehler fällt den Straßenschildern aber auch bald auf – die nächsten verkünden wieder Distanzen jenseits der 50km bis Trieste. Bevor es nach Italien zurückgeht, kurble ich allerdings erst, mal wieder bergauf, der slowenischen Grenze entgegen. Nach der Grenze hatte ich eigentlich gedacht ich hätte die Anstiege geschafft. Ein letzter folgt allerdings noch, und der hat es in sich – weniger aufgrund der Steigung als aufgrund des Windes, der noch einmal richtig aufdreht und mir, natürlich nur von vorne oder von der Seite, um die Ohren bläst. Hier ist nun auch mehr Verkehr, und mehr als einmal habe ich das Gefühl vom Wind wahlweise in den Seitenstreifen, in den Gegenverkehr oder gleich wieder rückwärts bergab gepustet zu werden. Dann ist es aber tatsächlich geschafft! Nach Trieste geht es jetzt bergab, direkt bis in die Innenstadt rein! Tatsächlich ist es noch hell, auch wenn die Sonne bereits hinter dem Horizont verschwunden ist. Bald bricht aber die Dunkelheit ein, und ich folge der dicht befahrenen Küstenstraße westwärts. Vom Wind merkt man hier nicht mehr viel, aber ich fahre konstant mit 28 bis 30 km/h – dass ich auf den letzten Kilometern einer Langstreckenfahrt den Schnitt nochmal verbessere, passiert mir auch zum ersten Mal. 50km sind es jetzt noch zurück nach Cervignano, aber vorher muss ich noch das Kontrollfoto in Sistiana bei Kilometer 271 machen. Die Bar finde ich aber leider absolut nicht – als Ersatz muss ein Restaurant am Ortsausgang herhalten. Mit 2% Akku des Telefons mache ich das letzte Foto und schicke es wieder direkt an Stefano. Nun geht es noch durch Monfalcone – auf den letzten Kilometern bis Cervignano hilft mir der Wind nochmal richtig. Gegen 19:50 Uhr komme ich in Cervignano an – und werde von Stefano und Ranieri vom Club I Draghi gleich mit Sekt, „Bravo“-Rufen und der deutschen Hymne empfangen. Im Clubhaus haben die zwei auch richtig aufgetischt, und so werde ich mit Bier, Käse, Speck, Brot und Kuchen verköstigt. Leider reicht mein Wissen aus dem Italienisch-Grundkurs im Studium nicht für eine fließende Verständigung, aber trotzdem schaffen wir es über die Route und andere Brevets zu fachsimpeln. Das Randonnée dei 2 Golfi ist nur eins von vielen Brevets dass der Club ausrichtet – üblicherweise als „klassisches“ Randonnée, die Möglichkeit es als Permanente zu fahren existiert erst seit Covid. Und da sind so einige richtig dicke Bretter dabei: Das Grand Randonnée del Friuli, mit 400km und fast 7700 Höhenmetern oder das Super-Randonnée Alpentraum, mit 608km und fast 12000 Höhenmetern. Interessant ist auch die Monte Matajur Challenge – auf sechs verschiedenen Strecken geht es auf diesen vom Giro d´Italia bekannten Gipfel. Als erster Finisher des Jahres 2022 verewige ich mich auf einer Tafel die am Clubhaus für die permanenten Randonnées angebracht ist. Anschließend will ich mit dem Zug zurück zu meiner Unterkunft fahren, aber Ranieri bringt mich lieber mit dem Auto zurück. Daher auch an dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an das Team von den I Draghi, für die super Organisation, die großartige Strecke, und die riesige Gastfreundschaft!
Alle Kontrollfotos
Tafel der Finisher
Epilog
Am nächsten Tag schlafe ich erstmal lange – nachdem mir das dann zu langweilig wird, fahre ich nach Trieste und schaue mir ein wenig die Stadt an. An dieser Stelle ein Bikepacking-Hack: Ein Pulsgurt taugt hervorragend als Gürtelersatz in einer leichten Outdoor-Hose. Am darauffolgenden Tag geht es wiederrum erst mit dem Zug nach Trieste und anschließend per Rad mit Gepäck nach Pula. In Pula mache ich wiederrum einen Tag Pause, bevor es über 200km nach Ljubljana geht. Auch Ljubljana schaue ich mir noch einen Tag an, bevor ich, mit nur einem Umstieg in München, von der Bahn zurück nach Berlin gebracht werde.