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Radfahrer ohne Helm tragen Mitschuld bei 'nem Unfall

  • Ersteller Ersteller KLR
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Hallo thebigoneinfont,


Das ist doch ein Widerspruch in sich - oder etwa nicht?

Das US-Rechtssystem ist mir noch unbekannter (manchmal unverständlicher) als das hiesige.
Vermutlich lassen sich diese auch nicht vergleichen, da ich die US-Rechtssprechung vereinfacht gesagt so sehe, dass dort dem Geschädigten vollkommen, oder sogar darüber hinaus, ein Schaden ersetzt wird bzw eine Wiedegutmachung verbunden mit ... "sagen wir mal Genugtuung" das Ziel ist.
Man hat dort viele Freiheiten, bricht man aber die Regeln, so hat man auch mit harten Konsequenzen zu rechnen => und zwar der Verursacher - ohne wenn und aber!

In unserem System wird eher versucht dem "Angeklagten" alles erdenklich Strafmildernde zu berücksichtigen bzw zukommen zu lassen. Der Geschädigte spielt eine deutlich untergeordnete Rolle.

MfG
Hallo KLR,
wenn Du so willst, ein Widerspruch. Es stehen stets die Grundsätze "Rechtssicherheit" (=irgendwann muss die Sache mal irgendwie abgeschlossen werden) und "Individualgerechtigkeit" (= die Entscheidung muss dem Einzelfall im Detail gerecht werden). Die goldene Mitte kann je nach Gebiet mal ein bisschen verschoben sein.
 

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Re: Radfahrer ohne Helm tragen Mitschuld bei 'nem Unfall
Als Helmträger (seit über 20 Jahren) und Helmpflicht-Gegner (würde vielen Menschen das Radfahren verleiden) halte ich das Helmtragen für Rennradler für zumutbar. Wer sich vor dem Fahren den Schritt eincremt, täglich den Reifendruck prüft und je nach Wetter die Laufräder wählt, dem ist auch ein Helm zuzumuten. :D
Jemanden, der seit 40 Jahren mit dem Rad zum Brötchenholen fährt, zum Helmtragen - auch durch solche Mitschuld-Zuweisungen - zu zwingen, ist grober Unfug. Nicht zumutbar.
Der Gesetzgeber muss nicht die Gefährdeten zwingen, sich zu schützen, sondern die Gefährder zu mehr Sorgfalt und Rücksicht erziehen.
Voll und ganz Deiner Meinung.

Wie schreibt der Stern-Kommentator:
"Und das Ganze ergeht im Namen des Volkes. Doch für wen spricht dieses Gericht wirklich? Wer profitiert von dem Urteil? Die Antwort ist einfach: die Versicherungen. Denn sie müssen jetzt weniger zahlen und werden das Urteil wegen der Signalwirkung bejubeln. Je höher Anforderungen an den Bürger zum aktiven Selbstschutz werden, umso mehr Opfer werden nachträglich zu Mittätern gemacht - und jedes Mal spart die Assekuranz Therapiekosten und Entschädigungen."

Gerade letzte Woche im Spiegel gefunden:


Vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft...
 
Bei der Diskussion um Mitschuld gibt es auch den Aspekt der Zumutbarkeit.....
Als Helmträger (seit über 20 Jahren) und Helmpflicht-Gegner (würde vielen Menschen das Radfahren verleiden) halte ich das Helmtragen für Rennradler für zumutbar. Wer sich vor dem Fahren den Schritt eincremt, täglich den Reifendruck prüft und je nach Wetter die Laufräder wählt, dem ist auch ein Helm zuzumuten. :D
Jemanden, der seit 40 Jahren mit dem Rad zum Brötchenholen fährt, zum Helmtragen - auch durch solche Mitschuld-Zuweisungen - zu zwingen, ist grober Unfug. Nicht zumutbar.
Der Gesetzgeber muss nicht die Gefährdeten zwingen, sich zu schützen, sondern die Gefährder zu mehr Sorgfalt und Rücksicht erziehen.
Zumutbarkeit - Ja und Nein. Nehmen wir mal den Profi Forstarbeiter der täglich mit der Kettensäge hantiert - für den ist es selbstverständlich die geeignete Schutzausrüstung zu tragen - auch im Eigeninteresse.
Und jetzt kommt der Hobbygärtner in Badelatschen und Bermudashorts - auch mit der Kettensäge wild am fuchteln, und verletzt sich schwer. Dann soll die Solidargemeinschaft d.h die Beitragszahler ohne Beteiligung des Geschädigten für alle Unfallkosten aufkommen ? Kann auch nicht richtig sein.
Und schauen wir uns doch mal die Komiker auf ihren Rädern an - mir ist diese Tage eine Dame begegnet , schwere Tasche über die Schulter geworfen , Handy am Ohr, die andere Hand am Lenker mit dazwischengeklemmter Hundeleine ( und Hund ) - natürlich ohne Helm. Gibt es also einen Freibrief für alle möglichen Kapriolen und deren evtl. Folgen auf dem Rad ? Ich finde jeder sollte selbstverantwortlich für einen gewisen Mindestschutz sorgen müssen , wer das nicht will oder für nötig hält darf dann auch nicht erwarten im Schadensfall eine volle Entschädigung durch die Solidargemeinschaft zu erhalten.
 
