AW: Wer lackiert Crossrahmen im Gerolsteiner-Schlumpfblau?
Mit verlaub, es gibt keine speziellen Fahrradlacke.
Mit „Fahrradlack" meinte ich selbstverständlich einen, im Betrieb des Lackierers für die Lackierung eines Fahrrades in Bezug auf seine Härte, Weichheit oder Biegungsvermögen eingestellten Lack.
Wenn Du meine Beiträge aufmerksam liest, wirst Du erkennen, daß ich von der besonderen Sorgfalt schrieb, die der Lackierer auf die Bemessung der Härte des für die Lackierung des Fahrrades zur Anwendung kommenden Lackes aufwenden muß.
Eigenzitat:
Weil die Rohre von Fahrradrahmen sich wesentlich stärker bewegen als die Bleche von Autokarosserien, muß diesen Biegungen durch die Bemessung des Verhältnisses von Lack und Lackhärter Rechnung getragen werden, ansonsten würde der Lack schnell brüchig werden und abplatzen. Die Autolackiererei sollte also in jedem Fall auf Erfahrung im Lackieren von Fahrrädern verweisen können.
Außerdem sollte man eine klare Trennung zwischen Pulverbeschichten und Lackieren ziehen. Hier wird oft etwas durcheinandergewürfelt.
Ich habe den Begriff "Pulverbeschichtung" weder erwähnt, noch durch Andeutung oder Auslassung im Zusammenhang mit von mir Geschriebenem diese Technologie mit den hier zur Diskussion gekommenen Lackiertechniken durcheinandergeworfen.
Generell ist ein "Autolack", der z.B. auch bei Segelfliegern eingesetzt wird, im Fahrbetrieb einer weit größeren dynamischen Belastung ausgesetzt, als an einem Fahrrad.
Das mag sicherlich Richtigkeit haben, wenn dieser von Segelfliegern geliebte Lack auch an deren Fluggeräten eingesetzt wird, ein Auto jedoch erfährt gewiß während seines Betriebes wesentlich weniger sich rhythmisch wiederholende Materialbiegungen als ein Fahrrad durch die andauernden Kurbelbewegungen und dem Hin- und Her, mit dem der Fahrer sein Gewicht verlagert.
In der Serienfertigung werden heutzutage die meisten Räder gepulvert.
Das hat Kostengründe und empfiehlt sich auch bei Crossrädern.
Dieser Lack ist schlagzäh hat aber nicht die Brillanz und Oberfläche einer herkömmlichen Lackierung..
Du solltest diese Begriffe nicht selbst durcheinanderwerfen, wenn Du zu erkennen glaubst, daß es hier an der nötigen Trennung fehlt oder an dieser Stelle wieder von "Lack" reden, um uns dem Umgang mit dem Thema zu erleichtern. Der Unterschied zwischen einer elektrostatischen Beschichtung mit einem farbigen Pulver und einer nassen Lackierung wir den meisten hier bekannt sein, eine Pulverbeschichtung ist keine Lackierung. Sicher war Dir hier nur ein Schreibfehler unterlaufen, ich möchte es aber dennoch richtigstellen, damit es sich nicht bei anderen in dieser Form falsch festigt, denn Du hast Recht: es wird oft verwechselt, sollte es aber nicht, denn das hat die so viel schönere Lackierung nicht verdient.
Daß aber die breite Masse nicht in der Lage ist, eine ästhetische Kritik zu üben, zudem mangels Bildung nicht über Vergleichsmöglichkeiten verfügt und willenlos alles annimmt, was von ihnen von den Herstellern mit scheinbar praktischen und Vernunft ausstrahlenden Argumenten als Verbesserung angeboten wird, im Grunde aber nur der Kostensenkung zum Zwecke der Profitmaximierung dient, darüber bin ich mit jedem Liebhaber historischer Rennräder eins, so wie ich froh bin, so fest in meinem Geschmack zu sein, daß mich diese albernen Moden nicht erreichen können und zudem über die Mittel zu verfügen, meine Vorstellungen gegen das Angebot des Marktes durchzusetzen.
Treten Risse in einer korrekt aufgebrachten Lackierung auf, kann das ein Indiz eines beginnenden Rahmenbruches sein. Gut, Wenn der Lack ihn nicht versteckt.
