YT Szepter im ersten Test: Wenn eine Abfahrt-orientierte MTB-Schmiede ihr erstes Gravel Bike vorstellt, darf man Trail-Qualitäten erwarten. Und YT hat sich die größte Mühe gegeben, die Erwartungen zu erfüllen. Zu viel des Guten oder schlicht das beste Trail Gravel Bike? Die Kollegen von MTB-News haben das – mit Preisen ab 3.299 € übrigens gewohnt günstige – YT Gravel Bike einem ersten Test unterzogen. Hier ihr Bericht.
Steckbrief: YT Szepter
Einsatzbereich | Tour, Gravel |
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Federweg | 40 mm (vorn) |
Rahmenmaterial | Carbon |
Gabel | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 9,9 kg |
Stack | 711 mm |
Rahmengrößen | S, M, L, XL, XXL (im Test: XL) |
Website | www.yt-industries.com |
Preisspanne | 3.299 Euro - 4.499 Euro |
Für Industrie-Kenner absehbar,für eingefleischte Fans der bisher eher Freeride-lastigen MTB-Marke könnte es glatt ein Schock sein: YT Industries begibt sich auf unbekanntes Terrain und hat das erste eigenes Gravel Bike entwickelt. Gestartet ist das Ganze, nachdem die Forchheimer festgestellt hatten, dass etwas Merkwürdiges vorgeht im Wald und man immer mehr „Gebückte“ – mit nach unten gekrümmten Lenkern – auf den heimischen Trails antrifft. Nach gründlicher Sondierung des Marktes setzte man sich schlussendlich intensiver mit dieser noch etwas fremden und recht speziellen Spezies auseinander. Nachdem man sich einen Überblick verschafft hatte, wurde schnell klar, dass es Sinn ergibt, ein eigenes Gravel Bike zu entwickeln. Jedoch wollte YT dabei seiner DNA treu bleiben und nicht einfach das nächste Dropbar-Bike mit Stollenreifen auf den Markt werfen. In den Augen von YT gab es einiges an Verbesserungspotenzial, vor allem aus der Perspektive eines Mountainbikers oder einer Mountainbikerin.
So soll eine eher abfahrtsorientierte Interpretation eines Gravel Bikes entstanden sein, die in Bezug auf Geometrie und Ausstattung für alles bereit sein soll, was in den Kontext „Good Times“ passt. Denn das neue YT Szepter setzt in der höheren Ausstattungsvariante Core 4 neben der RockShox Rudi Ultimate mit 40 mm Federweg an der Front auch auf eine elektronisch angesteuerte Vario-Sattelstütze aus XPLR-Reihe der Firma SRAM, die mit der ActiveRide-Technologie und dem kleinen Plus an Federweg Vibrationen und Stöße abfangen soll, um so für mehr Grip und Komfort am Allerwertesten zu sorgen. Wer mehr dazu erfahren möchte – wir hatten die SRAM XPLR im Test: die Gravel-Gruppe mit Federung. Das Core 3-Modell muss aus Kostengründen auf eine Vario-Sattelstütze verzichten und kommt dafür im edel-matten Assault-Green-Lack statt im dezenten Machine-Light-Grey des Core 4.
Im Detail
Zu erwähnen gilt, dass das Szepter über eine ASTM 3 Klassifizierung verfügt und somit die Freigabe für technisch anspruchsvolle Trails inklusive kleiner und mittelgroßer Sprünge hat. Dies ist in der Kategorie von klassischen Gravel Bikes wohl eher selten der Fall. Dennoch sollen sowohl die Ausstattung als auch das Rahmen-Konzept zu langen Wald-, Schotter- wie auch Asphalttouren einladen und sich nicht nur auf technischen Trails wohlfühlen. Das Szepter will vor allem Ermüdung in jeder Körper- und Handposition verringern und trotzdem ein lebendiges Fahrgefühl erzeugen. Auch wenn man in Sachen Stack, Lenkwinkel und Radstand neue Maßstäbe setzen will, um dabei mehr Laufruhe auf holprigen und schnellen Passagen zu generieren, war es das Ziel, noch immer ein präzises und dynamisches Fahrverhalten zu erhalten.
