Ich glaube, mitunter kommt der Karneval, gerade auch bei Außenstehenden, zu schlecht weg. Zweifelsohne gehören der Alkoholkonsum und die Party zu den mitunter unschönen Erscheinungen. Wer sich aber genauer damit befasst, erkennt, dass auch zahlreiche gesellschaftliche Aspekte thematisiert werden. Die hier schon mehrfach verlinkte Stunksitzung ist nur ein Beispiel für alternative Karnevalssitzungen, die es im Rheinland in vielen Städten und Gemeinden gibt (im Übrigen ist auch die Mainzer Sitzung jedes Jahr ein beeindruckendes Stück). Das ist nichts anderes als politisches Kabarett mit Witz, Sinn und Verstand. Eine ähnlich geartete Sendung auf 3Sat ohne Karnevalsbezug würde mutmaßlich in den Feuilletons der großen Zeitungen als geistreich gefeiert.
Auch in den Karnevalsvereinen wird teils viel für junge Menschen getan und ist nicht alles schlecht. Die Gesellschaft, in der meine Nichte lange Mitglied war, ist z. B. anerkannter Träger der Jugendhilfe. Dort wurden sehr schöne Angebote jenseits von "saufen", "feiern" usw. unterbreitet. Auch sind Bläck Föös oder BAP nicht einfach "Karnevals- oder Partybands", wie ein Kommilitone bis zum Schluss immer wieder behauptet hat.
Ja, ich stehe der vielfach betonten "rheinischen Toleranz" (bis hin zur Selbstbeweihräucherung), die in vielen Teilen des Rheinlandes zu finden ist und in Köln wohl ihre Zuspitzung erfährt, sehr kritisch gegenüber. Auch die Geschichte von Frauen im Karneval ist keine ungetrübte, Karnevalsvereine sind mitunter patriarchalisch strukturiert. Ich denke aber schon, dass Karneval durchaus eine vergesellschaftende Funktion besitzt. Er ist Brauchtum und damit für nicht wenige Menschen auch identitätsstiftend - er ist aber ebenfalls, zwar nicht überall im gleichen Maße, politisch und engagiert.
Und ja, die Persiflage des Frankreichs unter Napoléon wurde schon thematisiert. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass der Elferrat nicht so heißt, weil er aus elf Mitgliedern besteht...