AW: Team Marathon-Mädels
Ansonsten bin ich einfach gerne draussen und auf dem Rad kann man wunderbar nachdenken, brüten, verdauen und den ganzen Mist der einen bedrückt so nach und nach in Äckern und Wiesen lassen. Wenn ich nach Hause komme, bin ich der friedlichste Mensch der Welt. So einfach ist das
Das ist wahrscheinlich der einzige Grund, warum meine Regierung nicht allzusehr meutert, bzw. mich sogar rausscheucht, wenn ich für mehr als ein paar Tage nicht unterwegs war. Ansonsten hält er Ausdauersportler für masochistisches Volk und findet, ich könne die Wochenenden auch gern mit ihm im Bett verbringen.
meine Leidenschaft hat nämlich tiefe Wurzeln, ich liebe alles was Rädchen hat.
Hm, nicht ganz, für Tretroller konnte ich mich nie erwärmen, den musste meine Schwester fahren weil ich mein Rad nicht hergegeben habe. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass es möglich ist, dass ein Kind in Deutschlang kein Rad hat, aber Du bist da wirklich nicht die einzige Frau, die es so getroffen hat, aber im Unterschied zu den meisten ist es bei Dir nicht dabei geblieben.
Als ich mein erstes Rad bekam, so mit knapp drei Jahren, kam ich nicht einmal mit den Füßen an die Pedale, da mussten Holzklötzchen und Einmachgummi als erstes "Pedalsystem" herhalten. Mit knapp sechs den ersten ernsthafteren Sturz und seitdem eine Narbe am Kinn: "Guck mal Onkel Dieter, ich kann schon freihändig!"
Ich bin die älteste von vier Kindern, aufgewachsen in einer Bauernschaft im nördlichen Münsterland, Mamataxi gabs noch nicht, alle Wege mit dem Rad und wenn es kaputt war, zu Fuß. Verständlicherweise war ich sehr darauf bedacht, von meinem Vater, der unter der Woche gar keine zeit für sowas hatte, zu lernen, wie man ein Rad am Laufen hält und habe das auch für meine Geschwister miterledigt.
Natürlich hatte ich auch immer ein Rad. Erst das kleine, geliebte Kinderrad, dann ein Klapprad, dann ein altes Damenrad. Das war das erste, dass mir geklaut wurde. Es wurde durch ein altes Herrenrad Marke "Vaterland" ersetzt. Damit habe ich als Studentin die ersten großen Touren gemacht bis es aus dem Hausflur geklaut wurde. Weil mein Bruder Geld für die Mofaversicherung brauchte, sein Konfirmationsrad aber nicht, fand ich mich dann fix im Besitz eines 10-Gang Kalkhoff Rennsportrads - bis das am hellerlichten Tag einen neuen Benutzer mit einer liberalen Einstellung zu persönlichem Eigentum fand und von mir durch ein Baumarktrad ersetzt wurde (mehr war nicht drin). Das bin ich gefahren bis ein Freund mit sein nagelneues Motobecane 12-Gang mit Vitusrohren reichte: "Willste mal ausprobieren?"
Danach gab es nur noch eines: Sparschwein auskippen, Rest zusammenborgen, und eine etwas bescheidenere Version in Stahl war mein eigen. Weil man seinerzeit noch Licht, Schutbleche und Gepäckträger an Renräder basteln konnte, war das ideal für schnelle, lange Touren und taugte auch im Alltag, an Rennen habe ich nie gedacht.
Ich lernte einen ebenfalls rennradbegeisterten Maschbauer kennen und zusammen waren wir oft damit beschäftigt, auf die jeweils neueste Technik aufzurüsten und die Dinger am Laufen zu halten. Zum Glück war er einer der wenigen Männer, die Frauen nicht immer gleich alles aus der Hand nehmen und gab auch keine entmutigenden Geräusche von sich, wenn man z.B. mit einer neuen Nabe ankam, die man dringend in das alte Hinterrad einspeichen wollte, sondern nutzte die Gelegenheit, die Nabe (erste Casettennabe, die uns unter die Finger kam, direkt aus Frankreich importiert!) zu zerlegen und sich an der Technik zu ergötzen.
Kinder sind dann eine echte Spaßbremse, was Radfahren angeht. Das Motobecane habe ich meinem Bruder geschenkt, stand eh nur rum. Als die Schrate selbst einigermaßen mobil waren, habe ich mir ein Faggin zusammengebaut, bin aber so wenig gefahren, dass es mir nicht wirklich leid tat, als ich es an meinen Ältesten gemäßt des Versprechens: "Wenn Du groß genug bist, dass Du darauf passt, ist es Deines" abgetreten habe.
Irgendwann waren die Kinder dann schon so groß, dass ich sie gefahrlos auch schon mal ein paar Stunden allein lassen konnte und es hieß: "Wenn Du mit dem Rauchen aufhörst, bekommst Du ein Rennrad." Da ich mich nicht erpressen lasse, habe ich mir selbst eines gekauft und erst einmal weiter geraucht, bis jemand anderes meinte, dass ich wahrscheinlich gar nicht aufhören könne und dass das auch nicht vernünftig sei.
Seitdem rauche ich nicht mehr, aber die Hügel hier in der Gegend kam ich trotzdem nicht hoch, ich war schon panikerfüllt, wenn es bei den Vereinsausfahrten hieß, dass man Hilberath oder Todenfeld hochfahren wolle. Ich komme halt aus dem Münsterland, habe in Bremen studiert, ewig in Schleswig-Holstein gewohnt: Man reiche mir Wellen und Wind und bleibe mir mit den Höhenmetern vom Leib. So richtig viel gefahren bin ich nicht, die Frauen im Verein drehten nur kleine Runden, die Männer waren zu schnell, allein kannte ich mich nicht aus und überhaupt...
Das wurde erst besser, als ein Bekannter 2003 mit einem Startplatz zum Alb-Extrem wedelte und meinte, klar könne ich das, ich hätte ja alle zeit der Welt. Deswegen bin ich dann jede RTF der Gegend gefahren, je mehr Höhenmeter desto besser, und immer die lange Strecke und natürlich bei jedem Wetter.
Dabei ist es dann weitgehend geblieben. Ich werde wohl nie mehr ein Bergfahrer, aber mmer nur flach fahren finde ich mittlerweile öde und die Gegend hier ist so verdammt schön...
Atalante