Da es hier keinen „offiziellen Stand der Forschung“ gibt, kann ich Dir nur meine Meinung anbieten: Für mich sind es im Wesentlichen die Reifen, die Geometrie des Vorderbaus, der Einsatzbereich und die Geschichte. Die meisten „Geländerennräder“ - wobei mir nicht klar ist, ob Du eher Gravelracer oder Crosser meinst, haben Reifen mit ordentlich Profil bis hin zu groben Stollen. Crosser sind auf 33 mm Breite limitiert, Gravelbikes nicht. Eine Randonneuse hat eher minimales Profil bei 32-42 mm Reifenbreite. Sie ist für den Einsatz auf Straßen aller Art („Allroad Bike“) konzipiert, das Gegenstück ist eher fürs Gelände. Mit der Waldautobahn (unbefestigter Fordtweg) kommt die Randonneuse gut klar, für das Geländerennrad fängt der Spaß hier erst an. Gravelbikes haben fast immer flache Lenkwinkel von 71-72 Grad mit etwa 60 mm Nachlauf oder mehr, die Randonneuse hat traditionell 73 Grad und der Nachlauf bewegt sich oft zwischen 40 und 50 mm. Das sind Welten, was das Handling angeht. Mit Randonneusen wurden im Frankreich der 1940er und -50er Jahre lange Strecken zügig zurückgelegt. Die Straßen waren meist rauh asphaltiert oder unbefestigt. Daher die breiten Reifen und das geringe Profil. Ins Gelände ging es eher selten. Die Tasche auf dem Front-GT und die Schutzbleche gehören bei der Randonneuse zum Kern des Konzepts. Oft sind sie mit pfiffigen Detaillösungen (Décaleur) integriert. Beim Geländerennrad sind das oft eher Add-Ons, denen man ansieht, dass das Rad sowas eigentlich nicht haben will.
Aber beide Räder haben viel breitere (und sich überlappende) Einsatzbereiche als etwa das MTB oder das Rennrad. Deshalb finde ich sie so spannend. Die späteren klassischen Randonneusen von Alex Singer oder René Herse hatten oft 32er Reifen, was auf die bessere Qualität der Straßen in Frankreich hindeutet. So gesehen könnte ein aktuelles C‘dale Synapse, das 32+ mm Reifen erlaubt, auch eine spannende Entwicklung in diese Richtung sein. Würde ich gern mal testen. Aber nicht zum Pendeln...
Ich selbst komme vom Rennradsport (nicht Radrennsport), habe mir 2013 ein Croix de Fer zugelegt, um auch auf unbefestigten Wegen gut fahren zu können. Bis jetzt fahre ich vorwiegend auf der Straße, genieße es aber sehr, flexibel zu sein und jederzeit ein auch längeres Stück durch den Wald fahren zu können. Kein Wunder, dass die Randonneuse mich eher anspricht. Entsprechend habe ich beim Bambusrad auch das Tretlager ziemlich tief gelegt, was mit einer traumhaften Straßenlage belohnt wird und im krassen Gelände eher nachteilig ist. Wirklich schön beim täglichen Pendeln ist die Tatsache, dass unbefestigte Abschnitte oder Kopfsteinpflaster keine negativen Highlights mehr sind, sondern - so gut wie alles andere. Man rollt entspannt drüber weg.
Gruß, svenski.