AW: Natürliche Leistungssteigerung
Aus konkretem Anlass (der
Lungentrainer-Thread von Markus91) mal was zu ...
Training der Atmung
Kann ein eigenes Training der Atmung die Leistung von Ausdauersportlern (Radsportlern) nennenswert steigern? In kurz ja. In lang:
Zunächst aus zwei Meta-Studien über die Thematik: "Der Zustand des Atmungssystems ist wichtiger für die Leistung gesunder Menschen im Ausdauersport als bisher angenommen" [
Link]. "Wir folgern, daß in den meisten gut kontrollierten und streng angelegten Studien, die sachgemäße Resultatsmessung verwenden, Atmungsmuskulatur-Training eine positiven Einfluss auf die sportliche Leistung hat." [
Link]
Von
hier: Wie in verschiedenen Studien gezeigt, schaltet der Körper in den "Überlebens-Modus", wenn die Atmungsmuskulatur ermüdet. Der Blutfluss und der transportierte Sauerstoff werden abgezogen von den Muskeln des Bewegungsapparates und zur Atmungsmuskulatur weggeleitet. Das ist natürlich zentral, und stellt die Aussage "Ach was Atemtraining, Luft ist doch immer genug da" (was ja sogar stimmt) in den richtigen Zusammenhang.
Von
hier über Leistungssteigerung bei
etwas ausdauertrainierten Sportlern: Atmungstraining erhöhte die Atmungsausdauer von 6 Minuten auf ungefähr 40 Minuten. Radfahren an der anaeroben Schwelle wurde verbessert von etwa 23 Minuten auf etwa 31 Minuten (also um etwa 25 Prozent, wenn ich mich nicht verrechnet habe), während maximale Sauerstoffaufnahme und anaerobe Schwelle unverändert blieben.
Von
hier, eine Studie mit
trainierten Radsportlern: die Ergebnisse beim Zeitfahren, also im Grunde auch an der anaeroben Schwelle, wurden durchschnittlich um fast fünf Prozent verbessert. Hauptergebnis der Studie ist, das zwanzig Einheiten Atmungsmuskulatur-Ausdauertraining sowohl die Atmungsmuskulatur-Ausdauer als auch die Rad-Zeitfahrleistung bei neun von zehn trainierten, erfahrenen Radsportlern bzw. Triathleten deutlich erhöhte. Tipp: In dieser Arbeit sind sehr viele Referenzen zu Zusammenfassungen von Studien zu dem Thema verlinkt.
Praxis des Trainings
Wenn ich da als mäßig trainierter Ausdauersportler ein Potenzial von 25% Leistungssteigerung bei sehr geringem zeitlichem Aufwand (15 - 30 Min.) hätte, wäre das natürlich äußerst interessant.
Ich habe auch oft Rückenprobleme vom vielen Arbeiten am Rechner, die mir auf die Atmung drücken – da kann das gezielte Auftrainieren zusätzlich zu Gymnastik ganz klar was bringen. Vor allem kann man an Tagen, wenn man aus beruflichen Gründen überhaupt kein Sport hinkriegt, sehr gut morgens diese minimale Zeit investieren.
Habe mich natürlich intensiv mit dem offensichtlich einzigen Gerät beschäftigt, das ein Nicht-Widerstandbasiertes Atmungstraining ermöglicht, ohne daß einem schwindelig und schwarz vor den Augen wird, kommerziell vertrieben
hier. Alles sehr ausgereift und sinnvoll. In dem dazu gehörenden Trainings-Tagebuch (
hier) gibt es aufschlussreiche Hintergrundinfo, wie man die Trainingsplanung durchführt usw.
Nur: das Gerät ist mir leider
viel zu teuer, eine Summe von etwa 1000 € schüttelt man sich nicht gerade aus dem Ärmel. Vor allem, wenn man erstmal herausfinden möchte, ob einem Atemtraining überhaupt was bringt. Wie gesagt, wenn man die Atmung trainieren möchte, indem man anhaltend richtig kräftig und schnell ein- und ausatmet, wird einem nur sehr schnell sehr schwindelig - bitte mal kurz testen.
Eine einfache Lösung dafür ist eine handelsübliche halbdurchlässige Stofftasche aus dem Supermarkt. Wenn man die jetzt vor den Mund hält und versucht aufzublasen - ähnlich wie eine Brötchentüte, die man aufblasen will – und dabei sehr stark ein- und ausatmet, merkt man, wie sich beim Aufblasen etwas Atemluft durch den Stoff austauscht, genug, damit man noch Sauerstoff kriegt, und wenig genug, damit genug Kohlendioxid in der Tasche bleibt.
So, das einem fast gar nicht schwindelig wird! Auch beim genannten kommerziellen Gerät wird einem wohl manchmal ein ganz kleines Bisschen schwindelig, aber alles halt im vertretbaren Rahmen.
Ich hatte das Ganze zunächst noch auf ein kurzes Kunststoffrohr mit 5 cm Durchmesser gebunden. Noch besser ist ein handelsüblicher Taucher-Schnorchel mit einem kleinen Drahtgestell zum Aufspannen des Stoffsacks, dann kann man alles auf den Rücken legen und hat die Hände frei. Ggf. kann ich eine Bauanleitung posten.
Erfahrungen
Mein Atemtraining bestand, als ich das letztens mal länger ein paar Wochen zusammenhängend getestet habe, noch aus nur einer Viertelstunde morgens nach dem Aufstehen, Aufbau wie folgt: 15 Minuten sehr kräftiges Atmen bei 60 Atemzyklen in der Minute (vergleichbar etwa den Atembewegungen bei Vo2Max).
Zum Schluß hin fing ich an zu schwitzen und der Gaumen war manchmal nicht ganz geschlossen zu kriegen - nur damit man sich mal vorstellen kann, welche Kräfte da wirken und das, wenn man das öfters macht, dies auch einen Kräftigungseffekt haben sollte.
Ein Hinweis: das Training nicht abends machen. Die Atemmuskulatur scheint danach so ausgepowert zu sein, das man schnell in den Bereich der Schlafapnoe kommen kann und morgens völlig gerädert aufwacht.
Ergebnisse damals, nach zwei Wochen: Atmung deutlich kräftiger geworden, was ich im Alltag überall merkte, bis hin zur festerer Stimme. Nahm Vo2Max-Bereiche wesentlich lieber in Angriff, hatte auch am Schluss der Einheiten noch Druck auf dem Pedal. Durch die morgendliche Beschäftigung mit dem Thema achtete ich den ganzen Tag über mehr auf die Atmung. Leistungstests an der ANS waren nicht erfolgt, hätte ich aber äußerst interessant gefunden.
Großer Nachteil des Atemtrainings, bei allen Vorteilen wie minimale Zeitinvestition, winziges, billiges Sportgerät: es ist total langweilig.
Soviel mal zu dem Thema. Sorry für den vielen Text

, aber kürzer geht das glaube ich nicht.
