Klassik in Hannover Teil 2
28.05.2017
Am Sonntag klingelte der Wecker um 7 Uhr. Ich ging ins Bad und richtete mich her. Dann packte ich meine Tasche wieder zusammen und ging in den Frühstücksraum. Kurze Zeit später kam noch ein Paar herein, das ich vom Sehen vom Vortag an der Bahn schon kannte. So verging das Frühstück recht schnell und gut gestärkt checkte ich aus dem Hotel aus und machte mich auf den kurzen Weg zur Bahn. War aber gar nicht so einfach meiner Bianchi Donna Bianca zu erklären das sie nicht mit auf die Bahn durfte. Um 9:30 Uhr waren die Stände schon größtenteils aufgebaut und die Ersten stöberten schon.
Toll was es hier alles gab. Selbst kleinste Teile wurden reichlich angeboten. Ich machte mich auf die Suche nach Teilen die ich unbedingt brauchte und fragte mich an den Ständen durch. Leider war die weiße Silica etwas zu kurz für mein Bianchi. Dafür fand ich Schuhplatten für meine Carnac-Schuhe. Und dann eine MTB Deore Kurbel. Die war zwar dreifach, sah aber klassisch aus und hatte 110 mm Lochkreis. Mit den richtigen Kettenblättern hätte ich eine schöne klassische Kompaktkurbel. Sogar silberne, schmal bauende Cantileverbremsen für meinen Koga Miyata Randonneur fand ich. Dann zwei alte silberne
Flaschenhalter fürs Bianchi und zwei schwarze, etwas neuere fürs Koga. Perfekt!
Und dann kam für mich der absolute Glücksgriff. Ich unterhielt mich gerade mit ein paar Leuten über mein Koga Randonneur, als ein Besucher anmerkte das er gerade einen Fehlkauf getätigt hatte. Einen Frontgepäckträger original von Koga, der leider mit seinen Mafac-
Bremsen nicht passte. Bei der Beschreibung war mir schnell klar das es sich wohl um den Träger handelte, der an meinem Koga Miyata Modell original dran war. Zufällig kam er auch noch aus Hannover und bot mir an den Träger von zu Hause zu holen. Diese Träger sind leider nicht mehr einfach zu finden. Wir verabredeten uns für später, da ich ja noch auf der Bahn fahren wollte.
Dann war es gegen Mittag so weit. Wir durften auf die Bahn. Ich holte schnell Schuhe, Pedale und
Helm aus dem Auto und betrat das erste Mal das Innenfeld der Bahn. Was für ein Moment. Etwas aufgeregt war ich schon, aber auch voller Erwartung. Ich bekam ein rotes Bahnrad mit 59er Alurahmen von Fagin. Nach dem aufpumpen der
Reifen auf 10 bar, montieren meiner Pedale und einstellen des Sattels, konnte es losgehen.
Eine kurze Einweisung und ich drehte mit ein paar Anderen erste vorsichtige Runden auf dem blauen Innenfeld. Das war zwar etwas holprig, hatte aber noch keine Schräge. Wir sollten erst einmal lernen zu treten und dann wieder anzuhalten. Das war gar nicht so einfach. Dann wurde es etwas flotter. Und wir trauten uns vorsichtig auf die Schräge.
Ich fand es am Anfang sehr anstrengend, da ich mordsmässig in die Pedale trat, um nicht zu langsam in die Steilkurven zu fahren und dann etwa runter zu rutschen. Nach zwei Runden war ich völlig durchgeschwitzt und fertig. Ich machte eine kurze Pause und trank etwas. Dann ging es wieder aufs Rad. Nachdem ich Anfangs wieder die gleichen Probleme hatte, probierte ich es mit etwas weniger Druck und gleichmäßigerem fahren. Auf der Straße immer meine Spezialität bei langen Strecken. Und oh Wunder, ich bleib in der Kurve.
Dann wieder eine kleine Pause, in der ich mal von den anderen Teilnehmern Fotos machte. Die fuhren teilweise ganz schön flott, aber auch nur kurze Runden.
