Frankenpedaleur
Rouleur
Radsport made in Russia
von Sebastian Moll (Pau)
Der Brauerei-Milliardär Oleg Tinkoff will die beste Zweirad-Equipe der Welt aufbauen - mit 30 Mio. Euro. Bereits 2009 soll das von Wladimir Putin initiierte Team bei der Tour de France mitfahren. Kritiker befürchten, dass reformwillige Mannschaften vom großen Geld verdrängt werden.
Das Gerücht kursierte schon seit Wochen in Radsportkreisen - nun ist es amtlich: Am Ruhetag der Tour de France präsentierte der russische Brauerei- und Restaurantmilliardär Oleg Tinkoff ein neues Radsportteam namens Katjuscha, das alle bisherigen Dimensionen sprengen soll.
30 Mio. Euro per anno, gab Tinkoff im Nobelhotel Villa Navarre im Pyrenäenferienort Pau bekannt, werden der Mannschaft in den kommenden neun Jahren zur Verfügung stehen, um "die größte und beste Formation der Welt" aufzubauen. Das übliche Budget für Profimannschaften auf Tour-de-France-Niveau liegt zwischen 8 und 12 Mio. Euro.
Tinkoff hatte aus seiner eigenen Tasche bereits eine in Italien lizenzierte Radsportmannschaft unterhalten, für die zunächst Fahrer wie der geständige Doper Jörg Jaksche sowie die überführten Betrüger Tyler Hamilton und Danilo Hondo angetreten waren. Tinkoff suspendierte die drei allerdings auf wachsenden Druck hin vor dem Giro d'Italia 2007.
Für die neue Mannschaft sollen es nicht weniger als die besten Fahrer der Welt sein: Topsprinter Robbie McEwen ist im Gespräch, ebenso der belgische Star Tom Boonen vom Team Quick Step, der vor wenigen Wochen wegen Kokainmissbrauchs bei einer Dopingprobe auffiel und deshalb bei der Tour nicht dabei sein darf.
Der ehemalige Paris-Roubaix- und Mailand-San-Remo-Gewinner Andrej Tschmil soll die Equipe als Sportdirektor führen. Auch der Schweizer Weltmeister Fabian Cancellara steht auf Tinkoffs Wunschliste. Unterschrieben hat bislang jedoch nur der belgische Sprinter Gert Steegmans. Obwohl Tinkoff behauptet, dass er keine Gehälter über Marktpreis zahlen möchte, bekommt Steegmans von Tinkoff doppelt so viel, wie er bei seiner bisherigen Mannschaft Quick Step verdiente. Das Ziel ist klar. "In zwei bis drei Jahren wollen wir den Tour-Sieger stellen", verkündete Tinkoff am Dienstag selbstbewusst.
Oleg Tinkoff, Tinkoff Credit Systems
Oleg Tinkoff, Tinkoff Credit Systems
Um das massive Budget für das neue Superteam aufzubringen, gelang es Tinkoff, die russischen Konzerne Gazprom, Itera und Ros Technologie an Bord zu holen. Mittler zwischen den Firmen und dem ehrgeizigen Radsportmagnaten war Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin, dem nachgesagt wird, auf allen Reisen ein Rennrad dabeizuhaben und es mit Begeisterung zu nutzen.
Gemeinsam wollen Tinkoff und Putin Russland zur großen Radsportnation machen. Katjuscha soll sich deshalb nicht nur um den Profisport kümmern, sondern auch um die Nachwuchsförderung und um den Frauenradsport. 15 Mio. Euro sollen in den Aufbau von Radsportschulen in Russland gesteckt werden. Direktor des gesamten Programms ist der frühere Rad-Weltcup-Sieger und jetzige Sportminister von Moldawien, Andrej Tschmil. Um die radsportlichen Ambitionen Russlands zu untermauern, setzen sich Tinkoff und Putin gleichzeitig dafür ein, ein Pro-Tour-Rennen nach Sotschi zu holen.