Ich könnte Dir ein Rad zeigen, dessen beinahe gesamte Rahmenoberfläche von Lackbrüchen überzogen ist, wie ein altes Ölgemälde. Sollen wir vermuten, daß sich hinter jedem dieser Lackbrüche ein Metallbruch verbirgt? Wenn nicht, hinter welchem der Abertausenden von Lackbrüchen sollte ich einen Riß im Rohr annehmen? Hätte der Lackierer hier nicht gepfuscht, so wäre die Möglichkeit erhalten geblieben, diesen einen Rahmenbruch, von dem Du schriebst, zu erkennen, so aber wäre er unter einer Camouflage von tausenden kleiner Lackrisse verborgen bleiben.
Wurde ein Lack "zu hart eingestellt", also einem 2-Komponentenlack zu viel Härter beigegeben oder einem Klarlack zu wenig Weichmacher - wie auch immer - wird er mit der Zeit brüchig werden, denn er wird den Bewegungen der Rahmenrohre nicht folgen können und infolge der Spannungen aufreißen - dies natürlich nicht nur an einer Stelle, sondern an einer Vielzahl über eine besonders bewegte Stelle.
Zum Thema „Pulverbeschichtungen":
Einen wertvollen Stahlrahmen, der vielleicht mit ornamentalem Muffenwerk glänzt und vor dem heute käuflichen Zweirädern in handwerklicher Vollendung wie künstlerischer Gestaltung herrausragt, in eine Pulverbeschichtung zu kleiden, ist schlimmster Vandalismus, was das Nichtbeachten der Tradition betrifft, Ignoranz degenüber dem Schönen, das mit einer eigenartig aussehenden Oberfläche bedeckt wird, als auch unüberlegt, denn nicht nur beschränken Pulverbeschichtungen die Entscheidungsfreiheit, die Farbe zu wählen, die man möchte und verweist auf eine begrenzte Palette zur Auswahl stehende Farbtöne, sondern die Pulverbeschichtung läßt sich, einmal aufgetragen, kaum noch entfernen, was zum Problem werden kann, sobald man sich irgendwann für eine andere andere Farbe entscheidet oder die erste Pulverbeschichtung in einem, mit optischen Mängeln behafteten Ergebnis endete (was besonders bei Stahlrahmen oft im Bereich der Muffen sichtbar wird, also an scharfen Kanten).
Vor allen Dingen aber schränkt mich der Pulverbeschichter in meiner Entscheidungsfreiheit und der konsequenten Auslebung meiner Vorlieben ein. Wenn ich ein 4-farbiges Farbschema in Pastelltönen wünsche, mit aufwendigen Abklebearbeiten, dann erwarte ich, daß der Dienstleister spurt und sie umsetzt, anstatt mich auf seine kärgliche Farbpalette zu verweisen.
Pulverbeschichtungen sind in meinen Augen eine Fortsetzung der immer weiter voranschreitenden, vom den Herstellern und dem Handel in anmaßender Weise betriebenen Geschmackserziehung zu weniger Individualismus: Der Kunde hat sich mit einem immer weiter schrumpfenden Angebot zu bescheiden, wobei ihm die Farbe Schwarz als Modefarbe aktiv bis aggressiv favorisiert wird. Wer in diesen Tagen nach flieder- oder senffarbenen Bremszughüllen (Bremszugaußenspiralen) fragt, wird entweder stehengelassen, in väterlichem Ton auf die Standardfarben verwiesen und damit verspottet ("komm Kind, mach es Dir doch nicht selbst so schwer") oder gleich aus dem Laden geworfen (mir geschehen: „Ich habe keine Zeit, mich mit Spinnern zu beschäftigen"). Nun, auf
ebay bekomme ich auch heute noch alles, was es früher gab. Daß in den nächsten Wochen wieder einer der Wuppertaler Fahrradläden schließen wird, kümmert mich also nicht, eher begrüße ich es.
Pulverbeschichtungen an Rennrädern sind eine Abkehr von der Tradition, eine ungewünschte Annäherung an den Mountainbike-Bereich und vor allen Dingen eine dieser heute so Entwicklungen, alles über einen Kamm scheren zu wollen ("Paßt schon"- Mentalität). Manche Dinge aber erfordern Feingeist und respektvolles Abwägen.
Gruß
Peter