Jetzt zum eigentlichen Brevet:
Nach dem nicht geschafften 400er war die Qualifikation für P-B-P eigentlich nur noch zu schaffen, wenn ich vor dem Familienurlaub nach Pfingsten zwei 600er fahre, da keine 400er mehr angeboten werden. Das bedeutet, den bereits geplanten 600er in Spich zu fahren und danach einen am Pfingstwochenende. Die Bedingungen für Spich waren sehr gut, bedeutend besser, als an allen anderen Terminen. Starttemperaturen über10°, als Tagestemperatur wurden um die 25° erwartet und nur am ersten Tag waren ein paar Nieselschauer zu befürchten.
Morgens um 4 ging es beim ersten Dämmerlicht von zu Hause los und ein leichter Rückenwind ließ mich überpünktlich bei schönstem Morgenrot in Spich ankommen. Bei der Abfahrt hatte sich der Westhimmel schon zugezogen, aber in Richtung Osten war noch alles blau. Das Siegtal lief ganz entspannt wie von selber, in Schladern war dann Zeit für das 2. Frühstück im Bahnhofscafe. Zusammen mit
@roykoeln ging es weiter Richtung 1. Kontrolle. Hinter Kirchen gab es einige nasse Stellen auf der Straße, aber Regen war weit und breit keiner zu sehen. Roys Wunsch nach einem Kaffee ließ sich in Niederschelden leicht erfüllen, kurz bevor der kurze, aber steile Anstieg auf den Höllenwald kam. Im Kaffee erfuhren wir, dass es kurz vorher einen längeren Regenschauer gegeben hatte. Bei der Durchfahrt durch Siegen war aber nichts Nasses mehr zu sehen, dafür waren wie immer zu viele Autos unterwegs. Hinter Nethpen wurden die Wolken dichter und oben an der Eisenstraße sah es trübe aus. In Deuz begann leicher Nieselregen, aber je höher wir kamen, desto schwächer wurde es und an der Siegquelle war auch in der Ferne vom Regen nichts mehr zu sehen - ganz im Gegensatz zum letzten Jahr, als in Siegen und Kirchen am Nachmittag richtige Sturzbäche runterkamen. Der Magen meldet jetzt seinen Bedarf an. Im Gasthof Lahnhof müssten wir eine Stunde warten, in der Lahnquelle soll es schneller gehen. Das war letztes Mal auch so angesagt worden und hat gestimmt, aber diesesmal dauert es doch ingsesamt eine Stunde. Die Abfahrt durchs Ilsetal brachte mit dem frisch aufgenommen Zusatzballast wieder den Geschwindigkeitsrekord: 73 km/h - eigentlich zu schnell für das schön Tal.
Da anschließende Lahntal rollt beschaulich-ereignislos an einem vorbei. Es gibt keine besonderen landschaftlichen Höhepunkte, sogar der namensgebende Fluß ist selten zu sehen. In Gießen ist Zeit fürs Abendessen. Die Pizza ist schneller da, als das Essen an der Lahnquelle, aber auch hier vergeht mehr Zei, als im vergangenen Jahr. Insgesamt ist die Ankunftszeit in Wetzlar dann eine knappe Stunde später als 2018. Der schönste Teil des Lahntals beginnt hier, nur versteckt er sich in der Dunkelheit, aber das ist besser, als das Wetterleuchten im vergangenen Jahr. Die Dunkelheit versteckt auch die Angler, die an manchen Stellen ihr Quartier auf dem Radweg bezogen haben. In Villmar braucht Roy eine kurze Schlafpause im ec-Hotel, aber bei mir braucht der Kreislauf lange, auf normales Maß runterzufahren. Das bessert sich aber sehr schnell beim Mini-Frühstück. In Limburg bekomme ich bei einer Bar noch eine Flasche Wasser, bevor sie die Tür abschließen. Auf der Umleitung am ersten Berg hinter Diez verlieren Roy und ich uns aus den Augen und ich fahre eine parallele Straße hinauf. Nach 2 km halte ich an, um auf der Karte nachzuschauen, ob ich noch richtig bin. Bevor ich den eigenen Standort gefunden habe, ist aber auch Roy schon da. Gemeinsam geht es Höhenmeter um Höhenmeter weiter bis nach Steinsberg, wo die schmale Serpentinenabfahrt folgt. Man kann sich bei der Straße vorstellen, was passiert, wenn da ein
Bus runterfährt:
Unten überlegen wir, den zweiten Hügel über Bremberg oder die längere Umfahrung durchs Lahntal zu nehmen und entscheiden uns für die flache Variante. In Laurenburg werden wir von feuchtem Bodennebel begrüßt, der sich bis Obernkirchen hinzieht. In Nassau ist noch mal Zeit für ein ec-Hotel, in dem bereits ein Mitfahrer liegt. Da Roy nur noch diesen 600er zur Quali braucht, fährt er etwas zügiger weiter, während ich bei meinem Tempo bleibe. Der beginnende Berufsverkehr wird unangenehm, zumal die Frühschichtler sehr schnell über die Landstraße brettern. In Koblenz bin ich um 07:00, die Stunde später als im Vorjahr ist konstant geblieben.