Unter den derzeitigen Profiteams beäugt man das Projekt Katjuscha - benannt nach einem russischen Raketenwerfer im Zweiten Weltkrieg - mit zwiespältigen Gefühlen. Ein neuer Investor ist angesichts der derzeitigen Probleme des Radsports zwar durchaus willkommen. Es bestehen allerdings andererseits Befürchtungen, dass das Unternehmen dem Reformprozess im Radsport nicht eben zuträglich ist. Hans-Michael Holczer vom Team Gerolsteiner etwa, der noch immer vergeblich nach einem neuen Sponsor sucht, wundert sich, was Tinkoff bewegt, mit so viel Geld in den Sport einzusteigen: "Für den Betrag mache ich Ihnen drei Mannschaften."
Vorbild für die Finanzierung ist offensichtlich das kasachische Team Astana, hinter dem ähnlich wie bei Katjuscha mehrere Staatskonzerne und ein einzelner radsportverrückter Macher stehen. Mit Astana aber hat man im Radsport jedenfalls keine besonders guten Erfahrungen gemacht. Im vergangenen Jahr wirbelte der Rennstall die Tour gleich mit zwei spektakulären Dopingfällen durcheinander, in diesem Jahr wurde ihm deshalb die Starterlaubnis verweigert. Vertreter eines neuen, sauberen Radsports befürchten nicht zu Unrecht, dass osteuropäische Investoren wie Tinkoff die Dopingkrise des Radsports ausnutzen, um groß einzusteigen, und dabei seriöse, reformwillige Teams verdrängen könnten.
"Oleg hat am Anfang den Radsport noch nicht richtig verstanden, ich kann nur hoffen, dass er sich an die neuen, ethischen Maßstäbe hält", sagt Jonathan Vaughters, einst Fahrer im berüchtigten Team US Postal um den siebenmaligen Toursieger Lance Armstrong und heute Direktor der am vehementesten dem sauberen Radsport verschriebenen Mannschaft Garmin-Slipstream. "Es gibt ja die Theorie, dass nur Kakerlaken den atomaren Winter überleben", mahnt Vaughters. "Hoffen wir, dass das im Radsport nicht passiert."
http://www.ftd.de/sport/:Tour%20France%20Radsport%20Russia/386199.html
von Sebastian Moll (Pau)
Der Brauerei-Milliardär Oleg Tinkoff will die beste Zweirad-Equipe der Welt aufbauen - mit 30 Mio. Euro. Bereits 2009 soll das von Wladimir Putin initiierte Team bei der Tour de France mitfahren. Kritiker befürchten, dass reformwillige Mannschaften vom großen Geld verdrängt werden.
Das Gerücht kursierte schon seit Wochen in Radsportkreisen - nun ist es amtlich: Am Ruhetag der Tour de France präsentierte der russische Brauerei- und Restaurantmilliardär Oleg Tinkoff ein neues Radsportteam namens Katjuscha, das alle bisherigen Dimensionen sprengen soll.
30 Mio. Euro per anno, gab Tinkoff im Nobelhotel Villa Navarre im Pyrenäenferienort Pau bekannt, werden der Mannschaft in den kommenden neun Jahren zur Verfügung stehen, um "die größte und beste Formation der Welt" aufzubauen. Das übliche Budget für Profimannschaften auf Tour-de-France-Niveau liegt zwischen 8 und 12 Mio. Euro.
Tinkoff hatte aus seiner eigenen Tasche bereits eine in Italien lizenzierte Radsportmannschaft unterhalten, für die zunächst Fahrer wie der geständige Doper Jörg Jaksche sowie die überführten Betrüger Tyler Hamilton und Danilo Hondo angetreten waren. Tinkoff suspendierte die drei allerdings auf wachsenden Druck hin vor dem Giro d'Italia 2007.
Für die neue Mannschaft sollen es nicht weniger als die besten Fahrer der Welt sein: Topsprinter Robbie McEwen ist im Gespräch, ebenso der belgische Star Tom Boonen vom Team Quick Step, der vor wenigen Wochen wegen Kokainmissbrauchs bei einer Dopingprobe auffiel und deshalb bei der Tour nicht dabei sein darf.
