Wenn ich als mehr oder weniger Laie und damit vielleicht als Vertreter derer, für die Radsport auf professioneller Ebene eine interessante Erscheinung ist, mit der sie bisher keine direkte Berührungspunkte hatte, sagen darf:
meiner Meinung nach ist das Einzige, was Doping verhindern kann, dass das Publikum - also alle, die den Radsport aktiv verfolgen, sprich am TV sitzen, ob live oder hinterher die Zusammenfassung schauen, Zeitschriften lesen etc., also die, die letzten Endes mit ihrer Masse für die Einnahmen sorgen, die wiederum die Sponsoren an die Fahrer weiter geben - Doping ächten. Dazu gehören auch die Medien.
Ich habe trotz allem nicht den Eindruck, dass Doping wirklich von allen geächtet wird. Alle sind erschrocken über die Ausmasse dieses Falls Armstrong und Co.. Aber es stört und wundert kaum noch einen, wenn der eine oder andere erwischt wird, weil sowieso jeder weiss, dass es gemacht wird und sich eine sehr hohe Toleranzschwelle eingestellt hat.
In der letzten Konsequenz würde auch notfalls ein totaler Boykott sämtlicher Veranstaltungen zur Ächtung gehören.
Das will aber natürlich auch niemand. Weil dieser Sport soviel Faszination ausübt. Auch auf Leute, die max. mit dem Rad zum Bäcker fahren. Einmal im Jahr, an 1 Sonntag Morgen. Oder die, die einfach nur gerne die wunderschöne Landschaft betrachten, ausnahmsweise ohne dabei Volksmusik hören bzw. ertragen zu müssen.
Gegen den Boykott spricht auch, dass man damit absolut alle bestrafen würde.
Doping wird man nur verhindern können, wenn der Reiz, zu dopen nicht mehr existiert. Eine Antwort auf die Frage, wie man das erreichen kann, habe ich auch nicht. Denn Reiz gehört zum Sport, er ist die Antriebsfeder.
Die kriminelle Energie, die Menschen aufbringen können, um sich selbst irgendwie zu bereichern (nicht nur monetär, auch Ruhm und Erfolg gehören dazu), wird immer da sein und immer ausgefeilter werden.
Man kann aber auch keine Prohibition extremen Ausmasses betreiben. Das bewirkt oft das Gegenteil von dem, was man erreichen will.
Leider ist so eine allgemein-gesellschaftliche und sportgemeinschaftliche Ächtung schwierig zu vermitteln bzw. durchzusetzen.
Ich glaube, am Ende gibt es immer eine nicht kleine Restmenge an Leuten, die Doping doch irgendwie ok finden, solange es im Rahmen bleibt und für so tolle Leistungen sorgt, die wir dann alle bewundern können.
Dabei muss man sich nur mal dran erinnern, wie uns Kindern schon beigebracht wurde und wie wir Kinder es gehasst haben, wenn schon bei Uno, Mau-Mau oder Vier Gewinnt einer geschummelt hat.
Und nix anderes ist Doping.
Eigentlich müssten wir Doping also hassen wie Kinder Schummler hassen. Nur fangen alle Kinder irgendwann an, zu schummeln, weil sie irgendwann diese Schwelle überschreiten und den Nervenkitzel lieben lernen, die Angst überwinden und irgendwann geht das soweit, dass man die gesamte Realität verdrängt, bis sie einen von hinten aufholt und überrollt.
Ich finde es gut, dass das System Armstrong und Konsorten nun offenbar aufgeflogen ist. Und ich hoffe, dass innerhalb der Organisationen rund um den Sport (nicht nur den "bösen" Radsport!) endlich aufrichtig gegen Doping gekämpft wird und es keine Vetternwirtschaft mehr gibt, die die Sünder deckt. Die Reinigung muss jetzt endlich wirklich statt finden.
Ich hoffe ferner, dass die UCI diesem öffentlichen Druck jetzt nicht für eine oder DIE Geschichte bisher überhaupt nachgibt und dann hinterher zur Tagesordnung zurück kehrt.
Wenn der Radsport in der öffentlichen Wahrnehmung noch zu retten sein soll, dann ist das jetzt die vielleicht letzte Gelegenheit, wenn es nicht eh schon zu spät ist.
Aber ich glaube an die Faszination, die von diesem Sport ausgeht und ich bin - vielleicht ist es naiv und dumm von einem Laien, sowas zu glauben - dass diese Faszination für den Aussenstehenden auch mit Leistungen vermittelt werden kann, die ohne Doping zustande kommen. Ich glaube nämlich, dass es dem Zuschauer, der letztendlich das Geld in die Kassen treibt, egal ist, ob die Etappe in 4:30h gefahren wurde oder in 4:45h (fiktive Zeiten).
Selbstverständlich gehört der sportliche Ehrgeiz "Höher, weiter, schneller" ja gerade zum Ansporn. Aber in diesen extremen Ausmassen, das müsste jetzt allen klar geworden sein, kann es wohl nur mit Doping erreicht werden.
Also muss auch hier öffentlich klar gemacht werden, dass den Fähigkeiten des menschlichen Körpers ohne Zuhilfenahme von unerlaubten Mitteln viel engere Grenzen gesetzt sind als ohne und auch beim Zuschauer eine gewisse Sensibilität für das, was möglich und vernünftig ist und was nicht, geschaffen werden muss.
Sorry, falls das zu philisophisch und unkonstruktiv war. Vielleicht oder sogar wahrscheinlich auch realitätsfern. Aber wie gesagt, seht es als Meinung eines interessierten und faszinierten Zuschauers, der keinen Einblick ins Profigeschäft und den Rennzirkus hat.
Nur bedenkt: dieser Anteil der Menschen ist weit höher und repäsentativer und wahrscheinlich sind es eher Leute wie ich, die durch ihr Interesse das Geld in die Kassen der Sponsoren und damit Teams und Fahrer spült.
Insofern haben eigentlich eher "wir" die Macht, wenn man so will. Und wenn "wir" sagen, ich gucke mir diesen Betrugssport nicht mehr an, dann geht es rapide abwärts mit dem Sport.
Oder es wäre die Gelegenheit, den Sport gründlich zu bereinigen.