Ich finde jeder sollte selbstverantwortlich für einen gewisen Mindestschutz sorgen müssen , wer das nicht will oder für nötig hält darf dann auch nicht erwarten im Schadensfall eine volle Entschädigung durch die Solidargemeinschaft zu erhalten.
Hier geht es um Fremdverschulden, und um den üblen Trend, das Opfer bzw. (Spiegel-Interview) potentielle Opfer in die Verantwortung zu nehmen, und nicht den Täter bzw. potentiellen Täter.

Statistisches Bundesamt, Zweiradunfälle 2011: Bei Unfällen KFZ-Fahrrrad lag die Schuld zu 75 % beim KFZ.
 
Maxxi
Nein, ich bin nicht für das bedingslose Eintreten der Solidargemeinschaft für jede Blödheit des Einzelnen. Ich bin auch so ein Gelegenheits-Kettensäger, aber mit Schnittschutzhose, Drahtvisier-Helm und jeder Menge Respekt vor dem Ding.
Das Gefährdungspotenzial einer Kettensäge sehe ich ungefähr in der Nähe eines KFZ. Mit Umsicht und Kenntnis bedient, kann man jahrelang damit unterwegs sein, ohne sich oder andere zu gefährden. Unaufmerksam kann man mit Kettensäge oder Auto in wenigen Sekunden sich oder andere schwer verletzen. Okay, der Vergleich hinkt vergleichsgemäß, ist aber nicht ganz absurd.
Der Richterspruch zum Helmtragen ist allerdings eher so, als wenn in einer Gegend, wo Leute sorglos mit Kettensägen herumwedeln, nicht die Kettensägenwedler in den Hintern getreten werden, sondern der Rest verknackt wird, in Schnittschutzklamotten herumzulaufen.
 
Aber das Geschrei über das Urteil ist doch nur deshalb so groß weil damit indirekt eine Helmpflicht eingeführt wird , oder ?
 
Aber das Geschrei über das Urteil ist doch nur deshalb so groß weil damit indirekt eine Helmpflicht eingeführt wird , oder ?

Maxxi (oder wie auch immer),

nein, das Geschrei ist deshalb so groß, weil 90 % derjenigen, die schreien, das Urteil nicht gelesen haben, und von denjenigen, die dies taten, haben 90 % es nicht verstanden. Das Geschrei ist deshalb so laut, weil unreflektieres Gebrüll in unserer Gesellschaft nicht als unfein gilt, sondern weil Lautstärke mittlerweile offenbar den Status eines Qualitätskriteriums errungen hat. Im Zeitalter der universellen Geschwätzigkeit gilt halt das Motto: "von nichts eine Ahnung, aber zu allem eine Meinung".


Schönen Gruß

Hans
 
Maxxi (oder wie auch immer),

nein, das Geschrei ist deshalb so groß, weil 90 % derjenigen, die schreien, das Urteil nicht gelesen haben, und von denjenigen, die dies taten, haben 90 % es nicht verstanden. Das Geschrei ist deshalb so laut, weil unreflektieres Gebrüll in unserer Gesellschaft nicht als unfein gilt, sondern weil Lautstärke mittlerweile offenbar den Status eines Qualitätskriteriums errungen hat. Im Zeitalter der universellen Geschwätzigkeit gilt halt das Motto: "von nichts eine Ahnung, aber zu allem eine Meinung".
Schönen Gruß Hans

Das strotzt ja richtig vor Sachlichkeit!;)
 
Hallo whs70,
dann erklär es mir doch bitte.
Ja da bin ich auch d'ran interessiert; denke aber eher, jetzt wird wieder erklärt, dass das ja sooo kompliziert sei (mag sein), wir keine nötige Vorbildung hätten um den höchstkomplexen Erläuterungen überhaupt folgen zu können und dass ihm das eh' zu aufwändig oder sonst was wäre.
Aber Hauptsache, mal das Maul weit aufreissen und
...

unreflektieres Gebrüll
... in die Forumswelt posaunen.


Hey, aber vielleicht lieg' ich ja auch mit dieser Annahme daneben - warten wir's ab;)

MfG
KLR
 
Moin,
viel Stoff zum Lesen: http://www.radverkehrspolitik.de/olg-schleswig-betrachtung-des-fahrradhelm-urteils/

Ich finde dort werden die Urteilsbegründungen sehr gut erklärt. Ich bin gespannt, was der Bundesgerichtshof entscheidet.

Hallo Bully,

ja der Artikel ist nicht schlecht, zeigt er doch die (einseitige?) Sicht des Gerichtes. Eine Bestätigung der richtigen Entscheidung im Sinne der bestehenden Gesetzeslage erkenn' ich darin allerdings nicht.