Um bei der Rahmenkonstruktion, die 1.400 Gramm in Größe L auf die Waage bringt, die gewünschte Balance zwischen Steifigkeit und Flex zu erhalten, wurde laut YT auf eigene Erfahrungswerte im Bau von Carbonrahmen zurückgegriffen. Um präzise einzulenken und trotzdem noch ausreichend Komfort am vorderen Ende des Gravel Bikes zu erfahren, ist im Steuerrohrbereich (intern Headbox genannt) mit einem ausgeklügelten und partiell angepassten Carbon-Layup gearbeitet worden. Zusammen mit der verbauten Federgabel will man so die richtige Mischung aus Präzision und Dämpfung gefunden haben.
Im Bereich des Tretlagers – hier, wo alle Rahmenbereiche zusammenlaufen – wurde auf maximale Steifigkeit gesetzt, um möglichst keine Energie zu vergeuden und die eingeleitete Kraft in Vortrieb zu verwandeln. Dafür will man im hinteren Bereich des Bikes eine ausreichende vertikale Nachgiebigkeit in Richtung des Sitzrohrs erzeugt haben. Hierfür wurden zudem spezielle Ausfallenden entwickelt, deren Form und Verbindungswinkel für mehr Flex in Richtung des Sitzrohrs zuständig sind. Der damit erzeugte Flex soll das Rückgrat schonen und zeitgleich für Sitzkomfort und Grip sorgen.
Die Zielgruppe für dieses Bike ist nicht von der Hand zu weisen: Mountainbiker*innen – vielleicht jene, die ihrem Fuhrpark noch ein weiteres „Werkzeug“ für ihr Ausdauertraining oder gemäßigtes Trailfräsen hinzufügen wollen. Aber auch eingefleischte Gravel-, tägliche Commuter- oder Freizeit-Pilotinnen sollten vom Konzept der Laufruhe und des Plus an Komforts profitieren können.
Geometrie
Die Entwicklung des Szepter startete aus der Perspektive eines Mountainbikers und strebte dabei auch eine eigene Interpretation vom Dropbar-Einsatz im Gelände an. Ziel war es laut YT, Stabilität und Vertrauen zu schaffen, vor allem wenn es ruppig und schnell wird, ohne dabei an Dynamik zu verlieren. Gemessen an der Konkurrenz verfügt das Szepter über einen geräumigen Reach von bis zu 433 mm (Größe XXL), kombiniert mit wirklich stattlichen Stack-Werten, welche sich in der getesteten Größe XL bereits bei 711 mm einpendeln – was natürlich auch in der 40 mm-Federgabel begründet liegt. Dazu gesellt sich ein nahezu rekordverdächtiger 69,4° Lenkwinkel. Das kann wohl nur noch ein Fustle Causeway GR1 mit seinen glatten 69° toppen.
Kombiniert wird das Ganze mit einem Sitzwinkel von 74,4°, der für mehr Pedalier-Effizienz sorgen und das Szepter damit zur Bergziege mit aufrechter Sitzposition machen soll. So wundert es nicht, dass sich am Ende auch ein Radstand einstellt, der deutlich über dem der Konkurrenz liegt. Hier bewegt man sich zwischen 1054 mm in Größe S und bis zu 1132 mm in XXL. Rekord! Ob das einen Nachteil in Bezug auf die Agilität auf dem Trail bedeutet, klären wir im nächsten Kapitel.
