Video: Gravel WM 2024 Bikes von Vos und Voß
Alle reden von Reifen und dem richtigen Luftdruck bei dieser Gravel Weltmeisterschfaft. Die Reifenwahl scheint im Gravel Rennsport fast genauso wichtig zu sein wie im Formel 1-Sport. Und welche Leistung, welcher Reifen mit welchen Piloten am Gravel-Steuer abrufen kann, ist wiederum eng verbunden mit dem passenden Luftdruck.
Die Schwierigkeit bei Gravel Rennkursen wie dem der WM 2024 in Leuven ist dabei, die passende Abstimmung für eine Vielzahl von Bodenverhältnissen zu finden. Viel Asphalt auf den (im Männer-Rennen immerhin 100 km langen) Schlussrunden steht Kopfsteinplaster und schmalen Feldwegen gegenüber, bei dem man im Rennen auch mal aufs Gras ausweichen muss. Dazu kommen schnelle Kurven mit losem Belag. Die Antwort sehr vieler Fahrerinnen auf diese Frage lautet Semi-Slick, und ganz häufig Semi-Slick namens Schwalbe G-One RS und der Größe 40 mm. Aber auch ähnlich breite Vittoria Terreno Zero und Specialized S-Works Pathfinder haben wir oft gesehen.
Beim Luftdruck scheint die Tendenz bei dieser Reifen-Größe und den leichtgewichtigen Gravel Profis zu Werten unter 2 bar zu gehen. Welchen Einfluss der Luftdruck hat und welchen der Reifen, darüber haben wir im Video mit Sebastian Breuer gesprochen. Er betreut die Athletinnen und Athleten auf Schwalbe-Reifen und hat als Unbound XL und Badlands-Gewinner selbst jede Menge Erfahrung mit der passenden Reifenwahl.
Für die zweite Folge der Portraits der WM Arbeitsgeräte haben wir außerdem 2 Gravel-Bikes herausgepickt, die besondere Ansätze bei der Reifen- und Luftdruckwahl verfolgen.
Cervélo Áspero von Marianne Vos
Dass Marianne Vos auf ihrem Cervélo Áspero die Gravel WM 2024 gewann, rückt ihr Arbeitsgerät noch einmal in ein anderes Licht. Insbesondere die Tatsache, dass ausgerechnet an Bord ihres Rades eine Technik zum Einsatz kam, die noch sehr jung ist. Vos setzte das Gravaa Kaps-System ein, das es erlaubt, den Luftdruck während der Fahrt zu verändern. Dabei dienen die erkennbar größeren Naben als Kompressoren und pumpen je nach Bedarf Luft in den Reifen oder ein Ventil lässt Luft ab, zum Beispiel um weniger Luft für raue Passagen wie Kopfstein-Pflaster im Reifen zu haben – oder eben auf Gravel.
De Kraft liefert die Drehbewegung des Rades – also letztlich die Fahrer.
Welche Luftdruckwerte das Gravaa herstellen soll, können die Nutzer vorher per App festlegen und dann mittels Knopfdruck verschiedene Druckpunkte „durchschalten“ wie Gänge einer Gangschaltung. Sollen es 0,1 bar Schritte oder 0,5 bar sein – die Wahl liegt bei den Piloten. Im Rennen können sie dann die Druckpunkte ansteuern.
Das Gravaa Kaps System wurde schon einmal bei Paris-Roubaix von ihrem Team Visma Lease A Bike getestet, war aber laut den Machern bisher nicht serienreif und es wurde stiller darum. Marianne Vos setzte es bei der Gravel WM 2024 in aerodynamisch optimierten Reserve 40|44-Laufrädern ein, die jetzt auch zu kaufen sind. Im Video oben erklärt der Gertjan van Ginderen von Gravaa das System.
Aber auch die Reifenwahl von Marianne Vos unterschied sich vom Mainstream. Vos wurde nicht weniger als achtmal Weltmeisterin im Cyclo-Cross und das spiegelt sich auch im Aufbau ihres Cervélo Áspero. Denn sie fährt ganz klassische Cyclo-Cross-Reifen in 33 mm Breite. Also ein Kompromiss aus Straße und Gravel in Richtung Reifenbreite – nicht im Profil. Denn der Dugast Typhoon am Hinterrad hat ein klassisches, offenes CX-Allround-Profil – unter normalen Bedingungen ein echter Entschleuniger auf gut befestigtem Untergrund. Am Vorderrad kam mit dem Dugast Pipistrello allerdings auch ein Semi-Slick zum Einsatz.
