Vorab: ich gehe auch davon aus, dass Alkohol gefährlich und schlussendlich heikel ist. Ich möchte ihn im Folgenden nicht verharmlosen. Aber wenn man auf aufklären möchte, dann sollte man möglichst bei den Fakten bleiben und nicht übertreiben.
Alkohol ist ein Nervengift und schädigt ab dem ersten Tropfen.
Das stimmt so nicht. Erstmal ist Alkohol ein Zellgift, und zweitens braucht es recht viel davon, um seine Giftwirkung wirklich zur Entfaltung zu bringen. 0.5 ml - "ein Tropfen" - reicht da einfach nicht. Da reden wir schon von einem Dutzend Milliliter aufwärts; siehe auch unten durch dich selber (10 bis 20 g).
Zum Vergleich: die letale (tödliche) Dosis bei Heroin und Kokain beträgt ca. 0.1 g. Das wäre viel weniger als "ein Tropfen". Bei LSD ist es IIRC sogar so, dass 15 micro Gramm reichen.
Wie Walter Mörs in "Schöner Leben mit dem kleinen Arschloch" schrieb, sind die Alkoholiker somit die Handwerker unter den Drogensüchtigen. Ein Alkoholrausch benötigt soviel Stoff, dass er sich Schicht um Schicht hochziehen lässt, wie eine Backsteinmauer, und somit auch wesentlich besser dosiert werden kann. Dies eben darum, weil der eine Tropfen bei weitem nicht reicht - weder für die Rauschwirkung, noch für die Gesundheitsschädigung.
Egal ob es gesellschaftlich anerkannt ist oder historisch zu Europa gehört.
Aus gesundheitlicher Sicht gibt es keinen Unterschied zum Heroin, Crack oder LSD.
In mancherlei Hinsicht schon, siehe oben, und auch unten. Zudem sind die vier Drogen - Alk, Heroin, Crack, LSD - weitgehend unterschiedliche Drogen, sowohl was Anwendung, Dosierung als auch Wirkung und gesundheitliche Langzeitschäden angeht. Ich habe jedenfalls noch nie gehört, dass jemand "funktionierend" jahrzehntelang Heroin, Crack oder auch LSD konsumiert habe. Das mag teilweise mit dem Legalitätsstatus zu tun haben, aber bei z.B. Heroin auch mit der relativ schnell destruktiven Wirkung des Langzeitkonsums.
Wer Kritik am Alkohol mit „Ich will Warnhinweise für Gemüse“ ins Lächerliche ziehen will, hat ganz eindeutig nicht verinnerlicht, wie beschissen auch schon ein Bier am Tag ist.
Denn die Grenzwerte für riskanten Alkoholkonsum liegen bei 10g für Damen und 20g für Herren.
Das ist schon deutlich mehr als "ein Tropfen", zudem sind Gesundheitsempfehlungen notorisch zu tief angesetzt um möglichst keinen Fehler zu begehen, beispielsweise, damit Leute mit sehr niedrigem Körpergewicht nicht eine zu grosse Dosis einnehmen.
(Quelle: Riskante Trinkmengen - Fact sheet - Journal of Health Monitoring 2/2017)
Das entspricht also nur einer Büchse Bier oder dem Drittel einer Flasche Wein.
Diesen riskanten Alkoholkonsum habe ich vorher etwas drastischer als „Sauferei“ bezeichnet, das tut mir leid.
Ich kann es nicht belegen (weil ich auf die schnelle die Studien nicht mehr finde), aber es gibt auch Forscher, die mässigen Alkoholkonsum als gesund einstufen. Beispielsweise soll der Umgang mit Stress vereinfacht werden, resp. Stress verarbeitet werden, was einigen typischen Zivilisationskrankheiten entgegenwirkt (z.B. Herzprobleme). Beispielsweise wird vermutet - belegen kann ma so etwas ja kaum - dass die Südeuropäer nicht wegen ihrer Diät von typischen Zivilisationskrankheiten weniger gepeinigt sind, sonder weil sie über den Tag verteilt immer wieder ein Glas kippen.
Das Problem ist natürlich, dass aus dem einen Deziliter Rotwein (oder meinetwegen auch drei) pro Tag irgend wann eine ganze Flasche werden kann. Wie ungesund das wäre, kann ich nicht abschätzen. Allerdings kennt jeder von uns zahlreiche Beispiele von Leuten, die jahrzehntelang mindestens eine Flasche Rotwein pro Tag trinken - oder ein Äquivalent an anderen Alkoholika - und auch im Alter nicht grösser eingeschränkt sind als Abstinenzler.