Rahmengröße | S | M | L | XL | XXL |
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Laufradgröße | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C | 28″ / 700C |
Reach | 384 mm | 398 mm | 407 mm | 422 mm | 433 mm |
Stack | 659 mm | 668 mm | 697 mm | 711 mm | 754 mm |
STR | 1,72 | 1,68 | 1,71 | 1,68 | 1,74 |
Lenkwinkel | 69,3° | 69,4° | 69,4° | 69,4° | 69,4° |
Sitzwinkel, effektiv | 74,3° | 74,4° | 74,4° | 74,4° | 74,4° |
Oberrohr (horiz.) | 558 mm | 578 mm | 593 mm | 613 mm | 628 mm |
Steuerrohr | 125 mm | 145 mm | 170 mm | 190 mm | 205 mm |
Sitzrohr | 450 mm | 480 mm | 500 mm | 530 mm | 550 mm |
Überstandshöhe | 740 mm | 764 mm | 779 mm | 796 mm | 809 mm |
Kettenstreben | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm | 425 mm |
Radstand | 1.054 mm | 1.076 mm | 1.095 mm | 1.115 mm | 1.132 mm |
Tretlagerabsenkung | 61 mm | 61 mm | 62 mm | 62 mm | 62 mm |
Tretlagerhöhe | 290 mm | 290 mm | 290 mm | 290 mm | 290 mm |
Gabel-Offset | 51 mm | 51 mm | 51 mm | 51 mm | 51 mm |
Federweg (vorn) | 40 mm | 40 mm | 40 mm | 40 mm | 40 mm |
Ausstattung
Das Erstlingswerk aus Forchheim kommt vorerst in zwei Ausstattungsvarianten auf den Markt. Den Einstieg macht das Szepter Core 3 für 3.299 €, welches bereits über Wireless-Shifting via der SRAM Rival XPLR ETAP AXS 12-fach-Schaltgruppe verfügt. Dazu gesellen sich SRAM Rival1 Wide-Kurbeln, ein Zipp-Cockpit sowie WTB-Laufräder der Modellreihe Speedterra i23. Der direkte Bodenkontakt wird ebenfalls durch die kalifornischen Komponentenhersteller gesichert: Hier verzahnen sich WTB Resolute-Gravel-Reifen in 700 x 42 mit dem Untergrund, freigegeben ist das Szepter für bis zu 45 mm breite Reifen. Dies erlaubt, eine noch komfortablere und griffigere Kombination aus 50 mm an der Front und 45 mm-Reifen am Heck zu installieren. Gefedert wird beim Core 3 nur an der Front – hier kommt die RockShox Rudy XPLR mit verhältnismäßig üppigen 40 mm Federweg zum Einsatz.
Beim getesteten Topmodell Core 4 wird noch etwas höher ins Regal gegriffen. Für 4.499 € wird mit der edlen SRAM Force XPLR ETAP AXS-Schaltgruppe der nächste Gang eingelegt, dazu gibt es die passenden Force1 Wide-Kurbeln. Ein Highlight stellt die SRAM Reverb AXS XPLR-Vario Sattelstütze dar, welche je nach Größe mit 50 bzw. 70 mm Hub daherkommt (die Nicht-XPLR-Variante hatten wir schon getestet: RockShox Reverb AXS-Variostütze im Langzeit-Test). Durchdacht ist auch der Fakt, dass man den Sattelstützen-Durchmesser von 27,2 mm per Insert realisiert hat. So ist es möglich, bei Bedarf eine 30,9 mm-Dropper mit bis zu 150 mm (bei Größe XL/XXL) zu verbauen. Gerollt wird auf WTB Proterra Light i23 Laufrädern in Kombination mit WTB Resolute-Pneus. Die Front wird ebenfalls von einer RockShox Rudy XPLR verwaltet, jedoch in der höherwertigen Ultimate-Version.
Beide Modelle verfügen über serienmäßig montierte Schutzbleche an der Gabel und am Heck. Diese YT-Eigenkreation soll ausreichen, um zumindest das Gröbste von Gesicht und Rücken fernzuhalten. Auch reiselustige oder einfach durstige Gravel-Fans kommen auf ihre Kosten. Mit vier Gewindeösen an der Unterseite des Oberrohrs sowie zweien am Sitzrohr findet sich ausreichend Platz für Erfrischungen, anschraubbare Taschen oder Werkzeuge. Zusätzlich ermöglicht das Unterrohr die Montage einer Fidlock-Grundplatte oder die Verwendung der sogenannten Thirstmaster-Kombination. Aber auch gängige Standard-Flaschenhalter können hier montiert werden.
