Hier kommen immer die Themen "Schuld" und "Verpflichtung, den Schaden möglichst klein zu halten" durcheinander.
In dem Urteil ging es nicht IMHO nicht darum, ob der Radlerin eine teilweise Schuld auferlegt werden sollte, sondern um den Vertragsbestandteil nahezu jeder Versicherung, ob der Versicherungnehmer alles ihm zumutbare getan hat, um einen Schaden möglichst gering zu halten.
Nach Ansicht des Gerichts ist es Radlern zuzumuten, einen
Helm zu tragen. Wer keinen
Helm tragen möchte, ist nicht (teil)schuldig, sondern er bekommt einen Teil des ihm entstandenen Schadens von der Versicherung nicht ersetzt, weil er ihn mit zumutbarem Aufwand hätte verringen können.
Das gibt es bei vielen Versicherungen. Wenn man sich notorisch weigert, beim Gehen die Haustür abzuschließen, wird die Hausratversicherung weniger zahlen wollen. Wenn man glaubhaft machen kann, dass man es einmalig vergessen hat (Augenblicksversagen), wird die Versicherung zahlen müssen.
Was "zumutbar" ist, wird im Zweifel von einem Gericht entschieden. Es wird bisher nicht als zumutbar angesehen, stets ein Auto mit aktueller Technik zu fahren. Vielleicht wird mal der Fahrer eines 50 Jahre alten Cabrios, der in der gurtlosen Kiste ohne Kopfstützen ins Holzlenkrad mit Stahlspeichen gebissen hat, von der Versicherung des Gegners zappeln gelassen, nach dem Motto: "Es wäre zumutbar und machbar gewesen, Gurte einzubauen." Darüber wird dann ggf. ein Gericht entscheiden.
Bei dem extrem emotional-erotischem Verhältnis der Deutschen zu ihren Autos und zur Autoindustrie liegt die Hemmschwelle, diese mit Zumutbarkeiten zu belästigen, anscheinend höher als bei Radfahrern.
Da man ein altes Auto ohne ABS, ESP, SHA etc aber nicht für 80€ mit 320er Brembos und ABS aufbrezeln kann, wird das eben auch nicht als zumutbar erkannt.
Und da der Gesetzgeber - sachlich vielleicht bedenklich - 1,6 mm Profil für ausreichend hält, findet auch keine Diskussion statt, ob neue Superschlappen den Bremsweg entscheidend verkürzt hätten.
Die Frage "Was soll denn dann noch alles zumutbar sein? Ellenbogen-Protektoren? Knie-Protektoren? Protektorenwesten? Vollvisier-Helme?" liegt nahe, ist aber bisher hypothetisch. Ein Downhiller, der nur im T-Shirt einen Trail runterballert und ins Geröll fliegt, könnte auch bei seiner Versicherung auflaufen, wenn die sagt: "Es ist in der Downhill-Szene seit Jahren üblich, Protektoren und Vollvisierhelm zu tragen. Wer das nicht tut, muss sich am erlittenen Schaden beteiligen."
Je mehr das Fahrad als Alltags-Verkehrmittel etabliert wird, umso schwieriger wird es für Versicherungen, das Radeln als Risiko-Sport darzustellen und Forderungen nach Helmen, Protektoren und Kevlar-Jacken zu stellen.
EDIT: Ich trage seit 25 Jahren
Helm, bin aber gegen eine Helmpflicht. Es ist eine Frage des Inhalts, ob man einen Kopf schützt oder nicht. Es ist absurd, Omma Schulte-Sobisch, die seit 50 Jahren auf Wirtschaftswegen durch das Münsterland radelt, zum Helmtragen zu zwingen. Helmpflicht schreckt vom Radfahren ab. Mehr Radfahrer auf den Straßen lassen die Unfallzahlen im Verhältnis sinken. Der gesundheitliche Zusatznutzen übersteigt nachweislich und signifikant das Unfallrisiko.