Spielt Aerodynamik am Gravel Bike eine Rolle? Und wieviel langsamer wird man mit einem Gravel Bike gegenüber einem Rennrad? Das haben die Aero-Experten von Swiss Side jetzt im Windtunnel untersucht. Eins steht damit fest: Das Gravel Bike braucht mehr Energie – aber wieviel?

Aerodynamik am Gravel Bike vs. Rennrad kurz und knapp

  • Ein Gravel Bike braucht bei 30 km/h etwa 38 Watt mehr als ein Aero-Rennrad – wenn man den Widerstand der Reifen und der Luft einberechnet.
  • 19 Watt bei 30 km/h gehen dabei allein auf das Konto der schlechteren Aerodynamik.
  • Je höher der Seitenwindanteil desto größer der Nachteil des Gravel Bikes.
  • Bis zu 12 Watt Aero-Ersparnis kann die richtige Gravel-Reifen Wahl bringen (Breite, Profil).
  • Grobe Profile haben eine schlechtere Aerodynamik: Bis zu 2 Watt können gobe Stollen bei 30 km/h schlucken.
  • Breitere Reifen haben (auf identischer Felge) eine schlechtere Aerodynamik: rund 3,6 Watt mehr Verluste bei 30 km/h bei 10 mm Größenunterschied.
Das Gravel Bike im Windkanal
# Das Gravel Bike im Windkanal - wie sich verschiedene Felgenhöhen und Reifenarten auswirken, hat Swiss Side ausführlich untersucht.
Die Ergebnisse: grobstolliges Profil wie hier...
# Die Ergebnisse: grobstolliges Profil wie hier...
...und mehr Reifenbreite kosten Kraft, bis zu 2 Watt allein das Profil.
# ...und mehr Reifenbreite kosten Kraft, bis zu 2 Watt allein das Profil.

Aerodynamik am Gravel Bike Details

Immer wenn hier bei den Rennrad-Neuheiten, von Aero und Gravel Bike in einem Atemzug geredet wird, sind die Vorbehalte in der Regel groß. Klarheit könnte eine neue Untersuchung von Swiss Side bringen: Um die Vorstellung ihrer neuen Gravon Gravel Laufräder mit harten Fakten zu untermauern, sind die Schweizer Aero-Experten mit einem Gravel Bike und einem Aero-Rennrad von Cervélo in den Windtunnel gegangen.

Gravel Bike vs. Aero-Rennrad

Ein Ergebnis: Bei 30 km/h benötigt ein Gravel Bike rund 40 Watt mehr Energie als ein Aero-Rennrad. Eine Menge. Denn erfahrungsgemäß müssen durchschnittlich große Rennradfahrer*innen ganz grob pauschalisiert etwa 180 Watt treten, um 30 km/h auf der Straße auf dem Rennrad zu fahren. Mit dem Gravel Bike wären es dann: 220 Watt, was – je nach Körpergröße – für viele schon nah an der Leistungsgrenze sein dürfte, die sie längere Zeit fahren können.

Nun sind in den fast 40 Watt der höhere Rollwiderstand des Reifens und der Luftwiderstand einbrechnet. Und fairerweise muss man ergänzen, dass Swiss Side mit dem Cervélo S5 ein nachgewiesen besonders schnelles Aero-Rennrad gegen ein Gravel Bike antreten ließ (pikanterweise das Cervélo Áspero, dessen Rahmenrohre als „nicht aerodynamisch geformt“ im Artikel beschrieben werden).

Swiss Side verfügt über ausgewiesenes Aero Know-how
# Swiss Side verfügt über ausgewiesenes Aero Know-how - Firmengründer Jean-Paul Ballard arbeitet auch an der Aerodynamik für die Formel 1.

Die weiteren Fakten zum Set-up: Aero-Rennrad mit 25 mm-Reifen und 62 mm hohen Felgen, Gravel Bike mit 40 mm-Reifen und 25 mm hohen Felgen.