Modell | YT Szepter Core 3 | YT Szepter Core 4 |
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Rahmen | Ultra Modulus Carbon Frame | 142 x 12 mm DT Swiss Thru Axle | Ultra Modulus Carbon Frame | 142 x 12 mm DT Swiss Thru Axle |
Federgabel | RockShox Rudy XPLR | 700cc | 40 mm | 12x100 mm | 51 mm Offset | RockShox Rudy Ultimate XPLR | 700cc | 40 mm | 12x100 mm | 51 mm Offset |
Steuersatz | ACROS AIA-538 | IS52/52 | High Cap | 2 Spacer 5mm | ACROS AIA-538 | IS52/52 | High Cap | 2 Spacer 5mm |
Vorbau | Zipp Service Course | 70 mm | 31,8 mm | Zipp Service Course SL | 70 mm | 31,8 mm |
Lenker | Zipp Service Course XPLR | 420 mm (S - M) I 440 mm (M - L) | 460 mm (XL - XXL) | 70 mm Reach | 115 mm Drop | 11° Outsweep | 3° Backsweep | 5° Flare | Zipp Service Course SL XPLR | 420 mm (S - M) I 440 mm (M - L) | 460 mm (XL - XXL) | 70 mm Reach | 115 mm Drop | 11° Outsweep | 3° Backsweep | 5° Flare |
Lenkerband | Fizik Terra Bondcush | 3 mm | Fizik Terra Bondcush | 3 mm |
Kurbelsatz | SRAM Rival1 Wide | 170 mm (S) | 172,5 mm (M - L) | 175 mm (XL - XXL) / 38T | Dub | SRAM Force1 Wide | 170 mm (S) | 172,5 mm (M - L) | 175 mm (XL - XXL) / 38T | Dub |
Kassette | SRAM XG 1251 XPLR | 10-44T | 12-Speed | SRAM XG 1271 XPLR | 10-44T | 12-Speed |
Schaltung | SRAM Rival XPLR ETAP AXS | 12-Speed | SRAM Force XPLR ETAP AXS | 12-Speed |
Schaltbremshebel | SRAM Rival ETAP AXS HRD | SRAM Force ETAP AXS HRD |
Laufräder | WTB Speedterra i23 | 700c (100 x 12 mm) | 700c (142 x 12 mm) | WTB Proterra Light i23 | 700c (100 x 12 mm) | 700c (142 x 12 mm) |
Reifen | WTB Resolute | 700c x 42c | TCS Light | 60 tpi | WTB Resolute | 700c x 42c | TCS Light | 60 tpi |
Sattelstütze | Zipp Service Course | 27,2 mm | 350 mm | 0 Offset | SRAM Reverb AXS XPLR | 27,2 mm | 50 mm (S - L) | 75 mm (XL - XXL) |
Sattel | SDG Bel Air V3 Overland | 140 mm | YT Custom Design | SDG Bel Air V3 Overland | 140 mm | YT Custom Design |
Tretlager | SRAM DUB Pressfit | SRAM DUB Pressfit |
Preis | 3.299 € (UVP) | 4.499 € (UVP) |
Auf dem Trail
Wir hatten bereits vor dem offiziellen Launch die Möglichkeit, das neue YT Szepter auf klassischen UK-Trails, Schotter- und Asphaltstraßen auszuführen, um uns einen ersten Eindruck vom progressiven Gravel Bike zu machen. Beim Erstkontakt fällt die cleane Optik mit innen verlegten Zügen und der schicken Wireless-Vario-Sattelstütze ins Auge, das matte Grau des Rahmens in Kombination mit der teils kantigen Formensprache gefällt auf Anhieb. Das Testrad behält trotz der Rahmengröße XL noch seine angedachten Proportionen und wirkt keineswegs unausgewogen. Was ebenfalls ins Auge fällt, ist der fehlende Kettenstrebenschutz – so wird es wohl zwangsläufig zu kleinen Lack-Blessuren kommen, insofern man nicht schnell selbst Hand anlegt.
Aufgesattelt und Platz genommen: für einen Tester, der seinen Fokus ganz klar im Bereich MTB sieht, kommt mir die aufrechte und nicht zu gestreckte Sitzposition absolut entgegen. Dazu eine verstellbare Sattelstütze, die obendrein per Funksteuerung ausgelöst werden kann – das gefällt. Nachdem Sitz- und Bremshebel-Position eingestellt sind, kann es auch schon losgehen. Die rund 10 Kg Gesamtgewicht stellen für einen groß gewachsenen Tester keinerlei Problem dar. Der Antritt ist durchaus knackig und die eingegebene Energie wird postwendend an das Hinterrad übertragen.
