AW: dröppelminna-cycling-team
Jetzt ist es mir passiert...
Irgendwann musste es ja soweit kommen. Aber schämen tu ich mich trotzdem nicht, obgleich es schon ein bisschen am Ego kratzt. Aber mal von Anfang an.
Das Wetter ist zum ersten Mal in 2011 schön, sonnig und über 10°C. Wenig Wind. Herrlich. Was liegt also näher als auf das Rennrad zu steigen? Wer sein Rad liebt, der plegt. Also außer Luft pumpen keine anderen Arbeiten. Die 3/4telhose, dicke Socken, Thermotrikot und dünne Regenjacke an. Dünne Mütze und die dünnen, langen Racehandschuhe. Herrlich. Genau die richtige Wahl des Outfits.
Garmin drauf und los (Brustgurt fand ich nicht, ist aber eine andere nicht kürzere Geschichte).
Der Berg zur Kammerforsterhöhe rauf war nicht da. Muss jemand abgetragen haben. Oder das Adrenalin und die Endorphine haben mir 800 Watt bei Ruhepuls in die Beine gehämmert. Egal. Abfahrt runter Richtung Dorf. ICH BIN SCHNELL. Der stockende Feierabendverkehr gab mir das Gefühl, es mit jedem Auto in der Schlange aufnehmen zu können (logisch, ich war ja Erster). Links ab Richtung Rade, dann wieder links den Pixberg hochfliegen. Es läuft, 5. Gang – 4. – 3. – 3. – 2. – 2. – 1. -1. -1. - … Mist, warum ist denn da keiner mehr. O.K. halb so wild, genieße ich halt die Aussicht und den tollen Blick auf die Wuppervorsperre (wenn da dieses hecheln nicht wär). Geschafft. Auf der Abfahrt dann wieder dieses Gefühl der Überlegenheit und des Tempos, das einen Hochleistungskörper wie meinen auszeichnet (oder schieben die 95 kg einfach nur?). Da kommen die Senke und der nächste steile Anstieg. „Den Schwung mitnehmen…!“ hallen mir Jörgs Worte der letzten Tour in den Ohren, also Vollgas und treten als gäbe es kein Morgen, den Schwung mitnehmen und dem Gipfel entgegensprinten…
An dieser Stelle würde ich jetzt gerne ab dem Overland weitererzählen. Mit dem Sauerstoff kommt nun auch das Farbsehen zurück (gut das der Pulsgurt verschwunden ist). Die Abfahrt nach Stoote zur Bever läuft wieder richtig gut (logisch: Newton). Ich lasse es gemütlich angehen und fahre mein Tempo (schnell fahren wird in der heutigen Zeit eh völlig übergewertet) an der Bever vorbei Richtung Oberlangenberg. Wieder einer dieser Pässe vor mir, aber diesmal lasse ich mich nicht wieder verleiten und fahre schön 34/27 (fühlt sich trotzdem wie 39/23an) bis oben hin, biege links Richtung Wipperfürth ab. Ab hier lief es wieder richtig gut und ich nahm ordentlich Fahrt auf (klar, ich hatte ja Rückenwind). Ortschaft Neye, rechts ab zum Flughafen und rauf auf den neuen Radweg/Bahntrasse. Beim drauf fahren kurz nach links geguckt, keine Gefahr, ein älterer Herr auf Mountain- oder Citybike in 100 Meter Entfernung, rechts frei. Fahrt aufnehmen. Leiern, wie der Wasserwerfer (DDR-Kader) immer zu sagen pflegt: Drehzahl 90-95, 25-27 km/h. Et läuft. Freie Fahrt soweit das Auge reicht. Kurz vor Kleineichen befinden sich Fußgänger auf der Trasse (haben ja auch ein Berechtigung, oder ?). Obligatorischer Blick über die Schulter (wer soll da schon kommen)… SCHOCKSCHWERENOT !!! Ein Schatten! Keine 20 Meter hinter mir. Wer oder was war das? Ich hatte den Verfolger doch gar nicht bemerkt (oder doch). Nur noch wenige Meter bis Straßenüberquerung. Ich halte und hinter mir quietschen
Bremsen. Ich traue mich nicht umzusehen. Die Straße wird frei und ich fahre los. Weiter die Trasse entlang. Target Speed: erreicht. Ich fahre mit 25km/h weiter.
Dann traf es mich: in Form des älteren, übergewichtigen Herren mit dem Cityrad. Er überholt mich. Das pure Entsetzen ins Gesicht gehämmert schaue ich nach links auf das in Tschibo-Bikewear gehüllte Alien. Es sitzt mit einer racemäßigen Vorlage etwa 1 Uhr geneigt auf dem CITYRAD, hat Schutzbleche und einen Schnurrbart (wusste gar nicht, dass es die noch gibt) und grüßt mit einem Lächeln.
Es war einer dieser Momente, in denen man sich das Beamen herbeiwünscht (oder einen Vulkankrater). Ohne mich auf dieses Matchogehabe einzulassen fahre ich gemütlich weiter und tue ihm so richtig weh: mit Ignoranz.
In Hückeswagen an der Kreuzung Etapler Platz habe ich ihn an der Ampel wieder ein. Ich schaue wohin er fährt und stelle mich in der anderen Spur an und grüße ihn mit einem Daumen-hoch der rechten Hand (links war ne Faust). Er freute sich und läuchelte, was man auch als Mitleid hätte deuten können. Seit diesem Moment steht für mich fest:
Traue keinem Freizeitfahrer, denn er könnte ein E-Bike haben. Teuflische Erfindung.
Der Rest der Tour verlief wenig spektakulär. Kobeshofen rauf und ab nach Hause. Jetzt gehe ich duschen und ab ins Bett.
Ich habe Angst. Angst vor der Nacht und den Träumen die sie bringen wird. Der Bart wird sich in die Tentakel des Großen Alten Cthulhu verwandeln und mich mit einem E-Bike in aufrechter Position jagen. Und ich kann mit meinem S-Works nicht entkommen…