Allein auf das Konto des Luftwiderstands gehen laut Swiss Side bei 30 km/h 19 Watt, die Gravel Bike Fahrer*innen mehr treten müssen. Bei 37,5 km/h sind es bereits 38 Watt Luftwiderstand und 61 Watt mehr Verluste auf dem Gravel Bike insgesamt. Auch hier gibt es übrigens einen wichtigen Zusatz im Artikel: Die Sitzposition ist nicht mit einberechnet. Da sie in der Regel auf dem Gravel Bike noch aufrechter ausfällt, ist mit weiteren, keinesfalls geringen Verlusten zu rechnen – hierzu planen wir einen eigenen Versuch und halten euch auf dem Laufenden.

Spannend ist auch eine Grafik, die Swiss Side dazu liefert. Gerade bei Seitenwind hat das Gravel Bike mit normalen Felgen und Reifen erhebliche Nachteile. Bis zu rund 70 Watt kann hier der Aero-Nachteil kosten. Allerdings zeigt Swiss Side hier nur die Werte für 45 km/h. Bedenken muss man aber dennoch: Je niederiger die eigene Geschwindigkeit, desto höher ist der Anteil des Seitenwind-Effektes am Gesamtwiderstand.

Gravel Bike Aeorodynamik Laufräder und Reifen

Für Swiss Side genug Potenzial, um sich dem Thema Aero-Laufräder und Reifen am Gravel Bike genauer zu widmen. Natürlich haben die Schweizer die eigenen neuen Gravel Laufräder als Referenz genommen. Es traten an: Das Gravon 420 mit einer typischen Aero-Allround Felgenhöhe von 42 mm gegen das Gravon 250 mit Alu-Felge in ebenfalls typisch flacher Bauweise mit 25 mm Höhe – beide 28 mm breit. Zunächst mit identischen Schwalbe G One-Allround Reifen in 40 mm, dann mit 35 mm Reifen auf dem Aero-Laufradsatz gegen 45 mm Reifen auf dem Alu-Laufradsatz.

Die Messungen fanden ohne Faher*innen statt.
# Die Messungen fanden ohne Faher*innen statt.
  • Ergebnis 1: Bei 45 km/h spart der Gravon 420 Aero-Laufradsatz 5,4 Watt, respektive 3 Watt bei 37,5 km/h und 1,8 Watt bei 30 km/h.
  • Ergebnis 2: Nimmt man für den Alu-Laufrdadsatz die inzwischen gar nicht mehr so unübliche Reifenbreite von 45 mm und spendiert dem Aero-Laufradsatz einen aerodynamisch günstigeren 35 mm-Reifen, kann man bereits 5 Watt bei 30 km/h herausholen und 11 Watt bei 37,5 km/h. Dafür lohnt es sich schon, über die Reifen- und Felgenwahl nachzudenken. Swiss Side rechnet entsprechend vor: 5 Watt Gewinn addieren sich beim Unbound Gravel-Rennen in den USA über die Distanz von 330 km zu einem Zeitgewinn von 8,5 Minuten – mehr als die Podiumszeiten auseinanderlagen.

Hier könnt ihr euch einige Bikes von Unbound Gravel ansehen

Auch den Effekt der Gravel Reifen Breite bei der Nutzung von Aero Gravel-Laufrädern hat sich Swiss Side mit dem Gravon 420-Laufradatz angeschaut mit Reifen von Continental und Schwalbe. Ergebnis hier: Schon bei 30 km/h Windgeschwindigkeit liegen allein 3,6 Watt zwischen dem schmalen 35 mm-Reifen und dem breiten 45 mm-Reifen. Und: Bei Highspeed ist der Conti Terra Speed etwas windschlüpfriger als der Schwalbe G-One Allround (0,8 Watt).