Wer es insgesamt doch noch etwas direkter mag, der kann die Lockout-Funktion der verbauten RockShox Rudy Ultimate nutzen und wird so im Wiegetritt kaum einen Unterschied zu einer starren Gabel feststellen. Das Zusatzgewicht einer Federgabel wird damit zwar nicht reduziert, jedoch steigert man die Spritzigkeit im stehenden Antritt etwas. Generell kam im Rahmen unserer zwei Testtage nie das Bedürfnis auf, die Lockout-Funktion zu nutzen, egal ob geradeaus oder im Uphill. Jedoch empfiehlt sich diese Option sicherlich für sehr lange Tarmac-Etappen oder mit einer durch ausreichend vorhandene Gewindeösen ermöglichten Zuladung auf Bikereisen.
Kurz nach dem Start und den ersten Metern auf festem Sandboden und Asphalt geht es ins Gelände. Der ergiebige Regen der Vortage hatte Waldwege und Trails nochmals etwas spannender gemacht und versorgte die Tester mit ausreichend Spritzwasser und rutschigen Wurzeln. Doch das Szepter lässt keinen Zweifel daran, dass es genau hierfür konzipiert ist: Die recht lange und aufrechte Geometrie vermittelt ein hohes Sicherheitsempfinden ab dem ersten Meter. Da wir uns von Anfang an auf wirklich technischem Geläuf bewegten (bergauf, wie bergab) konnte man sogleich die Nehmer-Eigenschaften des Szepter auf Herz und Nieren prüfen. Hier muss man die 40 mm der Rudy Ultimate-Federgabel erwähnen, welche maßgeblich zum Komfort an der Front beiträgt und jegliche Unebenheiten und Schläge überzeugend dämpft. Auch kleine Absätze oder Sprünge werden gut kompensiert. Natürlich vollbringen 40 mm Hub keine Wunder, dennoch bekommen wir keine Schnappatmung, als uns unser Tourguide mit „Full-Speed“ in teils steile und mit Wurzeln, Steinen sowie Sprüngen gespickte Trail-Segmente zieht.
Das Heck bleibt hierbei jedoch erstaunlich ruhig und gibt keinerlei harte Schläge an den Fahrer weiter. Verblüffend, denn von den kürzlich getesteten Hardtails sind wir teils herberes Feedback gewohnt (hier gehts zu den vier Hardtails bis 1.500 € im Test). Die hohe Front versetzt den Tester in eine angenehme, nicht zu stark vorgebeugte Position, was vor allem im Gelände von Vorteil ist. Denn um rechtzeitig die richtige Linie anzuvisieren, muss man sehen, was auf dem Trail auf einen zukommt. Hier liegt die Stärke des YT Gravel Bikes: die aufrechte Position zusammen mit der langen, stabilisierenden Geometrie versetzt uns in die Lage, auch Trails der Skala „Tech & Ruff“ ohne große Mühen oder Zwischenfälle zu meistern. Dennoch wirkt das Szepter nicht behäbig, denn die relativ kurzen 425 mm-Kettenstreben lassen auch spontane Richtungswechsel zu, ohne einem allzu viel Kraft abzuverlangen. Natürlich verführen sie zugleich dazu, den ein oder anderen Wheelie zu probieren, um so das YT-Konzept von „Fun Times“ noch etwas zu unterstreichen.
Auch bergauf suchten wir die Herausforderung. Hier wurde alles von der Ebene und steilen Anstiegen auf Asphalt- oder Waldboden bis hin zu noch steileren, mit Steinen und Wurzeln versetzen ausgespülten Wanderpfaden erklommen. Beeindruckend, was mit den 42 mm breiten WTB-Reifen möglich ist – dennoch würden dem Szepter auch 45 oder sogar 50 mm-Reifen gut zu Gesicht stehen.