An der Mosel kommt langsam Bewegung in die Atmosphäre: Ein leichter Südwest ist natürlich dort die unpassendste Richtung. Hinter Winningen kommt mir der 3. Mann aus Nassau entgegen: Der Wind hat ihm gereicht. Dabei war die Erlösung nahe: Ab Bruttig-Fankel spielt der Wind keine Rolle mehr, da ging es windgeschützt bergauf

. Das Fahrgeräusch änderte sich dramatisch: Kolononnen von bis zu 15 Motorräder, überwiegend aus Belgien und Holland, bretterten die Kurven rauf. Auch das Fahrgefühl war anders: Der gute, alte Brooks-
Sattel fing an zu drücken. Ich hatte ihm Herbst einige Nieten ersetzen müssen und dazu komplett entspannt und dann wieder neu gespannt, was neues Einfahren bedeutete. Bisher ging alles gut, aber nach 400 km war die Belastung an den Sitzknochen doch zu groß. Mit einigen Pausen war es aber ohne zu großen Zeitverlust möglich und die letzte Kontrolle in Zell an der Mosel war erreicht, immer noch mit 1 Stunde Reserve. Die große Überraschung war Roy, der fünf Minuten nach mir ankam. An der Tankstelle gab es ein leckeres Curry und jede Menge andere Radler aller Gattungen. Die Bedienung meinte, heute wäre eine richtige Radler-Invasion. Die ersten wären schon morgens um fünf Uhr am Nachtschalter gewesen und hätten neben dem Stempel auch eine Aufwärmpause im Innenraum gewünscht, der eigentlich zu der Zeit noch geschlossen war.
Nach der Pause lief es flach im warmen, aber verkehrsreichen Moseltal bis Alf. Danach war wieder Ruhe in der Eifel, die ich für ein Nickerchen auf einer Bank genutzt habe - irgendwann kommt dann doch die Müdigkeit. Aufgewacht bin ich, als zwei Radler vorbeifuhren, die ich im Halbschlaf gehört hatte: "Der macht es richtig". Hinter Bad Bertrich kommt dann der meiner nach härteste Anstieg der Tour, weil es mit über 400 km in den Beinen 5 km lang den Berg nach
Kennfuss hoch geht. Da der
Sattel wieder drückte, habe ich nach kurzer Überlegung die MTB-Variante gewählt. Da die 19% nur mit frischer Kondition fahrbar sind (das MTB-Profil ist im Moment noch fälschlich bei Quäldich bei der Straßenbeschreibung hinterlegt) , war das eine "erholsame" Schiebestrecke. ImWald war auch der Lärm der Motorrad-Kolonnen etwas erträglicher. Nach den 1,5 km Sitzpause war das Fahren dann wieder möglich. Flach über die Hochfläche bis es hinter dem Flughafen Büchel in eine schnelle Abfahrt ins Tal der Wilden Endert geht (der Wanderweg im Tal ist eine schöne Strecke fürs MTB). Die anschließende Rampe hoch nach Laudert forderte dann wieder einige Pausen. Oben auf der Höhe traf ich Roy wieder. Er saß mit einem Eis in der Hand vor einer Tankstelle. Die Idee habe ich sofort aufgegriffen und mir auch eins geholt. Mit frischen Kalorien war die nächste Abfahrt ins Elztal natürlich einfach, die kurze Rampe von Monreal nach Mayen dann wieder nicht mehr. Der Berufsverkehr in Mayen war wie letztes Jahr eine Zumutung. Statt 3 km stadtauswärts mit und neben einer Autokolonne bis zum Abzweig der Schnellstraße zu schleichen, habe ich die Landstraße über Ettringen und Bell zum Laacher See genommen. Landschaftlich deutlich reizvoller als das Original, das in Thür und Mendig bei vergleichbarer Länge und Höhenmetern durch die Gewerbegebiete geht.
Am Laacher See kamen dann noch mal die Motorräder und dann die lange Abfahrt zum Rhein. Hier hatte ich letztes Mal so viel Zeit gut gemacht, dass ich ab Brohl die letzten 50 km in drei Stunden abbummeln konnte, um nicht noch mal in den Regen zu kommen. Heute war strahlender Sonnenschein, aber nur noch zwei Stunden Zeit. Das ist deutlich oberhalb meiner Möglichkeiten, auch wenn es nur eine halbe Stunde zu viel ist. Da habe ich der Versuchung nachgegeben und bin gemütlich am Rhein entlang Richtung Troisdorf gebummelt und bei km 580 mit der Fähre nach Hause übergesetzt.