Der ehemalige Paris-Roubaix- und Mailand-San-Remo-Gewinner Andrej Tschmil soll die Equipe als Sportdirektor führen. Auch der Schweizer Weltmeister Fabian Cancellara steht auf Tinkoffs Wunschliste. Unterschrieben hat bislang jedoch nur der belgische Sprinter Gert Steegmans. Obwohl Tinkoff behauptet, dass er keine Gehälter über Marktpreis zahlen möchte, bekommt Steegmans von Tinkoff doppelt so viel, wie er bei seiner bisherigen Mannschaft Quick Step verdiente. Das Ziel ist klar. "In zwei bis drei Jahren wollen wir den Tour-Sieger stellen", verkündete Tinkoff am Dienstag selbstbewusst.
Oleg Tinkoff, Tinkoff Credit Systems
Oleg Tinkoff, Tinkoff Credit Systems
Um das massive Budget für das neue Superteam aufzubringen, gelang es Tinkoff, die russischen Konzerne Gazprom, Itera und Ros Technologie an Bord zu holen. Mittler zwischen den Firmen und dem ehrgeizigen Radsportmagnaten war Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin, dem nachgesagt wird, auf allen Reisen ein Rennrad dabeizuhaben und es mit Begeisterung zu nutzen.
Gemeinsam wollen Tinkoff und Putin Russland zur großen Radsportnation machen. Katjuscha soll sich deshalb nicht nur um den Profisport kümmern, sondern auch um die Nachwuchsförderung und um den Frauenradsport. 15 Mio. Euro sollen in den Aufbau von Radsportschulen in Russland gesteckt werden. Direktor des gesamten Programms ist der frühere Rad-Weltcup-Sieger und jetzige Sportminister von Moldawien, Andrej Tschmil. Um die radsportlichen Ambitionen Russlands zu untermauern, setzen sich Tinkoff und Putin gleichzeitig dafür ein, ein Pro-Tour-Rennen nach Sotschi zu holen.
Unter den derzeitigen Profiteams beäugt man das Projekt Katjuscha - benannt nach einem russischen Raketenwerfer im Zweiten Weltkrieg - mit zwiespältigen Gefühlen. Ein neuer Investor ist angesichts der derzeitigen Probleme des Radsports zwar durchaus willkommen. Es bestehen allerdings andererseits Befürchtungen, dass das Unternehmen dem Reformprozess im Radsport nicht eben zuträglich ist. Hans-Michael Holczer vom Team Gerolsteiner etwa, der noch immer vergeblich nach einem neuen Sponsor sucht, wundert sich, was Tinkoff bewegt, mit so viel Geld in den Sport einzusteigen: "Für den Betrag mache ich Ihnen drei Mannschaften."
Vorbild für die Finanzierung ist offensichtlich das kasachische Team Astana, hinter dem ähnlich wie bei Katjuscha mehrere Staatskonzerne und ein einzelner radsportverrückter Macher stehen. Mit Astana aber hat man im Radsport jedenfalls keine besonders guten Erfahrungen gemacht. Im vergangenen Jahr wirbelte der Rennstall die Tour gleich mit zwei spektakulären Dopingfällen durcheinander, in diesem Jahr wurde ihm deshalb die Starterlaubnis verweigert. Vertreter eines neuen, sauberen Radsports befürchten nicht zu Unrecht, dass osteuropäische Investoren wie Tinkoff die Dopingkrise des Radsports ausnutzen, um groß einzusteigen, und dabei seriöse, reformwillige Teams verdrängen könnten.
"Oleg hat am Anfang den Radsport noch nicht richtig verstanden, ich kann nur hoffen, dass er sich an die neuen, ethischen Maßstäbe hält", sagt Jonathan Vaughters, einst Fahrer im berüchtigten Team US Postal um den siebenmaligen Toursieger Lance Armstrong und heute Direktor der am vehementesten dem sauberen Radsport verschriebenen Mannschaft Garmin-Slipstream. "Es gibt ja die Theorie, dass nur Kakerlaken den atomaren Winter überleben", mahnt Vaughters. "Hoffen wir, dass das im Radsport nicht passiert."
http://www.ftd.de/sport/:Tour%20France%20Radsport%20Russia/386199.html