Mithilfe der mineralölfreien Reverb XPLR-Vario-Sattelstütze kann man auf holprigen mittleren Anstiegen noch etwas mehr Komfort erzeugen: Indem man die Stütze leicht absenkt, erhält man durch die ActiveRide-Technologie eine Art Sattelstützen-Federung. Die Stütze steht in jeder eingefahrenen Position auf dem Luftpolster, kann so Stöße dämpfen und gibt nochmals mehr Komfort an den Sattel ab. Voraussetzung hierfür ist die passende Einstellung des Luftdrucks auf das Fahrergewicht. Einzig die SRAM Force XPLR ETAP AXS-Schaltgruppe mit ihrem 38er-Blatt und der 12-fach-Kassette mit einer 10-44 Abstufung könnte Anfänger oder Schwergewichte auf steilen Bergauf-Etappen ins Straucheln bringen. Für geübte und fitte „Wadln“ stellt dies aber kein Problem dar.
Aus Sicht von Rennrad-News
Ist das noch Gravel Bike? Im Vergleich mit anderen leicht trailorientierten Gravel Bikes mit Federung – etwa dem Canyon Grizl (zum Grizl CF SLX Test) führt das YT Szepter eine scharfe MTB-Klinge ins Feld. Vor allem die hohe Front dürfte auch komfortverliebten Rennradlern das Gefühl verleihen, auf einem Thron zu sitzen. Satte 9 cm höher ist der Stack in vergleichbaren Größen. Für wen das verlockend klingt, für den ist das Szepter vielleicht einen Versuch wert. Der krasse Lenkwinkel dürfte sich beim üblichen Gondeln und Ballern auf der Waldautobahn kaum negativ auswirken. Fürs Bikepacking auf groben Pisten könnte es gut hinhauen. Auffällig erscheint durch die Rennrad-Brille auch, dass YT nicht vor kleinen Kettenblättern zurückschreckt, wovon sich manch anderes Gravel Bike eine Scheibe abschneiden könnte. Das Wichtigste geht bei allem Positionieren und „Hail to the Trail“ aber fast unter: Das YT Szepter ist – besonders in der Rival eTap AXS Variante – auf dem Papier auch eins: ein sehr preiswertes Gravel Bike, dabei sogar noch vertretbar schwer und ziemlich vielseitig.
Erster Eindruck: YT Szepter
Das Erstlingswerk in Sachen Gravel Bike aus dem Hause YT Industries hält nichts von gängigen Konventionen: Mit satten 40 mm Federweg und einer progressiven Geometrie geht das YT Szepter wie zu erwarten seinen eigenen Weg. Dabei setzt es den Fokus auf Spaß und Abfahrt, ohne dabei Eigenschaften eines klassischen „Gravelers“ über Bordd zu werfen. Wer aus der MTB-Perspektive in Richtung Szepter schaut, für den sind Konzept und Geometrie absolut schlüssig. Begeistert sind wir vom Sicherheitsempfinden, dem Komfort und den Allroundfähigkeiten und würden dem Szepter einen gelungenen Einstieg in die neue Drop-Bar-Welt attestieren.
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Testablauf
Wir konnten das YT Szepter Core 4 beim Presse-Event in den berühmten Surrey Hills bei teilweise recht feuchten Bedingungen antesten. Dabei ging es, verteilt auf zwei Tage, ca. 1.600 Höhenmeter auf knapp 80 km über Stock und Stein und natürlich auch auf Asphalt, sowie losem bis festem Untergrund wurde in die Pedale getreten.
Hier haben wir das YT Szepter getestet
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- Surrey Hills, UK Naturbelassene und auch gebaute Trails mit einem Mix aus oftmals sandigen Waldboden, Wurzeln und sehr steinigen Passagen. Sonst eher rauer Asphalt mit diversen Unebenheiten, sowie feste Feldwege. Viel Regen vorab machte die Trails inkl. seiner Wurzeln und Steine noch etwas spannender.
- Fahrstil
- verspielt, strammes Grundtempo, lieber eine Kurve mehr als Straightline
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro, Trail, Jumps und auch gern mal Downhill
- Vorlieben beim Fahrwerk
- etwas straffer, schneller Rebound, so wenig Dämpfung wie nötig
- Vorlieben bei der Geometrie
- ausreichender Reach, mittellange Kettenstreben, tendenziell flacher Lenkwinkel
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