Und noch etwas zu Ulle: Ich nehme Ulle von seiner Persönlichkeit eher als typischen DDR-Sportler-Mitläufer denn als Mastermind wahr, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Ich denke, dass Telekom damals Riis eingekauft hat, weil er die Kontakte zu den Dopern hatte und dann die Doping-Struktur bei Telekom aufgebaut hat. Da ist Ullrich 1996 reingerutscht: Nimm das Mittel und halt die Klappe.
Armstrong sehe ich von seiner Persönlichkeit eher als ruchlosen Menschen, als Mastermind, der für den Erfolg über Leichen geht und dabei alles und jeden übefährt. Riis sehe ich ähnlich. Hätte niemand gedopt, hätte Ulle auf Jahre alle in Grund und Boden gefahren. Er hatte also keinen Vorteil. Armstrong hat gedopt, weil es ihm half, Ulle zu besiegen. Ulle hat gedopt, weil er dachte, nur so eine faire Chance gegen Armstrong zu haben. Aber offensichtlich schlug Armstrong besser auf das Doping an als Ulle. Schuldig sind beide, aber die "Strafzumessung" fällt unterschiedlich für mich aus.
Ihr merkt aber selbst, dass ihr Euch das alles gerade etwas schönredet.
Man bricht die Sache auf wenige Charaktere herunter, hat dann also die ganz Schlimmen, auf die man mit dem Finger zeigen kann und die wenigeren Schlimmen, die zwar auch mitgemacht haben, aber aus welchen Gründen auch immer, weniger schlimm agiert haben sollen. So wird dann ein Maßschuh draus, der nicht mehr drückt
Armstrongs charakterliche Eigenschaften will ich hier nicht werten - mir persönlich war er nie sonderlich sympathisch, aber das ist eh immer subjektiv - nur kann man seiner persönlichen Geschichte, abseits von seiner Erkrankung - auch etwas Glauben schenken.
Die US-Boys haben sich ihre Dopingvergehen ja auch etwas damit schöngeredet, dass der Radsport in Europa Anfang der 90'er dermaßen weit verseucht war, dass die sauberen US Boys nicht wirklich mithalten konnten. Und dann im nächsten Schritt irgendwann der Chancengleichheit wegen, auch mit dem richtigen Doping angefangen haben, erst zaghaft, dann immer professioneller.
Ihr merkt schon, dass wir uns im Kreis drehen..., weil das eben jeder der Involvierten für sich proklamiert, diese im Raum stehende Wahrnehmung der Chancengleichheit. Ein typisches Henne/Ei Problem und man ist geneigt, den eigenen Sympathieträgern deutlich mehr Freiräume einzugestehen, als man das den Unsympathen zugesteht.
Und wer völlig ungedopt welche Siege eingefahren hätte, das wird auch immer Spekulation bleiben. Kann man aus Spass an der Freude diskutieren, richtig substantiell ist das aber alles nicht.
Natürlich schlägt Doping bei dem Einen besser und bei dem Anderen weniger gut an, genauso wie einer auf Trainingsreize besser reagiert als ein Anderer.
Nur, was gewinnt man aus dieser Erkenntnis?
Eigentlich nix..., neben Talent, Fleiß, Ehrgeiz, Disziplin und Können muss auch noch eine Portion Glück hinzukommen und vor allem das richtige Umfeld, denn weder ein Armstrong, noch ein Ullrich, noch ein Indurain wären jemals groß geworden, wenn sie nicht adäquat
gefördert und
betreut worden wären. Und dieses
Fördern und
Betreuen schließt so ziemlich alles mit ein, leider eben auch die unsauberen* Sachen, die dann je nach Blickfeld sauber oder unsauber sind.
* Das Talent, das seit frühester Kindheit z.B. staatlicherseits gefördert wird, hat gegenüber dem Talent, dass erst sehr viel später diese Förderung erfährt, mitunter auch einen großen Vorteil. Ist ein anderer Sachverhalt, hat dann aber doch auch etwas mit Ethik und Moral zu tun (Kindheit wegnehmen) und kann großen Einfluß auf die Karriere haben.