Die Franzosen leben in einem äußerst abwechslungsreichen und schönen Land. Dazu haben sie auch noch mehr Sonne, höhere Berge, schönere Küsten, ein besseres Verhältnis zum Essen und den natürlichen Produkten. Die besseren Straßenkarten und die zuverlässigere und logischere Beschilderung haben sie sowieso. Ich bin mir nicht immer sicher, ob sie das auch alles verdient haben. Sei’s drum, bin trotzdem gern und häufig dort.
Warnen muss ich aber vor der oben angepriesenen Ecke am Mittelmeer, kurz vor Spanien – dem Katharrerland, dem Roussillion oder, anders gesagt, den Departements Aude und Pyrenées Orientales. Da ist es nicht schön. Und wenn man schon so weit gefahren ist, kann man eigentlich gleich weiter nach Spanien fahren. Da ist’s noch wärmer und der Wein ist billiger.
Außer an der Küste ist im Übrigen selbst im Sommer nicht besonders viel los, und im Gegensatz zu ihren Landsleuten auf der anderen Pyreneenseite fordern die Einheimischen auch nicht die Beherrschung der katalanischen Sprache, sondern belassen es beim südfranzösisch gefärbten Dialekt.
Okay, es gibt natürlich Straßen. Diese winden sich hoch und runter in wechselnder Qualität und von Autofahrern bevölkert, für die wir nicht die ersten Cyclistes ihres Lebens waren. Die kleinen Pässe werden ohnehin nur von wenigen befahren. Große Namen sind zwar nicht darunter (unter den Pässen meine ich), aber viele starten nicht viel über NN, so dass schon einiges an Höhenmetern zusammenkommen kann.
Montauriol, Mairie; Skulptur v. Peter Weiß
Unter Schmerzen erklommen: Col de la Brousse
Der eine oder andere Fotostop musste sein: unten Céret, hinten la mediteranée
Tauromaquia
Und erneut anders als bei den südlichen Katalanen werden in Frankreich auch noch Stiere am Nachmittag getötet. Ein Brauch, den man nicht lieben muss, der mich persönlich aber seit meiner ersten Corrida in den Bann gezogen hat. Letztes Jahr begab es sich zufällig, dass wir genau zur Zeit der jährlichen Féria in unserem Feriendomizil Céret waren. Ein mehrere Tage dauerndes Straßenfest mit vielen, vielen Bandas und Bands sowie DJs, noch mehr Bier und Wein. Ab Nachmittag füllte sich dann der kleine aber doch urbane Ort mit jüngeren und älteren Leuten. Vom 14. Juli war nur wenig zu merken, aber das Finale der FIFA WM wurde natürlich von vielen verfolgt und gefeiert. Trotz des vielen Alks und lautstarker Gelassenheit blieb die ganze Veranstaltung, so weit wir das mitbekamen, friedlich.
Féria de Céret
Wie zurückgeblieben die ganze Gegend ist zeigt sich auch in vielen uralten Bauten, die schon längst gegen schöne moderen getauscht hätten werden sollen. Insbesondere Freunde archaischer Romanik könnten auf ihre Kosten kommen und müssen zur Strafe massenweise Klöster, Abteien, Priorate und Kirchen aufsuchen. Wenn man auch noch die andere Seite der Grenzen einbezieht, hat man ziemlich viel zu tun und zu besichtigen. Nicht schön, das. Unter anderem entstammt der Meister von Cabestany der Gegend und wirkte auch hier – ein Name, den man sich nicht merken muss, weil der ist schon lange tot.
Meister von Cabestany – hier eine Kopie in Sant Pere de Rodes
Überall Machwerke unbeholfenen Kunstwillens, oft nicht grundlos irgendwo weit oben versteckt und nur nach schweißtreibenden Märschen zu erreichen.
Saint Michel de Cuxa
Tür einer kleinen Kapelle kurz vorm Col de Xotard
Schwachsinnigerweise wurden dann auch noch die oben schon erwähnten Burgen, auf denen zeitweilig die ketzerischen Katharer ihr Unwesen getrieben haben, so unwegsam auf die Grate gestellt, dass die zu erzielenden Einnahmen sicher hinter vernünftig in die Ebene gesetzten Burgen zurückbleiben.
Aude/Corbières – Blick von Peyrepertuse auf Quéribus
Céret, Pont de Diable
Noch nicht erwähnt habe ich die Küste, die im Norden aus langen Sandstränden und Feriensiedlungen besteht, zur spanischen Grenze hin unpraktisch felsig wird, so dass die Küstenstraße immerhin während der französischen Sommerfereien schön stauig wird und die ansonsten alten Küstenorte Collioure, Port Vendres, Banyules und Cérbère mit vielen Touristen und wenig freien Parkplätzen zum lohnenden Ziel werden.
Kurz gesagt: Frankreich hat wirklich schöne Ecken, aber das Roussillon ist nicht ohne Grund das noch relativ unbekannte Anhängsel der Region 'Langedoc/Roussillon'. Damit das so bleibt, vor allem im Hinterland, nehmt meine Warnung ernst, fahrt in die Provence oder an die Atlantikküste