Au weia, die Tribüne füllte sich und wir bekamen richtig Zuschauer. Das machte die Sache noch spannender.
Ein Teilnehmer drehte lässig seine Runden und nutzte die Zeit auf der Bahn als Training fürs Worldklapp, einem Klappradrennen.
Leider durfte er mit dem Klapprad nicht auf die Bahn und bekam auch ein Bahnrad.
Jetzt kamen immer wieder neue Interessenten auf die Bahn. Das reizte schon Einige mal hier ein paar Runden zu drehen. Ich schwang mich auch wieder aufs Rad und fing an Runden zu drehen. Wie viele es waren weiß ich nicht, aber das Navi zeigte mir hinterher 10 km Strecke an. Da eine Runde 330 Meter hatte, waren es wohl einige Runden die ich da am Stück drehte. In Unterlenkerhaltung fühlte ich mich am wohlsten und fuhr und fuhr und fuhr. Es begann jetzt richtig Spaß zu machen und ich fuhr immer höher in die Steilkurve. Dann ließ ich mich zum Kurvenausgang wieder etwas abfallen und beschleunigte dadurch. Außerdem fand ich immer mehr meine Linie wo keine Schäden im Holz waren. Trotzdem rutschte ab und zu das Hinterrad und zweimal sogar das Vorderrad in der Steilkurve. Aber es blieb ohne Folgen und ich lernte Vertrauen zu haben. Die Unsicherheit wich einer absoluten Gelassenheit und der Gewissheit mir würde hier kein Sturz passieren. Das Selbstvertrauen stieg also. Genau wie der Suchtfaktor.
Doch dann bekam ich wieder Durst und beschloss eine kleine Pause zu machen. Ich trank etwas und schlenderte über den Markt, wo mir zwei Radbücher ins Auge fielen. Schnell waren sie mein und ich trug die Beute zum Auto. Jetzt nahm ich mir mal Zeit ein paar der ausgestellten Räder anzuschauen. Vor allem die Bahnräder hatten es mir angetan. Da dämmerte mir wohl bereits das ich demnächst ein eigenes Bahnrad brauchen würde. Beinahe hätte ich jedoch einen sehr günstigen Straßenrahmen von Kotter gekauft. Auch ein Laufradsatz mit neueren Wolberfelgen und Tricolor Naben fand mein Interesse. Wirklich brauchte ich beides nicht, aber fand es interessant. So überlegte ich hin und her, aber konnte mich noch nicht entschließen. Ich wollte später noch einmal wieder kommen. Vielleicht kaufte mir Jemand auch beides weg, dann war ich von der Versuchung erlöst.
Nach der Pause ging es zurück auf die Bahn. Ich drückte Jemand meine Kamera in die Hand um ein paar Fotos in Aktion zu haben. Dann fuhr ich meinen zweiten langen Turn. Schön gleichmäßig, nicht zu schnell und nicht zu langsam. 30 km/h im Schnitt sagte mein Navi hinterher und wieder gut 10 km. So spulte ich Runde um Runde in der Hitze ab. Im Augenwinkel nahm ich die Zuschauer auf der Tribüne wahr. Ich fühlte mich fast wie bei einem neuem Stundenweltrekord, nur das ich keine Stunde fuhr und sicher zu langsam war. Ich fühlte mich eins mit der Rad und der Bahn. Sicher einer der schönsten Momente in meiner Radlaufbahn. Die Bahn lebte, sie hatte eine Seele und sie konnte hinterhältig sein. Immer mal wieder eine lockere Holzlatte und einmal sogar ein Loch, in dem mein Hinterrad einsank. Das war ganz am inneren Rand der Bahn. Zum Glück hatte ich so viel Schwung das ich nicht steckenblieb. Aber ich hörte das Krachen und spürte wie das Hinterrad einbrach. Das Gleiche mit dem Vorderrad und gute Nacht. Aber ich vertraute mir, dem Rad und auch der Bahn das nichts Schlimmes passieren würde. Und ich behielt Recht. Runde um Runde fuhr ich, wollte ewig so weiter fahren. 100 km, 200 km oder noch weiter. Einfach fahren, dem Knacken der Holzsparren zuhören und fahren, fahren, fahren. Das hatte definitiv Suchtcharakter und kannte ich teilweise von meinen Langstrecken. Doch die Vernunft siegte und ich stieg schließlich von dem Rad und gab es schweren Herzens zurück. Spätestens jetzt war klar, ich brauchte ein Bahnrad. Und eine Bahn. Das Erste ließ sich sicher machen, das Zweite war schon schwieriger, da bei uns in Dortmund keine Bahn mehr existierte. Aber das würde sich schon finden. Noch voller Glücksgefühle brachte ich
Helm, Schuhe und Pedale zurück zum Auto und verpflegte mich erst einmal am Grill mit leckerem Grillkäse und dann mit einem alkoholfreiem Alster.