"...Der Helm mag im vorliegenden Fall vor den entstandenen Verletzungen geschützt haben, leider folgen die Richter anschließend der Unart, den Helm glorifizierend als universelles Schutzwerkzeug zu sehen. Ein Fahrradhelm kann aber nicht die Defizite einer fehlenden Knautschzone ausgleichen und schon gar nicht die zwischen den Zeilen eingeschobene Aggressivität der Kraftfahrer mindern. In Deutschland, in der sich im Sinne sicherer und sinnvoller Radverkehrsinfrastrukturen allenfalls in den letzten Jahren etwas tut, treten dermaßen viele Gefährdungen in Form von unachtsam abbiegenden Kraftfahrern, achtlos auf den Radweg tretenden Fußgängern, vollkommen unzulässig angelegten Radwegen und sicherlich auch nicht besonders klug im Verkehr reagierenden Radfahrern auf, dass ein Helm zwar die Verletzungen des Unfalles im vorliegenden Sachverhalt hätte milern können, aber keineswegs mit derartigen Superkräften ausgestattet ist, die von Medien und Polizeimeldungen immer wieder verbreitet werden.
Insofern muss eindeutig festgestellt werden: Das Gericht macht es sich an dieser Stelle zu einfach, aus der Einschätzung seines Sachverständigen auf eine derartig heilsbringende Schutzwirkung zu schließen..."

&

"...Es (OLG Schleswig) sagt lediglich: Erleidet ein Radfahrer Verletzungen, die mit einem Fahrradhelm geringer erwiesenermaßen ausgefallen wären, ist dem Radfahrer ein gewisses Mitverschulden an seinen Verletzungen anzurechnen und seine Ansprüche dementsprechend zu kürzen..."

Und genau darüber wird nun fleißig gestritten, weil genau dieser Punkt nicht (deutlich, nachvollziehbar bzw akzeptierbar) vermittelbar ist.
Ich meine nach meiner jetzigen Kenntnis- und Wissenslage, nach wie vor, dass der Ansatz um zu diesem Urteil zu kommen schon falsch ist.
Und anscheinend bin nicht nur ich so stur?, unverständig? oder mit
...gesundem Volxempfinden...
zu dieser Entscheidung eingestellt.


PS:
Dieser Satz von Ruhrbiker trifft das sehr sehr gut:
Der Gesetzgeber muss nicht die Gefährdeten zwingen, sich zu schützen, sondern die Gefährder zu mehr Sorgfalt und Rücksicht erziehen.
MfG
KLR
 
Falsch. Das kann man ja nicht unter "einfachste Vorsichtsmaßnahmen missachtet" einordnen. Es geht ja nicht darum, dass man nichts außer dem billigsten spazieren fahren darf, sondern darum, dass man für die auf einfachste Weise vermeidbaren Folgen eigener dämlicher Entscheidungen andere nicht haftbar machen kann. Wie gesagt, ob das Gericht das hier richtig gemacht hat, ist eine andere Frage.


Das LG München sieht dies aber völlig anders.
Diesem zufolge ergibt sich eine Mitschuld resultierend aus der "Art des benutzten Rades, bei dem es sich um ein Rennrad der sowohl technischen als auch finanziellen Spitzenklasse handelt".
Lightweight kostet dich also doch SchE-Ansprüche. ;)
 
Besonders interessant in der Urteilsbegründung sind folgende Absätze:

b) Entgegen der bisher herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe NZV 1991, 25; OLG Nürnberg DAR 1991, 173; OLG Stuttgart VRS 97, 15, 18; OLG Nürnberg DAR 1999, 507; OLG Hamm NZV 2001, 86; OLG Hamm NZV 2002, 129, 131;OLG Düsseldorf NZV 2007, 619; OLG Saarbrücken NZV 2008, 202, 303) begründet nach Auffassung des Senats das Radfahren ohne Schutzhelm bei einer Kopfverletzung durch Fahrradsturz auch den Vorwurf des Mitverschuldens eines Radfahrers, wenn er am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt.

"Entscheidend ist vielmehr das besondere Verletzungsrisiko, dem Fahrradfahrer heutzutage im täglichen Straßenverkehr ausgesetzt sind, wie dieser Streitfall plastisch zeigt. Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden."

Das Emöperende an dem Urteil ist einfach, dass grob fahrlässiges oder vorsätzlich rechtswidriges Verhalten eine Mitschuld eines anderen mit einschließen können. Das entbehrt des gesunden Menschenverstandes und hat nichts mit 'unangenehmer Rechtssprechung' zu tun.


Daher möchte ich einen Kommentar aus der FAZ zitieren:

"Für Menschen besteht zwar keine Pflicht zum tragen entsprechender Schutzkleidung, aber sie sind im täglichen Straßenverkehr - und nicht nur dort - unstrittig einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Es ist unzweifelhaft, dass Schutzkleidung vor Verletzungen schützt. Auch ist die Anschaffung wirtschaftlich zumutbar. Daher kann nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens einen Brust- und Rückenschutz, Arm- und Beinschoner, Handschuhe, Sicherheitsschuhe und natürlich einen Helm tragen wird."


(2 Edits kurz nach dem Erstellen)
 
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