Das Profil hat also einen Aero-Effekt. Und auch dem ist Swiss Side im Windkanal nachgegangen. Der Befund: Grobstolligere Profile kosten nicht nur Kraft auf der Straße, sondern auch im Wind. Bis zu 2 Watt beträgt der Unterschied zwischen dem besten, fast profillosen Reifen (Schwalbe G-One Speed) und dem schlechtesten (WTB-Riddler), der aber immer noch nicht zu den besonders profilierten Gravel Reifen-Modellen zählt. Alle Details findet ihr im (englischen) Artikel im Swiss Side-Blog.

Was sagt ihr zu den Untersuchungen von Swiss Side?

Text: Jan Gathmann / Fotos: Swiss Side/
  1. benutzerbild

    KonniR

    dabei seit 09/2011

    Aerodynamisch optimierte Teile können unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorteil sein, das ist aber nicht immer der Fall. Es kann sich auch umkehren, dann können die Teile zum grösseren Nachteil werden.
    Wenn es im Fall von Laufrädern permanent so wäre, würden wir vorne und hinten Scheibenräder im Renner haben.
    Segeleffekt entsteht in einem Bereich von Grad x bis Grad y. Würdest Du dann um 180 Grad versetzt fahren, unterstützt Dich der Wind nicht, sondern er bremst.
    Jetzt wirds spannend. Erklär doch mal. Gerne auch mit Kräftediagramm 🙂
  2. benutzerbild

    Karl Napp

    dabei seit 11/2013

    Aerodynamisch optimierte Teile können unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorteil sein, das ist aber nicht immer der Fall. Es kann sich auch umkehren, dann können die Teile zum grösseren Nachteil werden.
    Wenn es im Fall von Laufrädern permanent so wäre, würden wir vorne und hinten Scheibenräder im Renner haben.
    Segeleffekt entsteht in einem Bereich von Grad x bis Grad y. Würdest Du dann um 180 Grad versetzt fahren, unterstützt Dich der Wind nicht, sondern er bremst.
    ...
    Als ich in den 80ern eine gebrauchte Carbon-HR-Scheibe für 1000DM gefahren bin, war ich immer schneller damit. Egal, woher der Wind kam und je mehr Wind war, desto mehr Zeit habe ich gutgemacht gegen die scheibenlosen Konkurrenten. Meistens sind es ja Rundkurse. Diese Winddiskussionen hatten wir damals schon, da war die halbe Nationalmannschaft im Verein und ich kam nach vielen Gesprächen und Erfahrungsaustausch zum Entschluss, immer mit HR-Scheibe. Scheibe vorne ist auf der Straße zu 99,99999...% lebensgefährlich.
  3. Jetzt wirds spannend. Erklär doch mal. Gerne auch mit Kräftediagramm 🙂
    Segeleffekt entsteht in einem Bereich von Grad x bis Grad y. Würdest Du dann um 180 Grad versetzt fahren, unterstützt Dich der Wind nicht, sondern er bremst.
    Bremsen dürfte der (eh sehr schwache) Segeleffekt, wenn hohe relative Windgeschwindigkeiten von hinten links oder rechts kommen. Das dürfte aber Windgeschwindigkeiten über 70 km/h erfordern, um merkliche Effekte zu haben...
  4. benutzerbild

    Schotterfreund

    dabei seit 03/2021

    Jetzt wirds spannend. Erklär doch mal. Gerne auch mit Kräftediagramm 🙂
    Nicht ganz so detailliert, aber der weiß wovon er redet:

    https://www.swissside.com/blogs/aero-tips/swiss-side-aero-tip-sailing-effect?locale=de
    Habe auch schon längere Artikel und Messreihen von Widerständen in Abhängigkeit des Anströmwinkels gelesen, aber leider erinnere ich mich nicht mehr wo 🙁
  5. Alles muss vorher aerodynamisch optimiert werden.
    Radfahren ist ohne die aerodynamische Optimierung des Rades unmöglich.
    Carbon ist daher ein notwendiges Material, das ist messtechnisch bewiesen.

    Ergo: CARBON+AERODYNAMIK = #GRAVELLER²--------^a.e.r.o.

Was meinst du?

Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular:

Verpasse keine Neuheit – trag dich für den Rennrad-News-Newsletter ein!