Noch einmal schlenderte ich durch die Exponate und entdeckte ein altes Steherrad welches mein Vereinskollege Frank Schmadtke von "Sturm" Hombruch in den 80er Jahren gefahren hatte. Jetzt gehörte es zu der großen Rickertsammlung vom Rickert-Rentner aus Münster.
Auch andere Räder von Rickert, Patria WKC und Polrad erregten meine Aufmerksamkeit. Eine wirklich schöne Sammlung. Danke fürs zeigen.
Mittlerweile war der Besucher auch mit dem Koga Frontträger zurück. Das Teil war absolut perfekt, in richtig gutem Zustand und wirklich das Originalteil. Ich konnte mein Glück kaum fassen und zahlte ihm den Preis für den er den Träger erstanden hatte. So hatten wir Beide gewonnen. Er hatte keinen Verlust gemacht und ich brauchte nicht mehr ewig nach dem Teil zu suchen. Was für ein Tag. Meine Glückshormone liefen langsam Amok. Dafür wurden die Stände langsam abgebaut. Ich war ganz froh das die Rahmen schon weggepackt waren, sonst hätte ich vielleicht doch noch das Kotter.... Aber ich hatte wirklich genug Baustellen zu Hause. Noch ein paar Gespräche und dann verabschiedete ich mich von den Anderen. Am Auto angekommen machte ich noch ein Foto von meinen "erbeuteten" Schätzen. Vieles hatte ich bereits dringend gesucht. Besser konnte es gar nicht laufen. Mein erster Teilemarktbesuch überhaupt und dann so erfolgreich für mich.
Gegen 16 Uhr machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ein richtig tolles Wochenende ging zu Ende. Ich traf einige bekannte Gesichter wieder, lernte Neue kennen und hatte zwei richtig gute Tage. Die Atmosphäre war wirklich sehr freundschaftlich, geradezu familiär. Die Besucher und Organisatoren waren richtig nett und sympathisch und ich hoffe das ich Alle mal wieder sehe. Was ich jetzt natürlich auch sehr hoffe das es auch Klassikertage Hannover 2018 geben wird. Aber das hängt in der Form wie dieses Mal sicher auch von dem Fortbestand der Bahn ab. Der jetzige Betreuer der Bahn Jürgen ist bereits 80 und kann und will so nicht weiter machen. Ich hoffe es finden sich Helfer oder eine ganze Gruppe die ihn unterstützt und seine Aufgaben übernimmt. Die Bahn ist toll und hat ihren völlig eigenen Charakter, eben gerade weil sie nicht perfekt ist. Es wäre eine Schande wenn es sie irgendwann nicht mehr geben würde. Der Bahnradsport ist so toll und auch spannend bei den Rennen. Verstehe gar nicht das die Leute sich nicht mehr so dafür interessieren. Ich träume davon das es irgendwann mal wieder so wird wie in den Erzählungen meines Großvaters aus den 50er Jahren. Damals war der Radsport der zweite Sport hinter dem Fußball bei uns im Ruhrgebiet. Solange schließe ich die Augen und träume von den glorreichen Zeiten. Jetzt weiß ich zumindest wie es sich anfühlt auf der Bahn zu fahren. Ein irres Gefühl.Vielen Dank dafür. Das werde ich nie vergessen.