Orbea Terra von Paul Voß
Als Deutscher Meister ist Paul Voß die größte deutsche Hoffnung für die Gravel WM 2024. Sein Orbea Terra Gravel Bike ist im Grunde ein alter Bekannter, denn das Modell wurde bereits 2021 vorgestellt, aber in der Silberpfeil-Optik fährt es Paul erst seit dieser Saison.
Interessant ist, dass der erfahrene Gravel-Rennfahrer für den Kurs der Gravel WM 2024 auf Rennrad-Reifen setzt. Wie Tiffany Cromwell im Frauenrennen setzt er auf 38 mm breite Schwalbe Pro One. Auf den noch sehr neuen Zipp 303 XPLR SW-Felgen mit 32 mm Innenweite erreichen die Tubeless-Reifen allerdings eine Breite von beinahe 40 mm.
Mit der Reifenwahl habe er bei der Gravel Europameisterschaft, die auf einem sehr ähnlichen Kurs stattfand, bereits sehr gute Erfahrungen gemacht, sagt Paul Voß im Interview im Video. Die Vorteile auf den gut befestigten Wegen wiegen für ihn die Risiken auf, die in schlammigen Passagen oder in Kurven liegen. „Die Kurven auf dem losen, grobkörnigen Untergrund wie hier müssen ohnehin langsam gefahren werden, um sicher zu sein, da bringen die kleinen Stollen meiner Erfahrung nach weniger etwas“, erklärt Paul.
Mehr Gedanken als Marianne Vos musste sich Paul um den Reifendruck machen. Um hier den besten Kompromiss zu finden, unternahm er viele Probefahrten. Letztlich entschied er sich für Werte um 1,8 bar. Mit 2 CO2-Kartuschen in Haltern am Rahmen geht er auf Nummer sicher, was Defekte angeht.
Paul Voß wartet sein Orbea Terra Gravel Bike eigenhändig. Was es in dieser Ausstattung wiegt, weiß er nicht, zu oft wechseln die Komponenten. Knapp unter 8 kg gibt er als grobe Orientierung zu Protokoll.
Das Cockpit fährt er in 38 mm Breite. Wie viele Gravel-Racer bei der WM 2024 hat er spezielle Vorstellungen, was das Cockpit angeht, die sich nicht immer mit den originalen Komponenten der Bike-Hersteller bedienen lassen.
Was sagt ihr zu den Bikes von Vos und Voß?
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27 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumGenerell ist ein schmalerer Reifen erstmal nicht unbedingt schlechter. Es kann sogar Bedingungen geben, unter denen er besser ist.
Etwas verallgemeinern kann man in sofern, dass ein breiterer Reifen mit weniger Druck gefahren werden kann. Er ist daher, auch wegen des größeren Volumens komfortabler.
Ich würde sagen, dass das Reifenprofil zusammen mit dem Druck effektiv mehr ausmacht als die Reifenbreite, solange es nicht wirklich gaaanz breit wird.
Am Crosser habe ich derzeit einen X-One in 33 mm, am Schotter-Dings einen 40er G-One RS evo-irgendwas.
Der X-One ist im Gelände ein Traum, mit wenig Druck schlägt es aber ständig durch, was dank TL tolerabel ist.
Der G-One kann in Schlamm wirklich gar nichts, im Sand wenig, ist aber auf Schotter und besser wirklich geil.
Das liegt aber jeweils eher am Profil als der Breite.
g.
Wie unterscheiden sich die Karkassen zwischen G und Pro One? Sollte es wissen, da beides im Einsatz aber schon länger nicht mehr gewechselt.
Je gröber desto breiter wg. der "Federung", schmal mit viel Profil kann sinnvoll sein, wenn der Kurs sehr matschig ist, da sich dann der schmale Reifen durch den Matsch fräst und unten grippt, während ein sehr breiter das nicht tut und rutscht. Bei gelegentlichen Pfützen ist das egal, einfach durchrollen, geht auch mit Slicks. Profil brauchst du auch nur für lockeren/feuchten Boden, trockener Gravel geht auch mit Slicks, die Steinchen verbinden den Boden und den Reifen auch so genug. Bei hohem Asphaltanteil sind Slicks eh sinnvoll. Grundsätzlich gilt: nicht breiter als nötig und nicht mehr Profil als nötig.
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